Nocturna Roma aut: Infamia, Vitium et Bacchatio oder: Zwei Männer des Nachts in der Stadt


  • Die Sonne war bereits vor ein paar Horae hinter den Horizont gefallen, hatte sich in einem flammenden Schein jenseits der irdischen Oberfläche begeben, um der Nacht den Einzug über das Land zu gewähren, schwarz und dunkel war sie nun gekommen und legte ihren schützenden, finsteren Umhang über die Stadt, nur um Selene einen schwachen Einblick auf die ewige Hauptstadt zu gewähren, denn nur als schmale Sichel stand sie am Himmel, um noch in den nächsten beiden Tagen ganz zu schwinden und nur noch den Sternen das ätherische Leuchten am Himmel zu überlassen. In vielen Straßenzügen Roms war es auch genauso dunkel wie in den Wäldern und den Sümpfen rings um die Stadt. Kein Licht erhellte den Weg dort und keine Fackel zeigte dem nächtlichen Wanderer den Weg. Doch was sollte der brave Handwerksmann schon zu dieser Stunde in der Stadt? Schlief nicht der ehrbare Bäckermeister, der in wenigen Stunden bereits aufstehen musste, um den Teig zu walken und die Brotleiber in den Ofen zu stecken, damit die frühen Aufsteher, die schon im Morgengrauen zu ihrer Arbeit eilten, noch schnell das warme Brot zu sich nehmen konnten, ein karges Frühstück, ehe sie hart arbeiten würden? Trieben sich nicht nur zwielichtige Gesellen und Menschen, mit arglistiger Intention, jetzt noch durch das nächtliche Rom? Gingen zu dieser späten Stunde nicht nur Prostibulae, Meretrices oder Pueri cauponii ihrer nächtlichen Beschäftigungen nach, darauf wartend, dass doch einige 'ruchlose' Römer zu ihnen kamen, um sich den nächtlichen Lastern hinzugeben? Womöglich war dem so, doch auch noch andere Menschen trieben sich nachts in der Stadt herum, Menschengrüppchen aus den unteren Schichten, die sich in manch einer Popina die Zeit vertrieben, fehlte ihnen doch, im Gegensatz zu der reichen Oberschicht, auch die Räumlichkeiten für private Feiern. Aber auch Männer der Oberschicht waren in der Stadt anzutreffen. Ältere, die immer noch den Kitzel in der Nacht suchten, oder Jüngere, die die Stadt erforschen wollten getreu dem Motto 'Nippe, Jüngling, den Kuss von den blühenden Lippen des Mädchens; gönn' es den Greisen, die Stirn mürrisch in Falten zu ziehen!'


    Doch auch jemand ganz anderen zog es heute in die Nacht hinaus, es war Hannibal, der sich aus der Villa Flavia geschlichen hatte, um sich dem nächtlichen Treiben anzuschließen und einer Verabredung nachzukommen. Ohne Fackel und ohne Laterne war er durch die Straßen von Rom gegangen, sich bewusst, dass ihm eine Fackel mehr Ärger eingebracht hätte als Nutzen. Still und ruhig lag das Forum Romanum nun vor ihm. An seinem Rücken spürte er die Reliefs des großen und mächtigen Titusbogen, der den Eingang des Forums markierte und an den gelehnt Hannibal nun wartete. Schwarze lange Schatten zogen die Gebäude vor seinen Augen. Und über dem Forum schienen die wichtigsten Hügel der Stadt zu thronen und das einstig politische Zentrum der Stadt erdrücken zu wollen, die kleien Curia, eingekeilt zwischen Palatin und Kaisersforen. Selbst wenn Hannibal von da, wo er stand, die Hallen des Senates nicht sah, umspielte seine Lippen ein hauchdünnes Lächeln als er über die Symbolkraft der Architektur nachdachte. Seine Augen schweiften über die Paläste am Palatin entlang zum Capitolium und der Arx. Ganz ruhig war es auf dem Forum nicht, immer mal wieder hörte Hannibal die Stimmen anderer Männer oder mal Schritte in der Ferne. Er sah das Leuchten von einem Fackelzug, wohl reiche Herrschaft, die von einem Gelage nun nach Hause kehrten und sich von ihren Sklaven den Weg leuchten ließ. Hannibal hatte die Arme vor der Brust verschränkt, er spürte den Stoff seiner dunkelroten Tunika, die mit einem braunen Gürtel gehalten wurde, unter seiner Hand, darüber lag sein schlichter Überwurf, den er immer des Nachts trug und der seinen Dolch am Gürtel zu verbergen wußte. So harrte Hannibal, der wohl etwas zu früh gekommen war, an den Titusbogen gelehnt dem entgegen, den er in dieser Nacht zu erwarten gedachte und der ihm eine kleine Nachricht am Nachmittag hatte zukommen laßen.

  • Es war Nacht, ausgefüllte Stunden lagen hinter mir. Ich spürte um mich, wie ein lebendiges Wesen, die Ewige Stadt, in der das Leben wogte und pulsierte; verborgen jetzt unter dem Mantel der Dunkelheit, lud es ein sich darin treiben zu lassen, sich anzuschließen dem Strom derer, die unterwegs waren um zu feiern und sich hemmungslos zu vergnügen. Genau das hatte ich vor, oft genug hatte ich in Parthia um mein Leben gebangt, den Tod schon im Nacken gespürt - jetzt wollte ich auskosten was ich nur konnte, nicht an morgen denken, einfach richtig spüren, dass ich noch unter den Lebenden war! Ich kreuzte den Weg von ein paar Fackelträgern, in ihrer Mitte stützten zwei Sklaven einen schwankenden Mann in Toga. Das Licht blendete mich, ich kniff die Augen zusammen und bog um die Ecke der Basilica Iulia auf das Forum ein. Mein Herz klopfte schneller, als ich den grossen Titusbogen sah, der sich massiv, titanisch geradezu, in der Dunkelheit abzeichnete.
    Ob er kommen würde?! Vielleicht hatte er meine Nachricht gar nicht bekommen? Vielleicht hatte er keine Zeit, weil sein Herr irgendwelche Aufgaben für ihn hatte! Oder vielleicht hatte er... schon was anderes vor...?
    Zum ersten mal seit langer langer Zeit trug ich wieder Zivil, ich hatte mich schick gemacht für das Treffen, und zwar mit einer neuen Tunika, sehr à la mode wie man mir versichert hatte - ich war ja gar nicht mehr auf dem laufenden - ganz hell war sie, mit blaugolden gemusterten Schmuckclavi, und einem weiten Halsausschnitt, der sich vorne lässig als Falte zur Seite legte. Die trug ich natürlich discinctus, locker gegürtet, der leichte Stoff bauschte sich in sorgsam legeren Falten über dem Gürtel, und versteckte auch den Pugio den ich drunter trug. Eine dazu passende Lacerna lag um meine Schultern, und meine Füsse fühlten sich unheimlich leicht an, weil ich die Caligae gegen Sandalen mit weichen Sohlen getauscht hatte, deren Riemen ich kreuzweise um meine Waden bis zu den Knien hinauf gebunden hatte. Mit Caligae war schlecht tanzen.
    Als ich näher kam, erblickte ich zuerst nur einen dunklen Umriss, der auch Teil des Reliefs hätte sein können - dann erkannte ich den Heissersehnten und mein Herz machte einen Freudensprung.
    "Hannibal!", rief ich, stürmte freudestrahlend die letzten paar Schritt auf ihn zu, und umarmte ihn überschwänglich. "Liebster Hannibal, ich freu mich so!"
    Ich suchte sein Lippen zu einem hemmungslosen Kuss - es war ja dunkel, zum Glück - und raunte dann atemlos an seinem Ohr: "Ach, ich habe die Stunden gezählt! Ich hab mich so nach Dir gesehnt, meum savium! Wie geht es Dir?! Und sag, wo sollen wir hingehen? - Ich kenn mich hier doch gar nicht mehr aus."

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    Klient - Decima Lucilla

  • Sternenklar war die Nacht, die ihre Dunkelheit über das Treiben so manch eines infamen Römers legte, wiederum den gesunden Schlaf vieler Menschen schützte, und sich ungetrübt mit vielen kleinen funkelnden Sternen über Hannibals Kopf hinweg erstreckte. Nur einige Wolkenschwaden zogen über den mächtigen Titusbogen hinweg, um in der nächtlichen Dunkelheit zu entschwinden. In sich gesunken wartete Hannibal, die Augen auf das Pflaster gesenkt, während er den Geräuschen um sich herum aufmerksam lauschte. Mal schienen Schritte sich zu nähern, doch sie verklangen wieder. Ohne dass sie ihn aus der Nähe streiften. Ein wenig kühl war es in der Nacht geworden. Selbst wenn der Tag von der Sonne geliebkost wurde. Hannibal zog den Umhang fester um seine Schultern und unterdrückte einen Hustenreiz, der sich in seiner Brust ausbreitete. Ein lästiger Husten, den er in der letzten Woche immer mal wieder hatte. Seitdem er in Ravenna eingetroffen war, hatte es angefangen.


