• Eigentlich hatte Macer nur aus Spass am Rätsel der Acta Diurna mitgemacht, weil er ohnehin viel in der Stadt unterwegs war und die Teilnahme für ihn daher kein zusätzlicher Zeitaufwand war. Und dann musste er in der letzten Ausgabe doch tatsächlich lesen, dass er gewonnen hatte. Ausgerechnet er, der auch als Legat noch viel zu Fuß gegangen statt geritten war und der sich zuletzt immer ein wenig über seinen bequemen patrizischen Amtskollegen amüsiert hatte, hatte nun eine Sänfte gewonnen. Da er davon ausging, dass die nötigen Trägersklaven nicht im Preis im Preis inbegriffen waren, war er zunächst am Morgen zu einem bekannten Sklavenverleih in der Stadt gegangen, wo er sich häufiger bediente, wenn er speziell ausgebildete Sklaven benötigte, für die sich eine dauerhafte Anschaffung nicht lohnte.


    Mit den angemieteten Träger und ein paar der unvermeidlichen Klienten hinter sich stand er nun vor dem Gebäude der Acta Diurna und meldete sich beim nächstbesten Angestellten an. "Senator Purgitius Macer möchte gerne seinen Gewinn aus dem Rätsel abholen."

  • Auch wenn der Großteil der Arbeit von den Redakteuren der Acta Diurna in der ganzen Stadt und im ganzen Land verteilt geleistet wird, gibt es auch ein eher unscheinbares Hauptgebäude, in dem die Fäden wieder zusammenlaufen. Hier kommt die Post aus den Provinzen an, hier bringen die Redakteure ihre Artikel vorbei und hier wird durch die Auctrix die finale Genehmigung zum Schreiben und Meißeln der Tafeln erteilt. An denjenigen Tagen, an denen keine Veröffentlichung stattfindet, ist Livia hier kaum anzutreffen, da sie zumeist anderen Verpflichtungen nachgeht. Die Angestellten der Acta Diurna arbeiten jedoch emsig weiter und halten die Auctrix über ständige Berichte auf dem Laufenden.


    So gibt es auch heute reges Treiben. Bei dem Angestellten handelt es sich um einen der Scribae, die für gewöhnlich die Artikel der freien Redakteure entgegennehmen. Gerade ist er mit einigen Wachstafeln auf dem Weg in das Gebäude, als er angesprochen wird. Er stutzt kurz und mustert den Mann genauer, da dieser ihm über seinen Namen hinaus irgendwie bekannt vorkommt. Der Sesterz will jedoch nicht so recht fallen, so dass er den Gedanken wieder beiseite schiebt und den Senator freundlich begrüßt.


    "Salve, Senator. Selbstverständlich ist das möglich. Die Sänfte steht zur Abholung bereit."


    Einladend deutet der Mann auf den Eingang des Gebäudes und geht dem Senator ein Stück voran.

  • Macer gab den mitgebrachten Sklaven Anweisung, erst einmal draußen zu warten und folgte dem Angestellten ins Gebäude. Er bemerkte, dass ihm der gesamte Bau bei seinen vielen Rundgängen durch die Stadt nie sonderlich aufgefallen war. Neugierig schaute er sich um, wie der Komplex aussah, in dem Nachrichten aus aller Welt gesammelt und für die Veröffentlichung aufbereitet wurden. Ein wenig unscheinbar kam ihm alles vor, aber letztendlich kaum es ja nicht auf das Gebäude an.


    Viel Zeit zum Nachdenken und Staunen hatte er nicht, denn schon bald nach dem Betreten des Gebäudes erblickte er eine Sänfte. Er nahm zwar nicht an, dass die Auctrix oder eine andere leitende Person ihr Transportgerät derartig im Gebäude abstellte, aber sicherheitshalber fragte er doch lieber nach, bevor er sich noch über den falschen Preis freuen sollte: "Das da ist sie?"

  • Der Scriba drückt einem anderen rasch seine Wachstafeln in die Hand und setzt die Führung dann persönlich fort. Sie gelangen in eine etwas größere Vorhalle, die von zahlreichen kleineren Nebenräumen gesäumt ist. Ab und zu sieht man einen Angestellten der Acta mit Wachstafeln oder Schriftrollen unter dem Arm von einer Tür zur nächsten laufen. Das aus dem compluvium einfallende Licht erhellt den Raum und damit auch die Sänfte, welche ein wenig abseits an der Seite des Raumes abgestellt worden ist, um den Betrieb nicht zu stören. Es handelt sich nicht um ein besonders ausladendes oder prunkvolles Modell, doch ist sie von guter Qualität. Der Erbauer scheint vor allem Wert auf eine stabile Konstruktion und kompakte Bauweise gelegt zu haben. Bei der Auswahl der obligatorischen Vorhänge hingegen, ist mit Farbe und Ornament nicht gespart worden. Der führende Scriba hält zielstrebig darauf zu, bleibt neben ihr stehen und sieht sich lächelnd zu dem Senator um.


