hortus et peristylium

  • Faustus schien nicht gerade begeistert von ihren Worten zu sein, und das wiederum veranlasste Seiana – fast wie in einem Spiegelbild – dazu, ihre Stirn leicht zu runzeln. Sie wusste nicht, was er sich dabei dachte. Oder was er sich vorstellte. Und sie war sich auch ein wenig unschlüssig, was sie darauf sagen sollte. Vielleicht wäre es das Beste, wenn sie einfach so tat, als gebe sie nach. Wenn sie ihn in dem Glauben ließ, dass... Seiana schalt sich gedanklich selbst. Was dachte sie da eigentlich? Wenn es einen Menschen gab in dieser Welt, dem sie vorbehaltlos vertraute, dann war es ihr Bruder. Wie kam sie nur auf die Idee, ihm gegenüber nicht ehrlich sein zu wollen?
    Und trotzdem blieb da doch noch das vage Gefühl, wenigstens vorsichtig zu sein mit dem, was sie sagte. Wie sie es sagte. Nicht so sehr weil sie Streit vermeiden wollte oder befürchtete, er könnte wütend werden, sondern einfach... einfach nur... weil es leichter war? Ein bisschen vielleicht, aber das war es nicht wirklich. Der eigentliche Grund lag darin, warum sie überhaupt darüber nachgedacht hatte, ihm etwas vorzumachen. Wenn man Menschen dazu zu bringen gedachte zu tun, was man von ihnen wollte... dann erreichte man das am einfachsten dadurch, in dem man sehr bewusst darauf achtete, was man ihnen wie sagte. Man konnte es auch Manipulation nennen. Und nicht dass Seiana ihren Bruder manipulieren wollte, aber sie wollte doch zumindest, dass sie in gewisser Hinsicht gemeinsam agierten. Dass sie sich auf ihn verlassen konnte. Sie gestand sich das nicht wirklich bewusst ein, aber dennoch hatte sie plötzlich kein sonderlich gutes Gefühl in der Magengegend, als sie zu einer Antwort ansetzte, mit der sie versuchte beiden Bedürfnissen gerecht zu werden: „Die liegt bei dir, Faustus.“ Sie sah ihn an. „Ich muss nur vorsichtig sein. Die Leute mi denen meine Mitarbeiter oder ich reden verlassen sich auf unsere Vertraulichkeit. Sie würden nicht mehr reden, wenn sie wüssten, dass alles an die Prätorianer weiter gegeben wird – sonst würden sie ja direkt zu euch kommen. Es muss strikt klar sein, dass die Acta absolut vertrauenswürdig ist.“

  • "Ach so meinst du das." antwortete ich erleichtert, und schämte mich, meiner Schwester, wenn auch nur in Gedanken, unpatriotische Motive unterstellt zu haben. "Ja das, das verstehe ich natürlich. Ich will weder deine Quellen zum Versiegen bringen, noch deinem Ruf, noch dem deiner Zeitung schaden. Ich verspreche dir, wenn du mir etwas sagst, etwas von Belang das eine Reaktion erfordert, dann bespreche ich das erst mal mit dir bevor ich irgendwas unternehme. Versprochen!"
    Ich lächelte befreit, trat zum Brunnen und fuhr mit den gespreizten Fingern der rechten Hand durch das Wasser. "Sieh mal, das geht alles wieder." Ich führte meiner Schwester vor, wie ich die Finger und das Handgelenk beugen und strecken konnte. "Schreiben auch." Ganz so flüssig wie zuvor waren meine Bewegungen zwar nicht, und die Narbenflächen spannten, aber es war schon tausendmal besser geworden. Nur der Ellbogen war noch ziemlich steif, und schwach war der Arm halt. Ein Glück dass ich als Offizier nicht mehr darauf angewiesen war, selbst mit dem Schwert in der Hand Dienst zu tun.
    "Sag mal..... was meintest du vorhin mit 'dem Prozess'. 'den Prozess in Kauf nehmen'. Was für ein Prozess?"

