Seiana nickte leicht. Ein Exempel statuieren, das klang logisch. „Nach allem was ich weiß, wurden doch einige festgesetzt, und keiner von ihnen wurde unter Hausarrest gestellt. Es wurden aber auch viele wieder freigelassen in der Zwischenzeit... vielleicht war das der Sinn: ein Warnschuss, der ernst genommen wird, und dafür im Nachhinein weniger, die vor Gericht gebracht und verurteilt werden.“ Wobei das letztlich wohl bei so einigen noch offen war, ob etwas kommen würde – bei ihr ja auch. Der Kaiser hatte ihr nur gesagt, er würde ihr Bescheid geben. „Und es war wohl einfacher so, alle miteinander zu bewachen, als jeden unter Hausarrest zu stellen der es wohl verdient hätte.“
Die Reaktion ihres Onkels trug auch nicht wirklich dazu bei, Seiana positiver zu stimmen. Sie war nicht mehr so jung, so naiv zu glauben oder zu hoffen, dass alles wieder gut werden würde, nur weil er hier war und die Dinge in die Hand nehmen konnte – diese Zeit ihres Lebens war lange vorbei, in der sie noch so gedacht hatte. Dennoch traf es sie zu sehen, zu hören, dass auch Livianus wenig Hoffnung zu haben schien, dass seine Intervention etwas bringen würde. „Ich hoffe sehr, dass du etwas bewirken kannst.“ Sie seufzte lautlos und rieb sich kurz über die Stirn, bevor sie ihren Onkel wieder ansah, als der weiter sprach. Sie bemühte sich um ein Lächeln. „Ja... doch. Die erste Zeit war nicht einfach, als ich noch im Carcer selbst war...“ Sie verschwieg, was diese Zeit noch um so vieles schlimmer gemacht hatte, verschwieg, was Livianus nicht wusste und auch sonst keiner aus der Familie: die Schwangerschaft, die Geburt, und dieses unendlich tiefe, schwarze Loch, in das sie danach gefallen war. „Ich hatte die Casa Decima verlassen, noch während des Bürgerkriegs, und habe anderswo gelebt – nicht so sehr weil ich die Befürchtung hatte, ich könnte gefangen genommen werden, aber weil ich es für wahrscheinlich gehalten habe, unsere Casa könnte geplündert werden. Gefunden haben sie mich dann trotzdem“, erzählte sie stattdessen, verschwieg aber auch hier wieder die Details: welche Angst sie gehabt hatte vor den Soldaten... und dass sie gezwungen gewesen war sich die nackten Füße wund zu laufen auf dem Weg quer durch die Stadt zur Castra. „Irgendwann konnte ich mit Duccius Vala sprechen, der zu dem Zeitpunkt Tribun der VIII war, in deren Verantwortung die Castra lag. Er hat sich an die Verbundenheit unserer Gentes erinnert, an die Ehe von Onkel Magnus mit Duccia Venusia... er hat dafür gesorgt, dass ich besser untergebracht wurde.“