    Vielleicht hatte Hannibal auch das typische Klacken von Soldatenschuhen erwartet. Wenn die Nägel die Pflastersteine streiften, dann machten sie ein Geräusch, was man selbst noch drei Straßenzüge zu hören meinte. Ein Glück für manch einen Ganoven in der Subura oder dem Aventin, denn die Urbaner meldeten sich oftmals selber an, ehe sie noch zum Orte des Geschehens oder Verbrechens kamen. Erst im letzten Augenblick hörte Hannibal die leichten Schritte, die sich ihm näherten und hob den Kopf. Ein Lächeln schlich sich auf seine Gesichtszüge. "Faustus, mein schöner Faustus!", grüßte Hannibal den flotten Soldaten und legte seine Hände um dessen Schultern und auf seinen Rücken als er so euphorisch umarmt wurde. "Hm!", murmelte Hannibal nach dem Kuss und suchte mit seinen Lippen nach der Halsbeuge von Faustus, um ihn dort sachte zu küssen. "Gut!", raunte Hannibal als Antwort und ließ seine Lippen an den soldatischen und gut duftenden Hals entlang gleiten. "Und Dir, mein schöner Faustus? Wie lange hast Du denn frei?" Dass es nur eine Nacht war, das ahnte Hannibal freilich nicht. Aber dass so sparsam mit Freigang bei der Legion umgegangen wurde, das wäre ihm nie in den Sinn gekommen.


    Hannibal löste sich ein wenig von der verlockenden Haut, die er noch nicht ausgiebig genug liebkost hatte. Aber eine Kostprobe war ihm gewährt worden und diese gustierte ihm formidabel. "Ein Freund..." Ein Freund? Hannibal kam diese Floskel leicht über die Lippen. Aber eigentlich war das kein Freund. Ein Bekannter. Ein Zweckbekannschaft, die es in Rom doch so reichlich gab. Man traf sich, lernte sich kennen und erfuhr meist nicht mehr als den Namen und die gemeinsame Aktivität, der man nach ging. Dann trennten sich die Wege und man vergaß sich schnell wieder. So war es in Rom nun mal. Und nur wenige Menschen würde Hannibal ehrlich als einen Freund bezeichnen. Menschen, auf die man sich verlassen konnte. Dennoch sprach er es aus. "Ein Freund gibt heute Nacht eine Feier. Gleich hier in der Nähe. Wir könnten uns ihr anschließen. Und wer weiß, wozu wir später noch Lust haben!" Ein doppeldeutiges Glitzern erschien in seinen braunen Augen, dann ergriff er die Hand von dem schönen jungen Mann, um ihn einige Schritte mit sich zu ziehen. Erst als sie sich aus dem Schatten des Titusbogen lösten und den dazu gehörigen Säulen, ließ Hannibal von Faustus ab. An dem mächtigen Tempel des Saturn strebte Hannibal vorbei. Dort, wo der große Goldschatz des römischen Staates aufbewahrt wurde. Nun kam auch die Basilica Iulia in Sicht. Ebenso die Curia, die sich wie ein Schatten auf dem nächtlichen und unbeleuchteten Forum abzeichnete. Hannibal ging schlendernd vom Forum weg und in Richtung der etruskischen Straße, in die er tatsächlich hinein bog.


    In den Viscus Tuscus lief Hannibal, die eine Straße mit zahlreichen Gesichtern war. Am Tage voller Händler, die ihre Waren feil boten. Auch einige Buchhändler hatten sich in diesem langen Straßenzug breit gemacht und boten von schlüpfrigen orientalischen Geschichten bis hin zu tiefsinnigen philosophischen Schriften alles an, wonach das römische Herz begehrte. Deshalb mochte Hannibal die Straße. Indes in der Nacht, aber auch schon am Tage, zeigte sich hier noch ein anderes Gesicht. Junge Männer, Sklaven, Pueri Cauponii boten an jener Stelle wie die Händler ihre Waren den interessierten Passanten ihre Körper dar. Auch jetzt sah Hannibal in den Schatten der Häuser den einen oder anderen Jüngling stehen, der aufreizend gekleidet war. Manche trugen auch Frauenkleider und waren nicht minder geschminkt als ihre weiblichen Pendants. Ein orientalisch anmutender junger Mann, der in einer gelbbeigen langen Tunika gekleidet und dessen Augen und Lippen mit Schwarz und Rot bemalt war, beugte sich etwas nach vorne und schenkte Hannibal und Faustus ein laszives Lächeln, dabei sein Gewand lüftend, um sich anzupreisen. "Auf ein kleines Abenteuer zu dritt aus?", fragte er mit schnurrender Stimme. "Für euch auch nur 9 Ass!" Hannibal streifte ihn einen Moment mit den Augen und schüttelte den Kopf, um weiter zu laufen, auch den anderen Pueri nicht groß Beachtung schenkend. Der Orientale, der die mögliche Kundschaft für die Nacht nicht so einfach ziehen lassen wollte, trat jedoch schnell auf Faustus zu und schlang einen Arm über dessen Schultern. Ein schwerer süßlicher Duft, wie nach Moschus, ging von dem Puerus aus. "Na, vielleicht nur wir zwei, wenn Dein Freund keine Lust hat? Für Dich nur fünf Ass!" Der Puerus ließ seine Hand an Faustus entlang wandern. Über die Brust, den Bauch und sogar bis zum Tunikarand, um dort langsam herunter zu fahren. "So ein stattlicher Mann wie Du ist sicher ein richtiger Stier in der Nacht!", hauchte der Orientale mit einer obszönen rauchigen Stimme.

  • Ganz leise aufseufzend genoss ich das wohlige, aufregende Gefühl von Hannibals Lippen an meinem Hals, und hauchte: "Phantastisch geht's mir... ganz wunderbar... - Aber ach, ich hab nur kurz frei, leider. Bei Morgengrauen muss ich im Lager zurück sein, allerspätestens. Ich hab nur die Nacht..."
    Das hatte schon fast was poetisches. Ein Freund von ihm? Irgendwie gefiel es mir nicht, wie er kurz zögerte als er 'Freund' sagte. Womöglich war derjenige mehr als ein Freund...? Auf einmal beschlich mich eine unschöne Anwandlung, die man nur als Eifersucht bezeichnen konnte, und die Vorstellung, dass Hannibal irgendwelche anderen Verhältnisse pflegte, war mir ganz unerträglich. Sei nicht albern, sagte ich mir, klar hat er welche, wieso auch nicht, du warst ewig weg, sowieso ist das mit ihm was mehr als lockeres, bleib kühl Faustus, liebe lieber ironisch, Eifersucht macht hässlich! Aber so wirklich half das nicht.
    "Dann lass ich mich mal überraschen", lachte ich, ein bisschen künstlich, "ich hoffe man kann da tanzen, ich hab wahnsinnig Lust zu tanzen!"
    Oh, dieses Glitzern in Hannibals Augen. Es überrieselte mich heiss!
    "Mhm, wer weiss", grinste ich, und liess mich willig von ihm an der Hand nehmen und mitziehen, ging dann dicht neben ihm, wobei es mir Spass machte, ihn immer mal wieder, wie zufällig zu streifen. Kleine, ganz flüchtige Berührungen, die rauhe Wolle seines Umhanges, sein kühler Handrücken an meinen Fingerspitzen, ein Atemzug in dem ich seinen angenehmen Geruch herausspüren konnte. Was war das, Sandelholz vielleicht?


    So vertieft in die Präsenz des Mannes neben mir, achtete ich zuerst kaum auf die Schönen der Nacht, die sich entlang des Viscus Tuscus präsentierten. Man kann nicht sagen, dass diese Strasse mir unangenehm war, viele der Jünglinge dort waren ja durchaus ansprechend, aber es erinnerte mich halt an Zeiten, die ich am liebsten aus meinem Leben gestrichen hätte, und meine Schritte beschleunigten sich ein wenig. Auf einem der Pueri verweilte mein Blick aber doch etwas länger, er hatte etwas orientalisches an sich, schmale Hüften, dunkle Locken und schön geschnittene Züge, vulgär geschminkt zwar, aber er wirkte schon recht anziehend... Unwillkürlich muss ich ihm wohl Interesse signalisiert haben denn er bot sich uns an, und stürzte sich, als Hannibal ablehnte, förmlich auf mich. So plump und routiniert die Anmache auch war - sie verfehlte nicht ihre Wirkung auf mich. Und teuer war er auch nicht. Wäre ich nicht schon mit einem viel spannenderen und noch unglaublich viel besser aussehenden Mann unterwegs gewesen, wäre ich bestimmt drauf eingegangen. So lachte ich über die Bezeichnung als 'Stier', und strich dem Puerus mit dem Handrücken über die blosse Schulter - der musste ganz schön frieren - um ihn dann freundlich abzuweisen.
    "Mhm, sehr verlockend. - Vielleicht ein anderes Mal, dulcis."
    Entschlossen löste ich mich aus der Umarmung, fuhr mit der Hand unauffällig an den Gürtel um mich zu vergewissern dass mein Geldbeutel noch da war wo er hingehörte (das war er), und ging schnell weiter, mit einem fast entschuldigenden Seitenblick zu Hannibal, dabei konnte ich ja nichts dafür dass der mich angemacht hatte. Der Moschusduft hing mir noch eine ganze Weile in der Nase.