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Seiana lächelte vage, als es nun Faustus war, der nachgab. Der sogar vollstes Verständnis zeigte. Es sollte sie eigentlich freuen, aber... so ganz wohl war ihr dabei immer noch nicht. Es fühlte sich nicht richtig an, irgendwie. Als ob sie ihm etwas wesentliches verheimlichte. Seiana räusperte sich. „Ja, das wäre sehr gut“, erwiderte sie, und ließ diesmal bewusst offen, ob sie ihm überhaupt die gewünschten Informationen geben würde... sondern ließ es so klingen, dass es so verstanden werden könnte, dass sie eben das natürlich auf jeden Fall machen würde, anstatt vorher schon abzuwägen, was sie überhaupt weitergab. „Dann können wir besprechen, wie die Acta-Quellen geschützt werden können. Wie vermieden werden kann, dass überhaupt herauskommt, von wem du deine Informationen hast.“
    Sie folgte ihm zum Brunnen nach seiner Aufforderung – diesmal glitt ein echtes Lächeln über ihre Züge. Vorsichtig streckte sie die Hand aus und strich über seinen lädierten Arm. „Das ist fantastisch. Das ist wirklich gut verheilt.“ Sie strich kurz über das Narbengewebe und zog dann wieder ihre Hand zurück. Sie freute sich, dass er seinen Arm wieder so gut nutzen konnte, dass er so beweglich war – es hatte Tage gegeben, da hatte sie nicht geglaubt, dass er so weit wieder heilen würde.
    Gerade wollte sie fragen, ob er noch Schmerzen hatte, als Faustus ihr zuvorkam. Mit einer Frage, die etwas aufgriff, von dem sie zuvor gar nicht so wirklich gemerkt hatte, was sie da von sich gegeben hatte. Was sie da verraten hatte, eigentlich. Für Augenblicke erstarrte sie beinahe zur Statue, starrte ihren Bruder nur an und wusste nicht, wie sie nun reagieren sollte. Dann deutete sie ein Kopfschütteln an. „Ich... hör zu, das... war nichts“, murmelte sie und wandte sich ab von ihm, um sich nun selbst dem Wasser zu widmen, es intensivst zu betrachten. „Nichts wichtiges. Es hat sich alles zur Zufriedenheit geklärt.“

  • Mit den Informationen waren wir uns also einig. Perfekt!
    Und an meinem Arm war, angesichts dessen wie er mal ausgesehen hatte, auch nicht mehr viel auszusetzen.
    Aber mit diesem ominösen "Prozess", da schien ich einen wunden Punkt getroffen zu haben. Verwirrt über die abwehrende Reaktion legte ich den Kopf schief, musterte Seiana. Dann setzte ich mich wieder auf den Brunnenrand, und dehnte abwesend meinen Arm.
    "Ja, aber was war denn nun? Wollte wer dich verklagen? Mal wieder Ärger wegen der Acta oder wie?" bohrte ich unbarmherzig nach. Meine große Schwester sollte es besser wissen, als zu versuchen, mich mit "ach das ist nix wichtiges" abzuspeisen.

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Seiana sah ihren Bruder immer noch nicht an, auch als der nicht locker lassen wollte. Für einen winzigen Augenblick verfluchte sie sich selbst, dass ihr das vorhin heraus gerutscht war – aber bei Faustus hatte sie sich noch nie so gut unter Kontrolle gehabt wie sonst. Es war bei ihm nicht nötig, so einfach war das, weil sie ihm vertraute. Nur in dieser Hinsicht... es war nicht so, dass sie ihm da nicht vertrauen würde. Sie war sich nur nicht so sicher, ob es so gut war, wenn er davon erfuhr. Und es würde ganz sicher nichts bringen, das Thema war immerhin erledigt und Vergangenheit, es gab nichts mehr, was Faustus tun könnte. Seiana atmete tief ein und schnitt eine leichte Grimasse. „Ja“, gestand sie schließlich ein. Das war ja noch nicht mal gelogen – es war ja Ärger wegen der Acta gewesen. „Du weißt doch, wie das ist. Irgendwer ist immer unzufrieden und beschwert sich, viele bei mir, manche bei denen, von denen sie denken sie hätten Einfluss auf mich... so wie der iulische Senator damals, der sich an Onkel Livianus in Germania gewendet hat, offenbar in dem Glauben, ich würde die Acta nicht eigenständig leiten, sondern mich jederzeit von meiner Familie zurückpfeifen lassen...“ Sie warf Faustus einen kurzen Blick von der Seite zu und deutete ein Achselzucken an, bemüht, möglichst gleichgültig zu wirken. „Und manche gehen eben noch einen Schritt weiter.“

