Beiträge von Decima Valeria

    Auf ihrem Weg in den Garten kam Valeria nun ins Peristyl. Sie ging einige sehr leise, langsame Schritte hindurch, blieb dann leicht irritiert stehen, als sie ein Schniefen hörte. Oder zumindest irgendetwas in der Art. Prüfend sah sie sich um, zuckte mit den Schultern und ging weiter, als sich das Geräusch nicht wiederholte. Sicher hatte sie sich verhört.


    Sie hielt den Kopf gesenkt und war sehr verblüfft, als sie um eine größere Säule herumging und plötzlich Maximian vor ihr kauerte. Er weinte und sah ziemlich mitgenommen aus. Im ersten Moment wollte Valeria schlicht weitergehen und sich nicht um ihn scheren, aber das konnte sie nicht. Nach allen bösen Worten liebte sie diesen Kerl schließlich doch. Also blieb sie seufzend stehen, ging vor ihm in die Hocke und legte ihm in einer langsamen, sanften Bewegung eine Hand auf die Schulter. Vorsichtig drückte sie sie zusammen.


    "Wie geht es dir?" fragte sie ruhig und behutsam.
    Alle Wut war mit einem Mal verflogen. Sie würde ihn in den Arm nehmen, wenn er nur wollte. Es würden sowieso bald alle wissen, dass sie sich liebten, also störte es sie nicht mehr, dass man sie so vertraut hier zusammen sah.

    Valeria erschein wohl als erste, denn Meridius stand allein im Atrium. Sie schluckte. Hoffentlich wollte er nicht jetzt mit ihr sprechen. Trotzdem ging sie auf den Mann zu.


    "Salve, Meridius. Du sagtest, wir träfen uns zum Essen? Wer kommt denn noch?"

    Valeria schäumte vor Wut. Was redete er da für einen Unsinn? Oder war es am Ende gar kein Unsinn? Sie setzte sich auf einen Korbsessel und starrte hinaus. Konnte es denn sein, dass sie sich so getäuscht hatte in Maximian? Eine einzelne Träne rollte über ihre Wange. Unbewusst hatte sie sich eine Hand auf den noch flachen Bauch gelegt. Vielleicht war sie auch gar nicht schwanger... Apollonius war sich nicht vollkommen sicher. Sollte sie sich nun an diesen einen Halm klammern? Oder sollte sie akzeptieren, was sie schon längst wusste?


    Sie seufzte und kugelte sich auf dem Sessel zusammen. Vielleicht....wenn er etwas Zeit zum Nachdenken hatte.... Er hatte doch nur überreagiert....hoffentlich. Sicher sah er alles anders, wenn er sich den Worten richtig bewusst geworden war, die sie ihm gesagt hatte. Ihr fiel ein, dass sie ihn nicht mehr nach seinen Sorgen hatte fragen können.


    Valeria hatte sicherlich eine Stunde lang dort gesessen und nachgedacht. Dann hielt sie es nicht mehr aus in ihrem Cubiculum. Sie stand auf und wollte in den Garten gehen. Doch bis dahin kam sie gar nicht mehr, denn sie blieb im Peristylium hängen....

    Heiße, trotzige Tränen rannen über ihre Wangen zu ihrem Kinn und tropften herunter, durchnässten ihre Tunika. Doch sie riss sich zusammen und zeigte es nicht. Als sie geendet hatte, war es still in ihrem Cubiculum; und sie konnte nur an seinen raschen Atemzügen hören, dass Maximian noch hier war. Sie widerstand der Versuchung, sich herumzudrehen, sah stattdessen aus dem Fenster. Sie hatte leichte Bauchschmerzen, aber das war inzwischen fast schon etwas Normales, wenn sie sich so aufregte.


    Es hatte nichts mit Liebe zu tun. Unsittsam. Ein normales Kind.
    Maximian hatte ja keine Ahnung! Für ihn war Valeria Schuld an allem. Sicher wünschte er sich, dass es niemals so weit gekommen war. Sie war unsittsam geworden, weil sie ihren Cousin liebte, der nicht ihr Cousin war. Und sie konnte ihm das nicht einmal sagen, weil Meridius sie sonst vermutlich umbringen würde. Oder sogar schlimmeres. Hilflos ballte sie die Hände zu Fäusten. In diesem Moment hasste sie Meridius so sehr, dass sie es beinahe allein aus Trotz erzählt hatte, doch da hörte sie Maximians Schritte schon, die sich der Tür näherten.
    Valeria drehte sich um und sah Maximian enttäuscht, hasserfüllt und verletzt an.


    "Ja, lauf weg, du Feigling! Du redest von Liebe und weißt scheinbar nicht einmal, dass dazu auch gehört, dass man zueinander steht und sich hilft. Geh nur, lass mich allein.
    Niemals hat mich ein Mensch so sehr enttäuscht wie du. Niemals."