    "Ja, das ist sie. Wir haben sie hereingeholt, damit sich der Dreck der Straße noch nicht allzu sehr auf ihr absetzt. Gefällt sie dir?"

  • Auch wenn er nicht unbedingt zu den Menschen gehörte, die sich besonders fachkundig und präzise zur Qualität einer Sänfte äußern konnten und man ein Geschenk ohnehin nicht zu kritisch beäugen sollte, wollte Macer die Frage nicht einfach so beantworten, ohne die Sänfte genauer betracht zu haben.


    "Oh ja, ein schönes Stück", sagte er daher zunächst nur und umrundete sie dann langsam. Mit den Fingern fuhr er vorsichtig über das glatte Holz, klopfte mit den Fingerknöcheln gegen die robusten Tragestangen und zog zum Schluß einen der Vorhänge beiseite und warf einen Blick ins Innere. Der Innenraum machte trotz der kompakten Bauweise einen bequemen und komfortablen Eindruck. "Doch, sie gefällt mir ausgesprochen gut. Wer auch immer sie ausgesucht hat, hatte Geschmack."
    Er nahm zwar nicht an, dass die Auctrix die Auswahl persönlich vornahm, aber sicherlich hätte sie zu verhindern gewusst, einen unpassenden Preis zur Verfügung zu stellen. Noch einmal schweift sein Blick über das braune Holz und die bunten Vorhänge.


    "Ich kann sie direkt mitnehmen, nicht wahr? Oder war für die Übergabe etwas geplant?" Macer war ja im Prinzip einfach nur auf Verdacht hier erschienen, nachdem er den Artikel gelesen hatte. "Muss ich die Abholung irgendwo quittieren?"

  • Der Scriba schaut ein wenig besorgt, als der Senator seinen Gewinn nun plötzlich doch so genau in Augenschein nimmt. Er hofft inständig, dass Macer keinen Grund zur Beanstandung findet und versucht seinerseits einen fachmännischen Blick aufzusetzen und unauffällig eigene Beobachtungen anzustellen. Er selbst ist jedoch ebensowenig ein Experte auf dem Gebiet des Sänftenbaus, so dass er weder gute noch schlechte Eigenschaften finden kann. Entsprechend erleichtert atmet er auf, als der Senator sich zufrieden zeigt. Der Scriba lächelt und nickt eifrig.


    "Es freut mich, dass sie dir gefällt. Die Auctrix und die Auctrix PPA haben die Sänfte höchstpersönlich ausgesucht," verfällt er plötzlich in einen Plauderton. "Einen ganzen Tag haben sie bei den verschiedensten Sänftenhändlern zugebraucht, bis sie endlich auf einen kleinen Handwerker auf dem Aventin gestoßen sind. Dort haben sie wohl stundenlang mit dem Sänftenbauer verhandelt und besprochen, wie er die Sänfte zu bauen hat."


    Die Tatsache, dass die Auctrix PPA den Preis noch um die Hälfte heruntergehandelt hat, verschweigt er dem Gewinner lieber.


    "Anschließend waren sie bis in den Abend noch auf den Märkten unterwegs und haben sich bei den verschiedensten Stoffhändlern nach der aktuellen Ware erkundigt."


    Was der Scriba nicht weiß ist, dass die Auctrix von dem ausgewählten Muster nicht so ganz überzeugt gewesen ist. Die Aucrix PPA jedoch hat sich mit ihrem unvergleichlichen Gespür für Mode und der diesbezüglichen Hartnäckigkeit und Überzeugungskunst souverän durchgesetzt. So antwortet er direkt auf die nächste Frage des Senators.


    "Natürlich. Wenn du deine Träger dabei hast, dann kannst du sie sofort mitnehmen."


    Er kramt eine frische Wachstafel hervor, kritzelt eilig ein paar Worte darauf und reicht sie Macer.


    "Wenn du den Empfang hier bitte noch bestätigen könntest, dann wäre damit auch alles erledigt."

  • Auch wenn er beide Damen bisher erst höchst selten getroffen hat, konnte sich Macer aus irgendeinem Grund lebhaft vorstellen, wie sie mit großem Eifer einen Händler nach dem anderen aufsuchten und auf sie einredeten. Ein amüsiertes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, welches aber genauso gut lediglich vom Plauderton des Scriba angeregt gewesen sein könnte.


    "Ja, Träger habe ich dabei, sie warten draußen."