  • "Ja." Eigentlich wußte ich nicht wie das war, stellte es mir nur ausgesprochen lästig vor.
    "Ja, dieser Esel." kommentierte ich solidarisch. Dass ich selbst auch schon mal mit einem wütenden Protestbrief vor den Toren der Acta aufgekreuzt war, das ließ ich mal dezent beiseite. (Das war ja was völlig anderes gewesen. Und zwar absolut berechtigt. Und alle hatten unterschrieben, selbst die Kameraden von der Kavallerie und sogar der fiese Legat.)
    Aber dass Seiana sich da so... wand, das rief ein merkwürdiges Unbehagen in mir hervor.
    "Erst meinst du, es war gar nicht wichtig, dann willst du's mir nicht sagen." Ich verzog das Gesicht zu einer übertriebenen Grimasse des Unverständnisses und überspielte das seltsame, das gerade in der Luft hing, mit einem Lachen. "Muß ich das verstehen?"

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Ihre Worte hatten nicht den gewünschten Effekt. Anstatt dass Faustus sich davon irgendwie ablenken ließ, weil sie ja doch recht viel erklärt hatte, ließ er sich davon nicht beirren. Und wies darauf hin, dass sie im Grunde gar nichts gesagt hatte. Prätorianer. Er war schon ganz richtig bei den Schwarzröcken, fand sie.
    Für einen Augenblick überlegte Seiana, wägte ab. Dann seufzte sie lautlos und gab sich einen Ruck. Sie musste ihm mehr sagen – sie kannte ihn gut genug um zumindest zu ahnen, dass er nicht so schnell locker lassen würde. Da waren sie sich doch recht ähnlich, was so etwas betraf. Wenn sie hier nun stur blieb, gab es die reelle Chance, dass er weiter forschen würde, und selbst wenn nicht: es bestand die Gefahr, dass er durch Zufall darüber stolperte. Er war Tribun der Prätorianer, Seiana zweifelte nicht daran, dass er Zugriff auf alle Unterlagen hatte, dass es nicht wirklich etwas gab, was ihr Mann vor seinen Männern diesen Rangs vorenthielt – auch vor Faustus nicht. So wie sie den Terentius kannte, störte ihn das vermutlich überhaupt nicht, wenn ihr Bruder herausfand wie es zu dieser Hochzeit gekommen war. Insofern sollte sie vielleicht sogar froh sein... besser er erfuhr wenigstens ansatzweise von ihr davon, als dass er es durch Zufall in den Archiven der Prätorianer herausfand. „Es ist nicht wichtig, weil es vorbei ist“, erwiderte sie und suchte dann zögerlich nach den richtigen Worten. „Es war... du weißt doch, dass die Prätorianer hier waren. Mehr als einmal. Das Haus durchsucht haben. Die Acta auch.“ Sie räusperte sich und deutete ein Achselzucken an, und für einen flüchtigen Augenblick dachte sie zurück, dachte an die Angst, die sie gehabt hatte, die fieberhaften Überlegungen, die Tage der quälenden Ungewissheit. „Da wäre es... hätte es zu einem Prozess kommen können.“

  • Schließlich ließ sie doch die Ausflüchte sein.
    "Ja, aber du hattest doch gesagt sie haben nichts gefunden...." meinte ich, im ersten Augenblick verwirrt, dann dämmerte mir die Erkenntnis.
    "Oh." Es war eine Erkenntnis mit galligem Geschmack. Ich schwieg betroffen, mich daran erinnernd wie zerbrechlich.... ja, verstört, Seiana gewesen war, als ich aus Ägypten zurückgekommen war. "Und wenn du nicht Terentius... geheiratet hättest....." Eine bittere Wut quoll in mir empor. Ich ballte die Faust, aber die Wut war ganz und gar ohnmächtig. Terentius war mein Kommandant. Ich schüttelte stumm den Kopf. Kaum war ich wieder in Rom, taten sich neue Abgründe auf. Ich schwieg, versuchte die Wut herunterzuschlucken. Es war nicht lange her, dass ich sehr viel von Terentius gehalten hatte. Aber das....
    "Ich hatte ja keine Ahnung dass es so schlimm war." sagte ich mit gepresster Stimme. "Warum hast du mir denn nichts gesagt......?!"

