Ich blickte auf und erkannte meinen Vater.
"Sei gegrüsst, Vater. Was kann ich für Dich tun?"
Ich blickte auf und erkannte meinen Vater.
"Sei gegrüsst, Vater. Was kann ich für Dich tun?"
Ich wusste noch nicht so recht. Eigentlich wollte ich meine Trauer alleine verarbeiten und mich gleich wieder in die Arbeit stürzen. Ich hatte immer noch dieses dubiose Attentat auf den vormaligen Proconsul aufzuklären und war keinen Schritt vorangekommen. Vielleicht würde mir ja dieser Fall den Kopf wieder frei machen. Folglich überlegte ich einen Moment und antwortete dann:
"Ich denke nicht. Ich muss noch ins Officium und hab eine Menge Arbeit in die ich mich einarbeiten muss. Alles dringende Fälle höchster Sicherheitsstufe. Das Attentat auf den Proconsul..."
Ich blickte ihn an und hoffte, dass er mich verstehen würde.
"Ich komme dann nach..."
Ich war gerade auf dem Weg zum Dienst und hatte mich gerade über eine Hauswand am Forum geärgert, die über und über mit Blättern und Zetteln beklebt war, von den obszönen Schmierreien ganz zu schweigen, als ich das Barbiergeschäft betrat um mir meine Haare neu schneiden zu lassen. Ich trat fröhlich pfeifend ein, scherzte mit dem Mädchen am Empfang und setzte mich auf den Stuhl in der Hoffnung gleich bedient zu werden. Ich orderte einen feinen Schnitt, also das Zurechtstutzen der Haare, so dass es sauber aussah ohne den Schnitt zu zerstören, eine Kopfmassage mit feinen Ölen und eine Rasur.
Ich kam gerade an der Strasse zum Forum entlang und sah eine Hauswand, die über und über mit Blättern und Zetteln versehen war. Merkwürdig, hatte der Besitzer des Gebäudes nichts dagegen? Ich suchte den Eingang und fand ihn verschlossen. Auf mein Klopfen öffnete niemand. Auch waren alle Fenster verschlossen. So wie es schien, waren die Besitzer entweder auf Reisen, oder sie hatten das Gebäude aufgegeben. Ich würde in der Stadtkartei nachsehen müssen. Und gegen diese Zettel musste man auch etwas unternehmen...
Ich streckte mich gerade um etwas Unbestimmtes auf dem Dach genauer anzusehen, als ich von hinten angesprochen wurde. Sofort drehte ich mich um und erkannte die Frau aus meinem Büro. Sie war vermutlich auch die Hausherrin und begrüsste mich persönlich an der Türe.
"Salve Helena Tiberia. Ich bin gekommen um Dich über die neusten Erkenntnisse bezüglich des Verschwindens Deiner Sklavin zu informieren. Leider muss ich Dir mitteilen, dass sich die bisherige Suche verlaufen hat. Ich habe den halben Hafen auseinandergenommen und auch die Dockarbeiter befragt, jedoch ist niemandem eine Sklavin, auf welche die Beschreibung passte, dort aufgefallen. Entweder nahm sie also kein Schiff, oder aber sie nahm eines und ist schon weg."
Ich räusperte mich.
"Theoretisch kann sie überall hin sein. Ich fürchte daher, ich muss die Suche einstellen. Wenn sie niemand gesehen hat und ich nicht weiß, wohin sie sich auf den Weg machte... Das einzige was ich anbieten kann, wäre weiterhin den Hafen zu überwachen und ein Schreiben an die zuständigen Behörden im Grenzbereich zur Provinz Gallia zu schicken."
Meine Schwester weinte, während Mutter gefasst wirkte. Vater hingegen schien mir verbittert, beinahe eisern. Ich vermutete, dass er wohl alle Regungen hinter einer steinernen Fasade versteckte, doch je mehr er sich diesbezüglich bemühte, umso mehr merkte man seine Verbitterung. Worauf und auf wen? Auf seinen Bruder? Die Götter? Das Schicksal?
Ich trat aus dem Schatten eines Baumes hervor, in welchem ich bisher gestanden hatte und trat zu Vater. Ich grüßte Mutter mit einem Kuss und blickte dann auf den niedergebrannten Scheiterhaufen. Von meinem Onkel war nichts mehr übrig ausser - Erinnerung.