    Und damit wandte sie sich ruhig um, ihre Brust bebte und ihre Hände waren schwitzig. Ihr Herz war nur mehr ein schmerzhaft zusammengezogener Klumpen in ihrer Brust, in ihrem Hals befand sich ein Kloß und sie weinte. Valeria blieb stehen, wo sie war. Mit dem Rücken zu Maximian und einem vor Enttäuschung beinahe gebrochenen Herzen im Leib.

    Valeria blinzelte. Sie fühlte sich mit einem Mal schmutzig. Am liebsten wären sie weggelaufen, aber sie konnte sich nicht bewegen. Also blieb sie vor ihm hocken und starrte ihn nur an. Warum verhielt er sich so? So abweisend, kalt, lieblos? Sie hatte ihm doch nichts getan?! Es war doch nicht ihre eigene, alleinige Schuld! Cousine...er hatte das Wort ausgespuckt, als sei es etwas Widerwärtiges. Valeria schluckte. Und dann fuhr er fort, bezeichnete das Kind als Schande für die Familia. Nun war es zuviel. Ruckartig stand Valeria auf, zornesrot im Gesicht.


    "Ja, das ist typisch Mann! Erst Spaß haben wollen und dann nicht die Konsequenzen tragen, ja? Und dann das Kind als Schande bezeichnen. Ist es das, Maximian? Ist es nicht eher eine Schande, dass du mich liebst und es nun plötzlich nicht mehr wahrhaben willst? Ich bin deine Cousine, ja, aber das hast du von Anfang an gewusst! Nur hat es dich ebenso wenig wie mich interessiert! Was ist nur los? Wo ist der verantwortungsbewusste junge Mann, den ich kennengelernt habe? Stattdessen sitzt mir nun ein kleiner Junge gegenüber, der sich drücken will und Angst hat!"


    Sie fuhr herum und stürmte zum Fenster. Langsam stabilisierte sich ihr Atem wieder, heiße Tränen der Enttäuschung flossen über ihre Wangen. Ihre Stimme zitterte und ihr Herz schmerzte, als sie nun sagte:
    "Verschwinde hier, Maximian. Ich will allein sein."

    Valeria starrte ihn an, sah ihm zu und zuckte leicht zusammen, als er sie so anfuhr. Hatte sie Hass in seiner Stimme gehört? Oder Wut? Es war so schwer zu unterscheiden! Sie sprang auf und machte eine wütende Geste.


    "Sag mir nicht, was ich verstehe und was nicht!", polterte sie, ihre Stimme scharf wie ein Messer.
    "Ich habe die Mahnungen und Zurechtweisungen ebenso gehört wie du! Glaubst du denn, ich hätte mir keine Gedanken darüber gemacht, was geschehen würde, wenn wir nicht aufhören würden, miteinander zu schlafen? Ich WUSSTE, dass es nicht richtig war und dass es Folgen haben konnte. Ich kann dir nicht sagen, ob das Kind deformiert auf die Welt kommen wird oder in seinem Geiste immer ein Kind bleibt. Aber was ich ihm sagen kann, ist dass es aus Liebe entstanden ist und ich nicht eine einzige Minute in deiner Nähe bereue. Und es wird wissen, wer sein Vater ist."


    Sie ging zu Maximian hinüber und ging vor ihm in die Hocke. Aus großen, sanften Augen sah sie zu ihm auf, hoffte, den liebevollen Ausdruck zu erkennen, den sie lieben gelernt hatte.


    "Ich weiß, dass es schwer für dich ist, das zu begreifen, Maximian. Aber es ist nicht mehr zu ändern. Du bist der erste, der es erfährt. Ich war dumm, ich war bei deiner Mutter und sie ahnte etwas in dieser Richtung. Dein Lehrer hat mich untersucht und mir gelobt, Verschwiegenheit zu bewahren. Meridius wird mich fragen, was an der Übelkeit dran ist. Ich kann ihn nicht belügen; er ist dein Vater und der Pater Familias. Es wird schwer und ich werde deine Hilfe brauchen, um nicht vor Kummer zu vergehen. Wirst du mir beistehen?"

    Valeria saß auf dem Bett wie geschlagen. Sie starrte Maximians Rücken an. Wie töricht war sie, dass sie dachte, er würde sich freuen! Natürlich tat er das nicht, er war noch nicht einmal siebzehn und in wenigen Wochen würde er nach Germania gehen. Doch sie weinte nicht. Selbst dazu war sie in diesem Moment zu enttäuscht. Stattdessen starrte sie seinen Rücken an, während ihre Gedanken rasten. Er wollte das Kind nicht, wollte, dass es nur ein Ammenmärchen war.
    Ganz langsam hob Valeria den Kopf und sah ihm in die Augen, als er sich herumgedreht hatte. Die Hände lagen locker in ihrem Schoß und ihr Ausruck war steinern.


    "Es ist aber wahr", sagte sie trocken.

    "In Ordnung"; sagte Valeria und erhob sich nun ebenfalls.
    "Es war schön, dass du da warst, Adria. Und ich hoffe doch, dass wir in Kontakt bleiben. Ich wünsche dir eine gute Heimreise nach Italia, wenn du abreist. Vale."


