Beiträge von Decima Valeria

    Valeria verwunderte es, dass der Soldat sie Eques nannte. Das kam sehr selten vor, auch wenn man ihr den Ritterstand zwar ansah, sie doch aber meist mit 'Sacerdos' ansprach. Sie war vor kurzem erst zurück gekommen von den Tempeln und war deshalb etwas verwundert, dass so eine Geschäftigkeit im Lager herrschte. Was der Optio da erzählte, verblüffte sie. Valeria blinzelte und sagte dann:


    "Ach herrje. Ich bin eben erst aus dem Tempelbezirk zurückgekommen. Mir ist nicht einmal etwas aufgefallen, bis auf die Tatsache, dass die Wachen viel mehr auf die Passierscheine geachtet haben.... Gibt es Verletzte? Und ist Miriam allein hier oder wird sie bewacht?"

    Weinen konnte sie nicht mehr. Ihre Augen taten schon weh von der vielen Tränenflüssigkeit, die sie in der vergangenen Stunde vergossen hatte, und waren dick und gerötet. So lief Valeria allein und im Dunkeln zu einer kleinen Laube, in die sie sich hineinsetzte und von dort in die Dunkelheit starrte, die sie umgab; durch nichts weiter durchbrochen als den wenigen Fackeln, die brannten, um den Tempel zu beleuchten. Vereinzelte Lichtpunkte der Fackeln flackerten in ihren Augen. Valeria war nicht hier, sie war in Tarraco, bei Mummia, Aurelius und ihrem Käse. Und sie war mit Maximian dort. Sehr genau erinnerte sie sich noch daran, wie Aurelius die beiden für ein Ehepaar gehalten hatte, wie sie in einem Zimmer hatten übernachten dürfen, nachdem Max vom Pferd gestürzt war und das Gedächtnis verloren hatte. Somit hatte alles seinen Lauf genommen und die vermeintlichen Cousin und Cousine waren sich näher gekommen. Wieder in der heimnischen Casa, mussten sie ihre Beziehung geheim halten. Es war wohl Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet Livianus die beiden in flagranti erwischt hatte.


    Entfernt tat es einen Schlag, als ein Blitz einen Baum spaltete. Man konnte Schafe blöken hören und ein Kleinkind weinte. Es hatte angefangen zu regnen, ein Gewitter war aufgezogen und sanfter, warmer Sommerregen prasselte auf das Dach der kleinen Gartenlaube nieder. Valeria hatte es nicht einmal bemerkt. Nun zuckte sie erneut zusammen, als die warme Luft auf kältere traf und ein Donnergrollen auslöste, das sich hören lassen konnte. Die kleine graue Katze, die Iuno ihr in Rom gesendet hatte, war inzwischen ausgewachsen und streunte meist bei den Tempeln herum. Plötzlich gewahrte Valeria ein Schnurren von ihrem Schoß und als sie an sich herunter sah, erblickte sie graues Fell und eine rosane Katzennase, die Valerias Hand auffordernd anstupste.


    Nun kamen ihr doch wieder die Tränen, als sie die noch immer namenlose Katze kraulte und daran dachte, worum sie Iuno in Rom gebeten hatte. Es war um Germanien gegangen, aber auch um Maximian und darum, dass ihre Liebe nicht erkaltete wie ein stehen gelassener Pudding. Und was war daraus geworden? Valeria schluchzte und presste die Katze fest an sich.


    "Warum musste er ausgerechnet jetzt kommen? Warum nur? Warum hat er sich nicht gemeldet, warum hat er mich in der Luft hängen lassen, warum..... Warum nur?" flüsterte sie der Katze zu, die Valeria nur aus großen bernsteinfarbenen Augen ansah und zufrieden schnurrte.

    Valeria sah ihm kopfschüttelnd nach. Sie verstand nicht, warum er so ein Theater aus dem allen machte. Sicherlich, sie hatte vollkommen überreagiert, andererseits waren viele Dinge in letzter Zeit auf einmal auf sie eingestürmt. Und ihre Reaktion war nichts anderes als die Gegenreaktion auf die Worte des Senators gewesen. Valeria trat an einen Baum heran und legte die Hände auf die rauhe Rinde. Das war noch nicht das Endspiel gewesen, dachte sie bei sich. Einen Moment blieb sie noch da stehen, wünschte sich, dass Livianus doch hier gewesen wäre, und fragte sich, wo er blieb und ob es gar Absicht war, dass er sie hier mit Meridius allein gelassen hatte. Dann wandte sie sich um und ging auf ihr Zimmer.

