• Während der Decimus sein politisches Programm für die nächsten Monate vortrug beschäftigte Vala sich mit der aufgetischten Vorspeise, wobei er einen dezenten Bogen um die in römischen Gerichten allgegenwärtigen Eier machte. Früher, zu einer Zeit an die mit jedem Jahr in Rom unwirklicher erschien, hätte er sich die Finger nach all den opulenten Ovarien geleckt die er bei jedem 'Geschäftsessen' aufgetischt bekam, aber irgendwann machte der Gaumen einfach nichtmehr mit. Sowieso... je öfter er zu Essen eingeladen wurde (was nach seiner Ernennung zum Senator deutlich an Quantität gewonnen hatte), desto eher bestand Vala darauf sich zu Fuß durch Rom zu begeben.. um all das wieder abzulaufen, was er Tag für Tag in sich hineinschaufelte.


    "Dein erstes Anliegen scheint mir sinnig...", begann Vala dann nach einem nachdenklichen Moment des schweigenden Essens vorsichtig mit seiner Einschätzung der Projekte des Decimus, nachdem er sich am eingelegten Obst vergangen hatte, "..ein präzise und kompakt formulierter Rahmen dürfte vor allem Neulingen eine hilfreiche Orientierung bieten. Auch wenn ich dir nicht unterstellen möchte, dass du genau das erreichen willst... aber du wirst Debatten wie jene bei deiner Kandidatur nicht verhindern können. So geladen und aggressiv die Stimmung auch war... gegen die inoffiziellen Verhaltensnormen hat sie nicht verstoßen, denn wirklich beleidigend ist niemand geworden. Ich würde zudem darauf verzichten, das ganze in die Form von Vorschriften zu gießen... das würde zu sehr nach Gängelung der Senatoren riechen und du kannst dir vorstellen, wie die Senatoren darauf reagieren würden. Das Gewohnheitsrecht, wie du es bereits erwähntest, einfach zu verschriftlichen würde meines Erachtens vollkommen ausreichen. Nichtsdestotrotz..", schob Vala anerkennend hinterher, "...wäre dies ein deutliches Zeichen der Stabilität und der Ordnung in Rom, wenn der Senat sich unter deiner Leitung wieder beruhigt."


    Als der Decimus sein zweites Vorhaben dozierte, war Vala gerade im Begriff doch eins der leidigen Eier zu schlucken... und die Art des Vorhabens ließ ihn dann mitten im Schluck erschrocken innehalten, was dazu führte, dass das Ei Anstalten machte sich in die falsche Röhre zu begeben und Vala damit vom Augenblick der Überraschung in röchelnden Würgen und Husten übergehen ließ.
    "Wuaärgs...", röchelte Vala, schlug sich mit Wucht auf die Brust und bekam das Ei nach einigem Trommeln in die richtige Bahn. Ein Schluck dünnen Bieres beförderte es schlussendlich dorthin wo es hingehörte und mit Tränen in den Augen wurde er sich dann doch wieder seiner Gastgeber gewahr: "...entschuldigung...", schnaufte er verlegen und gönnte sich doch noch einen Schluck um sich schließlich die Tränen aus den geröteten Augen zu wischen, "...das... nun... also... Decimus... das ist... überraschend. Und... gewagt. Ich muss da ganz ehrlich sein, Decimus... ich kann mir für die Aufarbeitung der Herrschaft des Usurpators niemanden ungeeigneteren vorstellen als den Vater eines der führenden Köpfe eben dieses Regimes. Nur damit wir uns nicht falsch verstehen: die Art und Weise wie man versuchte dich und Aquila stumpf in die Reihe der Decimi zu stellen, die unter dem Vescularier profitierten und dessen Regime stützten, ist nach wie vor weit hergeholt und mehr Wunschdenken als der Realität geschuldet... das befreit dich aber keineswegs von der prekären Situation, die deutliches Fingerspitzengefühl erfordert... und bei allem dir für deinen Werdegang und dein Amt gebührenden Respekt: die Aufarbeitung zur Befriedung Roms und der Versöhnung der Gesellschaft, aber eben auch die Sühnung der unter dem Vescularier begangenen Verbrechen an Mensch und Recht benötigt vor allem Glaubwürdigkeit. NEUTRALE Glaubwürdigkeit. Und die besitzt du nicht, Decimus.", gab Vala sich vollkommen unverblümt, da er in dieser Hinsicht falsche Nettigkeit für eher kontraproduktiv hielt. Der Decimus hatte hier offensichtlich eine Entscheidung getroffen die Vala sich nicht anders erklären konnte als durch dessen langes Exil vom politischen Alltagsgeschäft. Demzufolge hielt er es für richtig, ihm hier die durchaus prekären Implikationen frei und frank vorzulegen: "Ich bin mir sicher, du hast nur die besten Absichten... aber was wirst du tun, wenn die Sprache auf einmal auf Faustus Serapio kommt? Dich befangen erklären und die Sache abgeben... und bei allen anderen dann erklären, du wärst neutral?"
    Sachte schüttelte Vala mit bedauerndem Blick den Kopf, er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie der Decimus sich in dieser Sache glaubwürdig würde verkaufen können. Andererseits passte es zu der Art des Decimus, und wohl zur Art seiner gesamten Familia: mit den besten Absichten voranpreschen ohne lange drüber nachzudenken und einfach darauf vertrauen, dass Fortuna es wieder richten würde. Dass der Decimus es mit dieser Art dennoch so weit gebracht hatte zeugte deutlich davon, dass Rom trotz aller Diskrepanzen ein geschützter Raum für all jene war, die mit dergleichen Art in anderen Teilen der Welt mit gebrochenem Schädel in der Gosse enden würden.


    "Dein letztes Vorhaben erhält dahingehend meine Unterstützung... unter Vorbehalt, dass du nicht jeden Paragraphen des Codex Universalis mit einer Strafe ergänzen willst. Die Bestrafung vieler Vergehen liegt vor allem im Ermessensspielraum der Prätoren, und du wirst diese sicherlich nicht gängeln wollen indem du ihre Tätigkeit darauf degradierst, Urteile auszusprechen die zuvor von dir festgelegt wurden.", kommentierte Vala das letzte Vorhaben des Decimus, "..ich selbst habe gerade vor, die detaillierten Rechenschaftsberichte der Magistrate wieder zu Geltung kommen zu lassen. Dies allerdings, und das muss ich der Intervention meines Patrons zuschreiben, eher durch mein vorausschreitendes Vorbild als durch konkrete Vorlage einer Gesetzesänderung." Womit Vala implizit vorschlug, dass der Decimus es auf ähnliche Weise tun sollte... weniger durch einen gängelnden Gesetzeswust, als durch eine Auffrischung des Gewohnheitsrechts.