    Dass es nicht ganz ohne Formalitäten geht, hatte er also richtig vermutet. Heutzutage ging in Rom ja kaum noch etwas ohne irgendwelche Formalitäten. Mit der geübten Bewegung eines ehemaligen Aedils, der ständig irgendetwas notieren oder unterzeichnen musste, setzte er seine Bestätigung auf die gereichte Wachstafel.


    "Dann möchte ich dich bitte, allen Urhebener das Rätsels meine Grüße auszurichten. Es hat mir großen Spass gemacht und sehr gefreut, der Gewinner zu sein", trug er dem Scriba noch auf, während er die Tafel zurück gab.

  • Der Scriba nimmt die Tafel wieder entgegen, wirft einen kurzen Blick darauf und steckt sie dann wieder weg. Er ist einigermaßen erleichtert, dass der Senator tatsächlich schon eigene Träger mitgebracht hat. Anderenfalls hätte er sich wohl selbst etwas überlegen müssen, wie die Sänfte zu ihm nach Hause zu schaffen sei. So lächelt er besonders freundlich, als er sich von Macer verabschiedet.


    "Wunderbar. Sehr gerne, ich werde es allen Beteiligten ausrichten. Ich wünsche dir, wohl im Namen der ganzen Redaktion, viel Freude mit deinem Gewinn und hoffe, dass du Verwendung dafür findest."

  • "Das hoffe ich selber auch," gab Macer mit einem Lächeln zurück, "bin ich es doch gewohnt, viel zu Fuß zu gehen."


    Mit wenigen Schritten war er an der Tür und winkte die vier draußen wartenden Träger hinein. Zweifellos hatten diese wesentlich mehr Erfahrung im Umgang mit Sänften als Macer. In ihren Gesichtern war keine besondere Regung zu erkennen, als sie Macers neues Transportgerät erblickten und jeder der Männer routiniert an seine Position ging. Macer dagegen musst erst nochmal überlegen, wie man mit einer Toga möglichst elegant in eine Sänfte klettert, ohne dass die Kleidung gleich völlig durcheinander geriet. Als Jugendlicher hatte er das einmal beigebracht bekommen, aber er war sich eigentlich immer sehr sicher gewesen, dass es nicht wirklich möglich ist. Auch jetzt geriet der Stoff mehr in Unordnung, als ihm lieb war und er war froh, erstens ein wenig vor den Blicken der Passanten geschützt zu sein und zweitens seine heimische Casa als Ziel zu haben.


    "Los geht's, Jungs!" kommandierte er von innen und die Träger hoben die Sänfte vom Boden an. Weder die Durchquerung der Tür noch die wenigen Treppenstufen davor machten ihnen Probleme. Mit einem Wink lud Macer die Klienten, die vor der Tür gewartet hatten ein, neben der Sänfte zu laufen. Auch wenn er jetzt etwas vornehmer reiste, wollte er auf die Gespräche auf seinem Weg durch die Stadt nicht verzichten.

  • Nach einem langen Arbeitstag führt Lucillas Weg sie in das Redaktionsgebäude der Acta Diurna. In einem Leinenbeutel hat sie einige Wachstafeln dabei, ein Artikel ist schon fertig und muss zur Lectrix, ein weiterer muss überarbeitet und ergänzt werden. Zusätzlich stapeln sich sicherlich schon wieder die Anzeigen auf ihrem Schreibtisch und müssen abgerechnet werden, ganz zu schweigen von der Übersicht der Spendeneingänge.


    Lucilla unterdrückt ein Gähnen und wird fast von einem unaufmerksamen Scriba umgerannt, der nur eilig ein 'Pollux Leserbriefe!' zur Entschuldigung murmelt und schon um die nächste Ecke verschwunden ist. Die Auctrix PPA schüttelt den Kopf und verdreht die Augen. Irgend etwas müsste sich der Acta-Koch wirklich so langsam einfallen lassen, denn der Zustand, dass nach der Lieferung seiner Leserbriefe - meist mehrere Postsäcke - alle Scribae unauffindbar sind, weil keiner dem großen Meister beim Sortieren und Abarbeiten helfen möchte, ist zwar verständlich, aber auf Dauer kein Zustand.


    Zur Einstimmung auf die Arbeit beschließt Lucilla sich vorerst eine kreative Pause zu gönnen und sich dem unfertigen Artikel im Innenhof des Hauses zu widmen. Sie fängt einen vor Pollux flüchtenden Sklaven ab und weist ihn an eine Kanne Wasser und eine Schüssel Trauben zu holen, dann lässt sie sich auf einer Kline nieder, zückt die Wachstafel und den Griffel und starrt so lange auf das weiche Wachs, bis die Ideen sprudeln und sich der Griffel fast wie von alleine bewegt.

