Beiträge von Caius Claudius Cunctator

    Cunctator dankte dem tribunus. Nun stand seiner Ausbildung in der legio nichts mehr im Wege.


    Ich verspreche Dir, Vesuvianus, so weit es in meinen Kräfte steht, will ich so viel wie möglich richtig und so wenig wie möglich falsch machen. Ich werde mich Deines Wohlwollens würdig erweisen. Daß wir beide verwandt sind, werde ich - sagen wir zu meiner eigenen Sicherheit sowohl im Kameraden- als auch im Vorgesetztenkreis - nicht erwähnen. Ich bin ein probatus wie jeder andere auch.


    Was den Diensteid betrifft: Ich habe ihn bereits bei der ALA II abgelegt. Muß ich ihn bei der legio wiederholen?


    Cunctator war aufgestanden, um sich vom tribunus abzumelden.

    Cunctator hatte aufmerksam den Ausführungen des tribunus zugehört. Sein gefaßter Entschluß wurde nur noch bestätigt.


    Danke für Deine Worte, Vesuvianus. Für mich steht eines fest und davon lasse ich micht nicht abbringen: Das Wichtigste für mich ist die fundierte Ausbildung in der legio. Ich bin stolz darauf, daß Du mir Deine Ausbildung anbietest. Ich will nicht gut, ich will besser werden. Deine ausbildende Hand über mir zu wissen ist eine ganz besondere Ehre für mich. Ich will als Infanterist dienen und mein Vorhaben, zur Legionsreiterei zu wechseln, zum gegebenen Zeitpunkt noch einmal überdenken. Wann beginnt die Ausbildung?


    Aber noch eine Frage, Vesuvianus: Kann resp. darf ich mich während der Ausbildung direkt an Dich wenden oder muß ich einen Dienstweg einhalten?


    Cunctator fühlte, daß seine Zukunft bei der legio unter einem günstigen Stern stand.

    Cunctator nahm noch einen tiefen Zug aus seinem Becher und ließ genüßlich den Wein durch seine Kehle laufen.


    Das ist ein ausgezeichneter Wein! Weißt Du, Vesuvianus, in der Germania konnte man als Normalsterblicher nur von so einem Tropfen träumen.


    Cunctator fühlte, wie sich seine Zunge zu lösen begann. Jetzt mußte er auf der hut sein, denn der Wein schmeckte zusehends besser und ihm gegenüber saß zwar sein Verwandter, aber auch sein künftiger Vorgesetzter.


    Deine Frage betreffend, edler Vesuvianus, über meinen Dienst in der ALA II NVMIDIA läßt sich nicht viel berichten. Ich war zweimal probatus und wurde zweimal ehrenvoll entlassen. Die familiären Gründe hierfür waren allerdings alles andere als ehrenvoll. Ich ließ mir in der ALA nichts zuschulden kommen, ich absolvierte das Waffentraining mit dem gladius, nahm am Formationsreiten teil und legte die Abschlußprüfung zur theoretischen Ausbildung mit dem Prädikat "hervorragend" ab. Mein persönliches Fazit nach diesem nicht gerade vorzeigenswerten Werdegang ist: Ich bin nichts ... und ich kann nichts!


    Ich bitte Dich nun, Vesuvianus, mir eine fundierte Ausbildung in der legio zu ermöglichen, um Dir und der gens zu beweisen, daß ich nicht der Versager bin, als der ich in der Germania abgestempelt wurde.


    Vor lauter Erregung wurde Cunctator am Ende seiner Ausführungen zusehens lauter.


    Verzeih´, Vesuvianus, mein Tonfall Dir gegenüber war nicht angemessen.


    Cunctator griff nahm dem Becher und leerte ihn auf einen Zug.

    Nur zu gut, daß der tribunus nicht hören konnte, wie Cunctator der Kloß, der ihm im Halse steckte, nach unten rutschte.


    Er setzte sich und wandte sich erleichtert an Vesuvius:


    Ich danke Dir für die freundliche Aufnahme. Während des langen Ritts von Confluentes habe ich oft überlegt, ob ich Dir mit meinem Anliegen nicht zur Last fallen würde. Du bist schließlich tribunus und hast bestimmt Besseres zu tun als Dir die familiären Querelen eines Verwandten, der auf einmal auf dem Nichts auftaucht, anzuhören.


