Beiträge von Decima Valeria

    "Ich...aber...WARUM?"


    Valeria sah ihn nur fassungslos an. Sie zitterte, riss ihre Hand aus der seinen. Was tat er ihr damit an? Den Schein wahren, das Kind nicht akzeptieren, der Weg...ein Skandal!
    Sie igelte sich ein, nicht nur körperlich, sondern auch gefühlsmäßig. Er war feige, so feige! Wollte sie so einen Mann? Wollte sie ihn ehelichen, wenn er bereit dazu war? Wollte er denn sein eigenes Kind adoptieren? Valeria presste die Augen zusammen und ihre Hände gegen ihre Brust. Nein. Da wollte sie nicht drüber diskutieren. Warum wollte er den Weg der Lüge gehen? Warum nicht nur öffentlich diesen Weg einschlagen? Nie wieder würde sie ihn spüren, mit ihm glücklich sein, allein sein! Was tat er ihr an, mit diesen wenigen dahergesagten Worten!


    Und doch....tief in sich drin wusste sie, dass es wohl die einzige Möglichkeit war. Dass es logisch und sinnvoll war.
    Sie öffnete die Augen wieder und sagte:
    "Erwarte nicht von mir, dass ich mich jetzt entscheide."

    Er führte sie zu einem Sessel, setzte sie hin. Valeria wollte eigentlich gehen. Und doch wollte sie nicht. Sie kam sich mehr als fehl am Platze vor und außerdem war da die drückende Enge um ihren Brustkorb herum. Beklemmung. Sie faltete die Hände im Schoß, doch Maximian nahm schon bald eine der Hände in seine. Sie wünschte sich, es möge nicht nur die Hand sein. Sie wünschte sich, sie wäre so klein, dass sie in seine Hand passen würde, damit er sie halten konnte. Und zugleich wollte sie allein in ihrem Cubiculum sitzen und nichts tun. Hinausstarren.
    Es war also nicht einfach. Fast hätte Valeria gelacht. Und das sagte er ihr? Dass es nicht einfach war? Valeria schluckte, hörte ihm aber ansonsten zu, was er zu sagen hatte. Gehen konnte sie immer noch, wenn sie wollte oder... oder die Situation es erforderte.

    Valeria senkte den Kopf und blickte zu Boden, damit er die Enttäuschung in ihren Augen nicht sehen konnte. Eben noch hatte er ihre Wangen geküsst. Dann kamen diese Worte. Sie wurde nicht schlau aus ihm.
    Nach einer sehr langen Zeit hob sie den Kopf. Die Tränen waren getrocknet und ihr Gesicht verriet keinen Gedanken hinter ihrer Stirn.


    "Ja. Ich gehe dann wohl besser wieder. Es ist nicht gut, wenn man uns weiterhin zusammen sieht", brachte sie mechanisch und gefühlslos hervor.
    Wenn er schon nicht die Kraft hatte, dann wollte sie wieder stark sein für sie beide. Auch wenn das bedeutete, dass ihr Herz langsam starb.

    Es rührte Valeria zutiefst, dass er sie plötzlich mit feuchten Augen ansah. Sie bekam ein zaghaftes Lächeln hin und dann fand sie sich ganz pltzlich in seinen Armen wieder, sog seinen Duft ein und legte unwillkürlich die Arme um seine Taille. Mit sanften Bewegungen fuhr sie seinen Rücken hinauf und hinunter, suchte ihn so zu trösten. Er tat ihr so leid. Und sie hatte ihn angelogen. Verstand er den Grund? Würde er ihr verzeihen?


    "Ich durfte es nicht sagen, Liebster... Ich durfte nicht. Es hätte alles zerstört. Ich hätte fort gemusst. Fort von dir. Ich wäre ein Niemand gewesen. Und dann...in Rom... Ich habe Meridius getroffen und ihm alles erzählt. Er sagte mir, dass ich es keinem sagen darf, auch dir nicht. Er sagte, es würde einen Weg geben..."


    Valeria weinte nun auch und schmiegte ihren Kopf unter Maximians Kinn an seine Brust.


    "Ich habe mich so schlecht gefühlt, so schuldig, wenn du dir Gedanken gemacht hast, weil ich vorgab, deine Cousine zu sein. Alles in mir hat geschrieen und wollte dir die Wahrheit erzählen. Aber....aber ich konnte nicht. Ich durfte es nicht....."


    Sie hob den Kopf und sah zu ihm hinauf.


    "Und nun weißt du es und es ändert nichts an der Tatsache, dass du...du...."
    Sie schluchzte und flüsterte leise weiter.
    "...mich nicht mehr willst."