  • Aquila wartete, bis die beiden Senatoren anfingen sich zu bedienen, bevor er auch selbst zugriff bei den Vorspeisen. Davon abgesehen machte er nicht viel mehr, als er im Grunde im vergangenen Jahr ständig gemacht hatte, wenn er mit dem Duccius unterwegs gewesen war: er hörte zu. Versuchte so viel wie möglich mitzubekommen und zu lernen. Interessant war es allemal: politische Geschichten der letzten Jahre aus dem Mund von jemandem zu hören, der hier gewesen, der das hautnah mitbekommen hatte... Und die Diskussion über das Programm seines Onkels entpuppte sich als auch nicht ohne, jedenfalls was den Punkt der Aufarbeitung betraf. Aquila war da ein bisschen hin und her gerissen... Einerseits konnte er verstehen, dass Livianus die Aufarbeitung angehen wollte, gerade weil sie beide bei ihrer Kandidaturvorstellung so angegangen worden waren. Andererseits musste er auch dem Aedil Recht geben, dass es vermutlich keine so kluge Idee war, wenn ausgerechnet ein Decimer das machte, Consul hin oder her. Und das nicht nur weil die Sprache auf Serapio kommen könnte, sondern auch wieder gerade weil manche Senatoren so diskutiert hatten bei der Kandidatur. Wenn die bei einer simplen Wahlrede schon so reagiert hatten, konnte Aquila sich vorstellen, was sie wohl dazu sagen würden, wenn Livianus damit begann proaktiv Aufarbeitung zu betreiben.

  • "Ich danke dir für deine Anregungen Duccius. Was die Verfahrensregeln im Senat betrifft, so werde ich sie in meine Überlegungen miteinfließen lassen. Doch entgegen deinen Befürchtungen die Senatorenschaft könnte dadurch allzu sehr bevormundet werden, habe ich sehr wohl angedacht den Senatoren ebenso Möglichkeiten einzuräumen selbst mittels Anträgen Einfluss auf laufende Sitzungen nehmen zu können. Etwa um von ihnen aus eine Vertagung oder einer Unterbrechung einer Sitzung zu beantragen. Oder um zu einem Tagesordnungspunkt das Ende einer Debatte, die Durchführung einer Abstimmung oder die Bildung einer gesonderten Kommission zu beantragen. In Verbindung mit einer im Anschluss vorgeschriebenen kurzen Abstimmung zu dem jeweiligen Antrag, die einen festgesetzten Prozentanteil an Zustimmung erreichen muss, sichert dies die demokratische Vorgehensweise im Senat. Vorrangig ist auch für mich bei allen Möglichkeiten sicherzustellen, dass es kein Ungleichgewicht zwischen dem Vorsitzenden und dem Gremium gibt."


    Livianus nahm erneut einen kräftigen Schluck zu sich und nutzte den kurzen Moment um seine Gedanken noch einmal zu ordnen, bevor er den nächsten nicht minder sensiblen Gesprächspunkt anging.


    "Was die Aufarbeitung der Vergangenheit betrifft, so kann ich deine Bedenken durchaus nachvollziehen, denn auch ich habe mir bereits mehr als nur einmal den Kopf darüber zerbrochen. Doch da es den Wünschen den Princeps entspricht, werde ich nicht darum herum kommen eine Aufarbeitung zumindest in die Wege zu leiten. Dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass ich selbst an der Spitze eines solchen Vorgangs stehen muss. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass man eine senatorische Kommission ins Leben ruft, die sich eingehender mit diesem Thema auseinander setzt. Andererseits könnte man so gut wie jedem irgendeine Art von Befangenheit vorhalten. Je nachdem auf welcher Seite er in diesem leidigen Konflikt gestanden ist.


    Das in einer Debatte mein Adoptivsohn zur Sprache kommt ist dabei von vornherein auszuschließen. Die Arbeitsteilung ist von Palma eindeutig vorgegeben worden und damit geregelt. Der Senat kümmert sich ausschließlich um Belange des Senats und erstattet dem Palast gegebenenfalls Bericht darüber. Da Serapio weder Senator ist, noch ein senatorisches Amt bekleidet hat, fällt er damit direkt in die Zuständigkeit des Palastes. Unsere Aufgabe besteht vielmehr darin die Arbeit der Magistrate, die Gültigkeit von Wahlen, die Rechtmäßigkeit von Gesetzen und Edikten zu überprüfen, die in dieser Zeitspanne erlassen wurden und dergleichen."


    Eine Antwort auf den dritten Punkt hob sich Livianus für später auf, da bereits die beiden angesprochenen Themen durchaus genügend Gesprächsstoff boten und er die derzeit angeregte Diskussion nicht unnötig verkomplizieren wollte.





    CIVIS
    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

  • Mit leichtem Unbehagen hörte Vala sich die Entgegnungen des designierten Konsuls an und kam schließlich zu der Erkenntnis, dass er seinen Umgang mit diesem neujustieren musste um nicht zu riskieren diesen zu verprellen. Immerhin würde er ihn später noch brauchen, und das nicht zu schlecht, da wäre es ganz klar die falsche Strategie auf einer umfassenden Klärung des Sachverhalts zu beharren und dabei die Befindlichkeiten des Gegenübers vollkommen zu vernachlässigen. Gerade diese Befindlichkeiten waren es, die Vala die Situation nun anders einschätzen ließen.


    "Nun, das klingt schon anders.", log er daher und griff in seiner Politikerkiste der einstudierten Mimik auf ein zuversichtliches Lächeln zurück, "Das könnte tatsächlich tragen. Allerdings kann ich nur noch einmal betonen: das was dir in den vergangenen Sitzungen widerfahren ist, und was dich offensichtlich grämen lässt, wirst du nicht verhindern können. Das hat sich alles noch im Bereich des normalen bewegt, wenn auch der Tonfall ein äußerst scharfer war. Aber du wirst niemanden mit Regeln und Vorschriften zwingen können nett zu dir zu sein." Da half nur dicke Haut, die sich jeder Politiker auf dem Weg nach oben aneignete... wobei der Decimus aus einer Zeit stammte, in der vieles im Reich anders gewesen war. Vielleicht ließ sich dadurch die eine oder andere Eigenheit erklären, die man bei Männer vergebens suchte die in der jüngsten Zeit die Ochsentour des Cursus Honorum Senatorium auf sich genommen haben.