    "Was ist das eigentlich für ein Freund, zu dem wir da gehen?", erkundigte ich mich dann doch, während wir weiter die Strasse entlangmarschierten, in Richtung des Forum Boarium oder des Circus, und erzählte etwas nachdenklich: "Es ist wirklich schön wieder in Rom zu sein. Ich habe vorhin gleich meine Familie besucht. Aber ich kann es noch fast nicht glauben, es kommt mir immer noch ein bisschen unwirklich vor wieder hier zu sein..."
    Die Statue des Vertumnus in der Löwenhaut tauchte am Strassenrand auf, beladen mit den Früchten die er uns Menschen brachte, auch dies ein vertrauter Anblick.

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    Klient - Decima Lucilla

  • Nur eine Nacht, eine Nacht. Es gab zahlreiche syrische Geschichten, die Hannibal früher verschlungen hatte, die von einer solchen Nacht erzählten. Vielleicht nicht ganz eine solche Nacht, aber eine Mondwanderung lang erlebten die Helden dieser Geschichten allerhand Dinge. Abenteuer, die manch ein Mensch sein ganzes Leben lang nicht erfuhr. Nur wenige Schritte von Faustus entfernt war Hannibal stehen geblieben. An seinem Rücken spürte er die Arkaden eines Baus, der in seinem Busen die Geschäfte der zahlreichen Händler beherbergte. Jetzt jedoch standen davor andere Feilbietende, die am Tage von diesen guten Plätzen vertrieben wurden. Hannibal betrachtete das Tete-à-tete des Orientalen mit Faustus erst mit verschlossener Miene, dann zuckte der Hauch von Eifersucht durch ihn. Hannibal war in dieser Hinsicht schon immer sehr empfänglich gewesen. Der düstere Schatten, das schwarze Monster, was in seiner Seele ruhte, begann sich ein wenig zu rühren. Aus einem Schlaf heraus, in dem es die letzten Monate verbracht hatte. Hannibal leckte sich über seine Lippen und seine Nasenflügel blähten sich auf. Doch noch ehe sich das dunkle Wesen in ihm weiter rühren konnte, löste sich Faustus schon von dem Orientalen. Der nahm das mit einem bedauernden Schulterzucken hin. Der Puerus wusste wohl, wenn ein Kunde nicht zu gewinnen war. Darum ließ er schnell von Faustus ab und wandte sich einer anderen Gruppe zu, wo er wohl bereitwilligere Kundschaft vermutete. Hannibal wandte sich um, um weiter zu gehen, aber auch, damit Faustus nicht den düsteren Glanz in seinen Augen sah. Dieser schwand so schnell, wie er gekommen war. So dass Hannibals braune Augen wieder friedlich wirkten als er sie das nächste Mal und bei der Frage auf Faustus richtete.


    "Fidenas ist sein Name! Er ist Bildhauer!", erwiderte Hannibal. Wirklich viel wußte Hannibal nicht über Fidenas. Er hatte sich noch nie viel mit ihm unterhalten. Es war ihm im Grunde auch egal, denn es ging mehr um die nächtlichen Gesellschaften, die besagter Fidenas gab. "Seine Feste sind recht unterhaltsam!" Hannibal lächelte schief und strebte an der Statue mit der Löwenhaut vorbei, der Hannibal keinen Blick schenkte. Er war schon so oft diese Straße entlang gewandelt. Schon erreichte er das Haus, das nach außen hin dunkel erschien und kaum verriet, dass dahinter ein Fest im Gange war. Hannibal blieb vor dem Toreingang stehen, der in den Innenhof und von dort in die Räumlichkeiten des Fidenas führten. In dem Augenblick zögerte Hannibal und sah zu Faustus. Womöglich war es keine gute Idee Faustus mit zu diesem Fest zu nehmen. Hannibal biss sich auf die Unterlippe und hatte den Impuls, doch etwas anderes vorzuschlagen. "Vielleicht...!", setzte Hannibal an. Doch schon näherten sich Schritte und ein Mann näherte sich ihnen von hinten. Er überragte sowohl Hannibal, als auch Faustus um gut zwei Handspannen. Er hatte recht breite Schultern und mehr breite, kantige Gesichtszüge, dazu kurz geschnittene Haare, die schon soldatisch wirkten und einen einfachen Umhang, den er sich über die Schulter geworfen hatte.


    Mit verengten Augen musterte der Mann sowohl Hannibal als auch Faustus, bis Erkennen über sein Gesicht glitt. "Ah, Hannibal! Grüß Dich!", meinte er zu dem flavischen Sklaven. Er sah an Hannibal hoch und runter. "Hm!", murmelte er. "Wo hast Du denn Chrysanta gelassen?" Ein Grinsen huschte über das Gesicht des Fremden. Hannibal sah ihn kalt an. "Sie wird heute wohl nicht kommen, Potitus!", erwiderte Hannibal mit einem brüsken Unterton. Besagter Potitus zuckte mit der Schulter. "Schade!" Dann sah er auch zu Faustus und lächelte breit. "Salve, schöner Mann! Dich habe ich noch nie hier gesehen. Aber kommt, die Feier läuft uns sonst davon!" Schon strebte Potitus mit einem breiten Gang und deutlicher Vorfreude auf dem Gesicht in den Innenhof. Hannibal sah zu Faustus und konnte sich jetzt wohl kaum noch drücken. Durch einen unscheinbaren Innenhof ging es. Schon drang die Töne leichter Musik zu ihnen. Dann auch das Murmeln und Sprechen von Menschen. Schließlich Lachen und zuletzt das Klappern von Bechern und Tellern.


    Kerzen- und Lampenlicht beleuchtete Hannibals Gesicht als er in den Raum trat, der einst mal eine Handwerkerwerkstatt war. Doch jetzt beherbergte sie die Räume eines Bildhauers. Im ganzen großen Raum standen Statuen, die in verschiedenen Reifestadien gediehen waren. Manche waren noch mehr grobe Blöcke, Andere zeigten schon ihre spätere Form. Ganz besonders die Statue, die in der Mitte des erleuchteten Raumes stand. Ein Apoll aus weißem Marmor räkelte sich auf einem Felsen, das Kinn auf die Faust gelegt und die Augen auf die Ferne gerichtet. Der schöne Körper war minutiös dargestellt. Das Gewand und Haare waren mit gold gemalt, die Augen leuchteten in einem strahlenden Saphirblau. Womöglich weil es tatsächlich zwei Saphire waren, die die Augen zierten. Zwischen den Skulpturen waren jedoch Klinen aufgestellt, Tische und zwischen ihnen tummelten sich die Gäste jener Feierlichkeit. Lyra und Flötenspiel durchdrang den Raum, aber auch der Geruch nach verbrannten Kräutern, nach Wein und nach guten Speisen.

  • Von einem gewissen Pygmalion heisst es doch, er habe sich eines Tages in eine Statue von Mamor verliebt. In das vollkommene Abbild einer Frau, kalt und steinern, das er den wirklichen und fleischlichen Frauen vorzog, und das am Ende, durch Aphrodites Wirken, sogar mit Leben erfüllt wurde....
    Als ich dem mamornen Apoll, in der Mitte der Werkstatt und im Zentrum des Festes gegenüberstand, da konnte ich diesen Pygmalion auf einmal verstehen. Es verschlug mir schier den Atem, welche Ausstrahlung, welche überwältigende, wirklich sinnenbetörende Schönheit von diesem in Stein gehauenen Leib ausging. Völlig überwältigt stand ich vor dem Gott und staunte, nur ein leises, verzücktes Seufzen kam über meine Lippen, während meine Augen, hungrig all das aufzunehmen, über die muskulös und zugleich so harmonisch gestaltete Formen glitten, die feine Äderung des Steines, den warmen Glanz des Kerzenscheines auf der glatten "Haut", die leichte Heiterkeit auf den geschwungenen Lippen, das Funkeln in der Tiefe der blauen Augen. Fast wie lebendig... Und ziemlich lasziv, wie er sich da auf dem Stein räkelte. Langsam ging ich um ihn herum, und lächelte als ich das Detail der minutiös herausgearbeiteten Locken sah, die sich in seinem Nacken kräuselten, golden schimmernd.
    "Wundervoll...", hauchte ich, und streckte verstohlen die Hand aus, berührte die athletische Wade, strich mit den Fingerspitzen über den glatten, kühlen Stein - nur ganz kurz.