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Zuerst schien Faustus noch nicht zu verstehen, was sie sagen sollte. Es kam das unvermeidliche Aber du hast doch gesagt.... Ja. Hatte sie. Was hätte sie auch sonst tun sollen, wo es doch ohnehin nichts mehr zu ändern, nichts zu tun gab? Seiana starrte weiterhin auf die Wasseroberfläche, einen Moment, noch einen... und dann war er da. Dieser eine Moment, in dem Faustus begriff. Sie musste ihn nicht einmal ansehen dafür, sie hörte es am Klang seiner Stimme. Schweigend hörte sie, was er sagte, und schwieg noch Momente länger, bevor sie schließlich die Arme um ihren Oberkörper schlang und ein leichtes Achselzucken andeutete. „Weil es nichts gebracht hätte“, antwortete sie leise, und immer noch ohne ihn anzusehen. „Ich wollte dich nicht damit belasten, und ich dachte es wäre leichter. Als du zurück in Rom warst, da war es ja schon vorbei... da hatte ich eine Lösung.“

  • Natürlich. Ich hätte ihr nicht helfen können, aber das war gar nicht der Punkt, vor allem wollte sie mich nicht belasten. Ja, der sensible kleine Serapio, dem erzählt man besser nichts, wer weiß ob er es verkraftet.
    "Ach Schwester...." Ich trat zu ihr, und legte von hinten die Arme um sie herum, drückte sie ein bisschen und seufzte. "Ach Schwesterchen. Ich weiß ja, dass du die Dinge lieber mit dir selbst ausmachst. Aber sowas musst du mir doch sagen! Bona Dea, ich sag dir doch auch alles." Ich stockte. "Naja fast alles."
    Unanständige Dinge teilte ich ihr natürlich nicht mit, schließlich war sie meine Schwester und die Anständige in der Familie. Aber sogar über meine Mission hatte ich verbotenerweise mit ihr gesprochen. Und wenn ich Kummer hatte, dann hatte ich wenig Hemmungen ihr mein Herz auszuschütten.
    "Ich muß... mich doch darauf verlassen können, dass, wenn was ist, was schlimmes, dass du mir was sagst... und nicht alles immer nur alleine durchstehen willst, ehrlich..."
    Von geschwisterlichem Beschützerdrang überkommen, drückte ich sie fester, hielt ihre Schultern umschlungen. "Ich komm schon damit klar, wenn du dich auch mal aussprechen willst. Ehrlich, warum glauben immer, und immer noch, alle sie müssten mich beschützen?! - Hmm.... eine Scheidung ist zur Zeit wohl keine Option, oder?"

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Für den Bruchteil eines Moments versteifte Seiana sich, als sie die unerwartete Berührung spürte – dann erinnerte sie sich daran, dass es Faustus war und entspannte sich. Lehnte sich leicht an ihn und ließ innerlich Stück für Stück zu, dass sie den Halt annahm, den er ihr anbot, sowohl körperlich als auch seelisch. „Nur fast alles?“ bemerkte sie zunächst mit einem Verziehen der Lippen, das mit gutem Willen als angedeutetes Lächeln hätte ausgelegt werden können, in dem müden Versuch, das Gespräch ein wenig aufzulockern. Sie gab es allerdings schnell wieder auf und wiederholte, nun in leicht verteidigendem Tonfall: „Ich dachte es wäre leichter so. Leichter einfach nicht mehr darüber zu reden. Die Hochzeit war da beschlossene Sache. Und die drohende Anklage vom Tisch.“ Sie konnte ein leichtes Schaudern nicht unterdrücken, als sie erneut daran zurück dachte. Exempel statuieren, hallte es in ihrem Kopf. Bis heute zweifelte sie nicht daran, dass ihr Mann zur Not weitere Dinge fingiert hätte, damit der Prozess auch sicher zu ihren Ungunsten verlaufen wäre.
    Sie lehnte sich noch enger an ihn, als ihr plötzlich kalt wurde, und überlegte für einen Augenblick, was sie noch sagen sollte. Sie wollte nicht noch mal darauf hinweisen, dass sie gar keine Wahl gehabt hatte als das alleine zu machen, weil ja keiner sonst da gewesen war. Es war nicht Faustus’ Schuld, niemand trug daran die Schuld, es war einfach so gewesen. Und vermutlich hätte sie zumindest versucht, das auch dann allein zu lösen, wenn er da gewesen wäre – auch wenn ihr das wohl nicht gelungen wäre. „Ich versuch’s“, versprach sie ihm stattdessen nur. „Ich vertrau dir. Und ich mein auch nicht dich beschützen zu müssen, nur... warum soll ich dich mit den Sachen aufregen, die eigentlich schon vorbei sind.“