    "Dass du als Initiator eines solchen Aufarbeitungsprozesses die Aufgabe letztlich nur deligierst, aber faktisch nicht leitest dürfte eine adäquate Maßnahme sein um dem Gremium zumindest dem Anschein nach seine Souveränität zu bewahren...", kam Vala mit vorsichtigen Worten auf die Rechtfertigungen des Decimus hinsichtlich der Aufarbeitung zu sprechen, "...aber wirklich überzeugen tut mich das ehrlich gesagt nicht. Allerdings deucht mir, dass dir ein Denken zueigen ist, dass sich vor allem durch einen Grundsatz nährt: man tut etwas, weil man es KANN. Das mag einen in vielerlei Hinsicht weit bringen... aber manchmal braucht es eben mehr. Und zur Aufarbeitung eines potentiell willkürlich handelnden Regimes braucht es deutlich mehr."

  • Livianus nickte nachdenklich. Vielleicht sollte er einfach den Duccier fragen, ob dieser bereit dazu war, die Aufgabe des Vorsitzenden für ein solches Gremium zu übernehmen. Als hochdekorierter Kriegsheld und mit seinem bisher tadellosen Werdegang konnte er eine Person sein, die sich die Senatoren an der Spitze eines solchen Gremiums vorstellten. Doch ehe Livianus sich aufraffen konnte den duccischen Gast danach zu fragen, trat ein Sklave an ihn heran und flüsterte etwas in sein Ohr. Livianus Blick wirkte daraufhin ein wenig genervt.


    "Jetzt? Wirklich? Er hat doch gar keinen Termin."


    Der Sklave zuckte entschuldigend mit den Schultern und schüttelte verneinend den Kopf, während er auf eine Entscheidung seines Herrn wartete. Nach einer kurzen Nachdenkpause seufzte Livianus.


    "Also gut."


    Er sah zu dem Duccier und zu Aquila als er sich aus seiner angenehmen Position auf der Liege erhob.


    "Verzeiht mir bitte. Senator Metilius ist hier und möchte mich in einer dringenden Angelegenheit sprechen. Ich werde versuchen es kurz zu halten, aber ihr kennt ihn ja."


    Dies bot den beiden am Tisch Verbleibenden vielleicht auch eine gute Gelegenheit sich in der Zeit ein wenig mit einander zu unterhalten. Aquila war als Gastgeber ohnehin bisher ein wenig zu kurz gekommen, wie es Livianus schien. Er nickte ihnen also noch einmal entschuldigend zu und machte sich auf Richtung Atrium, wo der Senator wartete.





    CIVIS
    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

  • "Dann wird der Senator ja wohl warten müssen...", dachte Vala bei sich und verfolgte dann ziemlich ungläubig, wie der Consul-in-spe sich aufraffte um sie zu verlassen. Als der Decimus gegangen war warf Vala seinem Tiro einen langen Blick zu, der recht deutlich machte was er von derartigem Verhalten hielt, und nahm letztlich das Gespräch wieder auf... das nach einiger Zeit dann auch verebbte, als sich abzeichnete, dass der ältere Decimus nicht vorhatte zu diesem vorher abgesprochenen Termin zurückzukehren.
    Vala nahm seinen Abschied aus dem Hause, ließ den jungen Decimus an seinen Gedanken teilhaben und gab ihm abschließend noch die Hoffnung auf den Weg, dass er sich von ihm mehr Sachverstand und Widerstandsfähigkeit erhoffte.

  • Lange hatte sie nicht am Eingang warten müssen bis sie zum Triclinum gebracht worden war. Ihr Besuch schien für keinen überraschend gekommen zu sein. Sie war sehr froh endlich hier zu sein. Stunden hatte sie damit zu gebracht sich herzurichten. Irgendwie hatte ihr nichts wirklich gefallen. Entweder fühlte sie sich zu sehr herausgeputzt oder zu wenig. Selten hatte sie solch Probleme gehabt das Richtige zu finden. Es war einfach wichtig gewesen richtig angezogen zu sein. Irgendwann hatte sie sich für eine schlichte hellblaue Tunika entschieden über die sie ein dunkelblaues Obergewand gezogen hatte. Die Haare waren hochgesteckt worden. Die Aelia war dann tatsächlich zufrieden gewesen. Sie sollte schon Platz nehmen und man versicherte ihr, dass der Hausherr so schnell er konnte erscheinen würde. Außerdem wollte man ihr eine Erfrischung bringen.


    Nachdem sie Platz genommen hatte, ließ sie den Blick ein wenig durch das Triclinum schweifen. Ein wenig war ihr schon über die Familie berichtet worden. Jedenfalls das was man so wusste. Während ihre eigene Familie lange Zeit Gegenwind erfahren musste und es nun etwas besser ging, war es jetzt diese Familie, die es schwer hatte Ruhe zu finden. Darin hatten sie also schon irgendwo eine Gemeinsamkeit. Sie war gespannt ob sie noch andere finden würde.

  • Unwissender Weise hatte auch der Consul mit dem gleichen Problem zu kämpfen gehabt. Eigentlich entsprach es nicht seinem Charakter seiner Kleidung eine besondere Aufmerksamkeit zu schenken. So oblag es auch in den meisten Fällen seinen Sklaven diese jeden Morgen für ihren Herrn zu Recht zu legen und er zog sie ohne selbst groß Änderungen an der Auswahl vorzunehmen an. In den letzten Monaten hatte sich dies meist ohnehin auf die Toga praetexta beschränkt. Doch für den heutigen Anlass sollte seine Kleidung nicht zu formell, aber auch nicht zu leger wirken. Auch wenn es seinem Rang gerecht gewesen wäre, so hätte er sich unwohl gefühlt, der Aelia mit seiner Toga Praetexta gegenüberzutreten. Andererseits wollte Livianus die junge Frau nicht beim ersten Treffen mit allzu großer Vertrautheit verschrecken.