  • Nachdem Livia außer dem Amt der Auctrix keine feste Anstellung mehr ausfüllt, ist sie in letzter Zeit ein wenig häufiger im Gebäude der Acta Diurna anzutreffen als zur Zeit ihrer Praetur. Trotzdem nehmen die Sitzungen des Senats, das Führen des Vinicischen Haushalts und die verschiedenen Baustellen noch einen Großteil ihrer Zeit in Anspruch und auch heute trifft sie erst am späten Nachmittag hier ein. Sie hat sich vorgenommen, den Artikel über den Senat noch heute zu beginnen und befindet sich daher auf vergeblicher Suche nach einem Scriba. In einem der Officien wird die Patrizierin schließlich fündig. Wenn sich auch kein Scriba blicken lässt, so entdeckt sie doch die von ihr bestellten Mitschriften zu den Sitzungen des Senats. Natürlich erinnert sich Livia auch ohne Notizen noch gut an die verschiedenen Themen. Doch auf diese Gedächtnisstütze möchte sie für den Artikel nicht verzichten. Die Suche nach einem Schreiber gibt sie schließlich auf und greift selbst zum Stilus und einem Stapel Wachstafeln. So ausgerüstet macht Livia sich durch den Innenhof der Domus auf den Rückweg zu ihrem Officium. Unerwartet trifft sie dort auf die Auctrix PPA, welche es sich offensichtlich auf einer Kline gemütlich gemacht hat und ganz in ihren Text vertieft zu sein scheint. Zuerst will Livia ihren Weg fortsetzen, entscheidet sich jedoch spontan dagegen. Es hat sich schon lange nicht mehr die Gelegenheit für ein ruhiges Gespräch mit ihrer Stellvertreterin ergeben. So tritt sie näher, den beachtlichen Stapel Wachstafeln noch im Arm und spricht Lucilla mit einem freundlichen Lächeln an.


    "Salve, Decima. Störe ich?"

  • Während Lucilla schreibt bewegt sie langsam die Lippen und formuliert lautlos ihre Sätze. Zwischendurch hält sie inne und schielt nach oben, so als könnte sie dadurch in ihren Kopf sehen und dort geeignete Formulierungen finden. Gerade hat sie den perfekten Abschlusssatz für ihren Artikel gefunden, da wird sie unvermittelt von der Auctrix angesprochen. Lucilla blickt blinzelnd auf und vergisst was sie schreiben wollte, vergisst jedoch auch, sich darüber zu ärgern. Ein Lächeln tritt auf ihre Lippen. "Salve Auctrix!"


    Dass sie Livia noch immer mit ihrem Nomen Gentile anspricht, obwohl sie schon so lange Zeit gemeinsam in der Acta arbeiten, findet Lucilla immer ein wenig befremdlich. Zwar beschränkt sich ihr Verhältnis bisher hauptsächlich auf die Arbeit, doch in Hinblick darauf, dass Lucilla die Auctrix demnächst noch fragen will, ob sie als Pronuba zu ihrer Hochzeit kommen würde, wird es so langsam Zeit zum Cognomen überzugehen. "Nenn mich doch einfach Lucilla. Immerhin arbeiten wir schon lange genug in diesem Haus zusammen, als dass wir so förmlich sein müssten, oder nicht?" Lächelnd schaut sie zu Livia und hofft, dass die Patrizierin ihr das nicht übel nehmen würde. Bei Patriziern weiß man nie.


    Um der Auctrix gar nicht so viel Gelegenheit zu geben, darüber nachzudenken, fährt Lucilla direkt fort. "Ich sitze gerade über dem Sommerloch-Artikel. Ein wenig seltsam liest es sich schon, aber das ist auch gar nicht so einfach. Ich fürchte, ich werde ihn noch drei mal umwerfen müssen, bis ich zufrieden bin."

  • Im ersten Moment zeichnet sich Irritation auf Livias Miene ab. Für sie hat es keinen besonders unpersönlichen Beigeschmack, die Auctrix PPA mit ihrem Gensnamen anzusprechen, da sie es als ganz natürlich empfindet. Doch ihr wird schon kurz darauf bewusst, dass Lucilla so Unrecht nicht hat. Also glätten sich die Züge der Auctrix zu einem freundlichen Lächeln und sie nickt zustimmend.


    "Gerne, Lucilla. Dann nenn du mich einfach Livia."


    Sie sieht sich nach einer Sitzgelegenheit um, wobei ihre Wahl auf eine weitere Kline fällt. Die Wachstafeln legt Livia dort sorgsam ab und setzt sich seitlich, ohne sich hinzulegen. In aufrechter Haltung wendet sie sich der Auctrix PPA zu.


    "Ich bin mir sicher, dass du gewohnt hochwertige Arbeit leisten wirst. Gibt es sonst etwas Neues zu berichten? Vielleicht Probleme oder auch etwas Schönes? Wie es aussieht, ist wohl gerade eben die Post angekommen."