    Und dann sprach er etwas an, was bei ihr so ungefähr die Auswirkung eines Schlags in die Magengrube hatte. Sie rührte sich nicht, aber plötzlich hatte sie ein flaues Gefühl im Magen, und es war eine seltsame Mischung aus Wärme und Kälte, die sie durchströmte. Scheidung. Sie schloss die Augen und dachte plötzlich nicht mehr an das, was gewesen war, was zu dieser Hochzeit geführt hatte – sondern an jenen Grund, der eine Scheidung um so vieles verlockender erscheinen ließ als noch vor kurzem. Seneca. Ließe sie sich scheiden, wäre sie frei für ihn. Sicher nicht frei ihn zu heiraten, schon allein weil er das nicht durfte, und erst recht nicht frei offen zu ihrer Affäre mit ihm zu stehen, weil es einfach unter ihrer Würde und der ihrer Familie war, ihre Ehre beschmutzen würde, wenn sie Gefährtin eines Soldaten war. So üblich dieses Lebensmodell auch sein mochte, es war nichts für eine Frau aus ihren Kreisen. Aber sie wäre immerhin frei, Zeit mit ihm zu verbringen, auch wenn es im Geheimen sein müsste... es würde sie nicht zur Ehebrecherin machen, und die Konsequenzen wären geringer, sollte es heraus kommen. So lange sie verheiratet war, konnte und durfte sie es sich eigentlich nicht leisten, auch nur daran zu denken zu wiederholen, was auf dem decimischen Landgut geschehen war. Eigentlich... faktisch dachte sie doch daran, wann immer sie die Sehnsucht nicht rigoros genug unterdrücken konnte.
    Aber eine Scheidung kam nicht in Frage. Vom Praefectus Praetorio ließ man sich nicht scheiden, schon gar nicht, wenn die Ehe so zustande gekommen war wie ihre. Und das war nicht der einzige Grund, warum eine Scheidung, zumindest jetzt, einfach unklug wäre. „Nein“, antwortete sie. „Ein Prozess könnte auch jetzt noch angezettelt werden, sobald wir nicht mehr unter seinem Schutz stehen. Vielleicht würden sie dann sogar Onkel Livianus in Tarraco aufsuchen... Vinicius Hungaricus hat auch seit einiger Zeit zurückgezogen auf seinem Landgut gelebt, und ihn haben sie in die Carcer gezerrt. Und als er entlassen wurde, um seine Verbannung anzutreten, muss er kaum wieder zu erkennen gewesen sein...“ Sie schwieg einen Augenblick, dachte wieder an Seneca, und die Traurigkeit schien zu groß zu werden. Sie drehte sich um und umarmte ihn nun ebenfalls, schlang ihre Arme um seine Taille und legte ihren Kopf an seine Brust. „Und so lange ich Terentius nicht mindestens ein Kind geboren habe, kann ich mich nicht scheiden lassen. Sonst zerreißen sich die Leute das Maul, wenn ich nicht mal das zustande gebracht hab.“ Dass sie dann noch mehr Schwierigkeiten haben würde einen neuen Mann finden, nicht in ihrem Alter und ohne bewiesen zu haben, dass sie noch Kinder bekommen konnte, erwähnte sie nicht. Es stimmte zwar... das einzige was dann noch bleiben würde, war ihr Einfluss und der ihrer Familie – und das war nur für Männer interessant genug, die schon genügend Erben hatten. Aber sie war ja schon bei ihrer jetzigen Ehe nicht sonderlich erpicht darauf gewesen sie zu schließen, auch wenn sie die Umstände außen vor ließ... der Gedanke, gleich nach einem neuen Mann zu suchen, wenn sie sich irgendwann von ihrem jetzigen scheiden ließ, und sich damit erneut jede Möglichkeit zu verbauen, Seneca vielleicht zu sehen, schien ihr völlig absurd. Und wenn sie Terentius Kinder geboren hatte... war es gesellschaftlich nicht mehr ganz so problematisch, wenn sie danach unverheiratet blieb.