    Letztendlich viel die Entscheidung auf eine smaragdgrüne Tunika, die breite weiß-silber bestickte Streifen an Ärmel- und Fußenden zierte. Bis zuletzt hatte er diese Entscheidung herausgezögert und so war es nicht verwunderlich, dass er immer noch mit dem Ankleiden beschäftigt war, als ein Sklave ihm über das Eintreffen seines Gastes informierte. Seine Sklaven zupften noch auf den Weg ins Triclinium an dem Decimer herum, bis er schließlich durch die letzte Türe und auf Vespa zuschritt, die es sich mittlerweile bequem gemacht hatte und gerade von einem Sklaven mit einer Erfrischung versorgt wurde.


    "Herzlich Willkommen in der Casa Decima Mercator! Bitte verzeih mir die kurze Wartezeit. Ich hoffe meine Sklaven haben sich gut um dich gekümmert."

  • Gerade bekam sie das Getränk gereicht als der Decimus den Raum betrat.


    "Ich bin Bestens versorgt worden, danke der Nachfrage. Die Wartezeit war auch gut zu verkraften. Es gibt ja doch immer noch etwas zu tun, das nicht ganz so einzuplanen war."


    Sie versuchte ihm damit die Möglichkeit zu geben ohne einen negativen Eindruck die Verspätung zu erklären in dem sie schon eine Erklärung bereit legte. Natürlich war die ganze Situation noch etwas verkrampft. Man hatte sich schon mal gesehen und auch das ein oder andere Wort gewechselt, aber dies hier war doch irgendwie anders.


    "Ich hoffe doch sehr, dass mein Termin nicht ungelegen kam und ich dich nicht von wichtigen Consul Geschäften abhalte. Es gibt sicher eine ganze Menge zu tun um die Stadt und das Reich wieder stabil zum Laufen zu bekommen."

  • Livianus lächelte ein wenig verschmitzt, als die Aelia ihre Befürchtung über den ungelegenen Zeitpunkt kundtat. Ganz im Gegenteil war der Decimer einerseits froh über die willkommene Abwechslung in seinem bisher arbeitsreichen Amtsjahr und andererseits hatte sich dieses Treffen bereits so lange hingezogen, dass er es von sich aus unter keinen Umständen weiter verschoben hätte. Doch so im Detail wollte er dies freilich nicht zugeben und fand daher eine andere Erklärung, die ebenfalls zutraf.


    "Einer der Vorteile als Consul ist es, dass sich die Anderen in den meisten Fällen nach dem Consul richten müssen. In meiner langen Laufbahn in den unterschiedlichsten Ämtern habe ich zudem gelernt, dass man sich auch hin und wieder trotz der mitunter zahlreichen Aufgaben eine Auszeit nehmen muss, um Geist und Körper in Balance zu halten."


    Danach war wieder für einen Moment Stille zwischen den beiden. Livianus war sich natürlich darüber bewusst, dass die letzte Annährung dieser Art an eine Frau bereits eine lange Zeit zurück lag und es daher nicht unbedingt leicht sein würde. Er war kein junger Haudegen mehr, der sich ziel- und siegessicher durch die römische Gesellschaft bewegte und die Damenwelt unsicher machte. Dieses Leben hatte er schon lange hinter sich gelassen. Natürlich war da immer noch seine höfliche, zuvorkommende und Frauen gegenüber ausgesprochen galante Art, die er sich über die vielen Jahre hinweg bewahrt hatte, doch in Übung war er freilich schon lange nicht mehr. Ganz im Gegenteil fühlte er sich trotz der Vorfreude auf dieses Treffen nun ausgesprochen Unsicher und wirkte für einen Mann seines Alters und mit seinem Werdegang sehr zurückhaltend. Grund dafür gab es freilich nicht, da ja beide wussten, worum es bei diesem Gespräch ging und in welche Richtung es letzten Endes laufen sollte. Doch da sein Patron Quarto der jungen Vespa die Letztendscheidung über diese Verbindung überlassen hatte, war es keine politische Hochzeit im eigentlichen Sinn, bei der man Heiratete und die Frau sich letztlich ihrem Schicksal fügen musste, ganz gleich ob es ihr nun gefiel oder nicht. In diesem Fall zählten also sehr wohl ein positiver Eindruck und das Wecken eines gewissen Interesses bei seinem Gegenüber. Livianus überspielte die Situation daher ein wenig holprig indem er sich auf der Liege des Hausherrn niederließ und einem Sklaven ebenfalls zu verstehen gab, dass man ihm einen Becher bringen sollte. Danach widmete er sich wieder seinem Gast.


    "Doch lass uns nicht über mein Amt sprechen. Ich bin froh wenn ich es hin und wieder ausblenden kann, auch wenn das nicht immer leicht ist. Wir haben uns sehr lange nicht gesehen."


    Auch die wenigen Treffen davor konnte man vermutlich an einer Hand aufzählen. Trotz seiner langjährigen Verbindung und Freundschaft zu Vespas verstorbenen Mann Balbus, dessen Bruder Flavius sein Ausbilder in der IX Legio war und der dann unter Livianus seinen Dienst in der Legio angetreten hatte, war der Kontakt nach der Heirat zwischen Vepsa und Balbus nicht mehr sonderlich intensiv gewesen.


    "Vieles ist in dieser Zeit passiert. Einiges davon habe ich bereits von deinem Onkel erfahren und ich habe mit Freunden von deinem Sohn gehört. Ich wusste es bisher nicht. Gaius, nicht wahr? Ist er nach seinem Großvater Consular Commodus benannt? Wie geht es ihm?"

  • Das war bei ihrem Onkel nicht anders gewesen wenn sie jetzt noch mal darüber nachdachte. Meistens war es wirklich so, dass man andere auch mal warten lassen konnte. Außerdem war es interessant, welch durchaus modernen Gedanken der Decimus hier vertrat. So etwas hatte sie bisher noch gar nicht gehört. Ein Ansatz, der vermutlich hier und da verfolgenswert war, aber in wie weit er durchzuhalten war? Hier hatte sie ein paar Bedenken. Aber die Möglichkeit sich davon in Zukunft zu überzeugen, war durchaus gegeben.


    "In Ordnung. Dann werden wir das nicht weiter ansprechen. Es stimmt. Unser letztes Treffen ist sehr lang her. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, hat es uns beide auch aus Roma weg gezogen."


