Beiträge von Tiberius Annaeus Sophus

    Tiberius zitterte trotz des Mantels, den er sich extra für diese Reise zugelegt hatte. Er blinzelte unwillkürlich, als wollte er damit den dicht vor seinem Gesicht fallenden Schnee dazu bringen, zu verschwinden. Doch natürlich half das nichts. Er war froh, dass der Leib des schnaufenden Pferdes unter ihm wenigstens ein bisschen wärmte. Noch einmal blinzelte er. Irgendwo im Schneegestöber erkannte er den Umriss eines seiner Mitreisenden. Er war mit einer kleinen Gruppe Soldaten unterwegs, die zu den germanischen Grenzen unterwegs waren. Sie hatten ihn als Auguren bereitwillig aufgenommen, auch wenn sie fürchten mussten, dass er sie aufhielt. In diesen Tagen, da der Krieg in Germanien nicht immer von Erfolgsmeldungen begleitet war, erhoffte man sich scheinbar vor allem göttliche Hilfe. Tiberius schmunzelte. Wenigstens auf die Götter besonn man sich wieder.
    Er hob seine kalten, weißen Hände zum Mund und blies hinein. Doch wirklich wärmte es sie nicht. Sein sichtbarer Atem löste sich vor ihm in der Luft auf und schien sich mit dem nebligen Schneegestöber, das ihm die Sicht versperrte, zu vermischen.
    "Halt!" Der Schrei drang leise an sein Ohr. Es musste einer der Soldaten gewesen sein. Er hörte noch etwas, doch konnte er die Worte nicht verstehen. Man sprach zu leise. Er hielt sein Pferd an und klopfte ihm gedankenverloren auf den Hals.
    Ein Soldat trat zu ihm heran.
    "Wir müssen das Tier hierlassen.", sagte er, "Da vorn wird es etwas steil. Wir sind jetzt im Gebirge."
    Tiberius sah ihn kurz an, als sei er verrückt geworden, musste sich dann aber eingestehen, dass er damit hätte rechnen können.
    "Gut.", sagte er und seufzte theatralisch. Dann stieg er langsam vom Pferd und spürte, wie seine Stiefel ein wenig im Schnee einsanken. Er blickte das Tier noch einmal traurig an, dann stapfte er dem Soldaten hinterher, der sich bereits wieder auf den Weg gemacht hatte.

    Tiberius lies die Sesterzen unbeachtet auf dem Tisch und lächelte nur freundlich.


    "Ich danke euch. Vale, Praefecta."


    Er blickte noch für einen winzigen Augenblick scheinbar nachdenklich auf einen unbestimmten Punkt hinter Lucilla und verließ dann das Officium.

    "Ja, Classis Germanica, das ist richtig..."


    Tiberius seufzte.


    "Ach, wenn ichs mir recht überlege, macht doch besser einen Eilbrief daraus. Ich stehe in letzter Zeit etwas unter Zeitdruck."


    Sprachs und legte noch ein paar Münzen auf den Tisch.

    Tiberius trat ein und schloss die Tür hinter sich.


    "Salve, Praefecta. Ein gewöhnlicher Brief an den Praefectus Classis Lucius Annaeus Florus."


    Er legte ein Schreiben auf den Tisch.


    An Lucius Annaeus Florus


    Lieber Florus,


    es freut mich, dich noch immer ungebrochen zu sehen, auch wenn du nicht in Rom bist. Der Kaiser hat klug gewählt, als er dir diesen wichtigen Posten übertrug.
    Ich plane, am ANTE DIEM LI DCCCLVI A.U.C. (10.2.2006/103 n.Chr.) bei dir einzutreffen. Ich habe eine Weisung des Kaisers, Germaniens Priester zu den Parentalien nach Rom zu laden, da dann ein Conventus des Cultus Deorum stattfindet. Ich will hoffen, dass ich bis dorthin einige Eindrücke Germaniens sammeln kann. Notfalls werde ich meine Reise später fortsetzen.
    Ich freue mich darauf, dich zu sehen.


    Tiberius Annaeus Sophus


    Dann kramte er aus einem kleinen Beutel einige kleine Münzen hervor.


    "Und die Bezahlung..."

    Mit einem Lächeln auf dem Gesicht las Tiberius das Schreiben seines Pater Gentis nachdem er von der Curia zurückgekehrt war. Es entsprach zwar seinen Erwartungen, die er sich aufgrund seiner bisherigen Erfahrung mit ihm gemacht hatte, aber dennoch freute es ihn immer wieder aufs Neue, dass es diese Art Mensch noch gab.
    Dann wandte er sich wieder seinen Schriftstücken zu, die er in eine Kiste aus Korbgeflecht hatte verpacken lassen. Er würde sie jetzt nicht mitnehmen können.
    Mit einem leisen Ächzen öffnete er die Kiste und nahm ein ungebrauchtes Blatt heraus.


    An die Verwalter der Villa Aurelia, Misenum,


    bitte sorgt dafür, dass die sich hier befindliche Kiste nach Rom verschickt wird ins Auguraculum in der Regia des Cultus Deorum.
    Sämtliche finanziellen Aufwendungen fallen mir zu Lasten und werden bei meiner Rückkehr aus Germanien bezahlt werden.