  • "Gut..." sagte ich langgezogen. Ich wollte Seiana ja nicht bedrängen, sie war nun mal verschlossener als ich... Was sicher auch oft von Vorteil war, wenn man sich unter Menschen bewegte, die einem nicht unbedingt wohlgesonnen waren. Aber ich fand, sie übertrieb.
    Dass sie mir versicherte, dass sie mir vertraute, brachte mich erst auf den Gedanken, sie würde es womöglich nicht tun. Wahrscheinlich vertraute sie meinem guten Willen, befürchtete aber, dass ich mich nicht angemessen verhalten und zu sehr "aufregen" könnte.
    "Ich sag dir warum" konterte ich halbherzig, "weil ich eh dahinter komme und mich dann noch viel mehr aufrege..."
    Scheidung. Ich hatte den Eindruck dass das Thema sie durchaus beschäftigte, auch wenn sie ganz vernünftig verneinte. "Das glaub ich nicht..." wiedersprach ich ihren Befürchtungen. "... jetzt gibt es genug reale Verschwörer. Aber... du hast schon recht, besser nicht darauf ankommen lassen."
    Ich schluckte als sie von Vinicius Hungaricus sprach. Dem verdankte ich immerhin die Fürsprache, ohne die ich nicht Eques geworden wäre. Und ich kannte den Carcer, und was er mit den Insassen anstellen konnte. Aber vielleicht gehörte Vinicius ja wirklich zu den Verschwörern...


    Kinder, ja, die waren allerdings ein Muß. Ich schloß Seiana erneut fest in die Arme.
    "Das wird schon" meinte ich zuversichtlich, rieb dabei liebevoll ihre Schultern, "mit der Fruchtbarkeit hatten wir Decimer doch noch nie Probleme. Schau mal, Mutter hat vier Kinder großgezogen, davon drei Söhne, und Großmutter Drusilla sogar vier Söhne. Die Kinder kommen schon noch, am Ende hast du mehr als dir lieb ist."
    Wobei mir wieder siedendheiß mein ganz persönliches Problem einfiel. Ich hob die Augen gen Himmel. Wenigstens mußte ich (noch) mit niemandem das Ehebett teilen. Aber in meinem Zustand konnte ich nun absolut nicht heiraten. Diesen Aspekt der Misere hatte ich noch gar nicht bedacht... ja, ein bisschen miserabler geht immer noch. "Puuuh..." Ich stieß wie ein Pferd die Luft aus. Dann gab ich Seiana einen brüderlichen Kuss auf den Scheitel.


    "Seiana? Hast du noch den Nerv was anderes zu besprechen?" Ich war fast kleinlaut, denn eigentlich hatte sie genug Sorgen. Aber ich war es Massa, meinem lieben Massa, mehr als schuldig. "Ich war ja bei Massa, hab ganz kurz nur bei ihm Halt gemacht, aber da war mir doch sehr deutlich wie traurig er ist wegen der Sache zwischen euch.... und in seiner Ehre verletzt."