    Valeria begleitete sie noch hinaus, dann schloss sie dir Tür, setzte sich und trank an ihrem Becher Wasser weiter. Sie würde sofort anfangen, eine Bibliothek einzurichte.

    "Ich bin schwanger", wiederholte sie.
    "Du wirst Vater."


    Sie strahlte ihn an, verdrängte die Ungläubigkeit und scheinbare Ablehnung in seinen Augen und seiner Stimme. Valeria legte den Kopf schief und seufzte tief, während ihr Blick sein Gesicht abtastete. Dann kam sie seinen Lippen wieder näher, um ihn glücklich zu küssen.....

    Valeria wartete einen Moment, dann schlang sie die Arme um Maximian und drückte sich selbst ganz dicht an ihn. Ihre Lippen waren an seinem Hals, sie küsste ihn ein, zweimal, dann hob sie den Kopf, bis ihr Mund an seinem Ohr war.


    "Ich liebe dich", flüsterte sie, ehe sie sich zurückzog und mit dem Gesicht dicht vor seinem verhielt. Sie lächelte zärtlich und hob die Hände, um sie um Maximians Wangen zu legen. Ihre Augen sahen in die seinen und schienen darin zu versinken. Doch ehe es soweit war, flüsterte sie auch schon die nächsten Worte.


    "Ich bin schwanger, Maximian."

    Valeria lehnte sich leicht an ihn und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Ihn bedrückte nichts und trotzdem war er so seltsam? Sie sah ihn grübelnd an und bekam große Augen, als er von seiner Mutter anfing. Hatte sie ihm etwa erzählt, was sie vermutet hatte? Valerias Lippen wurden zu einem blutleeren Strich, während sie Maximain so musterte. Doch dann nickte sie.


    "Ja, das sollten wir. Ich habe auch eine Neuigkeit für dich."


    Sie würde es ihm erzählen, denn wenn Severa ihm ihre Vermutung sowieso mitgeteilt hatte, würde es über kurz oder lang auch Meridius erfahren. Und der Vater hatte ein Recht, es vor seinem Vater zu erfahren.


    "Du zuerst", lächelte sie warm und strich ihm durch die Haare.

    Nun strahlte sie nicht mehr so. Eher sah sie Maximian verdattert und kurz darauf forschend an.


    "Nicht?" fragte sie leicht verwirrt. Dann schüttelte sie den Kopf. Es war sicher nichts, worüber sie sich Gedanken machen sollte. Dennoch fragte sie sich, deshalb Maximian sich so seltsam benahm. Und nach seiner Frage nach dem Grund ihres Glücklichseins entschied sie sich, es ihm doch zu sagen. Sie erhob sich und ging zu Maximian, setzte sich neben ihn aufs Bett.


    "Ja, das bin ich auch. Aber du siehst nachdenklich aus. Was bedrückt dich?"

    "Ahja? Naja gut... Magst du reinkommen?"
    Valeria trat an Maximian vorbei und ging in ihr Cubiculum. Sie strahlte regelrecht. Sollte sie es ihm sagen? Sie überlegte...Hmmmm........
    Inzwischen war das Erbrochene verschwunden und alles nett und ordentlich aufgeräumt. Valeria setzte sich in einen Korbsessel und grinste Maximian an, nachdem dieser die Tür geschlossen hatte.
    "Also, Liebster, was gibt's? Kannst du nicht mehr bis zur Nacht warten?"

    Valeria hatte inzwischen Iuno geopfert, Romanus schlafend auf einer Bank im Hortus gefunden und zum Lernen geschickt und war nun auf dem Weg zurück in ihr Cubiculum. Maximian stand davor, die Hand zum Klopfen erhoben. Valeria lächelte.


    "He, was machst du denn hier?" fragte sie gut gelaunt.

    "Ach, das reicht aber dick", sagte Valeria und nickte.
    "Brot und Käse, Wein und Trauben, mehr brauchen wir ja nicht, was die Verpflegung angeht. Die Räumlichkeiten sind ja vorhanden. Und die Idee mit den verbilligten Cursi als Lockmittel für die Privinzscholae hier und in Germania findest du nicht gut, hm? Naja, ich denke, mit einem Fest dürften wir auch gut Aufsehen erregen."

    Valeria nickte und hatte schon ein kleines Fest vor Augen.
    "Nein, eine Vertretung habe ich nicht...aber ich bleibe ja wie gesagt auch nicht lange fort."


    Sie lächelte Adria an und sah ihr dann dabei zu, wie sie eine Wachstafel mit Norizen beschrieb, die Valeria später aushängen sollte. Schüler bei unbeantwortbaren Dissertationsfragen an Rector überweisen. Gut.


    "Noch mal zu dem Fest... Kannst du mir einen finanziellen Rahmen nennen? Ich meine, es müssen Essen und Getränke gekauft werden." :)