    Sie lässt den Blick einmal durch den leeren Innenhof wandern und zuckt dann leicht mit den Schultern. Dieses Phänomen kam ihr noch immer ein wenig außergewöhnlich vor.

  • Lucilla ist erleichtert, dass Livia der Nennung beim Cognomen zustimmt, denn gerade im nächsten Moment, als Livia so steif auf der Kline Platz nimmt, wird Lucilla wieder bewusst, wie förmlich die Auctrix oftmals erscheint.


    "Oh ja, die Post, ein ganzer Postsack ist wieder nur für Pollux." Lucilla schüttelt den Kopf. "Ich weiß nicht, wie er es macht, womöglich schreiben all seine Verwandten an die Adresse der Acta oder er hat irgendwann einmal das Gerücht gestreut, dass man mit einem Leserbrief etwas gewinnen könnte..." Sie zuckt mit den Schultern. "Wenn sich nur nicht immer alle Scribae an diesen Tagen verstecken würden, aus Angst, ihm beim Sortieren helfen zu müssen. Vielleicht sollte man mal eine Reihenfolge auslosen, dass jeder mal dran ist." Sie grinst.


    "Bezüglich der Post, ich weiß nicht, ob du es schon gehört hast, aber ich habe meinen Posten beim Cursus Publicus nieder gelegt. Vielleicht finde ich so demnächst auch mal wieder etwas Zeit, mich selbst in Rom auf Themensuche zu machen."

  • Livia schmunzelt leicht und denkt über das Problem mit den Scribae nach. Doch ihr fällt auch nicht wirklich eine zufriedenstellende Lösung ein und sie hebt ratlos die Schultern.


    "Ich weiß auch nicht genau, wie sich das am besten klären ließe. Vielleicht sollten wir ihm die Briefe einfach komplett nach Hause bringen lassen. Dann wäre zumindest garantiert, dass wir nur einen unserer Angestellten dazu entbehren müssten. Möglicherweise lässt sich daraus auch eine kleine Motivation gewinnen. Derjenige Scriba, welcher die Woche über am wenigsten Arbeit verrichtet hat, könnte eben für diese Aufgabe eingeteilt werden..."


    Ein fast etwas diabolisches Lächeln huscht über ihr Gesicht, bevor sie sich wieder besinnt und Lucillas Offenbarung mit anfänglichem Erstaunen wahrnimmt. Wie wohl für die meisten, die in Italia irgendwie mit dem Cursus Publicus zu tun hatten, war Lucilla für Livia schon zu einem festen Bestandteil dessen geworden. Doch da sie selbst diesen Posten vor geraumer Zeit inne hatte, kann sie noch gut nachvollziehen, dass man diese Arbeit nicht ewig machen kann.


    "Nein, gehört hatte ich es noch nicht. Ich kann es jedoch gut verstehen. Die Arbeit beim Cursus Publicus Italia ist auf Dauer sehr anstrengend. Noch dazu hat das Briefaufkommen in Italia sicher noch weiter zugenommen, als es zu meiner Zeit schon war. Wirst du dich nun nach einer neuen Beschäftigung umsehen? Oder hast du es sogar bereits getan? Mich persönlich lastet die Beschäftigung in der Acta, im Senat und in meinem Haushalt momentan voll und ganz aus. Ich weiß garnicht, wie ich meine Ämter früher noch zusätzlich habe ausüben können. Doch nun habe ich wenigstens ab und zu ein wenig Zeig für gesellschaftliche Anlässe oder auch ein wenig Privatleben."


    Livia lächelt leicht und betrachtet ihre Gesprächspartnerin interessiert. Auch wenn sie sich in ihrer Herkunft sehr voneinander unterscheiden, scheint es ihr ab und zu auch so, als habe sie mit Lucilla mehr Gemeinsamkeiten, als anfangs vermutet.

  • Lucilla nickt begeistert auf Livias Vorschlag bezüglich der Leserbriefe. "Das ist eine sehr gute Idee, so sollte man es wirklich machen." Sie bewundert Livias Fähigkeit, aus jeder Situation das Beste herauszuziehen und so aus jedem Problem noch einen Gewinn herauszuholen. Dass die Auctrix im Senat sitzt kommt eben nicht von ungefähr. Für Lucilla repräsentiert Livia das Bild einer perfekten römischen Frau aus einer perfekten römischen Familie, so, wie sie selbst gern eine wäre, es aber wohl nie sein wird.