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • „Ja“, stimmte Seiana mit einem angedeuteten Lächeln zu. Nicht dass es ganz korrekt war, nicht dass er immer hinter alles kommen würde... oder gekommen war. Nach wie vor hatte er wohl keine Ahnung, was ihr Terentius wirklich angedroht hatte bei der Hausdurchsuchung. Und es gab andere Dinge, die sie ebenso sorgfältig verbarg. Aber er kannte sie wie kein anderer, und davon abgesehen war ihr nicht danach, sich auf eine – wenn auch lustig gemeinte – Kabbelei unter Geschwistern einzulassen. Und sie wollte, dass er ihr vertraute, und darauf, dass sie ihm vertraute. Mehr denn je hatte sie das Gefühl, dass sie ihn brauchte, den Halt, den er ihr gab, dass sie auf ihn zählen konnte, dass sie zusammenhielten. Da war es nicht gut, wenn er nun anfing zu glauben, sie würde ihm nicht alles – alles Wichtige – erzählen. „So oder so sollten wir diese Verbindung nicht aufgeben. Egal wie sie zustande gekommen ist, sie ist zu wichtig.“ Sie erwiderte die noch festere Umarmung ebenso und seufzte lautlos. Kinder. Himmel, Kinder. Es wäre ja nicht so eine große Sache, wenn sie nicht schon so alt wäre. Sie hatte nicht mehr allzu viel Zeit, das war das eigentliche Problem. Aber sie sagte nichts davon. Zum einen wollte sie nicht wirklich darüber reden, weil ihr das alles fast schon zu drängend war, zum anderen konnte sie sich noch gut daran erinnern, wie er am Vorabend ihrer Hochzeit reagiert hatte... und sie wollte nicht jammern. Und schon gar nicht, dass er das dachte. Also nickte sie nur. „Ja, du hast Recht. Warten wir einfach ab. ... Mh?“ machte sie dann, als er die Luft so stark ausstieß, dass sie es hören und spüren konnte. „Was ist?“


    Bei Faustus' nächsten Worten löste sie sich endlich ein wenig von ihm, ging auf genug Abstand, dass sie ihn ansehen konnte. Der Klang seiner Stimme machte sie ein wenig unruhig, und auch die Wortwahl klang irgendwie danach, als ob nun irgendetwas kommen könnte, was ihr weniger gefiel... und für einen winzigen Augenblick schien ihr Herz bis zu ihren Füßen zu sacken, als in ihr die Befürchtung aufkeimte, er könnte irgendwie, irgendwie, von der Sache mit Seneca erfahren haben. Vielleicht hatte ein Sklave doch mehr gemerkt, als gut war, und hatte geredet. Nicht dass einer der Sklaven vom Landgut hier wäre, aber ab und zu bestand ja Kontakt. Einige waren dabei gewesen, um ihre Sachen hierher zu bringen. Was also wenn... bevor sich ihr Gedankenkarussell noch schneller drehen konnte, sprach Faustus allerdings schon weiter, und Seiana spürte im ersten Moment nur Erleichterung, dass es nicht um Seneca ging. Dann allerdings runzelte sie die Stirn. Massa? Traurig und in seiner Ehre verletzt wegen einer Sache zwischen ihr und ihm? „Welche Sache?“ fragte sie irritiert nach, weil sie sich in diesem Moment keinen Reim darauf machen konnte, was Faustus überhaupt meinte.

  • Was war? "Bloß so viel auf einmal, zu bedenken und zu entscheiden." murmelte ich, denn das, woran ich wirklich gerade gedacht hatte, gehörte zu jenem kleinen Rest, der von "fast alles" nicht umfasst wurde.
    Die Art, wie ich die Sache mit Massa ansprach, schien etwas ungeschickt zu sein. Seiana sah geradezu erschrocken aus. Ich scholt mich dafür, dass ich nicht bedacht hatte, wie angespannt sie immer noch war, stets bereit schlechte Nachrichten zu befürchten.
    "Wegen Secundus und Sevilla, wegen der... Meinungsverschiedenheit, die ihr da wohl hattet..." Beschwichtigend hob ich die Hände, nicht dass sie jetzt glaubte Massa habe sich bei mir beschwert. "Massa wollte erst gar nichts sagen, ich hab nur gemerkt dass was nicht stimmt, und es ihm dann mühsam entlockt. In der Hinsicht ist er genau wie du, fällt mir übrigens gerade auf. - Ähm..." Ich rieb mir die Nase. "...was war denn da, also aus deiner Sicht, das wüsste ich einfach gerne?"