    Die Sonne war schon vor einiger Zeit untergegangen, da hockte Valeria noch immer dort. Eine Popa kam und legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter, doch Valeria registrierte es nur am Rande, blickte kurz auf und warf der jungen Frau ein weinendes Lächeln zu, dann entfernte sich die Popa und Valeria erhob sich mit steifen Gliedern. Statt ins Praetorium zu gehen, ging sie langsam in den dunklen Tempelpark. Das Praetorium war momentan der Ort, an dem sie am wenigsten sein wollte.

    Valeria hörte sich auch noch die Aufzählung Meridius' an, schüttelte aber den Kopf, als er geendet hatte, und entgegnete lediglich kühl:
    "Nein, Meridius. Ich wohne hier, du bist der Gast. Wenn du mich nicht mehr zu sehen wünschst, steht es DIR frei, zu gehen."

    Zitat

    Original von Decima Valeria


    Für eine Einheit Schafskäse? 8o
    Das wären ja....*rechne*....10.200 Sesterzen!! :D


    edit: He, editieren ist gemein! :D


    edit2: Määh, nu bin ich auf zitieren statt editieren gekommen. :fad:

    Zitat

    Original von Medicus Germanicus Avarus
    Ich biete dir für 120 Stück zusammen 85 Sesterzen. :D


    Für eine Einheit Schafskäse? 8o
    Das wären ja....*rechne*....10.200 Sesterzen!! :D

    Valeria verzog den Mund.


    "Und du kommst aus einer besseren Familie? Bis vor zwei Generationen waren die Decimer ein Nichts, Meridius. Niemand kannte ihren Namen. Sie sind erst zu dem geworden, was sie jetzt sind. Also erzähle mir nichts von oben herab, denn von oben kommst auch du selbst nicht. Und so weit her zu sein scheint es mit der Ehre auch nicht, wenn man eine Peregrina adoptieren lassen muss, um mit einer Heirat der Gens keine Schande zu bereiten."


    Sie musste nach Luft schnappen, um nicht aufgrund von Sauerstoffmangel umzukippen. Kurz darauf musste sie an sich halten, um nicht mit ihren Fäusten auf Meridius' Brust einzutrommeln. Dies war die bisher heftigste Zusammensetzung zwischen ihnen. Valeria wusste, wenn sie nun kleinbei gab, dann würde sie sich selbst nicht mehr im Spiegel ansehen können. Tränen traten in ihre Augen, als sie den Kopf schüttelte.


    "Ich habe Lucius geliebt, Meridius. Ich habe ihn auch dann noch geliebt, als er sich immer mehr von mir abgewendet hatte. Aber als der Vater meines Kindes es nicht einmal für nötig gehalten hat, mir während meines zweimonatigen Aufenthalts in Germania einen Brief zu schicken, er nicht gekommen ist, wie er es versprochen hat - da habe ich eingesehen, dass ich von ihm nichts mehr zu erwarten habe. Aber das ist dir gleich, nicht wahr? Es interessiert dich nicht, weil es DEIN Sohn ist, der ein solches Fehlverhalten zeigt, der unzuverlässig und egoistisch ist!"


    Valerias Stimme bebte nun.
    "Du magst einen Sohn haben, Meridius, aber er hat nicht nur mich, sondern auch seine Eltern enttäuscht und die Familienehre in den Schmutz gezogen."


    Nicht trotzig, aber traurig und endlos enttäuscht sah sie Meridius an, dem sie viel zu verdanken hatte. Sie wusste das und war ihm dankbar dafür. Trotzdem waren die Worte richtig gewählt, wenngleich sie auch hart klingen mochten.



    Sim-Off:

    Ich würd sie übers Knie legen.... :D

    Auf dem Weg in ihr Cubiculum lief Valeria dem jungen Soldaten geradewegs in die Arme.


    "Hoppla!" rief sie. "Verzeihung."
    Dann musterte sie den Optio.
    "Hm.... kann ich dir irgendwie helfen? Marcu.... Der Legat ist nicht hier."