Ich ging davon aus, dass wir die Überreste in der Familiengruft bestatten würden, falls wir denn in Tarraco schon so etwas hatten, die Familie war ja noch nicht allzulange hier und gestorben wurde bisher am Ort immer nur in anderen Familien.
Ich nickte dem Priester dankbar zu und hakte mich bei meiner Schwester ein.
An einem sonnigen Frühlingsmorgen trat ich an die Villa Tiberia und hoffte, nicht zu früh gekommen zu sein. Um diese Uhrzeit schliefen ja manche Römer noch, nicht jedoch die Männer, die für die Sicherheit der Bürger zuständig waren. ( )
Ich klopfte an die Türe und wartete, dass man mir öffnen würde.
Neugierig ging ich vor dem Haus auf und ab, die Maße waren imposant, die Tiberier sparten nicht gerade, und dass sie von Rom nach Tarraco umgezogen waren, war für die Stadt sicher ein Gewinn, für Rom ein Verlust.
"Nun, das zählt sicher nicht zu meinen Aufgabenbereichen, doch Interessehalber, als ehemaliger Tribunus Angusticlavius..."
Ich lächelte ebenfalls und erhob mich dann, da ich noch einiges an Arbeit zu erledigen hatte.
Und was den Scriba betraf:
"Ich werde mich einfach mal hier im Amt ein bisschen umsehen.
Mal sehen wer keine Arbeit hat... Vale, Decimus Martinus!"
Ich blickte auf.
"Ist schon gut, nur, dass es mir um eine Vollmacht eigentlich nicht ging. Ich habe schon von Amtswegen als Regionarius das Recht durch den Legatus Augusti Pro Praetore meine Nase überall reinbzustecken. Es ging mir lediglich darum, im Vorfeld abzuklären, in wie weit ich in der Verwaltung von Tarraco auf Kooperation stosse, oder mich eben auf mein Amt berufen muss..."
Ich lächelte den Comes an, steckte jedoch das Schreiben ein.
"Dennoch vielen Dank!"
Nach einer Verlegenheitspause stellte ich noch eine Frage zu dem Hafen.
"Um was geht es bei dem Hafenausbau? Wenn man fragen darf..."
Mein Vater versuchte ein Gespräch anzufangen. Ich dachte zurück an meine Zeit in Rom als ich das Vaterhaus verließ, an die Zeit, als wir uns nichts mehr zu sagen hatten, an die Zeit, wo er nach Alexandria aufbrach und seine Frau in Rom zurück ließ. Doch der Mann, der heute vor mir stand war ein ganz anderer, und ich selbst war auch ein ganz anderer. Rom war Vergangenheit, was zählte war Tarraco.
"Ich weiß, Vater. Doch wir haben auch früher nie viel geredet."
Dann nach einer längeren Pause der Verlegenheit beantwortete ich seine Frage.
"Mir geht es gut. Ich bin Regionarius, eine interessante Aufgabe. Decimus Meridius hatte mir den Posten angeboten, ich überlegte und tauschte das Schlachtfeld gegen die Aufgabe Verbrechen aufzuklären und für die Sicherheit in Tarraco zu sorgen..."
Ich hatte das Schreiben gelesen, als wir von einem mir fremden Mann unterbrochen wurden. Es ging um den Ausbau des Hafens von Carthago Nova. Ich wusste daher nicht genau, auf welchen Sachverhalt sich die Frage von Decimus Martinus bezug und zuckte mit der Schulter.
"Meinen wozu?"
Ich sah meinen Vater eintreten. Der Tod seines Bruders hatte ihn hart mitgenommen, tiefe dunkle Ringe lagen um seine Augen, er hatte sicher die ganze Nacht kein Auge zu tun können. Was sollte ich ihm sagen? Woher nimmt man in Zeiten des Todes den Trost? Ich wusste es nicht. Also schwieg ich und nickte mit dem Kopf.