    Das war noch nett umschrieben für die Flucht, die sie Hals über Kopf hingelegt hatten. Aber es hatte sein müssen, wer weiß was sonst passiert wäre. Als Livianus ihren Sohn ansprach kam sofort die stolze Mutter zum Vorschein.


    "Ja, er ist nach seinem Großvater benannt worden. Balbus war viel daran gelegen, dass er diesen Namen trug. Leider hatte Balbus nicht lange große Freude an ihm. Ihm geht es ganz gut soweit. Er macht sich sehr gut. Soweit ich das beurteilen kann. Ich habe mir alle Mühe gegeben ihn gut zu erziehen. Wenigstens ihm das beizubringen was mir möglich war. Doch jetzt stoße ich an meine Grenzen. Er hat jetzt einen Privatlehrer, der sich um die weitere Ausbildung kümmert."


    Immer wenn Vespa von ihrem Sohn sprechen konnte, tat sie das mit großem Stolz. Er war ein wichtiger Teil in ihrem Leben, dem sie bald viel Freiraum geben musste, viel mehr als ihr lieb war.

  • Livianus hatte keinen Zweifel daran, dass es sich bei Vespa um eine sehr engagierte Mutter handelte. Doch nun wo der Junge immer älter wurde, war es bestimmt nicht immer leicht die fehlende Vaterfigur zu kompensieren. Sowohl Quarto als sein Großvater, wie auch der junge Paetus als Onkel hatten andere Rollen auszufüllen, die jene eines Vaters nicht so einfach ersetzen konnten. Auch Livianus hatte bisher keine großen Erfahrungen als Vater sammeln können. Seine leiblichen Kinder waren bei ihren Großeltern in Britannien aufgewachsen und er hatte sie erst im Erwachsenenalter kennengelernt. Doch mit Kindern hatte er dennoch die eine oder andere Erfahrung sammeln können.


    "Die Gens Decima ist groß und recht weit verstreut. Dementsprechend ist es selten, dass hier in Roma Kinder zu Gast sind. Ich konnte jedoch die letzten Jahre mit meinen beiden Neffen sehr viel Zeit in Hispania verbringen. Ich muss gestehen, dass mir ihre Unbeschwertheit und ihr lachen sehr abgeht. Gerade in schweren Zeiten ist ein Kinderlachen oft ein Segen der Götter. Es würde mich sehr freuen den Jungen einmal kennen lernen zu dürfen."


    Schwierige Zeiten waren es durchaus, die Livianus gerade durchlebte, auch wenn er dies nicht so offen zugegeben hätte. Sie waren schließlich selbst gewählt. Ein wenig Abwechslung war daher sehr willkommen. Vielleicht konnte er dem jungen Gaius ja bei dieser Gelegenheit von seinem Vater oder seinem Großvater erzählen. Beide hatte Livianus schließlich gut gekannt und wusste daher viel zu berichten über die Familiengeschichte der Prudentier. Soweit Livianus wusste, hatte sie hier in Roma auch ein eigenes Haus, was ihn auf die nächste Frage brachte.


    "Ihr seid derzeit noch Gast bei den Germanicii? Oder konnte dein Onkel bereits mit Palma über die Rückgabe des Domus Aeliana sprechen?"

  • "Das stimmt. Kinder bringen viel Freude ins Haus. Ich bin mir sicher, dass sich so ein Treffen mit dem Jungen arrangieren lässt."


    Allerdings war er grad in einem Alter wo die Unterhaltungen Älterer immer nur langweilig waren. Ein schwieriges Alter, aber mit Geduld und sehr viel Ruhe war es durchaus durchzustehen. Dieses Problem kannten vermutlich viele Eltern und sie war da nicht allein in der Welt.


    "Es stimmt. Wir sind noch immer dort zu Gast. Ein Gespräch war angedacht. Bisher weiß ich aber nicht was dabei herausgekommen ist. So lange bleiben wir wohl unseren Gastgebern erhalten."


    Sie würde auch sehr gern langsam wieder ihren eigenen Haushalt führen wollen. Es wurde ihr langsam unangenehm so lange dieser Familie den Alltag durcheinander zu bringen. Aber man versicherte immer wieder, dass es in Ordnung war und sie gern bleiben konnten.

  • Dies traf wohl auf ihren Onkel und seinen Sohn Paetus zu. Für Vespa und ihren Sohn hatte sich ja mittlerweile eine weitere Möglichkeit ergeben. Doch Livianus wollte nicht gleich mit der Türe ins Haus fallen. Die Situation war ungewohnt genug und so wollte er zuerst ein wenig beim Smaltalk bleiben. Vor allem aber auch, da gerade eben die Sklaven damit begannen die Vorspeisen zu servieren. Wie es üblich war, brachte der Consul den Göttern ein kurzes Opfer dar, indem er einen Schluck wie auf dem Boden vergoss.


    "Also weiß man auch nach wie vor nicht, wie Palma zu Quarto und eurer Familie steht. Keine einfache Situation. Doch wer hat es schon einfach in diesen Tagen. Der Bürgerkrieg hat viel Leid über Rom und seine Bürger gebracht und dabei keine Rücksicht vor Wohlstand oder Status gemacht. Doch mein Vater hat schon gesagt man soll verlorenem Wohlstand oder Status nicht nachtrauern. Solange man schwierige Zeiten gesund übersteht ist nichts verloren und man kann im schlimmsten aller Fälle von vorne beginnen. Eine Möglichkeit die all jene nicht mehr haben, welche sie ins Elysium übergegangen sind. Also sollten wir uns Glücklich schätzen und nur nach vorne denken.


    Es fällt mir manchmal selbst sehr schwer den Worten meines Vaters in allen Lebenslangen etwas abzugewinnen und seinem Beispiel zu folgen muss ich gestehen. Aber ich bemühe mich." schmunzelte der Decimer.


    Nachdem die Vorspeise nun endlich aufgetischt war, machte Livianus eine einladende Geste. "Bitte greif zu." Gleichzeitig wollte er das Gespräch aber nicht abreissen lassen und stellte der jungen Aelia daher lächelnd eine aus seiner Sicht interessante und durchaus neugiereige Frage.


    "Was hat dir dein Onkel eigentlich über mich und meine Familie berichtet?