    Valeria kam sich mehr als schäbig vor. Sie blickte abermals beschämt zu Boden, als er sagte, was er sagte. Dennoch wunderte sie sich, dass Maximian nicht nach Meridius geschickt hatte, nach seinem Leibarzt oder nach Geld. Meridius hätte sich alle Hebel in Bewegung gesetzt, um seinen Adoptivsohn - den Leichnam - zu überführen. Valeria biss sich auf die Unterlippe und unterdrückte mühevoll ein Schluchzen. Warum war das alles so ungerecht? Warum war das alles geschehen? Und warum stand er nun plötzlich hier und sagte die erläsenden Worte, dass es ihm leid tat, dass er gute Gründe gehabt hatte, dass....dass er sie noch liebte? Tat er das? Valeria riskierte einen Blick, doch Maximian hatte sich umgewandt und ging mit mechanischen Bewegungen stockend fort. Valeria hob eine Hand, wie als wollte sie die Luft fassen, schluchzte dann und ließ sie langsam wieder sinken.


    Sie hatte ihm nicht nur den Dolch ins Herz gerammt, sondern ihn auch noch herumgedreht. Aber was hätte sie denn tun sollen? Was hätte sie nur tun sollen? Alle dachten, dass Maximian seiner Vaterschaft entfliehen wollte wie ein feiger Hund, der den Schwanz einzog. Niemand hatte gewusst, was er wirklich hatte durchmachen müssen. Sie hatten ihm alle so sehr unrecht getan, allen voran Valeria. In diesem Moment dachte sie daran, alles fahren zu lassen und sich nur noch ein letztes Mal in Maximians Armen hemmungslos von der Seele zu weinen, doch als er wortlos den Tempel verließ und die Treppenstufen herunterstieg, da wusste sie, dass es keine gute Idee war. Sie dachte kurz an Livianus und wie sie ihm gesagt hatte, dass sie ihn liebte. Und dann dachte sie an Maximian, und was sie mit ihm schon alles erlebt hatte.


    Valeria folgte Maximian langsam und blieb neben einer der großen Flügeltüren stehen, die den Eingang zum Capitol bildeten. Kraftlos hielt sie sich an einem Flügel fest und sah Maximian nach, wie er seiner Wege ging. Sie wollte rufen, ihn bitten zu bleiben, sich entschuldigen, Livianus verleugnen - und zugleich Maximian ziehen lassen, weil es da nun Livianus gab. Glücklicherweise konnte sie nichts dergleichen tun, aus dem einfachen Grund heraus, das ihre Stimme versagte und der Kloß in ihrem Hals immer nur noch größer wurde. So glitt sie langsam an der dicken Eichentüre hinab auf den aus wunderbaren Mosaiken und Fresken bestehenden Boden. Ihre Schultern zitterten, weil sie das Unaufhaltbare zu unterdrücken suchte, dann jedoch entfuhr ihr ein kläglicher, zurückhaltender Aufschrei, dem Tränen über Tränen folgten.


    Sie hockte da, am Boden neben einer Flügeltür des Tempels, sah Maximian und der untergehenden Sonne nach, die alles in rotes Licht tauchte, und weinte bittere Tränen über ihre eigene Torheit.

    Valeria zuckte erschrocken zurück ob Maximians heftigem Ausbruch. Sie hatte nicht erwartet, dass er sie so anfahren würde. Verdattert sah sie ihn an. Maximian, der nur wenige Zentimeter vor ihr aufragte und irgenwie Bescheid wusste. Sicher von seinen Eltern. Auf die Frage, ob sie ihn nicht mehr kannte, hätte sie am liebsten mit einem abfällig en Nein geantwortet, doch der Kloß in ihrem Hals verhinderte, dass sie überhaupt auch nur einen Ton herausbekam. So starrte sie ihn nur weiter an und wurde dabei innerlich immer kleiner.


    Und dann griff eine kalte Hand nach ihrem Herzen und drückte zu. Fieber? Romanus? Maximians Worte lösten ein unerträglich schlechtes Gewissen bei Valeria aus. Betreten sah sie zur Seite, denn Maximians Blick konnte sie in diesem Moment nicht mehr standhalten. Eine kurze Pause entstand, als Maximian sich abwandte und die Hände in die Hüften stemmte.


    "Wo...wo ist er?" fragte Valeria leise, obwohl das feine Gespür der Frau zur Deutung derTonlagen einer Unterhaltung schon längst herausgefiltert hatte, dass die Antwort nur noch mehr Tränen auslösen würde. Valeria schluckte krampfhaft. Der Zorn auf Maximians Ausbleiben war fortgewischt, zurück blieben Verwirrung, Trauer und ein winziges Bisschen Liebe, neben einer alles verschluckenden Leere.