    Es war voll hier drinnen, und warm. Ich löste meine Lacerna, und zupfte die Falten meiner locker gegürteten Tunika zurecht. Stimmengewirr erfüllte den Raum, mischte sich mit den melodischen Klängen der Musik, dem Rascheln von Stoff und dem Klingen von Geschirr. Einen Augenblick lang sah ich noch dem Mann nach, der uns gerade am Eingang begegnet war. Wie der Hannibal angesehen hatte, das gefiel mir ja mal gar nicht! Da änderte auch das hingeworfene Kompliment nichts dran. Die hatten ganz bestimmt was miteinander (gehabt?) Verdammt. Na, immerhin hatte Hannibal ihm die kalte Schulter gezeigt. Aber dann hatte Hannibal offenbar auch noch eine Geliebte, Chrysantha. Verdammt. Ob das die war, wegen der er damals, bei meinem Weggehen aus Rom, so ausser sich vor Sorge gewesen war? Verdammt. Chrysantha. Der Name schmeckte mir wie Galle. Bemüht, mir nichts anmerken zu lassen blickte ich mich um, und machte zu Hannibal eine fragende Geste zu einer Kline, die noch frei war. Sie stand direkt neben einem Block von bläulichem Mamor, aus dem sich gerade erst ein schlanker Fuss geschält hatte, sonst zierten noch ein paar grobe Meisselschläge den Steinblock. Als ob die zugehörige Gestalt noch darin stünde, zögernd hervorzutreten, und nur probeweise schon mal den Fuss herausgestreckt hätte.
    "Schön hier." Wer ist Chrysantha? "Gefällt mir..." Ob er sie liebt? "Und der Gastgeber hat also diese Statuen geschaffen, sie sind wirklich... ganz grossartig. Zeigst Du ihn mir?" Nicht ständig daran denken! "Solln wir uns da hinsetzen?" Ob ich ihn einfach fragen soll? Nein... "Mhm, riecht gut..." Ein Hauch von Hanf war mir in die Nase gestiegen. Ich atmete tief ein, "witterte" mit geblähten Nüstern.


    "Flosculus!" Eine kräftige Stimme rief den Namen. Ich zuckte zusammen.
    "Wenn das nicht Flosculus ist!" Eine Hand fasste meinen Arm, ganz vertraulich, und in dem bärtigen Gesicht, das sich, eine Weinfahne verströmend, zu mir neigte, erkannte ich Lucan, mit dem ich zu Subura-Zeiten gut bekannt gewesen war. Naja, eigentlich hatte ich mich mehr an ihn ran gehängt, in der Hoffnung durch ihn - er war Schauspieler - Zugang zur ach so wilden und aufregend freidenkerischen Bohème von Rom zu bekommen.
    "Salve Lucan", sagte ich steif. "Lange her, was?"
    "Ich glaub ich seh nicht recht! Es hiess Callistus' Leute hätten Dich kaltgemacht!"
    "Na wie du siehst stimmt das nicht. Alles nur Gerüchte. Ich bin jetzt beim Militär. Und ich nenne mich nicht mehr so. Sondern Serapio."
    "Beim Militär? Du?!"
    "Ja."
    "Na sowas."
    Ich hätte ihn am liebsten einfach stehen lassen. Das passte mir gar nicht, dieses Zusammentreffen. Lucan sah von mir zu Hannibal und grinste irgendwie wissend.
    "Hannibal, salve! Ja, was macht denn die betörende Chrysantha heute?"
    Chrysantha. Vor ein paar Minuten erst hatte ich den Namen gehört, und jetzt schon zum zweiten Mal. Ich hasste ich ihn. Den Namen. Und natürlich die Trägerin. Inbrünstig.
    "Und, organisierst Du eigentlich mal wieder ein Stück? Ich habe ja Proben und Aufführungen von morgens bis abends - spiele die Hauptrolle in einer ganz grossen Inszenierung, ganz gross, mehr kann ich dazu noch nicht sagen - aber für Dich, Hannibal, würde ich mir natürlich trotzdem Zeit nehmen! Da weiss ich, es ist was mit Anspruch! Also neulich erst... blabla... Applaus ohne Ende... blabla...grossartige Aufführung... bla... Hauptrolle... Lob von allen Seiten... blablabla..."
    Ich schaltete meine Ohren auf Durchzug während Lucan schwatzte und prahlte und kein Ende dabei fand. Ob er wirklich so gross rausgekommen war? Egal, hoffentlich konnten wir ihn bald abschütteln.

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    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Schlanke, wunderschöne Finger glitten über die Seiten einer Epigoneion. Mit jeder Erzitterung der Seiten entlockten diese Finger, deren Haut sanft und golden gebräunt war, dem Instrument, der Harfe, melodische und ätherisch klingende Töne. Schön waren die Hände, gepflegt die festen und halbmondförmigen Fingernägel, schlank die Finger geformt. Aber nicht zu einem schönen jungen Mann gehörten die Hände. Schon die Arme zeugten von einer Missgestalt. Der linke Arm war kürzer und etwas verkrümmt. Der Kopf wirkte größer als zum Körper passend, eine Narbe zierte sein Gesicht und seine Gestalt unter der dunkelbraunen Tunika wirkte auch sonst unnatürlich geformt. Dunkelgraue Augen sahen auf die Seiten des Instrumentes und die schönen, schlanken Hände zauberten die Wohlklänge in den Raum. Doch das bunte und muntere Treiben um ihn herum, schien der Musiker nicht zu bemerken, selbst wenn so manch ein Augenpaar zu dem Musikanten wanderte. Auch Hannibal streifte den Musiker, den er schon einige Male bei ähnlichen Feiern gesehen hatte, mit den Augen. Doch schon betrachtete Hannibal ebenfalls die Statue. Ein Nicken entlockten die Worte von Faustus dem flavischen Sklaven. "Ja, Fidenas ist schon begabt!" Einige der Statuen des Fidenas hatte Hannibal in den letzten Monaten gesehen und zu jeder Statue gab es immer ein Fest, das Fidenas veranstaltete. Ehe die Statue dann an den Käufer ging, der sie in Auftrag gegeben hatte. Hannibal sah sich nach freien Klinen um, wo sie sich nieder legen konnten. "Den Künstler...Fidenas?" Hannibal sah sich suchend in der Werkstatt um, die für heute Nacht auch als Ort des vergnüglichen Feierns dienen sollte. "Sicher.", meinte Hannibal gerade als er meinte, den Bildhauer erspäht zu haben. Doch weit gefehlt, Hannibal kam nicht mehr dazu, Faustus' Wunsch nach zukommen und ihn zu dem Pulk zu ziehen, in dem sich Fidenas mit sichtlichem Vergnügen suhlte, mehr in der Aufmerksamkeit, die ihm für den heutigen Abend zuteil wurde.


    Schwer, aber lautlos, in sich hinein seufzend wandte er sich dem Neuankömmling zu, bekam ein mehr reserviertes Lächeln auf den Lippen zustande. Erneut sah sich Hannibal suchend nach einer Kline um. Schon hatte er auch freie Plätze entdeckt ehe erneut der Name fiel, den Hannibal an dem heutigen Abend lieber ganz, ganz weit weg verbannen wollte. Es zuckte ganz kurz um Hannibals linkes Augen. Aber er konnte sich selber nur einen Dummkopf schimpfen, schließlich hätte er Faustus nicht gerade zu einer Feier in jene Kreisen schleppen dürfen. "Salve, Lucan!", grüßte Hannibal zurück. "Bestens, bestens!", antwortete er mehr einsilbig und ging langsamen Schrittes und nur mit halben Ohr lauschend auf die Klinengruppe zu, um sich dort auf die Polster zu setzen. Hannibal ließ Wein heran bringen. Ein hellhäutiger Sklave schenkte ihnen ein. Nach einer Weile von diesem Rederegen war es Hannibal dann doch zu viel. In seinem Geist ratterte es, er überlegte, dann schossen schon mehrere Pläne in seine Gedanken.


    Plan Eins wurde gleich voll führt: "Lucan, hast Du schon Mancinus gesehen? Ich hörte, er ist wieder auf der Suche nach neuen Talenten!" Erstunken und gelogen war das, aber Mancinus war für sein Mätzenentum mehr als bekannt, außerdem, dass er durchaus auch das Geld dafür besaß. Hannibal deutete mit seinem Kinn auf den kopulenten Mann neben der neu erschaffenen Statue, die an dem heutigen Abend gefeiert wurde. Hannibal hoffte, dass Nerv-Fisch Lucan den Köder biss und sich in Richtung des reichen Mannes trollte, um sich bei diesem anzubiedern.