    Tiberius Annaeus Sophus


    Er legte das beschriebene Blatt auf den Deckel der geschlossenen Kiste und machte sich dann auf, um wieder nach Rom zurückzureisen.

    Tiberius setzte sich und hörte dem Magistratus ruhig zu, ehe er nickte.


    "Ich verstehe eure Position selbstverständlich, allerdings gibt es dabei für mich einige Probleme.
    Erstens ist es unmöglich, mein Vorhaben sofort weiterzuführen. Ich plane seit längerem eine Reise nach Germanien, die vor einigen Tagen die Billigung und Unterstützung des Kaisers erhalten hat. Es ist also vollkommen ausgeschlossen, sie zu verschieben oder gar ausfallen zu lassen. Zwecks dieser Reise wollte ich das Zimmer der Villa Aurelia, das ich bewohnte, räumen.
    Zweitens übertrug ich die konkrete Durchführung Anneae Minervina. Unglücklicherweise gab es bei ihrer Auswahl einen Konflikt mit ihren Vorgesetzten, offenbar hatte sie ihre Ausbildung nicht abgeschlossen, ehe sie hier nach Misenum reiste und diese Aufgabe übernahm. Ich weiß auch nicht, wie weit sie gekommen ist, ehe sie wieder nach Rom reiste, um den Befehlen ihrer Vorgesetzten nachzukommen. Ich empfehle euch, als erstes sie zu befragen.
    Was ich selbst weiß könnt ihr in den Archiven der "Acta Diurna" einsehen.
    Eine Unterstützung meinerseits wäre im moment im übrigen also nur in der Form möglich, dass ich einen weiteren Artikel für die "Acta" verfasse und euch damit etwas Aufmerksamkeit verschaffe. Mehr kann ich im moment nicht tun, es tut mir leid."

    Tiberius wandte sich nun um und sah den Boten leicht verwirrt an, als wunderte er sich, wie dieser Mensch da hin gekommen sein mochte.
    "Hm... ja, ja. Dann sollte ich ihn wohl nicht warten lassen. Wenn ihr mir bitte den Weg zeigen würdet...?"

    Tiberius schaute gerade nachdenklich auf einen ordentlich geschichteten Stapel mit Wachstafeln und daneben noch einige Schriftstücke, die er während seiner Anwesenheit eher gedankenverloren über den Vogelflug über Misenum verfasst hatte. Er spielte mit dem Gedanken, sie einfach zu verbrennen. Sie waren nicht weiter von Belang, schienen ihm mehr wie ein Relikt aus alter Zeit, die nun vergangen war. Da trat der Bote und die Sklavin ein.


    "Salve... was gibt es?", fragte Tiberius langsam, immernoch nachdenklich auf den Tisch mit den darauf deponierten Dingen schauend.

    "Ja, ich weiß um den Trauerfall.", murmelte Tiberius nachdenklich und trat ein, "Es ist wirklich bedauerlich. Mit ihm ist wohl Misenum, wie es geplant war, gestorben..."
    Tiberius blinzelte kurz in die Sonne, als er das Peristylium betrat. Er wandte sich noch einmal um.
    "Ich danke euch. Ich denke, den Weg finde ich allein."

    "Ich danke dir meinerseits... niemand ist hier?" Tiberius blickte kurz enttäuscht, er hatte sich Deandras Anwesenheit erhofft.
    "Nun, auch gut. Ich denke, ich habe noch einige Dinge hier gelassen. Ich fürchte, dass man sie hier ohnehin nicht mehr benötigt. Ist das Zimmer, das ich bewohnte so belassen worden?"

    Tiberius fand recht schnell den Weg zur Villa Aurelia. Unwillkürlich stahl sich ein melancholisches Lächeln auf sein Gesicht, als der das Gebäude erblickte. Es hätte viel daraus werden können. Aus der gesamten Stadt. Zu schade, dass dieser Plan mit dem Tod des Magistratus wohl vorläufig ein Ende gefunden hatte.
    Eher ungeschickt stieg Tiberius vom Pferd und ging ein paar Schritte auf und ab, um sich wieder an das normale Laufen zu gewöhnen. Sein gesamter Körper schien zu schmerzen. Er seufzte. Das Alter machte sein Vorhaben nicht eben leichter.
    Schließlich bewegte er sich langsam auf das Tor zu und klopfte gegen das Holz.

    Tiberius ritt recht schnell auf das Stadttor zu. Seit er wieder ein gewisses Ziel hatte, schien es ihm immer mehr, als würde die Zeit knapp und knapper und er müsste sich immerzu beeilen. Mit etwas Mühe gelang es ihm, das Pferd rechtzeitig zu stoppen und streichelte es trotz der Schmerzen von der Reise mit einigermaßen ruhiger Hand. Dann hob er sie, um die Stadtwache zu grüßen.


    "Salve, Miles. Mein Name ist Tiberius Annaeus Sophus. Ich hoffe dieser Name zählt hier noch genug, dass man mich nicht abweist."

    Tiberius trat ein.


    "Salve, Praefecta."


    Er räusperte sich leicht, trat dann an den Tisch heran und legte behutsam ein Schriftstück und einige Münzen darauf darauf, die er vorher in der Hand gehalten hatte.


    "Ich wünsche, dass dieser Brief per Eilpost an Lucius Annaeus Florus geht. Ich glaube, ihr könnt ihn im Castellum der Classis Germanica finden."