    Lächelnd winkt sie ab. "Nein, eine neue Beschäftigung werde ich mir nicht suchen. Die Arbeit in der Verwaltung Tarracos und dann später beim Cursus Publicus war eh nur als Übergang gedacht. Dass ich so lange daran hängen geblieben bin, hatte ich wirklich nicht geplant." Ein bisschen klingt es wie eine Rechtfertigung. "Langweilig wird es mir sicher nicht, es sind schon viel zu viele Sachen liegen geblieben. Den Verwaltern meiner Betriebe müsste ich längst mal auf die Finger schauen und die Acta Diurna wird ja auch nicht dünner, im Gegenteil, unsere Posten stehen einer Vollzeittätigkeit bald in nichts mehr nach. Natürlich hoffe ich auch auf etwas mehr Zeit für gesellschaftliche Anlässe. Mit einem Officium im Nacken hat man für sowas ja gar keine Zeit, da hast du recht."


    Sie lächelt etwas verlegen. "Außerdem werden Avarus und ich nun bald heiraten. Spätestens dann möchte ich meine Zeit auch für meinen Ehemann, den Haushalt und meine Familie haben." Sie blickt Livia neugierig an und ringt sich schließlich zu einer Frage durch. "Wie ist es bei dir? Bist du viel mit der Leitung des Haushalts beschäftigt? Ich meine, theoretisch kenne ich mich damit ja aus, aber nach dem Tod meiner Mutter hatten in der Casa Decima immer Sklaven die Aufsicht über diese Dinge und auch meine Großtante hat das alles an einen Verwalter abgegeben, daher würde es mich doch interessieren, wie anspruchsvoll es praktisch wirklich ist."

  • Mit leichtem Erstaunen nimmt Livia zur Kenntnis, dass die Auctrix PPA noch geschäftstüchtiger ist, als sie bislang vermutet hat. Von deren Betrieben wusste sie bislang nichts und sie kommentiert diese Tatsache mit einem anerkennenden Nicken.


    "Ich staune, wie du all dies zeitlich noch so gut schaffst. Sind deine Betriebe denn hier in der Umgebung von Rom? Ich wusste garnicht, dass du dich wirtschaftlich zudem noch so engagierst. Um welche Branche handelt es sich?"


    Livia lockert ihre steife Haltung nun doch ein wenig. Da der Innenhof ohnehin wie leergefegt ist und sich die nächste Zeit auch wohl kaum noch ein Scriba blicken lassen wird, gönnt sie sich diese leichte Nachlässigkeit.


    "Das gesellschaftliche Leben Roms hat wirklich einiges zu bieten. Allein um die persönlichen Einladungen zu den verschiedenen Feierlichkeiten wahrzunehmen und entsprechende Vorbereitungen zu treffen, könnte man sich vermutlich den ganzen Tag beschäftigen. Wenn man noch die öffentlichen Feierlichkeiten und die offiziellen Anlässe hinzu nimmt, ist man vollauf beschäftigt. Allein das geplante Bankett für Hungaricus beansprucht einen guten Teil meiner Aufmerksamkeit. Natürlich nimmt mich auch der Haushalt in Anspruch, doch wenn man fähige Sklaven hat und diese erst einmal eingearbeitet sind, läuft das meiste wie von selbst. Hungaricus hat glücklicherweise einen sehr guten Vorsteher unter seinen Sklaven. Er heißt Ursus, vielleicht ist er dir schon einmal begegnet. Zwar zieht er es vor, die meisten Dinge auf seine eigene Art zu machen, doch insgesamt ist er dabei auch anpassungsfähig und vor allem sehr fleißig. Also lasse ich ihm größtmöglichen Freiraum, damit er sich selbst organisieren kann. Wichtig ist es nur, dass man sie ständig und immer wieder kontrolliert. Anderenfalls neigen sie manchmal dazu, vom vorgegebenen Plan abzuweichen und ihre eigenen Gewohnheiten zu entwickeln. Einige davon kann man ihnen kaum wieder austreiben."


    Sie lächelt schicksalsergeben und hebt die Schultern leicht an. Livia erinnert sich noch gut an ihre damalige Zeit in Hispania. Ihr wird bewusst, dass sie Lucilla schon erstaunlich lange kennt.


    "Doch es gibt eine Sache, die ich über all diesem Trubel persönlich noch ein wenig vermisse. Erinnerst du dich noch an Hispania? Durch das dort viel ruhigere Leben hatte man viel mehr Zeit für private Gespräche, unter Frauen."


    Livia muss leicht schmunzeln, als sie die letzten beiden Worte anfügt.