    Sie hob den Blick und fragte erneut, fast flehend:
    "Wo ist Romanus, Max?"


    Doch Maximian antwortete nicht, sondern sprach von Mogontiacum und seinen Eltern. Also wusste er es doch von ihnen. Valeria wurde schwindelig, sie konnte sich nur noch mit Mühe auf den Beinen halten, doch nach außen hin war das nicht sichtbar. Als Valeria nun sprach, wurde sie immer leiser und verstummte schließlich mit einem verwirrten Kopfschütteln.
    "Ich...aber...warum hast du dich nicht gemeldet? Einen Brief geschrieben? Lucius, ich....es war... Wir dachten, du.... Der Praefectus Portuensis, er sagte, du seist nicht an Bord gegangen, obwohl du auf der Passagierliste...."


    Die flehende Stimme Maximians und vor allem dir Worte, die er sagte, machten Valeria vollends zu einem kleinen Häufchen Elend, das am liebsten unter dem Teppich verschwunden wäre. Doof nur, dass es hier keinen gab. Sie schluckte und sah beschämt zur Seite. Während sie alle erdenklichen Ausreden gesucht und auch gefiunden hatte zum Thema Maximian, hatte er mit Fieber auf dem Lager gelegen. Und nun...


    "Marcus", flüsterte sie beschämt.
    "Livianus."


    In Zeitlupe hob sie den Blick und sah Maximian an. Fast schon fürchtete sie, dass er sie gleich schlagen würde. Tränenflüssigkeit hatte sich in ihren Augen gesammelt und eine einzelne Träne löste sich nun und rollte langsam an ihrer Wange herunter.

    Valeria schwieg und versuchte sich daran zu erinnern, dass Meridius heute viele Dinge auf einmal erfahren hatte, dass ihn das Ausbleiben Maximians ebenso besorgte wie Valeria selbst und dass aus gerade diesem Grund die Worte fielen, die nun einmal fielen. Erst, als er sich herumdrehte und sie ansah und dann diese letzten Worte sprach und sie ansah, als erwarte er eine Erklärung, fiel Valeria im wahrsten Sinne des Wortes die Kinnlade herunter. Sie stand einfach da und starrte Meridius entgeistert an. Dann wurde sie wütend. Ihre Augenbrauchen zogen sich unheilvoll zusammen und ihre Lippen spitzten sich, dann sprach sie - und das nicht gerade leise und nicht gerade liebevoll.


    "Ich weiß nicht, welcher Teufel dich reitet, Meridius, dass du Marcus und mir so etwas unterstellst. Was du von mir hältst, kann ich im Moment nachvollziehen; ich würde an deiner Stelle sicherlich ebenso denken und handeln. Aber dass du Marcus nun vorwirfst, dass er sich mit mir nur tröstet - nein, Meridius, das macht dich in meinen Augen zu einem Menschen, der weder Verständnis noch Ahnung hat von dem, was hier passiert ist. Aber du willst es auch gar nicht wissen, habe ich recht? Dich interessiert nur, was der Gens schaden könnte, was die Leute reden und was man besser machen kann, wie man weiter kommen kann und wie man erreichen kann, dass niemand schlecht über die Decima redet, nicht wahr?"


    Valeria schüttelte den Kopf.


    "Wenn das das einzige ist, wonach du strebst, tut es mir leid, Meridius. Dann tust DU mir leid. Denke von mir aus, was du willst, aber rede nicht so unwissend daher, wenn du dich nicht belehren lassen willst."


    Valeria fuhr herum, ging aber nicht fort, sondern blieb auf der Stelle stehen und atmete tief durch. Sie hatte geredet ohne zu denken, aber entschuldigen wollte sie sich dafür nicht. Stattdessen versuchte sie, wieder zur Ruhe zu kommen und sprach einen Moment später und hörbar ruhiger:


    "Ich erzähle dir, was vorgefallen ist, wenn du Interesse daran hast."

    Valerias Tränen verebbten nur deshalb, weil sie sich zwang, aufzuhören mit dem Weinen. Sie hielt sich noch immer an dem Altar fest und atmete betont regelmäßig und langsam ein und aus. Langsam beruhigte sie sich wieder. Wenn da nicht Maximians Worte gewesen wären.


