An Decima Seiana
Casa Decima Mercator
Rom
Mein liebes Schwesterchen,
ich schreibe Dir aus dem Zwölfmeilenland. Das heißt Sand, Fels, Gluthitze, verdreckte Fellachen, stinkende Kamele, Schlangen und Skorpione. Wenn ich jemals wieder anfangen sollte zu schwärmen "ach, Rom ist so langweilig, ich möchte mehr von der Welt sehen", dann schüttel mich bitte so lange bis ich wieder vernünftig werde. Seit Wochen schon sind wir unterwegs auf der Suche nach diesen verdammten Wüstenreitern, aber wie zu erwarten sind sie einem direkten Kampf ausgewichen und haben Haschen zwischen den Dünen mit uns gespielt. Vor kurzem gab es dann einen feigen Überfall, bei dem ist Artorius Menas gefallen, der Probatus dessen Sklaven ich an Deine Buchhandlung in Alexandria verwiesen hatte, Du erinnerst dich? Das mit Menas ist traurig, ich mochte ihn sehr und hab immer gedacht, er kommt mal so hoch hinaus wie sein Onkel Avitus. Mein Klient war er ausserdem, und ich hatte in Parthien zusammen mit seinem Vater gedient.
Letzte Nacht hatten wir dann zum ersten Mal ein größeres Gefecht, und ich habe, auch zum ersten Mal, meine Kohorte in einem ernsthaften Kampf befehligt. Hat gut geklappt, wir haben eine Menge von diesen Bastarden über den Styx geschickt. Aber einfaches Räubergesindel ist das nicht, dafür kämpfen sie zu entschlossen. Was ihnen natürlich fehlt, das ist die Disziplin, sind halt Barbaren. Bisher sind wir übrigens nicht auf die sagenhaften Acephali gestoßen, was mich doch ein wenig enttäuscht.
In Syene, wo wir zum letzten Mal Kontakt mit der Zivilisation hatten, hab ich mir natürlich eine Acta besorgt. Also ganz, ganz herzlichen Glückwunsch Domina Auctrix! War ja klar, dass Du die Senatoren überzeugst! Bona Dea, meine Schwester vor dem Senat, ich glaub da darf ich doch noch mal betonen, wie unheimlich stolz ich auf Dich bin! Und ich freu mich schon darauf, endlich wieder patriotische Klänge in der Acta vernehmen zu können, und nicht, wie unter dem vorigen Auctor, ständig diese unqualifizierten Schmähungen des Militärs lesen zu müssen.
Du machst das schon. Und auch den Verleumdungen unserer Familie solltest Du echt mal den garaus machen. Also, in der Acta meine ich. Ich blicke da ja nicht durch, aber anscheinend laufen da ein Haufen Intrigen gegen uns. Da muss man sich doch wehren! Da kann ja niemand behaupten, Du würdest Deine Position missbrauchen, wenn Du verhinderst dass weiter Lügen über uns verbreitet werden!
Ja, wie kommt dieser blässliche Octavier dazu, Livianus anzuklagen, das frage ich mich auch, und noch dazu wegen meiner Adoption, das ist doch total lächerlich. Ich erinnere mich an diesen Octavier, denn ich habe – in langer, mühseliger und gefährlicher Ermittlungsarbeit wohlgemerkt – den Mörder seines Verwandten Octavius Cato zur Strecke gebracht. Aber ein Wort der Dankbarkeit hab ich von ihm nie erhalten. Und bei dem Cato-Mord-Prozess, wo er als Ankläger auftrat, hat er kaum ein Wort herausgebracht und die Sache total vermasselt. Ich glaub auch nicht, dass so ein farbloser Knabe von alleine auf die Idee kommt, einem Decimus Livianus ans Bein zu pinkeln, nein, da steckt mehr dahinter. Schreibst Du mir bitte wie es ausgegangen ist?
Bitte pass auf dich auf und geh nicht ohne Leibwächter aus, wer weiß auf was für Gedanken Livianus' Feinde noch kommen.
In der Acta hab ich auch von dem Drama um Deinen Ex-Verlobten gelesen – ich hoffe Du grämst Dich nicht zu sehr um ihn. Die Geschichte mit dem Brot zeigt ja schon wie verwirrt der war, und die Art seines Todes beweist eindeutig, dass er nicht ganz richtig im Kopf war.
Was Octavius Dragonum angeht – Lucilla hält ihn für angemessen. Livianus habe ich von dieser Idee geschrieben, aber noch nichts von ihm gehört, er wird halt viel zu tun haben, da im hohen Norden. Ist wahrscheinlich am besten Du schreibst ihm selbst und gibst mir dann bescheid. Bisher hat sich hier auch noch gar nicht die Gelegenheit ergeben dieses Terrain weiter zu erkunden, wir sind alle mit den Gedanken beim Feldzug. Übrigens bin ich mir ganz sicher, dass Octavius Dragonum nichts mit der Intrige seines schmierigen jungen Verwandten zu tun hat, er ist ein Mann von Ehre, ein aufrechter Haudegen.
Zu Celeste – ich fürchte, ich habe mich da unklar ausgedrückt. Wie kommst Du denn darauf, ich wolle sie wirklich heiraten? Sie ist ja nur ein Feigenblatt. Leider hat sich diese Sache irgendwie verselbständigt... Lucilla ist, obwohl Celeste Peregrina ist (da kannst Du mal sehen), ganz begeistert von dieser Aussicht und spinnt jetzt wohl schon Pläne, Celeste das Bürgerrecht zu verschaffen. Ich weiß echt nicht mehr was ich machen soll, meine Lüge ist mir über den Kopf gewachsen und sag ich vor lauter Verzweiflung die Wahrheit, dann glaubt Tante Lucilla mir einfach nicht. Nein, wir müssen ja alle Stiere und Löwen sein. Vielleicht sollte ich Celeste heiraten damit endlich alle zufrieden sind, aber es kommt mir so falsch vor!
Denk nur, mein Meditrinalienfreund hat mir wieder geschrieben. Ganz romantisch! Ja, lach nur, aber ich glaube, diesmal habe ich wirklich den Richtigen gefunden, den einen, besonderen. Er ist so wunderbar! In keinster Weise zu vergleichen mit denen bisher, nein, er überstrahlt sie wie die Sonne die trüben kleinen Kerzenflammen! Diesmal ist es echt was ernstes.
Liebe Seiana, ich sende Dir meine allerbesten Wünsche, arbeite nicht zu viel und grüß mir die ewige Stadt!
Dein Faustus
PS. Ich habe hier bei der XXII. einen ganz weitläufig entfernt verwandten Vetter aus der griechischen Linie kennengelernt, Appius Decimus Massa. Sehr sympathisch, und wir teilen viele Interessen. Wärst Du bitte so nett, bei Gelegenheit Verus – das ist sein Onkel – bescheid zu sagen, wo es seinen Neffen hin verschlagen hat? Also, falls Verus noch in Rom ist. Soll Dir dafür von Massa unbekannterweise Gruß und Dank sagen.