Ich betrat das Atrium und blickte mich um. Irgendwie war es merkwürdig, in diesem großen Haus war nie jemand zu Hause.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich wie gerädert. Aber glücklich, denn ich hatte von meiner Vestalin geträumt. Ich konnte sie nicht aus meinem Kopf bekommen. Auf der anderen Seite wusste ich jedoch auch, dass es immer ein Traum bleiben würde. Sie würde sich dem Kult der Vesta hingeben und nie einem Mann, folglich sollte ich mich früher oder später nach einer anderen Frau umsehen. Was soll es, dachte ich und zuckte mit der Schulter. In Tarraco gab es massenhaft schöne Frauen, es wird sicher eine darunter sein, die auch annähernd an sie ran kommt.
Ich zog eine frische Tunika an und auch eine Toga, wollte ich doch in meiner Arbeit als Regionarius zumindest auf dem Amt standesgemäß gekleidet sein. Ich überlegte. Ich brauchte noch unbedingt einen geeigneten Centurio, der jetzige glänzte durch Inkompetenz, und schien auch nicht sehr kooperativ. Doch nichts überstürzen. Ich hatte Zeit und ich würde nicht jeden nehmen. Soviel stand fest. Ich musste ihm vertrauen können.
ZitatOriginal von Lucius Decimus Martinus
"Salve Balbus!
Nein, keineswegs!
Was kann ich für dich tun?"
Ich schob meine Arbeitsunterlagen zur Seite um Platz zu machen
"Nimm doch bitte Platz"
Nachdem Decimus Martinus das Schreiben gelesen und auf den Tisch gelegt hatte, begann ich zu reden.
"Es geht um meine Arbeit als Regionarius. Ich könnte diesbezüglich die Unterstützung aller Ämter gebrauchen. Zum einen geht es um das Attentat auf den ehemaligen Proconsul von Hispania. Und um das Aufspüren von entlaufenen Sklaven. Ich brauche dazu Unterstützung, in der Form, dass ich Zugang zu allen Akten und Dokumenten im Haus erhalte, in der Form, dass man mir Zugang zu allen Bereichen gewährt und in der Form, dass ich auch auf die Scriba zurückgreifen kann. Welcher Scriba stände denn für mich zu Verfügung?"
Verspätet erreichte auch ich den Strand, da ich bei meinen Untersuchungen im Hafenviertel länger gebraucht hatte. Als ich eintraf, wo man ihn gefunden hatte, waren bereits alle verschwunden. Es gab für mich weder etwas zu sehen, noch zu befragen, selbst seinen Leichnahm hatten sie bereits weggeräumt. Ich fluchte vor mich hin. Nicht nur, dass es mein Onkel war, nein, ich würde nun kaum mehr die Möglichkeit haben den genauen Unfallhergang zu rekonstruieren. Für die Akten würde nur bleiben "Tod durch ertrinken". Alles andere konnte ich von vornherein ausschließen, weil nicht mehr nachweisen. Dennoch: Fragen blieben. Warum kam er auf die Idee ins Meer hinauszuschwimmen? Der Winter war kaum vorbei und das Wasser hatte Eiseskälte! Und warum war er alleine?
Ich schüttelte den Kopf und ging wieder in die Stadt.
Ich betrat die Taverne. Dienstlich versteht sich. Unauffällig setzte ich mich unter die Gäste und hörte mich hier und da etwas um. Meine Tarnung hielt jedoch nicht lange, da mich der Wirt als Tribunus Angusticlavius kannte und sofort ansprach.
Was die Legion mache, wie der Feldzug voranginge, und wie es käme, dass ich in Tarraco wäre. Ich lächelte verlegen und sagte, ich sei aus der Truppe ausgetreten. Daraufhin warf er mir einen missbilligenden Blick zu, der alles zwischen Landesverräter und Feigling bedeutete, weswegen ich sofort hinzufügte, eher versetzt worden zu sein. Unter vorgehaltener Hand gab ich ihm zu verstehen, dass ich nun der Regionarius wäre.
Seine Gesichtszüge hellten sich auf, er winkte gleich nach seiner Frau und ließ mir einen extra Krug Wein vorsetzen - ich wusste nicht, ob er es aufrichtig meinte, oder ob er sich berechnend schon einmal mit dem neuen Regionarius gut stellen wollte. Jedenfalls bat ich ihn, sich zu mir zu setzen und ein paar Informationen zu geben.