    Valerias Augen blickten ihn überrascht an und ihr Herz setzte kurz aus, um dann augenblicklich schneller und fester zu schlagen. Meridius hatte es ihm erzählt! Valeria sprang auf, konnte sich einfach nicht zurückhalten. Doch den Drang, Maximian zu umarmen, dem widerstand sie. Stattdessen ging sie im Zimmer auf und ab und nestelte an ihren Fingern herum.


    "Ja! Ich wollte es dir sagen, aber...aber... Meridius und... Es tut mir so leid und..."


    Dann blieb sie stehen, vielleicht eine Armlänge von ihm entfernt, und sah ihn ängstlich an. Sie wusste ja nicht, was er dachte.

    Valeria musterte Maximian. Er sah aus wie...als... Sie schüttelte innerlich den Kopf. Gab es da ein Wort für? Überfahren? Niedergeschlagen? Niedergemacht vielleicht? Sie wusste es nicht. Aber er sah einfach nur absolut miserabel aus. Trotzdem sah sie keinen Grund, Maximian zu erzählen, was sie mit Meridius besprochen hatte, zumal sie ja auch nicht wusste, ob er es ihm schon erzählt hatte oder nicht.
    "Warum willst du das wissen?" fragte sie daher leise.

    Valeria sagte nichts, schloss aber due Tür und setzte sich in den Korbsessel, der am weitesten von Maximian entwernt und am nächsten zur Tür war. Irgendwie war sie schon gespannt, was er ihr zu sagen hatte, wenngleich sie auch ziemlich traurig war.

    Valeria fand es nicht sonderlich höflich, dass er so handelte, wie er es tat. Aber nach einer Weile folgte sie ihm schließlich zumindest bis zur Tür seines Cubiculums. Dort verhielt sie und sah seinen Rücken an, denn er hatte sich auf die Kommode gestüzt und schien nachdenklich und verzweifelt zu sein. Sie räusperte sich leise, um anzugeben, dass sie da sei, und spielte leicht nervös mit ihren Händen. Die Tür war noch offen und bildete die letzte Fluchtmöglichkeit für Valeria in diesem Moment.

    Nun war Valeria vollkommen durcheinander. Sie blinzelte verwirrt und fragte nach.
    "Ähm....Meridius? Ich glaube, ich verstehe dich nicht. Warum siehst du es nicht gern, wenn ich nach Rom gehe? Es sind nur wenige Tage, die ich dort bleiben würde. Ich möchte mich wirklich nur zur Discipula ernennen lassen und dann wieder nach Hause kommen. Schließlich kann ich die Schola auch nicht so lange ohne Vertretung lassen."

    "Oh", sagte Valeria nur bestürzt.
    Sie hatte angenommen, dass er ihr Vater war. Und dann hatte sie erfahren, dass er es nicht war. Und nun...nun war er tot. Aber für Romanus würde sie noch immer die große Schwester bleiben. Und als diese hatte sie auf ihn aufzupassen. Sie nickte.
    "Das...das tut mir leid.. Ich meine....er war dein Halbbruder, nicht? Hat man denn nichts mehr für ihn tun können?"


    Sie seufzte.
    "Und was Rom angeht...ich werde trotzdem für wenige Tage hinfahren. Mein Entschluss steht fest; ich möchte Discipula werden und Fortuna dienen." Auch, wenn sie Meridius damit wohl nun nicht mehr beeindrucken konnte.

    Valeria hatte gerade das Mittel gegen die Übelkeit eingenommen und erschrak nun, als sie Meridius hörte. Sie legte das Säckchen in eine Schublade zurück und sagte laut:
    "Ja. Komm herein."

    Er sah schrecklich aus. Sie fragte sich, was wohl geschehen sein mochte. Ob er bei Meridius gewesen war? Nach einer Ewigkeit sah er sie dann endlich an. Valeria starrte nur, unfähig, sich zu bewegen. Ihr Blick ging direkt in seine Augen und schien in seine Seele zu blicken. Dann holte sie Luft und erwachte aus der Starre. Sie warf Maximian einen unmissverständlichen Blick zu. Das konnte so nicht weitergehen. Sie mussten reden, und zwar jetzt.


    "Maximian..." flüsterte sie, nun wieder zu Boden sehend.

    ....und in genau diesem Moment hatte sich Valeria dazu entschlossen, dass sie frische Luft brauchte. Sie wollte spazieren gehen, sich ablenken, nachdenken...
    Nun aber öffnete sie die Tür zu ihrem Cubiculum - und stand wieder einmal vor Maximian, der ziemlich fertig aussah. Sie fror ein in ihrer Bewegung und starrte ihn an.