Über die Überflüssigkeit des § 14 des Codes Universalis

  • Nachdem in der laufenden Sitzung schon verschiedene Themen erfolgreich besprochen wurden, rief der leitende Consul den nächsten Redner der Tagesordnung auf. "Unser nächster Redner ist Iulius Dives, der uns vorschlagen möchte, §14 des Codex Universalis ersatzlos zu streichen", nahm er das Ziel der Rede gleich in der Ankündigung vorweg.

  • Es waren nicht länger die Consuln Flavius und Clodius, die dem Senat als oberste Magistrate dienten, sondern namentlich Lucius Publilius Celsus und Volusus Varius Figulus. Dieser Gedanke ging Dives durch den Kopf, während er in der heutigen Sitzung des stadtrömischen Ältestenrates gefühlt doch ein wenig länger darauf warten musste, bis er in seiner Sache zu Wort gebeten wurde, als dies noch im vorherigen Amtsjahr der Fall gewesen war. Vielleicht, so überlegte er, mochte der angeschriebene Publilier die diversen iulischen Gesetzesänderungsinitiativen nicht gutheißen. Allfällig, so dachte er weiter, mochte es mitunter falsch sein, aus einem vorbildlichen Consulat gerade des Flaviers nun gehobene Ansprüche auch an das Consulat seiner Nachfolger abzuleiten. Oder möglicherweise, so kam es dem Senator in den Sinn, gab es am heutigen Tage auch einfach nur mehr derart wichtige Themen zu besprechen, die in der Folge den divitischen Antrag nach hinten schoben, als dies im flavisch-clodischen Consulat die Regel gewesen war.


    "Patres Conscripti!", begann der aufgerufene Quaestorier jedoch dessen ungeachtet, nachdem ihm das Wort erteilt und er sodann in angemessenem Schritte den Platz vor den Senatoren für sich in Beschlag genommen hatte, seine Rede mit den zu diesem Zweck wohl meistgewählten Worten und einer gewohntermaßen etwas ausladenderen Geste, um sich die gewünschte Aufmerksamkeit zu verschaffen.
    "Wie der ehrenwerte Consul bereits richtig ankündigte, trete ich hier und heute vor euch, den Sinn und Zweck des Paragraphen 14 unseres Codex Universalis kritisch zu hinterfragen.", griff er anschließend den Faden auf. "Dabei handelt es sich um den Paragraphen des sogenannten 'Ordo Plebeius', der im Folgenden nur aus zwei Punkten besteht.", erhob Dives seinen rechten Zeigefinger und gemahnte damit zur Aufmerksamkeit. "Im ersten dieser Punkte wird der Begriff des sogenannten 'Ordo Plebeius' zunächst definiert als Bürgerstand des Imperium Romanum, der im Besitz des römischen Bürgerrechts ist - egal ob durch freie Geburt oder anderweitig.", fasste er den Punkt in eigenen Worten zusammen. "Nun frage ich euch jedoch, werte Mitsenatoren - und gerade die patrizischen unter euch - besitzen nicht auch die Patrizier das römische Bürgerrecht und sind folglich klar und deutlich zum Bürgerstand des Imperium Romanum zu zählen?", stellte er als rhetorische Frage in den Raum und ließ selbige einen Augenblick wirken. "Wenn dem allerdings so ist, weshalb verweist der Name des sogenannten 'Ordo Plebeius' dann so explizit auf die Plebeier, nicht jedoch auch auf die Patrizier?", ließ er einer weiteren Frage neuerlich einen Moment, um bis zu den übrigen Senatoren durchzudringen. "Und ist es nicht ohnehin unnötig, den traditionellen Begriff des Populus Romanus, der bereits lange die Gesamtheit aller römischen Bürger - der Patrizier wie Plebeier - beschreibt, durch einen neuen ergänzen oder gar ersetzen zu wollen?", erreichte der Quaestorier mit seiner dritten rhetorischen Frage dieses Trikolon auch zugleich den Höhepunkt, die Climax, indem er offen die Daseinsberechtigung des Begriffes infrage stellte.