  • "Nein, es hat alle Bürger des Reiches getroffen. Vielleicht lässt das die Bürger dieser Stadt etwas mehr zusammenwachsen wenn es sich herum spricht, dass jeder betroffen ist. Aber das ist nur eine schwache Hoffnung. Solch Sachen sind aber schnell auch wieder vergessen. Es liegt mir auch fern den Kopf in den Sand zu stecken. Ich deute es als gutes Zeichen, dass meine Verwandten und auch ich noch hier in Roma frei herumlaufen können. Der Kaiser scheint also nicht wirklich etwas gegen uns zu haben sonst wäre man anders mit der Familie des ehemaligen Kaisers umgegangen. Aber ich stimme dir zu. Alles im Allem sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen. Dein Vater hat einen wirklich wahren Satz gesagt."


    Vespa musterte den Decimus während er sprach. Leicht war nichts im Leben. Es gab immer etwas das anders lief als man es geplant hatte.


    "So lange man es versucht, ist es doch das Wichtigste."


    Dankend nickte sie und nahm sich dann etwas von den gerade aufgetischten Speisen. Sie sahen wirklich gut aus und gern nahm sie etwas davon. Nach dem sie ihren Bissen aufgegessen hatte, befasste sie sich gern mit der Antwort.


    "Mein Onkel hat mir erzählt, dass ihr überwiegend militärische Ränge bekleidet und ausgeübt habt, aber auch gern der Politik folgt. Es gab und gibt viele geschätzte Mitglieder in dieser Gens. Ihr stammt ursprünglich aus Hispania, habt aber auch einen weiteren Zweig im Osten des Reiches. Ansonsten wusste er noch das ein oder andere zu einigen Mitgliedern zu sagen, aber ich denke, dass ich dich damit langweilen würde wenn ich das wiederhole. Du kennst sie alle besser als er es je könnte."


    Es war durchaus nett sich so zu unterhalten, aber sie wusste warum sie hier war und er wusste es auch. Da sie das Gefühl hatte, dass er mehr über ihre Familie wusste als sie über seine, wollte sie keine unsinnigen Fragen stellen. Es würde ihnen wohl beide helfen wenn sie auf das eigentliche Thema kämen.


    "Mein Onkel hat mir auch erzählt wo rüber ihr euch unterhalten habt bei eurem Treffen. Ich möchte ehrlich sein. Es interessiert mich sehr welche Beweggründe dich zu deinen Absichten getrieben haben."

  • Es war sehr löblich, dass Vespa sich über die Geschichte der Gens Decima informiert hatte, doch Livianus hatte bei seiner Frage eher die nähere Vergangenheit angesprochen. Es war für seine zukünftige Frau nicht uninteressant zu wissen welche Rolle seine Familie während des Bürgerkriegs gespielt hatte, dass sein Adoptivsohn Serapio unter dem Usurpator gedient und bei Cornelius Palma in Ungnade gefallen war. Auch das Livianus selbst nicht gerade zu den Unterstützern Palmas zählte und dementsprechend auch nicht die Gunst des neuen Princeps genoss, währe vermutlich erwähnenswert gewesen. Doch ehe der Decimer darauf eingehen konnte, wechselte die junge Aelia unerwartet das Thema. Sie war wohl eine Frau, die nicht gerne um den heißen Brei herumredete und wusste was sie wollte. Freilich erleichtere dies auch für Livianus die Situation und er konnte so direkt auf ihre Frage eingehen.


    "Es gibt keinen bestimmten Grund. Oder eigentlich sollte ich sagen es gibt mehrere Gründe. Zum einen natürlich das langjährige gute Verhältnis zu deinem Onkel, meinem Patron und seiner Familie. Dein Onkel hat mich immer unterstütz. Ich verdanke ihm viel und wäre heute vermutlich nicht da, wo ich mit Stolz behaupten kann zu stehen. Zum anderen natürlich auch die Freundschaft, die mich mit Balbus verbunden hat. Schon unsere Väter waren befreundet und man könnte sagen wir sind in Hispania Tür an Tür aufgewachsen. Mit beiden Familien verbinde ich sehr viele wesentliche Stationen meines Lebens. Auch wenn ich es Balbus nie direkt versprochen habe, wie könnte ich nun in einer solchen Situation anders handeln, als mich um seine Lieben, dich und deinen Sohn zu kümmern, euch in mein Haus und in meine Familie aufzunehmen.


    Und natürlich meine liebe Vespa…… du bist eine wunderschöne und intelligente Frau, die auch aufgrund der vielen Schicksalsschläge der vergangenen Jahre mit einer reichen und für eine Frau deines Standes und Alters ungewöhnlichen Lebenserfahrung gesegnet ist. Eine Eigenschaft die weitaus mehr zu mir und meiner vielleicht oft missverstandenen Haltung und Lebensgestaltung passt, als der oberflächliche Lebensstil der meisten anderen römischen Frauen. Das ist wohl ein weiterer Grund für mein Interesse und meine Absichten. Nach dem Tod meiner Frau, der schon so lange zurück liegt, war es mir nicht vergönnt eine Frau kennen zu lernen, die meinen vielleicht übertriebenen Ansprüchen gerecht geworden wäre. Und zu guter Letzt natürlich auch die Traditionen, die von einem Mann meiner Stellung einen gewissen Lebensstil fordern. Du siehst, meine Beweggründe sind vielfältig, doch ich hoffe, sei Treffen bei dir auf Verständnis und vielleicht auch auf Einklang. Und ich hoffe, dass wir, wenn wir uns näher kennengelernt haben, vielleicht eines Tages auch mehr sein können als die Witwe eines verstorbenen Freundes, oder der Klient des Onkels."

  • Wenn sie es gewollt hätte, hätte sie den ersten Teil wirklich falsch verstehen können. Es hörte sich fast so an als würde sie schon so viel Mitleid erwecken, dass sich ja irgendwann jemand ihrer erbarmen musste damit sie nicht allein da stand. Kurz wollte dieses Gefühl auch ihre Gedanken übernehmen und ließ sie tief durchatmen. Zum Glück jedoch, war sie zu einer gewissen Geduld erzogen worden. So wartete sie das Ende der Ausführung ab und beruhigte sich wieder. Nebenbei hatte sie auch hier und da etwas von den Vorspeisen genommen.


    "Mir war diese enge Verbindung zu Balbus gar nicht so bewusst. Natürlich hatte er davon erzählt, aber dass ihr fast Tür an Tür aufgewachsen seid, wusste ich nicht. Es würde ihn dann vermutlich dann besonders freuen wenn du dich um seine Familie kümmerst. Weiter möchte ich mich für dein Kompliment danken. Es bringt mich direkt in Verlegenheit. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich keine Ahnung davon habe wie deine Ansprüche aussehen."