    Plan Zwei oder nennen wir es lieber Phase Beta wurde ebenso gestartet: Hannibal erhob sich und griff nach Faustus Arm, um diesen sogleich mit sich zu ziehen. "Du wolltest doch Fidenas kennen lernen.", erklärte Hannibal und ließ Lucan einfach zurück. Schon drängte sich Hannibal ebenfalls in den Kreis, der sich munter schwatzend und lachend um einige andere Statuen und einen ausgesprochen gut aussehenden, goldblonden Mann tummelte. Der Mann trug eine weiße Tunika mit einem goldenen Überwurf und goldene Armreifen, die ihn sehr gut zu schmücken wussten. Sah man jenen Schönen länger an, so war die Ähnlichkeit zu der Statue durchaus frappierend. Um Hannibals Mundwinkel zuckte es kurz, als er den Mann ansah. "Faustus, wenn ich Dir vorstellen darf? Fidenas!" Hannibals Augen ruhten noch einen Moment auf dem Blonden ehe er sich dem mehr unscheinbaren Mann daneben zu wandte, der im Schatten des lebendig schönen Apolls kaum auffiel. Er war mehr durchschnittlich von der Größe, ein klein wenig untersetzt und hatte eine Halbglatze. "Fidenas!", sprach Hannibal den Untersetzten an. "Wenn ich Dir einen Helden aus dem fernen Parthia vorstellen darf? Das ist Faustus. Er ist ein Soldat der Prima und kürzlich aus dem Krieg heim gekehrt. Und ein Bewunderer Deiner Kunst!" Fidenas Aufmerksamkeit wanderte geschmeichelt von einem Gast zu Serapio. "Oh, welche Freude!", gab er von sich und lächelte erfreut. "Gefällt er Dir? Mein Apollon?"

  • Gequält von Lucans Geschwafel lehnte ich mich auf der Kline zurück, trank langsam Schluck um Schluck von meinem Wein, und beobachtete mit einer Art von morbider Faszination einen Musiker, der völlig verkrüppelt, ganz scheusslich deformiert war. Dafür spielte er wunderschön, allerdings übertönten die Klänge seines Instrumentes nicht das aufdringliche Rauschen in meinen Ohren: Chrysantha, Chrysantha, wer zum Hades ist Chrysantha? Ich wandte den Kopf und betrachtete Hannibal von der Seite. Zu gerne hätte ich gewusst was in ihm vorging, aber er war undurchschaubar wie immer, und ausser dass er offenbar, genauso wie ich, Lucan loswerden wollte, konnte ich rein gar nichts in ihm lesen. Das mit dem Loswerden vollführte er dann auch elegant, und Lucan machte sich ohne Umschweife davon. Puh.
    Schon zog mich Hannibal mit sich, in den inneren Kreis dieses Festes, ich wuste gar nicht wie mir geschah als ich auf einmal einem, das muss ich wirklich neidlos sagen, einfach strahlendschönen Mann gegenüber stand. Das musste der grosse Künstler sein, der Mittelpunkt des Festes, der Erschaffer dieses herrlichen Bildnisses! Verklärt sah ich den mutmasslichen Fidenas an, mit einem bewundernden Lächeln für den Künstler auf den Lippen, und war ganz überwältigt, wie ähnlich er seinem Werk war. Saphirblaue Augen! Sogar die Löckchen, die sich neckisch in seinem Nacken kraussten, entsprachen denen des steinernen Apoll.
    Erst verzögert ging mir auf, dass es gar nicht der Goldgelockte war, sondern der unscheinbare Herr mit dem schütteren Haar, dem der Ruhm gebührte. Hoppla. Dann war der Blonde bestimmt sein Modell, schloss ich, und antwortete dem echten Fidenas ganz enthusiastisch: "Salve, es ist mir eine Ehre so einen grossen Künstler kennenzulernen! Er ist wundervoll, wirklich vollendet!" - wobei sich meine Augen unwillkürlich aber nicht zu der Statue sondern zu deren goldblondem Ebenbild verirrten - ganz kurz, dann richtete ich meinen Blick sehr bewusst wieder auf mein Gegenüber. Oh je, irgendwie war heute abend der Wurm drin. Es wäre besser gewesen, so dachte ich mir in dem Moment, mit Hannibal alleine zu bleiben, anstatt unter Leute zu gehen. Wenn Fidenas sich jetzt nach dem Befinden der werten Chrysantha erkundigt, dann raste ich auf der Stelle aus!!
    Es war schwer, die überwältigende Begeisterung, die das Kunstwerk in mir auslöste, in Worte zu fassen, die Worte waren schwere, ungeschlachte, tölpelhafte Gesteinsbrocken, im Vergleich zu der zarten, ja sublimen Verzückung, der ich da anheimgefallen war.
    "Er strahlt etwas göttliches aus, etwas ungeheuer erhabenes. Und zugleich diese olympische Heiterkeit...", schwärmte ich hingerissen, und sah diesmal auch wirklich auf die Statue. "Ich habe während des Krieges so lange nichts derart Schönes gesehen."
    Nun ja, die Landschaften möglicherweise, aber die waren ja nicht von Menschenhand geschaffen.
    "Ich frage mich, was er wohl gerade denken mag.", meinte ich ernst, im Hinblick auf die klassische Denkerpose des Gottes, und blickte den Künstler fragend an. Vielleicht verriet er es mir ja.

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  • Gelage, Feier, Zecherei, Schmaus und alle Sinne kamen auf ihre Kosten, die Ohren wurden mit der melodischen Musik des Kitharaspielers geliebkost, die Augen von den Statuen umschmeichelt und der Gaumen mit guten, italischen Wein und erlesenen Speisen verwöhnt. Die Augen des Künstlers leuchteten glücklich auf, als er das Kompliment an sein Werk hörte. Während der Schönling an seiner Seite nur angeödet das Gesicht verzog. "Nichts!", erwiderte der blonde Mann an des Künstlers statt, sah dabei noch nicht mal zu Faustus. "Höchstens, wann er endlich von diesem Felsen herunter klettern darf!" Den indignierten Ausdruck des Künstlers ignorierend, schob sich der lebende Apoll durch den Kreis und schlenderte gelangweilten Ausdruckes davon. Der Künstler lachte hüstelnd auf, verlegen und betreten, ehe er schnell meinte: "Die Anwandlungen der Musen, launisch und wankelmütig sind sie. Aber lassen wir uns doch davon nicht stören!" Er trat an die Seite von Faustus und zog ihn in Richtung der Statue, wobei er ihm vertraulich am Arm fasste. "Was gefällt Dir denn genau? Ich meine, besonders stolz sein zu können, was den Schwung des Nackens angeht. Auch das erhabene Gesicht ist mir gelungen. Das weiß ich sehr gut..." Schon war der Künstler dabei, Kompliment erheischend, Faustus in ein Gespräch zu verwickeln. Doch, werte Leser, sicherlich könnt ihr euch denken, dass auf einem solchen Fest geplaudert, gelacht, getrunken, gegessen und ordentlich gefeiert wird. Kinder der Traurigkeit hatten sich hier nicht versammelt, selbst wenn Hannibal nicht zu den Partylöwen gehörte und mehr von der Sorte 'nachdenklicher Philosophensklave' 8) war. Der Name jener Chrysantha fiel auch immer mal wieder in sehr ominösen Zusammenhängen.


    Einige turbulente Stunden später:
    Der Himmel war nur von wenigen Wolken bedeckt. Die Sterne funkelten, es war recht kühl in der Nacht. Der Tiber rauschte und schob sich träge mit seinen Wassermassen voran. Irgendwo auf dem Fluss ruderten zwei Männer ein kleines und recht flussuntüchtiges Boot mit einer Lieferung, die nicht von den Vigilen, aber auch den Cohortes Urbanae entdeckt werden sollten. Einige Bäume wuchsen am Flussufer in die Höhe. Dort, wo sich der unscheinbare Weg an den Lagerhallen vorbei schlängelte, die an dieser Uferseite gebaut waren. Nur von dem Sternenlicht beleuchtet, das sich auf dem Fluss wieder spiegelte, schlenderte Hannibal den Fluss entlang. Eine Hand hatte er auf den Rücken gelegt, die Andere war an seinem breiten, braunen Ledergürtel verhakt. Eine Trauerweide ließ ihre Zweige tief in das Wasser hängen und streifte mit den Zweigen immer wieder eine Pinie, die vom letzten Sturm umgerissen wurde und nun in das Wasser getaucht auf dem Boden lag, die Wurzeln tot und trocken in die Luft ragend. Von einigen Häusern auf der anderen Seite des Ufers blinkten hin und wieder Lichter bis zu ihnen herüber. Man hörte das Fauchen von Katzen, die miteinander rangen. An der Seite des umgefallenen Baumes blieb Hannibal stehen und betrachtete den Baum. Eine Wolke von dem Rauch aus der Künstlerwerkstatt schien sie zu umgeben, der Duft nach verbrannten Kräutern, zudem Opium und Wein. Der Boden schien unter Hannibals Füßen zu schwanken. Obwohl er nur wenige Becher getrunken hatte. Aber Hannibal hatte von je her nicht viel Wein vertragen. Sein rechter Mundwinkel hob sich leicht. Er griff nach dem Handgelenk von Faustus und zog ihn näher an sich heran. "Faustus, schöner Faustus, willst Du nicht vielleicht doch in Rom bleiben?" Warum jemand sich freiwillig dem Militär anschloss, war Hannibal schlicht unverständlich. Der Fluss plätscherte leise um den Stamm des Baumes. Eine Fledermaus flog, der Jagd nach Insekten frönend, in einem scharfen Bogen über ihre Köpfe hinweg.