  • Lucilla winkt ab. "So schwer ist das gar nicht mit den Betrieben. Ich habe überall sehr fähige Verwalter, welche das meiste an Arbeit erledigen. Allerdings lasse ich es mir nicht nehmen, die Ein- und Ausgaben zu kontrollieren und den Einkauf zu koordinieren, zumindest was die langfristigen Planungen angeht. Auf dem Landgut unserer Familie in Tarraco habe ich eine Hühnerzucht, und da sich Geflügelprodukte recht gut verkaufen lassen, habe ich mittlerweile auch einen Hof in Italia eingekauft. Weiters habe ich vor längerer Zeit einmal in eine Werkzeugschmiede in Tarraco investiert. Das ist allerdings der Betrieb, mit dem ich am wenigsten zu tun habe, dafür rechne ich wirklich nur Zahlen nach. Dazu kommen einige Anteile an Marmorbrüchen. Die ersten habe ich sozusagen von der verstorbenen Frau meines Cousins geerbt. Der Steinbruch ist in Pola, doch mit dem Abbau habe ich ersteinmal nichts zu tun. Meine Anteile werden direkt nach Aquilea transportiert und von dortaus dorthin gebracht, wo sie verbaut werden. Auf der Inspektionsreise des Cursus Publicus durch Africa habe ich dann die Gelegenheit ergriffen, einige weitere Anteile von einem Marmorbruch in Mauretania zu erwerben. Um ehrlich zu sein, der Marmor von dort ist fast nicht vergleichbar mit dem aus Italia. Er hat eine ganz eigene Struktur. Er ist vielleicht qualitativ gar nicht so viel besser als der hiesige, aber an italischem Marmor kann man sich in Rom ja überall satt sehen."


    Sie lächelt verlegen. "Herrje, das war jetzt etwas zu viel, oder? Ich will dich nicht langweilen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich selbst auch selten Zeit für private Gespräche unter Frauen finde. Du hast schon Recht, in Hispania war das irgendwie anders." Ein wenig Bedauern schwingt in ihrer Stimme mit. Nichteinmal in der Casa Decima gibt es geeignete Gesprächspartnerinnen und bei ihrer Schwester Tertia hat sie nur immer das Gefühl zu stören, wobei diese als Vestalin ja auch immer nur unter Frauen ist. Lucilla kommt ein Gedanke und ihr Tonfall wird ein wenig verschwörerisch. "Hast du eigentlich schon einmal von den Näherinnen gehört?" Sie erinnert sich an die Versammlungen bei ihrer Großtante Drusilla, bei denen sie selbst jedoch nur äußerst selten teilnehmen durfte.


    "Hungaricus gibt ein Bankett?" fragt sie dann interessiert nach, als das Thema auf die gesellschaftlichen Anlässe übergeht. "Seinen Sklaven Ursus kenne ich, ja. Das ist doch der, der so gut kochen kann?" Davon, dass sie selbst schon einige Nächte als Gast in der Casa Vinicia gewohnt hat, braucht Livia besser nichts zu wissen. "Darf ich dir eine Frage stellen, eine recht... persönliche?"

  • Anstatt sich zu langweilen wird Livia immer aufmerksamer während Lucillas Erzählung.


    "Du besitzt Marmorbrüche? Das trifft sich ja hervorragend. Hungaricus und ich lassen uns gerade eine Villa in der Nähe von Misenum errichten. Des weiteren steht in Bälde wohl auch eine umfassende Renovierung der Casa Vinicia an. Vielleicht kannst du uns bei der Auswahl des Marmors beraten und ihn von einem deiner Brüche liefern lassen? Hast du dadurch zufällig auch gute Kontakte zu einem fähigen Architekten? Für die Villa in Misenum haben wir schon jemanden engagiert. Doch für die Casa Vinicia fehlt uns noch ein Fachmann."


    Ob der Erwähnung der Näherinnen wölbt Livia fragend die Augenbrauen. Sie forscht in ihrem Gedächntis, kann sich aber keiner solchen Gruppierung entsinnen. So schüttelt sie den Kopf.


    "Nein, tut mir leid. Davon habe ich noch nichts gehört. Wer sind die Näherinnen? Handelt es sich dabei um eine Art Verein?"


    Neugierig mustert Livia die Auctrix PPA. Auf die Nachfrage zu dem Bankett hin schüttelt sie schmunzelnd den Kopf.


    "Die Götter mögen mich davor bewahren. Nein, zum Glück gibt er es nicht selbst. Es wird vom Kaiser veranstaltet, anlässlich seiner Entlassung aus den Cohortes Praetoriae. Hast du nicht auch eine Einladung erhalten? Es dürfte dort wohl alles vertreten sein, was im Imperium Rang und Namen hat. Ich bin sehr froh, dass ich die Arbeit mit der zugehörigen Organisation nicht selber habe."


    Sie lächelt und nickt.


    "Ja, Ursus kocht einfach phantastisch. Ich bin sehr froh, dass wir ihn haben. Um was für eine Frage handelt es sich? Stell sie ruhig. Falls sie mir zu persönlich ist, kann ich die Antwort immernoch verweigern ... oder einfach zensieren." fügt sie mit einem angedeuteten Augenzwinkern noch an.