    Wie sollte sie das auch. Das war ja nicht unbedingt etwas, dass durch die Klatsch- und Tratschtreffen der römischen Frauen abgehandelt wurde.


    "Aber es freut mich, dass du mich für solch eine Römerin hältst. Du wirst sicher verstehen, dass das nicht unbedingt von ungefähr kommt. Nach dem Tod meines Vaters hat mich meine Tante erzogen. Sie hielt es für wichtig, dass sich eine Römerin auch mit der Politik auseinandersetzt. So ließ sie mich an vielen Gesprächen teilnehmen und wir sprachen viel darüber. Auch mit meinem Onkel führte ich gern solch Gespräche und ließ mir seine Meinung dazu näher bringen. Die ist immer sehr wichtig für mich. Ich bin keine Frau, die sich aus irgendwelchen Dingen einfach heraushält. Ich weiß um meine Aufgaben als gute Römerin, aber ich bin auch wissbegierig und möchte verstehen was sich im Reich ereignet."


    Es fiel ihr nicht leicht dem oberflächlichen Unterhaltungen der anderen Frauen zu folgen, aber sie tat es natürlich wenn es ihre Aufgabe erforderte. Danach suchte sie aber dennoch Gespräche um auch das Wichtige zu erfahren.

  • "Deine Tante Adria? Ich habe sie seit ihrem Umzug auf die aelischen Landgüter nicht mehr gesehen, kann mich aber noch gut an sie erinnern. Eine ebenso bezaubernde wie kluge Frau. Wie ich hörte soll es ihr jedoch gut gehen, fernab von Rom und den alltäglichen Querelen.


    Ich muss gestehen, dass ich im Verlauf des letzten Jahres, also seit Beginn meines Consulats, sehr oft einen Gesprächspartner und Vertrauten begrüßt hätte, mit dem ich meine Strategien und Pläne besprechen, aber auch meine Erfolge und Niederlagen teilen hätte können. Ein Anspruch den ich durchaus auch an die zukünftige Frau an meiner Seite stelle. Ich bin schon lange nicht mehr in einem Alter, wo oft lediglich oberflächliche und optische Vorzüge wichtig zu sein scheinen und wie du vielleicht gehört hast, war meine Amtszeit, die sich nun langsam aber stätig ihrem Ende nähert, oft sehr umstritten und hat im Senat mehrmals zu hitzigen Auseinandersetzungen und Anfeindungen anderer Senatoren geführt. Meine Familie muss sich also oft auch mit der negativen Seite meiner Popularität und meiner Grundsätze auseinandersetzen und damit umgehen können."


    Eine Tatsache, die er Vespa nicht verheimlichen wollte. Schließlich hatte sich Livianus in diesem Jahr nicht nur Freunde gemacht und seinen Ruf verbessert. In den meisten Fällen war er eher mit dem Gegenteil konfrontiert gewesen. Und dies wirkte sich natürlich auch auf das Ansehen und den Ruf seiner Familie und in weiterer Folge auch seiner zukünftigen Frau aus. Dies alles war ein wichtiger Grund, warum er glaubte, dass Vespa gut an seine Seite passte. Ihre Erziehung als Mitglied der kaiserlichen Familie hatte sie zweifellos zu einer klugen, interessierten und weltoffenen Frau werden lassen, doch ihre bisherigen Schicksalsschläge hatte ihr auch eine andere Seite des Lebens aufgezeigt und sie mit einer Lebenserfahrung ausgestattet, die einem Großteil der römischen Frauen zeitlebens unverständlich bleiben würde.


    "Unter uns gesagt hat mich das Consulat mehr Kraft gekostet, als ich es mir in der Öffentlichkeit anmerken lasse. Ich habe mir daher vorgenommen nach dem Ende meiner Amtszeit eine Zeit lang etwas leiser zu treten. Das soll nicht heißen, dass ich der Politik des Senats den Rücken zukehre, aber es wird mir wohl in den nächsten Monaten lieber sein zu Hause im Kreis meiner Lieben zu politisieren, als mich weiter den neuen Umgangston im Senat auszusetzen. Ich trage mich seit einiger Zeit sogar mit dem Gedanken, mich für neues Kommando oder eine Statthalterschaft zur Verfügung zu stellen, doch auch mein Verhältnis zu Cornelius Palma ist nicht unbedingt das Beste. Ich kann daher nicht sagen, ob er einem solchen Ansinnen überhaupt stattgeben würde."


    Nach all den offenen Worten kam Livianus der Gedanke, dass sie bei der jungen Aelia Mitleid erwecken könnten. Mitleid mit seiner Lage wollte er in keinem Fall heischen, doch Verständnis für seine Beweggründe und seine Offenheit gegenüber gemeinsamen Entscheidungen innerhalb der Familie waren ihm wichtig zu verdeutlichen. Daher war die folgende Frage auch nicht verwunderlich.


    "Könntest du dir vorstellen Roma in einem solchen Fall womöglich wieder zu verlassen?"

  • "Oh, nein nein. Ich bin bei Tante Phoebe im Norden aufgewachsen und erst kurz vor meiner Hochzeit mit Balbus nach Roma gekommen. Sie war eine sehr resolute wie auch gebildete Frau. Das scheint den Frauen der Familie überwiegend zu Eigen zu sein. Ich habe leider schon geraume Zeit nichts mehr von ihr gehört. Du bist da genauso gut informiert wie ich."


    Vespa erinnerte sich gern an ihre Tanten, aber nach dem Verlust ihrer Eltern war es eben diese eine gewesen, die das aus ihr gemacht hat was sie heute war. Die Aelia war ihr deswegen zu großem Dank verpflichtet. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen so ein dummes Hühnchen zu sein, dem das ganze Geschehen unwichtig war. Nein, das widerstrebte Vespa. Was sie dann hörte, gefiel ihr durchaus. Ein einfaches Heimchen war also gar nicht gewünscht. Ein gutes wie beruhigendes Gefühl. Verstellen hätte sie sich auf gar keinen Fall wollen. Von den vielen Diskussionen hatte sie schon gehört. Wenn auch nicht viel, aber sie waren sogar an ihr Ohr gedrungen.