  • "Ooh Hannibal..." Näher an ihn heran, das war ja eine ganz VORZÜGLICHE Idee! Mein Körper schwankte haltlos, wie Röhricht im Wind, um dann sanft gegen ihn zu sinken. Hannibal! Mann meiner Träume! Ich schlang die Arme um ihn, gleichermaßen innig wie um mich festzuhalten und hauchte, geschmeichelt, mit bebender Stimme: "Willst Du das denn, meum savium...?!"
    Ach, wie fühlte sich das GUT an! Ich nestelte an seiner Tunika und vergrub die Lippen hungrig an seinem Hals. Mhm... ein Kokon warmen fraglosen Glückes umgab mich, eine weiche Hülle der Seligkeit. Aber waren wir nicht gerade noch auf dem Fest gewesen, mit den Statuen und den exzentrischen Künstlern und dem blasierten Apoll? Naja, ein Gott musste wohl so sein. Welch ein Fest! Ein Hoch auf den Gastgeber, er kann ja nichts dafür dass er kein Gott ist. Aber so grosszügig! Ja, ich hatte natürlich mal wieder dem Opium zugesprochen... Aber wenn das da so freigiebig angeboten wird! Nach der langen Zeit der Entbehrungen! Wer könnte da wiederstehen? Ich nicht!
    "Ich würde gerne!", murmelte ich und küsste hingebungsvoll diesen HERRLICHEN Hals, um das in einem neckischen Biss enden zu lassen. "Aber ich bin jetzt SOLDAT! Das heisst ich tue meine Pflicht wo immer ich, ähm, man mich, ähm, also hinbefiehlt." Ich lachte. "Willst Du etwa dass ich desertiere?"
    Mit den Augen rollend setzte ich mich auf den Baumstamm, der neben uns entwurzelt am Ufer lag, die Krone in den Tiber ragend, die Wurzeln wirr wie ein Schlangennest. Oder Eingeweide. Hannibal zog ich mit mir, und flüsterte: "Komm näher...!"
    Das Wasser rauschte, und die Zweige schwankten sacht. Eindeutig ein romantischerer Ort als die vermüllte Nebengasse in Ravenna. Obgleich es auch hier nicht gut roch, faulig halt, schlammig, was ich irgendwo am Rande wahrnahm, ohne dass es meine Euphorie im geringsten trüben konnte.
    "Diese Chrysantha.... ist das was ernstes, eigentlich?", fiel es mir plötzlich wieder ein. Ich fragte leichthin, und mein seliges Lächeln wankte dabei nicht. Nur so. Aus Interesse.

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  • Es war ein schneller Schatten, der durch die Nacht huschte und für den Moment Hannibals Aufmerksamkeit fing. Die Katze, die im Kampf unterlegen war, flüchtete mit schnellen Sätzen über eine brüchige Mauer und verschwand in der Dunkelheit der Nacht. Zwei Augenpaare, die im Sternenlicht schwach funkelten, sahen der Katze hinter her. Doch als die Stimme das friedliche Rauschen unterbrach, das der Fluss in seinem trägen Strömen verursachte, schwand auch jene Katze schnell in der Dunkelheit. Eine äusserst angenehme Berührung an seinem Hals verspürte Hannibal. Er legte den Kopf etwas zurück und sah in den Himmel. Viele kleine Lichter funkelten dort wie Edelsteine am Himmel. Nur darauf wartend, dass einer, der sein Glück suchte, mit den Händen danach griff. Aber Träume und Sehnsüchte? Welcher Sklave konnte sich das schon leisten? Darum überließ Hannibal solche Träumereien auch lieber anderen und begnügte sich mit dem, was ihm das Leben bot. Und das war, gerade in diesem Augenblick, sehr ansprechend. "Hmh!" Er hatte es auch nicht erwartet, dass Faustus seine Laufbahn als Soldat aufgab. Selbst wenn Hannibal immer noch davon überzeugt war, dass Faustus völlig fehl bei der Legion war.


    Bereitwillig ließ sich Hannibal bis zu dem Baumstamm ziehen und setzte sich. An seiner Wade spürte er das vom Tiber noch feuchte Holz. Eine Schlange floh als sie die Erzitterung spürte und verkroch sich im Dickicht der Flussbewachsung. Entspannt und gelöst lehnte sich Hannibal zurück und betrachtete Faustus aus einer Armes länge Distanz. Gerade wollte Hannibal noch etwas sagen, was vielleicht doch noch Faustus überzeugen konnte, die Legion zu verlassen als die Sprache auf sie, Chrysantha, zu sprechen kam. Hannibals Mund klappte wieder zu und er schwieg. Es wurde ihm tatsächlich etwas warm am Nacken und eine nicht zu leugnende Verlegenheit ergriff ihn. Chrysantha, Chrysantha, das war ein Thema, was er lieber geheim hielt. Ein kleines Abenteuer, was niemand etwas anging...außer ein paar Auserwählten oder Leuten, die es zufällig mitbekommen hatten. Hannibal sah einen Moment abweisend auf die dunkle Wasseroberfläche. Obwohl kaum Licht das Wasser berührte, schienen dennoch die Wellen den Fluss in vielen Schattierungen aufzuwerfen. "Es gibt sie gar nicht...Chrysantha! Sie ist nur eine Erfindung..."...und alles hatte damals angefangen, als sie einen Exaedil umbringen wollten. Eine harmlose Verkleidung, die Hannibal auf den Geschmack gebracht hatte.


    Das war wohl kaum eine Erklärung, die keine Gegenfragen mit sich brachte. Dessen war sich Hannibal bewusst. Einen weiteren Moment schwieg er und dachte darüber nach, wie er sich aus der Affäre ziehen könnte. "Um genau zu sein...", meinte er schließlich, "...ist Chrysantha noch nicht mal eine Frau. Irgendwie schon und dann wieder nicht." Hannibal sah nun vom Wasser zu Faustus. Um dessen Reaktion besser beobachten zu können. "Ich kenne da jemanden, der kleidet sich gerne als eine Frau. Wenn Du verstehst, was ich meine." Hannibal sah prüfend in das Gesicht von Faustus. Sollte er es ihm sagen? Wenn er des Nachts unterwegs war, waren ihm die Reaktionen der Anderen egal. Zumal wenige wirklich erkannten, dass er nicht Chrysantha war.

  • Ausflüchte! Ich starrte Hannibal an, mit glänzenden Augen, ganz starr und ohne zu blinzeln, so als könnte ich ihm Kraft meines Blickes sein Geheimnis entreissen. Erst bot er mir nur sein Profil - oh, diese klassisch geschwungene Nase, dieser ERHABENE Zug um den Mund, ich bleibe dabei, Hannibal hat, Sklave oder nicht, etwas wirklich patrizisches an sich - dann bot er mir die Front. Die Stirn. - Ausflüchte! Etwas wie Enttäuschung trat da auf die Bühne meiner Seele, ein räudiges kleines Tier mit schmierigem schwarzem Fell, das kratzte an der Hülle meiner Glücksseligkeit, kratzte und kratzte mit langen Krallen.... Ich hielt mein Lächeln fest, aber meine Lippen pressten sich fester zusammen.
    "Mhm."
    Mit einem Mal sprang das schwarze Biest auf meine Schultern. Das war vielleicht schwer! Obwohl es so klein war! Und es roch schal, nach vertrockneten Blumen und abgestandenen Träumen. Ich blinzelte und schüttelte meine Schultern um das Vieh loszuwerden. Was sollte Hannibal denken von diesem hässlichen Begleiter, der uns hier doch nur den Spass verderben wollte...
    "Na und? Mir ist es doch ganz egal ob's ein Mann ist oder eine Frau oder ein Mann als Frau oder eine Frau als Mann...."
    Trotz war in meiner Stimme. Ich lehnte mich beleidigt zurück, auf die Arme gestützt und betrachtete angelegentlich den Nachthimmel. "Schau mal die Sterne." Die blinkten weit über uns. "Sie sind aber nirgends so schön wie in der Wüste finde ich."
    Dann schwieg ich, sog einen Atemzug tiberfeuchter Luft durch die Nase, und beschloss: Nein, ich würde dieser infamen Chrysantha nicht kampflos das Feld überlassen.


    "Was mir nicht egal ist... - wer mir nicht egal ist, das bist DU!"
    Schon hatte ich mich aufgerichtet, und feurig Hannibals Hand an mich gerissen.
    "Hannibal! Ich ... ich..." - der pure Ansturm der Gefühle lies mir erst mal die Stimme versagen. Mit bebenden Nüstern und wild leuchtenden Augen sah ich meinem Geliebten ins Gesicht, presste dann seine Hand fest gegen meine Brust.
    "Spürst du mein Herz schlagen?!"
    Und wie es schlug. Atemlos von der Leidenschaft, berauscht vom Opium und der Theatralik des Momentes, warf ich alle Bedenken mich lächerlich zu machen im hohen Bogen über Bord und versicherte auf das feurigste:
    "Es schlägt nur für Dich! Nur für Dich!"
    Ich glaube er war ein bisschen überrumpelt. Da hatte ich schon die Arme um ihn geworfen, drückte ihn rücklings runter auf den Stamm, und raunte, mit mohngeschwängertem Atem und vor Leidenschaft halb erstickter Stimme:
    "Ich bin DEIN, Hannibal, und ich will dass Du MEIN bist! Wenn ich bei Dir bin, dann... dann versinkt die Welt, und jeder andere wird zum Schatten! Ich sehe nur noch Dich, ich will Dich spüren, Dich atmen, ich will immer mit Dir zusammen sein! Vergiss Chrysantha! Ich will alles für Dich sein!! Und wenn Du auf so was stehst - ich kann auch seehr weiblich sein, das weisst Du doch... - Dann eben zum Hades mit dem Militär! Was solls, werd ich eben Venuspriester, Hauptsache ich kann mit Dir zusammen sein... Und ich bekomme Dich frei, koste es was es wolle, das verspreche ich Dir!"
    Das kleine schwarze Tier ergriff die Flucht. Ich hatte jetzt keine Zweifel mehr, fühlte mich überhaupt ganz unwiderstehlich.
    "Hannibal... Ich liebe Dich!!!" hauchte ich stürmisch in sein Ohr und strich ihm mit einer Hand die Seite entlang, dann liess ich sie unter seiner Tunika verschwinden und dort auf eine forsche Entdeckungsreise gehen.