    Valeria drehte sich langsam herum und stand Maximian gegenüber. Sie zwang sich, nicht sofort zu ihm zu laufen und ihm eine Ohrfeige zu verpassen, konnte sich aber nicht zurückhalten und ging mit großen, raschen Schritten auf ihn zu, stieß ihn vor die Brust und schrie ihn wütend an.


    "Was glaubst du eigentlich, wer du bist, Lucius!? Du lässt dich wochenlang nicht hier blicken, dich interessiert kein Stück, was aus deinem Kind geworden ist, was aus MIR geworden ist! Und dann kommst du hierher und verhörst mich? Ist das deine Auffassung von Liebe? Von Sorge? Von Vaterschaft? Was willst du, warum bist du hierher gekommen?"


    Ihre Stimme hallte von den Wänden wider. Einige Popae hatten erschrocken nach der Ursache des Lärms gesucht und sich dann dezent zurückgezogen und Valeria mit dem Fremden allein gelassen. Die junge Frau stand direkt vor Maximian und sah heftig atmend zu ihm auf. Sie verstand nicht, was das alles sollte, warum er gekommen war und was er nun vor ihr wollte. Warum interessierte ihn, wie sie nun lebte oder mit wem sie nun zusammen war? Es hatte ihn doch während der letzten Wochen, ja Monate, auch nicht interessiert.

    Valeria sah Maximian nur ausdruckslos an. Was bildete er sich eigentlich ein, jetzt hierher zu kommen, nach allem, was geschehen war? Und warum kam er erst jetzt? Sie hatte sich ja schon sehr gewundert, dass er nicht einmal auf der Hochzeit seiner Eltern erschienen war, das hatte dem Berg ja noch den Gipfel aufgesetzt. Aber dass er nun hier stand und davon redete, was gewesen wäre, WENN??


    Sie griff sich an die Schläfen und schloss die Augen. Das war zuviel. Nicht nur, dass der verschollen geglaubte Vater ihres Kindes sich nicht gemeldet hatte, sondern auch ihre Probleme im Cultus Deorum, die Tatsache, dass Meridius ganz ung gar nicht begeistert von Livianus und ihr war... Alles schlug in diesem Moment, da Maximian leibhaftig vor ihr stand, über ihr zusammen wie eine Welle, die sie zu ertrinken trachtete. Sie vernahm die letzten Worte Maximians wie in Trance, und als sie wieder aufsah, stand Maximian leicht abgewandt da. Valeria ließ die Hände sinken. Kurz darauf konnte Maximian Schritte vernehmen, die sich entfernten und nach wenigen Momenten wieder inne hielten. Valeria stand nun an einem Altar für Iuno und richtete vollkommen unnötiger Weise die Statue, die darauf stand. Sie wischte wenige Staubkrumen fort und stützte sich dann kraftlos auf dem Altar auf.


    Ihre Welt hatte einen Knacks bekommen und sie hatte sich selbst in eine unmögliche Situation bugsiert. Zuerst erbebten die Schultern nur lautlos, dann echote ein leises Schluchzen von den marmornen Wänden des Capitols wider. Valeria weinte stumm vor sich hin. Einen klaren Gedanken zu fassen war ihr im Moment nicht möglich. Was sie allerdings wusste war, dass sie Maximian nicht an sich heranlassen würde. Nicht jetzt. Nicht mehr. Vielleicht nie mehr.

    Valeria musste nicht lange warten, bis sich der Mann umwandte, zuerst den Blick noch gesenkt hielt, dann zu ihr aufsah und ihr ein Lächeln schenkte, das ihr sogleich durch Mark und Bein fuhr. Sie riss die Augen ungläubig auf, hob geistesabwesend eine Hand und machte zugleich drei hastige Schritte rückwärts. Ihr war heiß und kalt zugleich, sie verspürte ein beklemmendes Gefühl im Hals und begann zu zittern.


    Das war Maximian! Er war es! Hier! Jetzt! Valeria starrte ihn an, als sei er ein Geist. Sie konnte es nicht fassen. Nun, da sie wieder schlank und rank war, kam er her. Er wagte es, jetzt herzukommen! Zwei weitere Minuten stand sie so stumm vor Maximian und musterte ihn ausdruckslos in dieser Abwehrhaltung. Dann ließ Valeria die Hand langsam sinken und zwang sich dazu, wieder ruhiger zu werden. Der Kloß in ihrem Hals verschwand nicht, wurde im Gegenteil sogar noch größer. Die Verblüffung hatte sie von ihrem Gesicht gewischt. Maximian war sichtlich zu einem Mann gereift. Er war noch einmal ein gutes Stück gewachsen und hatte etwas abgenommen, war muskulöser geworden seit dem letzten Mal, an dem sie sich gesehen hatten. Und das war sehr lange her.