    "Es ist kein Problem für mich nicht die Beliebtheitsskala anzuführen. Ganz im Gegenteil. Man muss sie noch zusätzlich mit den Menschen abgeben, die das ausnutzen wollen. Da sind mit wahre Verbündete oder Freunde lieber als jene, die es für die Zeit es Ruhmes sein wollen und beim Wegbleiben desselben schon wieder ihr Fähnchen in eine andere Windrichtung hängen. Es stört mich also nicht wenn du mit deinen Ansichten oder Meinungen nicht immer offene Türen einrennst."


    Und genauso wie sie das eben gesagt hatte, meinte sie das auch. Es gab damals genug Leute, die sich unbedingt mit dem PP gut stellen wollten und als dieser dann nicht war, waren es die treuen Soldaten, die zu ihm und auch ihr hielten. Noch immer war sie ihnen dafür unheimlich dankbar.


    "Mit einem guten Verhältnis zu Palma scheinen unsere beiden Familien nicht unbedingt geschlagen zu sein. Ich kann wie gesagt leider nicht sagen wie er zu uns steht. Vermutlich wird es aber wohl auch eher neutral sein."


    Kurz schwieg sie und sinnierte über diese Sache nach. Es wäre schon gut zu wissen wie es mit ihren Verwandten weitergehen würde.


    "Ich kann mir gut vorstellen, dass es gerade nach diesen vielen Umstürzen alles andere als einfach war und kann daher verstehen, wenn es dich nach einer ruhigeren Zeit gelüstet. Aber ist ein Kommando denn so viel ruhiger als die Arbeit im Senat?"


    Sie wusste von Balbus, dass es immer einiges zu tun gab und er viele lange Tage in der Castra hatte verbringen müssen. Daher wunderte es sie schon ein wenig, das ein Kommando etwas Ruhiges sein sollte.


    "Das kann ich mir durchaus vorstellen. So viel es in Roma auch gibt, aber der Mief und Moch ist doch oft sehr offensichtlich und es gefällt mir auch einfach mal frische Luft zu atmen."


    Vespa meinte das nicht unbedingt auf die Luft bezogen sondern auch auf die ganzen Intrigen, das Verwahrlosen der Stadt und auch die das Zusammenleben mancher Römer miteinander. Doch auf der anderen Seite zeichnete das diese Stadt auch wieder aus. Es gab überall Schattenseiten. Doch in Roma schienen sie manchmal etwas größer als woanders.

  • Eine Tante Phobe aus dem Norden war Livianus nicht bekannt. Vermutlich eine Tante Mütterlicherseits. Dies zeigte auch, wie wenig der Decimer über seine zukünftige Braut wusste, doch sie würden bestimmt Zeit finden, diese Unwissenheit auszuräumen. Vespas Einstellung zur allgemeinen Beliebtheit hörte Livianus jedoch sehr gerne. Um ehrlich zu sein hätte ihn alles andere verwundert, waren die Aelier gerade in den letzten Jahren alles andere als mit Entgegenkommen überhäuft worden. Doch es nun so direkt aus dem Mund der jungen Frau zu hören gab ihm Gewissheit, dass es zu diesem Thema wohl zu keinerlei Meinungsverschiedenheiten kommen würde.


    "Es ist gut zu wissen, dass du so darüber denkst. Zu oft habe ich schon von Streitigkeiten in den besten Familien gehört, weil vor allem die Frauen nicht damit umgehen konnten, das die Sterne ihrer Göttergatten nicht immer nur am steigen waren. Gerade in der Politik und den oberen Gesellschaftsschichten Roms ist es recht einfach sich Feinde und Neider zu machen."


    Livianus schmunzelte als Reaktion auf den Vergleich zwischen der Arbeit im Senat und der eines Kommandos. Aus Vespa sprach eindeutig die erfahrene Gemahlin eines hochrangigen Offiziers, der in dieser Beziehung niemand etwas vormachen konnte.


    "Vielleicht nicht unbedingt ruhiger, da hast du Recht, aber auf eine gänzlich andere Art und Weise arbeitsintensiv und vor allem strukturierter. Dadurch wird es für den, der an der Spitze steht auch einfacher zu handhaben und das verstehe ich wiederum unter ruhiger. Das Wort eines Legaten ist in seiner Legion Gesetz. Dem Amt des Consuls wird hingegen, vor allem von der jüngeren Senatorengeneration, einfach kein Respekt mehr entgegengebracht. Daher bevorzuge ich ganz klar das Kommando. Vielleicht ist es auch einfach Gewohnheitssache, schließlich habe ich einen Großteil meines Lebens im Exercitus verbracht und fühle mich unter Soldaten wohler, als unter Senatoren."


    Auch ihre Reaktion auf seine Frage nach einem wo möglichen Umzug goutierte der Decimer mit einem zufriedenen Kopfnicken und verstand, was Vespa damit zwischen den Zeilen andeuten wollte.


    "Es ist natürlich zu früh darüber zu spekulieren, was die Zukunft bringt, doch es fällt mir leichter im Fall der Fälle eine Entscheidung zu treffen, wenn ich auch deine Meinung dazu kenne."


    Er fand nun war der Zeitpunkt gekommen, Vespa auf den eigentlichen Grund ihres Treffens anzusprechen, dass beide bisher wie zwei erfahrene Kapitäne sehr gekonnt umschifft hatten. Natürlich war er zudem mehr als nur Neugierig, die Meinung der Aelia auch zu diesem Punkt zu erfahren. Er sah sie mit einem offenen und herzlichen Lächeln an, dass die aufkommende Nervosität nur ansatzweise verbergen konnte.


    "Das klingt nun alles schon sehr konkret, dabei hast du mir noch nicht einmal verraten, wie du überhaupt über die ganze Sache denkst. Könntest du dir vorstellen……... also eine Verbindung zwischen unseren Familien…….. Könntest du dir vorstellen meine Frau zu werden?"


    Consul, Feldherr und doch gegenüber einer Frau derart unbeholfen, dass er sich am liebsten selbst geohrfeigt hätte, als er es endlich herausgebracht hatte. Seine letzte Unterhaltung dieser Art war tatsächlich lange her gewesen - viel zu lange. Dennoch hoffte er, trotz seiner sichtlich eher holprigen Vorgehensweise, Vespa für sich und seinen Vorschlag einnehmen zu können.

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