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  • "Oh!"
    - Das war jetzt aber ein reichlich dämlicher Ausdruck, Hannibal, der Junge... Nicht Junge, er ist schließlich ein fescher Soldat, also Mann... - Gut, Mann! Also, der Mann gesteht Dir seine Liebe und Du sagst: 'Oh!'? So oder ähnlich war der erste Wettstreit, der in Hannibals Kopf tobte, gleichwohl schon andere Stimmen darum wetteiferten gehört zu werden. Aber moment mal, wir wollen doch nicht überstürzen und fangen lieber ganz von vorne an, schön der Reihenfolge nach, denn noch lag Hannibal nicht halb unter Faustus begraben, noch hatte er nicht jenen seltsam anmutenden Laut von sich gegeben...


    Nur ein klein wenig zuvor:
    An seinen Händen spürte Hannibal die weiche und vom Fluss getränkte Borke des Baumstammes, an den er sich nun lehnte und unschlüssig Faustus betrachtete. Sollte er es ihm sagen? Einfach raus mit der Wahrheit! Doch Hannibals Lippen konnten sich nicht öffnen. Sie konnte nicht die Worte formulieren, die die Wahrheit offenbart hätten. Hannibal war dann doch zu sehr besorgt, dass Faustus lachen könnte. Auf gut Latein, Hannibal hatte schlicht Angst. Zudem war er sich sicher, dass Faustus etwas ganz bestimmtes in ihm sah. Etwas, was Chrysantha zerstören könnte. Aber eigentlich hielt Hannibal es lieber mit der Wahrheit. Erneut wollte er dazu ansetzen. Sein Mund wollte schon die Sätze formulieren, doch die Worte von Faustus brachten Hannibal dann völlig aus dem Konzept. "Frau als Mann?" Verwirrt runzelte Hannibal die Stirn. "Nein...", murmelte er und versuchte ein drittes Mal einen Ansatz zur Ehrlichkeit.


    Gut, so weit so klar, dann kam doch die überraschende Offenbarung für Hannibal, noch ehe er sich selber ausschütten konnte, tat dies Faustus. Mit wachsendem Staunen, vielleicht auch einem Quäntchen Belustigung, überließ Hannibal seine Hand dem ehemaligen Jüngling und nun herangewachsenen Mann, Faustus. Nur mit Mühe konnte sich Hannibal eines Grinsen erwehren, denn er glaubte, dass die theatralische Natur von Faustus durch das Opium wieder zum Vorschein kam. Womit er dann wirklich nicht rechnete, waren jene folgenden Sekunden, in dem nicht nur ein Schwall an Geständnissen über ihn herein brach, sondern gleichsam Faustus selber.


    "Oh!"
    Ja, da war es, dieses kleine 'Oh', was Ausdruck seines Erstaunens, Sprachlosigkeit und Verwirrung war. Nicht nur die Gedanken überschlugen sich, auch völlig überrumpelt rutschte Hannibal etwas am Stamm zur Seite. Er merkte es jedoch nicht, waren seine Gedanken doch vom Wein und dem Opium sowieso schon getrübt. Und jetzt auch noch in Aufruhr versetzt. Komm' schon, sage ihm, dass Du ihn liebst und gut ist, Hannibal. Gut? Aber ich weiss es doch nicht. Was kann es schon schaden, ein wenig Vergnügung und Freude soll Dir auch mal gegönnt sein, Hannibal. Vielleicht...Dann sag' schnell etwas, 'Oh' reicht wirklich nicht! So gedacht, halb getan. Hannibal hob seine Hände und legte sie auf die Wange von Faustus, um ihm ins Gesicht zu sehen. Wie schön er doch ist. Hannibal küsste Faustus lange ehe er sich den kleinen Stimmen im Hinterkopf beugen wollte. Um auch ein wenig Glück im Leben noch ab zu bekommen. "Faustus, mein schöner Faustus!" Hannibal atmete tiefer ein als er die Hände unter seiner Tunika spürte. Obwohl ihm gleichzeitig irgendetwas unangenehm in den Rücken bohrte. Was ist das? Irgendwie schien sich zudem etwas unter ihm zu bewegen. Egal, Hannibal ignorierte diese störenden Nebensächlichkeiten. "Faustus, ich li....aaahhh..." Just in dem Augenblick erwies sich die störende Nebensächlichkeit als Deus ex Machina. Mit einem schmatzenden Laut drehte sich der Baumstamm und Hannibal. Mit sich riss er sowohl Hannibal als auch Faustus und das in die ersten Ausläufer des Tibers. Wasser, Schlamm und Dreck umfing Hannibal, zudem rollte er ein Stück unter den Baumstamm und wurde von dem Gewicht herunter gedrückt.

  • "Aaaaah...!" hallte es auch aus meiner Kehle durch die Nacht, dann stürzte ich mit einem lauten Platschen ins Wasser, und der Schrei wurde zum Blubbern, als ich nämlich den Mund auf einmal voll schlammiger Brühe hatte. Bäh! Was genau gerade passiert war, das war mir nicht so klar, jetzt paddelte ich jedenfalls perplex, prustend, und pikiert über diese Wendung der Dinge im flachen Wasser.
    "Mierda!"
    So was Blödes! Ich hustete, spuckte aus, und versuchte wieder auf die Beine zu kommen. Kalt war das Wasser nicht, aber es miefte. Nach ein paar Versuchen gelang es mir mich aufzurichten, und schwankend watete ich Richtung Ufer. Auf der Wasseroberfläche lag ein schwacher Widerschein des Sternenlichtes, der Rand des Flusses jedoch lag im Schatten der Bäume und Sträucher in tiefer Schwärze. Ich sank im Schlamm ein, spürte den Matsch um meine Zehen, meine Knöchel. Das Wasser troff mir aus den Haaren und meine neue à-la-mode-Tunika klebte mir schlammgetränkt am Leib, klatschte bei jedem Schritt um meine Beine. (Bestimmt war das Teil jetzt völlig ruiniert.)
    "Hannibal? Lebst du noch?"
    Gerade hatte ich ihn doch noch in den Armen gehalten, gerade hatte er meine Liebesschwüre erwidern wollen.... Oder nicht? Der Schreck hatte meine Euphorie erstickt...oder ertränkt. Hatte Hannibal womöglich schonend dazu angesetzt mir einen Korb zu geben? Wieder wegen irgend so einer Frau?! Oooh, Fortuna war wirklich ein Drecksstück! Wieder glitt ich aus, und platschte in den Schlamm, aber das machte jetzt auch keinen Unterschied mehr. Wütend rappelte ich mich auf, wischte mir etwas glibberiges aus dem Gesicht. Mein Liebster schien Probleme mit dem Baumstamm zu haben, bemerkte ich - dieser Baumstamm schien überhaupt die Wurzel des Übels zu sein, dieses trügerische, morsche blöde Ding, und ich versetzte dem Holz einen erbitterten Tritt, worauf es sich drehte und ein Stück im Wasser herumschwang, weg von uns, was mich beinahe wieder meiner Balance beraubte, aber diesmal nur beinahe. Ich blieb auf den Beinen, und hatte so die Gelegenheit mich zu Hannibal zu neigen und ihm die Hand hinzustrecken, um ihm beim Aufstehen behilflich zu sein - eine schöne ritterliche Geste, das einzig Gute am diesem ganzen Fiasko hier.

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  • Lebst Du noch? Irgendwo aus der Ferne vernahm Hannibal die Frage, der noch übel mit dem elenden Stamm zu kämpfen hatte. Im Schwung war Hannibal mit dem Baum in das Wasser gerollt und unter ihm begraben worden. Das Holz stieß gegen seinen Kopf und hinterließ einen brennenden Schmerz. Im nächsten Augenblick verschluckten ihn die Fluten des Tibers. Willig, stinkend und dreckig. Mühsam konnte Hannibal den Stamm von sich weg schieben und tauchte wieder auf, heftig hustend und mit Sternen vor den Augen. Schlamm im Haar, brackiges Wasser unter sich, über sich und auch im Gesicht blinzelte Hannibal hoch in die Dunkelheit, die sich ihm recht verschwommen zeigte. Etwas Dickes und Glitschiges glitt an seiner Hand vorbei. Wohl einer jener fetten Tiberfische, die angeblich an der Cloaca besonders prächtig gediehen. Mit einem unterdrückten Stöhnen auf den Lippen ergriff er die Hand und ließ sich hoch helfen.