    Ich bitte Dich nur um eines, edler Vesuvianus: Ich möchte in der
    LEG I TRAIANA dienen - pro patria et imperatore - und es in dieser Einheit zu etwas bringen. Ich möchte Dir und unserer gens beweisen, daß ich nicht der Versager bin, für den mich mein Vater ausgeben wollte. Ich möchte die Scharte auswetzen, die ich mir durch meine Pferdenarrheit und die damit verbundene zweimalige Zugehörigkeit zur ALA II NVMIDIA zuzog. Aber die legio hat ja ihre eigene Reiterei!


    Cunctator atmete tief durch und griff zu dem in der Zwischenzeit gefüllten Becher mit Wein.


    Ergo bibamus! Auf Dich, Vesuvianus, auf die legio, auf den imperator, auf die gens und auf die, die mich nie im Stich gelassen und wohlbehalten hierher gebracht hat, mein Pferdemädchen, meine Ala Cursorum!

    Der Wachposten trat zur Seite und gab den Weg frei.


    Cunctator trat ein und nahm unwillkürlich - obwohl wieder oder noch immer civis - in gebührendem Abstand militärische Grundstellung ein, so wie er sie seinerzeit bei der ALA II gelernt hatte.


    Obwohl er sich auf das Wiedersehen mit Vesuvianus gefreut hatte, schlug ihm das Herz in der Nähe des höheren Offiziers bis zum Halse.


    Salve, tribunus Vesuvianus, erkennst Du mich noch? Ich bin Caius Claudius Cunctator. Ich sehe, Du bist sehr beschäftigt und ich möchte Dich auf keinen Fall stören. Soll ich später noch einmal wiederkommen?

    Den Göttern sei Dank!


    Cunctators Enttäuschung war schnell der Vorfreude gewichen, seinen Verwandten, mit dem sich er sich schon immer sehr gut verstanden hatte, wiederzusehen. Endlich hatte er jemanden, bei dem er sich die aufgestauten Niederschläge der letzten Monate von der Leber reden konnte, ohne befürchten zu müssen, irgendwelchen Repressalien anheimzufallen.


    Cunctator nahm sein Pferd am Zügel und folgte dem Wachposten. Der Weg führte entlang der Via Praetoria, vorbei an den Stallungen und den Tribunenhäusern bis hin zur pricipia.


    Cunctator band sein Pferd an einen Holzpfosten fest.


    Der Wachposten klopfte an die Tür des officium tribuni.

    Cunctator hatte einen langen Ritt hinter sich , als endlich das castellum der LEG I vor ihm auftauchte. Er ließ sein Pferd die Zügel aus der Hand kauen und hing noch kurze Zeit seinen Gedanken nach.


    Vor seinem geistigen Auge zogen die Ereignisse der letzten Monate vorbei. Tief steckte die schreckliche Auseinandersetzung mit seinem Vater, die zu einem endgültigen Zerwürfnis geführt hatte, in ihm. Es war der von ihm nicht gewollte Bruch mit dem Elternhaus, der ihm eine Rückkehr für immer verwehrte.


    Jäh wurde Cunctator aus seinen Gedanken gerissen, als ihn der Wachposten anrief und nach seinem Begehr fragte.


    Ich bin Caius Claudius Cunctator und ein Verwandter von tribunus Herius Claudius Vesuvianus. Könnte mich ein Posten zum officium des tribunus bringen?

    Ruhig sah Cunctator den centurio an.


    Centurio! Ich stamme aus der Gens Claudia. Ich habe es nicht nötig,
    mich mit dir darüber zu unterhalten, ob sich der legatus legionis für
    mich Zeit nehmen will oder wird. Ich habe dir meine Bitte vorge-
    tragen.


    Ich hielt es für selbstverständlich, nachdem ich "probatus bis" der
    ALA II NVMIDIA war und ehrenvoll entlassen wurde aus Gründen,
    die nicht für deine Ohren bestimmt sind, in der LEG II zu dienen.


    Doch das scheint mir schon im Vorhinein verwehrt zu werden.


    Es war sehr aufschlußreich, dich kennengelernt zu haben!


    Vale, centurio!


    Erhobenen Hauptes verließ Cunctator das Rekrutierungsbüro-

    Cunctator erwiderte den Blick des centurio.


    Centurio! Ich bewerbe mich freiwillig bei der LEG II GERMANICA. Ob
    ich in der legio dienen darf, kann in meinem Fall nur der legatus le-
    gionis entscheiden, da ich eine nicht "alltägliche" Vorgeschichte habe,
    die ich nur dem legatus legionis anvertrauen kann.