Erst tat er so, als ob er eh nie etwas wissen würde, zu viele Gäste, zu viel Betrieb, ein ständiges Kommen und Gehen, dann jedoch zeigte er sich willig zu kooperieren, schließlich seien wir ja alle Freunde des Imperiums und des Imperators. Ich nickte lächelnd und wusste, dass ich in dem Laden das eine oder andere Augen zudrücken musste, wenn ich an meine Informationen kommen wollte.
"Gut, dann fangen wir mal an."
Ich nahm einen Schluck Wein.
"Gab es in letzte Zeit etwas auffälliges? Oder auch schon davor? Irgendwelche Vorkommnisse? Du hast sicher von dem Attentat auf den vorherigen Proconsul gehört. Dabei wurde ein Verdächtiger, also der Attentäter getötet. Wir können davon ausgehen, dass er sich vielleicht vor seiner Tat hier in der Taverne umgesehen hat um Informationen einzuholen..."
Er schüttelte den Kopf. Es war viel zu lange her, was ich selber ebenfalls wusste.
"Dann was anderes. Ich suche eine entlaufene Sklavin. Etwa mittelgroß, gebräunte Haut, dunkles schwarzes langes Haar. Das Haar fällt sofort auf..."
Er überlegte. Eine Sklavin auf welche die Beschreibung passen würde, hätte er nicht gesehen. Und eine Sklavin? Er habe statt dessen ein Gespräch aufgeschnappt, in dem es um zwei Skavinnen ging. Zumindest vermutete er, dass es um Sklavinnen ging. Dass es jedoch Frauen waren, da war es sich ganz sicher. Ein Römer habe einer zwielichtigen Gestalt Geld angeboten, wenn sie ihm einen Gefallen täte, genaues wisse er jedoch nicht, zuviel Betrieb.
Ich nickte mit dem Kopf.
"Wie sahen die Männer aus?"
Er versuchte sich zu erinnern. An den zwielichtigen konnte er sich kaum mehr erinnern. Solche Typen säßen ständig in der Taverne, nur der andere, der wäre etwas vornehmer gewesen, er habe ausserdem einen dicken fetten goldenen Ring an seiner Hand getragen. Und er habe Ähnlichkeit mit dem früheren Volkstribunen gehabt, der einmal hier in der Taverne gewesen sei. Bevor er mit dem Schiff verschollen ging.
Ich dachte nach. Der Volkstribun? Wen meinte er? Ich würde erst einmal auf dem Amt weitere Erkundigungen einholen müssen.
"Ich danke Dir."
sprach ich und legte eine Goldmünze auf den Tisch, erhob mich und trat wieder nach draussen.
Ich begab mich am frühen Morgen zum Hafenmeister und wirbelte kräftig Wind auf. Soldaten der Stadtwache von Tarraco durchsuchten ein paar Schiffe auf den Inhalt und illegale Passagiere. Ich ließ mir auch eine Liste geben mit allen Schiffen, die den Hafen innerhalb der letzten Woche verlassen hatten. Vermerkt waren Name des Schiffes, Name des Eigners, Name des Kapitäns, Anzahl der Besatzung, Anzahl der Passagiere, Art und Umfang der Fracht, Abfahrtszeitpunkt und Zielhafen. Die Liste war ellenlang und es würde mich Monate kosten diese eine Woche umfassend zu überprüfen. Ich schüttelte daher den Kopf. Wir konnten nur Stichproben machen, oder mussten unseren Fokus eingrenzen.
"Setz einen Neuen an die Liste! Vielleicht findet der was."
sprach ich zu meinem Centurio. Dann beschrieb ich dem Hafenmeister ein paar entlaufene Sklaven und ließ auch unter den Dockarbeitern ein wenig herumfragen, aber wie ich vermutet hatte, kamen und gingen jeden Tag einfach so viele Menschen, dass es ein Ding der Unmöglichkeit war, wenn sie nicht extra irgendwie aufgefallen wären.
Nach etwa zwei Stunden Arbeit ließ ich die Männer abrücken und begab mich um einen riesen Stapel Dokumente reicher wieder in die Stadt.
Ich klopfte an und betrat das Officium des Comes. Es war geschmacklich eingerichtet und wies den selben Stil wie die Casa Decima auf. Man erkannte auf den ersten Blick, dass es das selbe Auge und die selbe Hand waren, die hier Linie und Farbe hinein gebracht hatten.
"Salve, Decimus Martinus! Störe ich?"