    Erneut meldete sich der brennende Schmerz an seinem Kopf und Hannibal hatte das Gefühl, dass der Boden ihm entfliehen wollte. Einen Augenblick hielt er sich mit einer Hand an der Schulter von Faustus fest und murmelte leise ein: "Oh!" Dieses Mal mit einer ganz anderen Betonung. Hannibal brauchte drei Atemzüge bis das Schwanken unter seinen Beinen aufhörte. Eine Berührung seiner Fingerspitzen an der Schläfe zeigte ihm eine rote Blutspur an seinen Fingern. "Hm!" Hannibal ließ die Hand auch nicht von der Schulter von Faustus sinken als er sich wieder standsicherer fühlte. "Danke." Ein schiefes Grinsen huschte über Hannibals Gesicht und er schüttelte mit Blick auf den Tiber kurz den Kopf. "Alles in Ordnung bei Dir?", fragte Hannibal und musterte Faustus. Bestimmt gab er selber, also Hannibal, ein genauso lausiges Bild ab. Wie ein vom Dreck übergossener Pudel sah Hannibal bestimmt aus. Die Kälte der Nacht kroch bereits klamm unter seine nassen Kleider. Der schlammige Geruch stieg ihm unangenehm in die Nase, zudem brummte ihm der Schädel. "Ich glaube, dem Tiber haben wir heute genug geopfert." Was für ein Pech aber auch. Hannibal sah in Richtung der Lichter in der Stadt und deutete mit dem Kinn darauf. "Sollen wir zurück kehren?"

  • Dem Tiber geopfert! Das fand ich UNSÄGLICH komisch!!!
    "Hahaha" lachte ich, "dem Tiber geopfert, haha, das ist gut!" Es schüttelte mich, kitzelte in meinem Bauch und kollerte fröhlich aus meiner Kehle. "Haha, wie Du aussiehst, wie ein Sumpfungeheuer, und ich auch, haha...ha...nnibal, Du hast da Entengrütze im Haar..." Ich krümmte mich, albern, bedröhnt, im Lachrausch, das war so komisch, ich konnte mich gar nicht mehr einkriegen... Aber dieses Flirren in der Luft, das immer stärker wurde, beunruhigte mich dann doch.
    "Irgendwas stimmt hier nicht." Schlagartig wurde ich ernst, hob die Hand und betrachtete das Phänomen durch die gespreizten Finger. "Ja..." - vertraulich beugte ich mich zu Hannibal und wisperte - "Du hast recht, wir sollten uns verziehen, es liegt etwas in der Luft, es ist höchste Zeit. - Bona Dea! Meum savium, Du blutest ja! Ich bringe Dich nach Hause."
    Darauf bestand ich, davon liess ich mich nicht abbringen, und stolpernd tappte ich, an der Seite meines verwundeten Erastes den Uferpfad entlang. Woher waren wir nochmal gekomme? Äste brachen und Gestrüpp zerkratzte mir die Beine als wir querfeldein die Böschung erklommen. Dann tauchten wir wieder in den dunklen Leib der Stadt, durchquerten dunkle Häuserschluchten und gewundene Gassen, die wie im Traum mal vor mir zurückwichen, mal sich vor meinen Füssen aufwölbten, sich bäumten wie ein bockendes Pferd...


    Irgendwann standen wir an einer Straßenkreuzung, um die herum prächtige Villen sich breit gemacht hatten. Jetzt schliefen sie, satt und behäbig, nur aus einem Vestibulum fiel ein blassgelber Lichtschein quer über die Strasse. Kalt war mir jetzt. Und etwas übel, flau im Magen. Ich hatte Durst, aber vor allem Lust auf mehr Opium. Pelzig lag die Zunge in meinem Mund, und wusste keine anderen Worte zu formen als:
    "Ja dann..."
    Ich vergrub die Hände im nassen Stoff meiner Lacerna und sah Hannibal mit grossen Augen unschlüssig an, machte vage Anstalten mich zum gehen zu wenden.

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  • Gestehen wir es uns ein, werter Leser, Hannibal war im Grund seines Herzen doch zu sehr humorlos, ein wenig zu ernst und nicht immer für ein Späßchen zu haben. Auch hier und jetzt am Tiber war es ähnlich. Vielleicht auch, weil er einfach nicht genug auf der Feierlichkeit geraucht hatte. Das Lachen von Faustus blieb unbeantwortet. Hannibal sah den jungen Mann an und schaffte nur ein leichtes Lächeln zustande zu bringen. Ihm kroch die Kälte unter die Kleidung. Mit einem ärgerlichen Blick auf den davon schwimmenden Baumstamm zupfte er sich die Entengrütze aus dem Haar. Hannibal gab nur einen unbestimmten Laut von sich und sah in die Dunkelheit hinüber. Es war jedoch von der Strasse her ruhig, langsam schien sich auch die Stadt in einen Schlaf zurück zu ziehen. Selbst in den Gegenden, wo nachts am meisten Leben herrschte. Aber Hannibal wusste, wie sehr das täuschen konnte. Aber in ihrem jetzigen Aufzug würden sie bestimmt kein lohnendes Ziel für Mordgesindel sein. Immer noch dröhnte ihm der Kopf und der Boden schwankte unter seinen Füssen. "Ja, gehen wir!", murmelte Hannibal. Bis nach Hause? Bis zur Villa Flavia? "Du brauchst mich nicht so weit zu bringen." Denn er wollte nicht unbedingt, dass einer der Sklaven sie vielleicht sah und verpfiff.


    Ehe sich Hannibal versah, standen sie jedoch bereits im Villenviertel. Vielleicht lag es daran, dass seine Gedanken zusehends von einem grauen Teppich umhüllt wurden. Ab und an glomm es dunkel vor seinen Augen. Der Schlag auf dem Kopf schien doch nicht ohne gewesen zu sein. Hannibal blieb stehen und lehnte sich gegen die Mauer des flavischen Anwesens. Die Spitzen auf der Mauer zeichneten sich wie schwarze Pila gegen den Himmel ab. Wolken hatten das Firmament bedeckt. Eine Katze fauchte in der Ferne und schien sich mit einer Anderen zu streiten. Im Stall hinter der Mauer wieherte leise ein Pferd auf. Irgendwo hörte Hannibal auch Schritte im Garten der Villa Flavia. Es schienen wohl doch nicht alle zu schlafen. Ja dann...Hannibal, der für einen Augenblick lang die Augen geschlossen hatte ohne es zu merken, öffnete sie wieder und sah Faustus blinzelnd an. " Dann.", erwiderte er und lächelte schief. " Faustus, schöner Faustus!" Hannibal beugte sich nach vorne und griff nach dem Gürtel von Faustus, um diesen etwas näher an sich heran zu ziehen. Hannibal schlang einen Arm um die Taille von Faustus und küßte ihn, drückte ihn dabei fest gegen die Mauer. Erst viele verpasste Atemzüge später löste sich Hannibal von ihm. " Bis bald, schöner Faustus!" Hannibal zwinkerte Faustus zu und trat auf ein kleines Seitentörchen zu, das er mit einem Schlüssel öffnete. Das Metall quietschte leise als er das Törchen öffnete und hindurch trat. Dann verschluckte ihn die Dunkelheit des Gartens. Nur das Rasseln von einem Schlüssel war noch zu hören und anschließend das Knistern von Blättern. Ehe auch das verstummte.

  • "Bis bald mein Erastes!"
    Ich sah ihm nach, noch immer an der Mauer lehnend, wie er das Tor öffnete und dahinter verschwand. Ein wehes, wundes Gefühl verspürte ich in der Brust, bei diesem Abschied. Langsam hob ich die Hand, und legte die Finger sacht auf meine Lippen. Wirklich, sein Kuss brannte noch auf meinen Lippen. Ich stand da noch einen Moment, und starrte auf die Villa. Dieser Abend hatte vielversprechend begonnen, doch er hatte unter einem schlechten Stern gestanden. Aber beim nächsten Mal, beim nächsten Mal da würde es bestimmt ganz anders laufen...
    Dann wurde mir zu kalt in den nassen Sachen, und ich verspürte diese blöde Unruhe, die wenn der Rausch nachlässt. Ich machte mich wieder auf, ging unsteten Schrittes durch das Villenviertel. Im Osten färbte der Horizont sich schon heller, und die ersten, früh aufgestandenen, Vögel begannen viel zu munter zu zwitschern. Müde lenkte ich meine Schritte die Strasse entlang, ging zurück zu meinen Kameraden, zurück in mein neues, ordentliches und anständiges Leben, in dem ich mir solche Eskapaden wie heute nacht eigentlich gar nicht leisten durfte.

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