    Ich will dir damit nicht zu nahe treten, centurio. Es handelt sich bei
    mir um kein Empfehlungsschreiben; aber dies ist einzig und allein eine
    Angelegenheit zwischen dem legatus legionis und mir.


    Könntest du mir dabei behilflich sein, beim legatus legionis vorgelassen
    zu werden?

    Cunctator nahm sein Pferd und folgte dem Weg, den ihm der Wach-
    posten beschrieben hatte.


    Vor dem Rekrutierungsbüro schnaufte er tief durch, bevor er es betrat.


    Salve. Ich bin Caius Claudius Cunctator aus der Gens Claudia. Ich möchte
    mich freiwillig bei der LEG II GERMANICA bewerben und hier in der Rei- terei dienen.


    Mich schickt der praefectus der ALA II NVMIDIA und ich bitte wegen
    einer besonderen Angelegenheit zum legatus legionis vorgelassen zu
    werden.

    Cunctators Gedanken eilten ihm voraus als ihn der Wachposten anrief.
    Die Stimme kam ihm bekannt vor: Es war Rom! Rom, mit dem ihn eine
    Freundschaft verband, die an den widrigen Umständen zu zerbrechen
    drohte.


    Cunctator sah Rom an, der ihm durch seine Beförderung zum eques irgendwie gereifter erschien.


    Schön, dich noch einmal zu sehen, Rom! Seit jenem 19. Juli ist viel
    Wasser den Rhenus und den Danuvius hinuntergelaufen. Vor einigen
    Wochen kam es zum endgültigen Zerwürfnis mit meinem Vater und
    ein weiterer Verbleib in der ALA, in die ich noch einmal eintreten woll-
    te, ist mir verwehrt.


    Frage mich nicht weiter --- ich muß meinen Weg jetzt finden!


    Wenn es die Götter wollen, werden wir uns irgendwann und igrendwo
    wiedersehen.


    Vale, mein Freund, bleibe gesund und halte die Ohren steif!

    Cunctator wandte sich zum Gehen. Einer plötzlichen Eingebung fol-
    gend drehte er sich noch einmal um.


    Praefectus, noch eine Bitte: Wäre es dir möglich, mir für Meridius
    ein Empfehlungsschreiben mitzugeben? Du weißt schon, nicht wegen
    meiner "guten Leistungen"; aber eine Empfehlung von dir würde mir
    bestimmt sehr hilfreich sein vor allem in Bezug auf die Reiterei in der
    legio.

    Cunctator sah den praefectus an, dessen nun väterlicher Blick auf ihm
    ruhte.


    Ich danke dir für deine fürsorglichen Worte, praefectus. Aber du hast
    recht! Ich habe vieles in meiner - nennen wir es Verbohrtheit - nicht
    bedacht.


    Ich danke dir nochmals für alles.


    Cunctator schluckte ein paar Mal.


    Praefectus, gestatte mir, mich bei dir abzumelden!

    Cunctator sah den praefectus an.


    Dessen mißtrauischer Blick irritierte ihn nicht, im Gegenteil, er öffnete
    ihm die Augen.


    Praefectus! Einzig und allein die Liebe zu den Pferden, mit denen ich aufwuchs, und der Umgang mit ihnen bewogen mich zum Eintritt in
    eine reine Reitereinheit.


    Daß ich Patrizier bin ... daran dachte ich nicht!


    Aber du hast recht! Ich habe hier nichts, vielleicht auch nichts mehr,
    zu suchen.


    Ich bitte dich mein Anliegen zu ignorieren und mir zu gestatten,
    mich abzumelden.

    Praefectus! Ich bin Caius Claudius Cunctator.
    Ich war zweimal probatus in Deiner ALA.
    Zweimal mußte ich aus familiären Gründen um meinen Abschied bitten.
    Zweimal wurde ich ehrenhaft entlassen.
    Mir steht es nicht zu, Deine kostbare Zeit weiter in Anspruch zu neh-
    men und dich mit meinen familiären Querelen zu belästigen.
    Ich habe mit meinem Vater endgültig gebrochen.
    Hier bin ich, hier war ich zuhause.
    Ich bitte dich, praefectus, gib` mir noch ein Chance.


    Cunctator sah dem praefectus in Augen.


    Gab es noch eine Chance?