Magister Officiorum Marcus Iulius Lepidus
Regia Legatu Augusti Pro Praetore
Mogotiacum
Provincia Germania
Salve, geliebter Vater,
ich hoffe, Du verzeihst, dass ich Dir so lange nicht schrieb, doch waren meine letzten Wochen voller Geschäftigkeit und ich habe kaum die Zeit gefunden, in den Stunden, die mir vor dem Einschlafen blieben, einen klaren Gedanken für mich selbst zu fassen, geschweige denn für alles andere. Du wirst sicher erfahren haben, dass nun auch Onkel Seneca in der Casa Iulia hier in Roma wohnt, und auch wenn er nicht sehr oft zugegen ist, so ist mir seine Anwesenheit doch ein steter Quell der Ruhe, hat er doch die Position des Hausherrn übernommen, in welche sich Constantius nur langsam und nicht sehr leicht eingefunden hat.
Constantius selbst hat nun endlich die rechte Würdigung seiner Arbeit für die Cohortes Urbanae erfahren und wurde zum Tesserarius ernannt, was, wie ich hoffe, eine Vorstufe zu einem richtigen Offiziersposten darstellt, denn Du kennst ihn, er hat sich immer bemüht, seine Arbeit gut zu verrichten und wird es sicherlich auch weiterhin tun. Leider scheint er sich noch nicht für eine Frau zu interessieren, sodass meine stille Hoffnung, er könnte sich langsam aber sicher doch, wie es von jedem Mann seines Alters erwartet wird, für eine Ehe bereit machen, noch immer enttäuscht wird.
Ich denke, es würde ihm guttun zu heiraten, ein jeder Mann sucht doch ab einem gewissen Punkt seines Lebens nach der Nähe einer Frau, doch hält sich mein Lieblingsbruder darin leider sehr bedeckt. Ansonsten geht es ihm jedenfalls gut, ich versuche, ihn regelmäßig auf gesellschaftliche Anlässe mitzunehmen, damit er ein wenig unter die Leute kommt und sein Gesicht bekannt wird.
Livilla lebt ebenso noch in de Casa, ich bin jedoch sehr froh, dass Onkel Numerianuns mit der Legio nach Mantua gekommen ist, denn dann können sich die beiden regelmäßig sehen, sie scheint sehr an ihm zu hängen und so ist es natürlich auch für Livilla eine Erleichterung, ihren Vater nahe zu haben. Sie war einige Tage lang krank, aber inzwischen ist sie wieder wohlauf und hat auch die Hochzeit von Annaeus Florus und Andreia besuchen können. Es ist so schade, dass Du nicht zur Feier anwesend sein konntest, denn Florus und Andreia haben wahrlich ein schönes Paar abgegeben und scheinen auch sehr glücklich miteinander zu sein, sodass der Götter Segen sicherlich auf den beiden liegt. An diesem Tag musste ich oft an meine eigene Hochzeit zurückdenken und mich an alles erinnern, was damals war - am liebsten hätte ich Dich und Mutter gar nicht verlassen, als der Brautzug losging, aber letztendlich hat sich Deine Entscheidung als sehr glücklich für mich erwiesen.
Nun, wenn ich schon Hochzeiten anspreche, so bin ich mir sicher, dass Du auch von Onkel Seneca bereits gehört hast, dass es einen Mann gibt, der um mich werben möchte, Tiberius Vitamalacus, der derzeit als Aedilis Curulis in Rom tätig ist. Vielleicht hilft es Dir, eine Entscheidung zu fällen, wenn Du auch meine Gedanken zu dieser Verbindung kennst, der ich sehr positiv gegenüber stehe, doch am liebsten würde ich Dich gemeinsam mit Vitamalacus aufsuchen, damit Du Dir selbst ein Bild machen kannst. Vielleicht wird es, sobald der anhängige Tempelbau in Ostia endlich so weit begonnen ist, wie ich es mir vorstelle, mir auch möglich sein zu reisen, alle anderen Widrigkeiten hier scheinen vorerst beigelegt.
Als ich Tiberius Vitamalacus durch einen Zufall kennenlernte, entwickelte sich eine Freundschaft zwischen uns, die durch gegenseitigen Respekt und Interesse an der Meinung des anderen getragen war, und jenes haben wir uns glücklicherweise bisher bewahrt. Ich glaube, dass diese Verbindung auf einer soliden Grundlage ähnlicher Interessen und Gedanken ruhen kann, auch er war bereits einmal verheiratet und ist Vater geworden, sein Sohn dient derzeit auch bei der Legio, wie es sein Vater tat. Ich habe Vitamalacus als einen sehr klugen und überlegten Mann kennenlernen dürfen, dessen Entscheidungen reflektiert und den Umständen angemessen sind, er genießt den Respekt seiner Umgebung und auch den meinen durch seine gefaßte und würdige Art - ein wirklicher Patrizier eben, dessen Ahnen sicherlich mit ihm zufrieden sind.
Wahrscheinlich klinge ich nicht besonders verliebt, wie man es wohl erwarten könnte, wenn eine Frau einwilligt, einen Mann zu heiraten - denn dies hat uns Seneca sehr wohl gefragt. Aber ich habe auch in der Ehe mit Titus erkannt, dass Liebe nicht alles ist, dass Sympathie und Respekt ebenso wichtig sind, um eine eheliche Gemeinschaft zum Erfolg zu führen, und ich möchte nicht irgendwann feststellen müssen, dass ich einem flüchtigen Gefühl gefolgt bin und neben einem Mann aufwache, den ich nicht für das achten kann, was er ist. Mehr jedoch möchte ich Dir gern persönlich sagen, es ist schwer, das alles nachzuvollziehen, wenn man den Menschen, über den geschrieben wird, nicht kennt.
Vielleicht hast Du es schon in der Acta erfahren, ich plane, als Comes Italia zu kandidieren und danach den Weg in den Cursus Honorum zu nehmen, wie es einer Familie wie der unseren zukommt. Ist es Dir Recht, dass ich als Deine Tochter diesen Weg versuche zu gehen, wo Dein Sohn als Soldat dient, und die meisten anderen Männer unserer Familie sich dem Militär zugewandt haben? Manches Mal wünschte ich, ich wäre als Mann auf die Welt gekommen, doch bin ich Deine Tochter, nicht Dein Sohn, und so muss ich meinen Weg als Frau nehmen. Es wäre mein größter Wunsch, Deine Billigung für dieses Vorhaben zu erhalten, welches den Namen unserer Familie endlich wieder dorthin zurück bringen könnte, wohin er gehört - an die Aufmerksamkeit der Menschen, vielleicht eines Tages auch bis in den Senat.
Es wird sicher kein leichter Weg sein, doch der erste Schritt - die Erhebung in den Ordo Decurionum, welchen ich aus eigener Kraft getan habe - ist bereits genommen und ich hoffe, dass ich mir in absehbarer Zeit auch die Würde eines Ritters durch meine Arbeit verdient haben werde. Bitte lass mich wissen, was Du über diesen Plan denkst, und bitte schreibe mich auch, wie es Dir und Mutter ergangen ist, ich hörte, dass Du befördert wurdest, vielleicht möchtest Du mir ein bisschen mehr darüber berichten? Es würde mich sehr freuen, wenn Du mir ein wenig Deine Zeit widmen könntest. Bitte grüße Mutter auf das Herzlichste von mir, Deine Tochter
Iulia Helena