  • "Eine Villa in Misenum?" fragt Lucilla erstaunt und überlegt sich im selben Augenblick, wen sie dies vor nicht allzulanger Zeit schon einmal erstaunt gefragt hat. "Hatten wir darüber nicht einmal in der Acta berichtet? Wie groß ist Misenum, kann man dort gut leben?" In dem Moment fällt es ihr wieder ein, mit Furianus hatte sie sich bei den Neptunalia darüber unterhalten. "Ich werde euch gerne bei der Auswahl des richtigen Marmors behilflich sein, wenn ihr dies möchtet und wenn ihr euch für Marmor aus Mauretania entscheidet, dann könnte dieser direkt von dort nach Misenum transportiert werden. Das ist dann auch günstiger als wenn er den Weg über Ostia nimmt. Architekten beliefere ich verschiedene regelmäßig, unter anderem Apollonius von Samothrake, er ist ja nicht nur Medicus, sondern auch ein fähiger Baumeister. Ansonsten könnte ich dir natürlich Avarus empfehlen, aber ich fürchte, er hat mit seinen Ämtern bereits so viel um die Ohren, dass er kaum mehr zur Architektur kommt." Was Lucilla natürlich ganz recht ist, denn je weniger Zeit er außer Haus verbringt, desto mehr würde am Ende für sie übrig bleiben. "Wobei es bei Bedarf natürlich ein Versuch wert wäre, ihn zu fragen." Fragen kostet schließlich nichts, sogar bei Avarus.


    "Eigentlich nennen sich die Frauen communitas lanifica und es ist eine Art Verein, ja, allerdings nichts öffentlich eingetragenes oder soetwas. Es ist ein Zusammenschluss von Frauen, welche sich in unregelmäßigen Abständen regelmäßig treffen, um gemeinsam ihren Näharbeiten nachzugehen. Vordergründig natürlich nur, im Grunde geht es um Gesprächskultur, es gibt keine Themen, welche dabei tabu wären, vor allem nicht solche, die sich nach der öffentlichen Meinung für eine Frau nicht schicken. Einmal fand eine solche Versammlung im Haus meiner Großtante statt und ich durfte, stillschweigend natürlich, daran teilnehmen. An diesem Abend wurde hemmungslos über Politik diskutiert wie es schlimmer im Senat nicht sein kann." Lucillas Vorstellungen über den Senat sind natürlich die einer ständig wild debattierenden Versammlung. "Allerdings sind die Themen nicht gegeben, es muss auch Versammlungen geben, bei denen einfach nur über privates oder öffentliches Geschehen geplaudert wird. Natürlich werden dabei nur vertrauensvolle Personen geladen. In die Communitas kommt man nur über Beziehungen hinein. Jede Frau hat das Recht eine andere Frau mitzubringen, von welcher sie glaubt, dass sie gut in die Gruppe passen würde. In Rom gibt es einige Gruppen, manche Frauen sind sogar in mehreren, manche treffen sich immer nur mit den gleichen Personen."


    "Oh." ist alles, was Lucilla zum Thema Bankett vorerst herausbekommt. Sie blinzelt ein paar mal, dann schüttelt sie den Kopf. "Nein, eine Einladung habe ich nicht erhalten." Natürlich nicht. Sie war ja nur Praefectus Vehiculorum und unterstand Hungi dabei in zweiter Ebene. Allerdings hatte auch Avarus nichts darüber gesagt, dass er als Legatus Augusti Cursu Publico zu so etwas geladen worden wäre. Sie zuckt mit den Schultern, nicht, dass der Cursus Publicus viel mit dem Praefectus Praetorio zu tun hätte. "Wahrscheinlich hatte es sich mit meiner Entlassung überschnitten," sagt sie wenig überzeugt.


    Ermutigt von Livias Scherz, ringt sich Lucilla zu ihrer Frage durch. Wenn nur nicht immer diese Neugier wäre. "Also, was ich fragen wollte... wie ist es so... mit Hungaricus verheiratet zu sein? Ich meine... er war immerhin einer der begehrtesten Junggesellen Roms und... also nicht, dass du denkst, ich hätte... auf keinen Fall, ich war schon so gut wie verlobt, als ich wieder nach Rom kam... ich meine nur... ähm... " Ein wenig Röte steigt nun doch ihn ihre Wangen, und in diesem Augenblick fragt sich Lucilla, was sie sich eigentlich dabei gedacht hat. So gut kennt sie Livia nun auch nicht, dass diese ihr vom Leben mit Hungi berichten würde, wobei Lucilla nichteinmal genau weiß, was sie sich eigentlich darüber erwartet.

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