    "Nicht zuletzt, so möchte ich anführen, sollte es doch im Interesse des hohen Senats liegen, zu betonen, dass die Ordines Senatorius und Equester in keinem Vergleich stehen zur Gesamtheit des Populus Romanus. So zeichnet sich der Ordo Senatorius nicht nur dadurch aus, dass dessen Mitglieder ähnliche Rechte und Pflichten haben. Auch äußerlich gibt es klare Standesabzeichen, die allen Mitgliedern gemein sind und sie nach innen und außen zu einer Gruppe, einer Gemeinschaft, einem einheitlichen Gebilde - zum Ordo Senatorius machen.", führte Dives aus und ließ eine künstliche Pause folgen. "Das gleiche gilt ganz äquivalent auch für den Ordo Equester, der ebenfalls innerlich wie äußerlich eine klare Einheit darstellt - eine Einheit, die man im Populus Romanus mit seinen Senatoren und Rittern, Patriziern und Plebeiern, Soldaten und Zivilisten wohl kaum zu finden vermag.", zeichnete er das Bild einer bunten und vielfältigen und vielschichtigen Gesellschaft. "Daher möchte ich sagen, machen wir den römischen Bürgerstand nicht zu etwas, das er nicht ist. Behalten wir den Ordo-Begriff den tatsächlichen Ordinies vor und kehren wir hier zum bewährten Begriff des Populus Romanus zurück.", appellierte der Iulier am Ende des ersten Teils.


    "Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit es nach einer Abkehr vom Begriff des 'Ordo Plebeius' nötig ist, stattdessen nun also den Populus Romanus in einem eigenen Paragraphen des Codex Universalis näher festzuhalten.", sah Dives einen Augenblick lang aufmerksam durch die senatorischen Reihen, bevor er letztlich seinen Kopf schüttelte. "Ich frage, welchen Sinn hätte dies? Müssen wir tatsächlich einen alten, lange bekannten Begriff im Codex Universalis definieren, nur um ihn irgendwo definiert zu haben?" Er selbst erachtete dies offenkundig als überflüssig. "Ich denke, dies müssen wir nicht. Und daher möchte ich meinen Fokus zuletzt nun noch einmal auf den aktuellen Paragraphen 14 legen. Denn auf den ersten Absatz, der lediglich etwas mit zweifelhaftem Nutzen definiert, bin ich bereits eingegangen. Dem zweiten der beiden Absätze möchte ich mich im Folgenden kurz widmen.", kündigte er an. "Hier nun geht es um das alleinig dem Imperator Caesar Augustus zustehende Recht, den Stand des sogenannten 'Ordo Plebeius' zu verleihen.", gab er zunächst den Inhalt des Absatzes wieder. "Zweifellos ist damit gemeint, dass einzig unser erhabener Augustus das Recht haben sollte, das römische Bürgerrecht zu verleihen. Betrachte ich jedoch die Lex Aquilia de Imperio, so steht auch dort im dritten Absatz inhaltlich exakt diese Aussage geschrieben, sodass es folglich redundant und überflüssig ist, sie hier in einem gesonderten Paragraphen noch einmal zu wiederholen.", beendete er damit nun den Kern seiner Rede.


    "Wie der Senat also offenkundig vor Jahren bereits den Paragraphen 17 über den patrizischen Adel für überflüssig erachtete und entsprechend aus dem Codex Universalis gestrichen hat, so möchte ich in der Folge den Antrag stellen, auch den Paragraphen 14 - richte er sich gesondert an die Bürger plebeischen Standes oder doch an den gesamten Populus Romanus - als überflüssig zu erkennen und entsprechend aus dem Codex Universalis ersatzlos zu streichen.", formulierte er zunächst sein eigentliches Anliegen, bevor er anschließend auch noch einen weiteren Punkt kurz ausführte, der direkt von der Streichung des vierzehnten Paragraphen betroffen wäre.



    Codex Universalis
    § 14 Ordo Plebeius

    1) Die Mitglieder des Ordo Plebeius bilden den Bürgerstand des Imperium Romanum. Sie haben das Römische Bürgerrecht erworben, ob durch freie Geburt oder anderweitig.
    2) Der Imperator Caesar Augustus hat alleinig das Recht den Stand des Ordo Plebeius zu verleihen.


    in: gestrichen




    Anhang zum Codex Universalis
    Pars Septima - Richtlinien Ulpianum
    § 4 Consilium Ulpianum

    1) Über die Aufnahme entscheidet das Consilium Ulpianum. Die Mitglieder werden vom Imperator Caesar Augustus einberufen, der selbst den Vorsitz führt. Das Consilium setzt sich zusammen aus zwei Senatoren, einem Eques, einem Patrizier und aus zwei Vertretern des Ordo Plebeius.


    in: [...] Das Consilium setzt sich zusammen aus zwei Senatoren, einem Eques, einem Patrizier und aus zwei Plebejern.


    oder: [...] Das Consilium setzt sich zusammen aus zwei Senatoren, einem Eques, einem Patrizier und aus zwei Vertretern des plebejischen Standes.