    Und dann kamen Enttäuschung, Wut und Trauer wieder hervor und Valeria presste die Lippen zu einem schmalen, blutleeren Strich zusammen, während sie dort stehen blieb, wo sie war, nur wenige Schritte und zugleich Welten von Maximian entfernt. Ihrem Maximian, der er einmal gewesen war. Sie hatte ihn verflucht, als sie die Schmerzen bei der Geburt ihres Sohnes ausgestanden hatte und er es nicht einmal für nötig erachtet hatte, ihr beizustehen. All die Gedanken kamen ihr jetzt wieder; und als sie sprach, reichte es nur für ein leises, anklagendes und dennoch sehr ruhiges und gefasstes:


    "Warum kommst du jetzt hierher, Maximian?"

    Ein junger Herr wartete im Capitol, hatte man ihr gesagt. Valeria hatte noch an der Prüfung geschrieen und war ganz darin vertieft gewesen. Dann jedoch hatte es geklopft und nun war sie auf dem Weg in den großen Raum des Tempels. Dort, wo in vielen Nischen kleine Altare aufgebaut waren, die Minerva, Iuppiter und Iuno geweiht waren.


    Valeria fragte sich, wer um diese Uhrzeit eigentlich noch opfern wollte, oder um was es ging, dass man sie aus ihrem Officium geholt hatte. Immerhin waren doch zahlreiche andere Popae und Sacerdotes unterwegs. Aber nein, der Herr habe nach ihr verlangt, ausdrücklich.


    Das Geräusch der Schritte der jungen Frau hallte von den Wänden aus weißem Marmor wider. Es war Abend, die Sonne mochte in wenigen Minuten, längstens aber in einer Stunde untergehen und Valeria war nur noch hier, weil sie etwas für ihre Schülerinnen erledigte und im Praetorium keine Ruhe hierzu finden würde.


    Schließlich mündete der Säulengang in den Gebets- und Opferraum und Valeria machte eine hochgewachsene Gestalt aus, die im Sonnenlicht am Eingang stand. Sie trug eine Toga Virilis, was nicht verblüffend war. Jugendliche kamen in Germanien kaum zum Opfern oder zum stummen Gebet mit den Göttern. Das Gesicht konnte sie nicht erkennen, denn zum einen stand der Mann mit dem Rücken zu ihr, zum anderen befand sich hinter ihm genau die Sonne, die Valeria blendete und der Gestalt des Mannes eine seltsame Aura gab.


    Die Schritta wurden langsamer, verstummten schließlich, als Valeria in etwa vier Metern Abstand stehen blieb und leise, aber dennoch freundlich die Stimme erhob.


    "Salve! Ich bin die Sacerdos Decima Valeria. Man sagte mir, dass du mit mir sprechen wolltest?" fragte sie in einem warmen, angenehm klingenden Tonfall. Dann musterte sie den Fremden - oder eher gesagt dessen Rücken - und wartete darauf, dass er sich herumdrehte und sein Anliegen vorbrachte.

    Stumm trat Valeria leicht versetzt neben Meridius, schwieg einen Moment und sprach dann leise.


    "Ich weiß, dass es dir nicht gefällt, Meridius. Ich kann dir nicht erklären, was geschehen ist oder warum es passiert ist. Aber es ist so und weder Marcus noch ich möchten es ändern. Das musst du respektieren. Auch, wenn ich in deinen Augen nun als Lupa dastehen mag."

    Valeria presste die Lippen aufeinander. Meridius mochte zwar der Pater gentis sein und das, was geschehen war, war sicherlich nicht leicht zu beschreiben, aber es war gänzlich Valerias und Marcus' Sache, nicht die Meridius'. Stumm bleib Valeria noch einen Moment sitzen, dann stand sie auf und griff im Vorbeigehen nach einer Olive, schob sie sich in den Mund und folgte Meridius, denn es bestand noch Klärungsbedarf und diesmal würde sie nicht kleinbei geben.