    "Vielen Dank.", bedankte er sich schlussendlich für die Möglichkeit, sein Anliegen hier und heute vorbringen zu dürfen, bevor er es seinen Mitsenatoren überließ, dem Antrag zuzustimmen, sich gegen den Antrag zu stellen oder anderweitig ihre Meinung zu den divitischen Ausführungen anzubringen.

    ir-senator.png Iulia2.png

    CIVIS
    DECURIO - OSTIA
    INSTITOR - MARCUS IULIUS LICINUS
    IUS LIBERORUM
    VICARIUS DOMINI FACTIONIS - FACTIO VENETA

    Klient - Marcus Vinicius Hungaricus

  • Es war Gracchus immer noch ein wenig merkwürdig seinen Sitz nun in Reihen der Consulare zu finden, auch da das Ende cursus honorischen Strebens einen Mann doch irgendwie in die Riege der alten Männer katapultierte. Es fühlte sich alles gleich ein wenig gesetzter an, selbst die Senatssitzungen. Als nach einigen Themen, welche zwar durchaus als wichtig waren zu erachten, doch nicht besonders spannend, Senator Iulius das Wort erhielt, richtete der Flavier sich ein wenig auf - und wohl hatte er nicht zu viel erwartet, gelang es Dives doch einmal mehr ein überaus marginales, wenn auch berechtigtes Anliegen in eine wohlformulierte, kurzweilige Abhandlung zu hüllen, deren Explikation insbesondere in Anbetracht vorheriger Gleichförmigkeit durchaus ein Genuss war.
    "Ich unterstütze das Anliegen Senator Iulius', der Ordo sollte bleiben, was er ist, ebenso der römische Bürgerstand - und dies sich auch in unserem Gesetz widerspiegeln."

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    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Durchaus bewusst hatte sich der iulische Quaestorier dazu entschieden, in den Tagen vor den nächsten Wahlen nicht zu schweigen und jedwede weiteren Anträge, welche er im Hinterkopf mit sich trug, erst nach den Wahlen zu stellen. Denn nicht zuletzt würde man ihm wohl politischen Opportunismus vorwerfen, stellte er sich jetzt stumm, um später nur neuerlich seine Meinung in diesen heiligen Hallen laut auszusprechen.


    Mindestens ebenso bewusst jedoch hatte Dives am heutigen Tage lediglich einen Antrag in den stadtrömischen Ältestenrat eingebracht, von welchem ihm bereits vor dieser Sitzung schien, dass er wohl wenig umstritten sein würde - eine Vermutung, die sich durch den Zuspruch des Consulars Flavius Gracchus als scheinbar zutreffend erweisen sollte. Der Iulier lehnte sich in der Folge zu seinem linken Sitznachbarn, selbigem etwas zuzuflüstern, während es wohl am sitzungsleitenden Consul war, gegebenenfalls irgendwann eine Abstimmung einzuleiten...

    ir-senator.png Iulia2.png

    CIVIS
    DECURIO - OSTIA
    INSTITOR - MARCUS IULIUS LICINUS
    IUS LIBERORUM
    VICARIUS DOMINI FACTIONIS - FACTIO VENETA

    Klient - Marcus Vinicius Hungaricus

  • Der Consul blickte etwas überrascht in die Runde, hatte er angesichts des doch recht radikalen Vorschlags einer Streichung des Paragraphen mit einer längeren Diskussion gerechnet. "Keine weiteren Wortmeldungen?", vergewisserte er sich daher, um nicht vorschnell eine kommentarlose Zustimmung des Senates ins Protokoll zu nehmen, die eine Abstimmung unnötig machte.

  • "Ich stelle eine kommentarlose Zustimmung des Senates fest", stellte der Consul nach dem klaren Schweigen in der Runde fest. "Der Vorschlag des Senators Iulius Dives ist damit angenommen."

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