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Secundus und Sevilla? Nach dem ersten Schreckmoment, in dem Seiana geglaubt hatte Faustus könnte von Seneca erfahren haben, brauchte sie tatsächlich noch einen weiteren Moment, bis der Sesterz fiel bei ihr. Die Sache meinte er also? Seianas Stirn runzelte sich, als sie daran zurück dachte, nicht einmal so sehr wegen Massa – von dem hatte sie seit ihrem Brief nichts mehr gehört, was sie allerdings vielleicht als Hinweis hätte werten sollen, dass etwas nicht stimmte, wie ihr jetzt auffiel –, sondern wegen Venusia, die sie ja persönlich darauf angesprochen hatte.
    „Es war keine Meinungsverschiedenheit“, antwortete sie, und ohne es selbst wirklich zu merken, begann sie innerlich sich zurückziehen hinter ihren Schutzwall. „Er meinte Venusia erlauben zu dürfen, dass sie mit den beiden nach Germanien reisen kann – noch dazu ohne jede Rücksprache, er hat mir nur hinterher einen Brief geschrieben und mich vor vollendete Tatsachen gestellt. Daraufhin habe ich versucht ihm klar zu machen, dass er nicht das Recht hat, eine derartige Entscheidung für Magnus' Kinder zu treffen. Wir sind eine Gens, wir haben dieselben Vorfahren, aber er gehört nicht zur engeren Familie der beiden. Er kann so wenig über ihre Zukunft entscheiden wie Venusia.“ Sie unterdrückte ein Seufzen und beschloss, weiter auszuholen. Wenn das Thema schon auf dem Tisch war, konnte sie Faustus genauso gut gleich alles erzählen, was damit zusammenhing. „Das Ganze hat aber schon eine längere Vorgeschichte. Wenn du mit Venusia redest, wird sie sich vielleicht auch bei dir beschweren über mich, wir sind... ziemlich aneinander geraten. Sie will unbedingt mit den Kindern nach Germanien. Ich persönlich halte das für falsch – sie kann machen, was sie will, aber ich finde die Kinder sollten hier bleiben. Was ich ihr auch klar gemacht habe.“ Seiana hob ganz leicht die Schultern. „Trotzdem würde ich ihr da keine Steine in den Weg legen – ob und wie sie verreisen, ist letztlich deine Entscheidung, du bist der nächste männliche Verwandte der beiden hier, du zählst als Vormund. Wichtig war mir vor allem, dass sie auf dich wartet, auf deine Entscheidung... und dass die Kinder, wenn sie denn verreisen, bald wieder nach Rom kommen, zu ihrer Familie, und Venusia nicht etwa auf die Idee kommt, sie könnte mit den beiden in Germanien bleiben, wo sie jeden Bezug zu ihrer Familie verlieren. Livianus' leiblichen Kindern hat das ganz sicher nicht gut getan, dass sie in Britannien aufgewachsen sind und nicht hier oder in Tarraco bei der Familie.“ Sie machte eine kurze Pause, bevor sie fortfuhr: „Das hatte Massa mitbekommen, so ist das zustande gekommen. Und was Venusia betrifft: ihr habe ich auch gesagt, dass Massa eine derartige Entscheidung nicht treffen darf. Und ich habe mir erlaubt anzumerken, dass ich gerade in der momentanen Situation eine Reise nach Germanien für noch idiotischer halte als sowieso schon – beide germanische Provinzen haben sich auf Cornelius' Seite geschlagen, und die Gefahr ist zu groß, dass sie direkt zwischen die Fronten geraten, wenn die Legionen sich in Bewegung setzen. Tarraco wäre im Augenblick die bessere Alternative, wenn ausgerechnet jetzt eine Reise egal wohin sein muss.“

  • So klang die ganze Sache doch ein bisschen anders. Ich hörte konzentriert zu. Dass Seiana und Venusia zuvor schon eine Auseinandersetzung gehabt hatten, das erklärte einiges. Da war Massa offenbar zwischen die Fronten geraten.
    "Du hast recht, Seiana. Ich bin auch der Meinung dass die Kinder hierbleiben sollen. Es ist einfach zu gefährlich so weit zu reisen, wenn es nicht unbedingt nötig ist, vor allem jetzt."
    Ob Marcus Flavus ein angenehmeres Wesen entwickelt hätte, wenn er in Tarraco aufgewachsen wäre? Ich bezweifelte es.
    "Aber ich glaube, ich verstehe jetzt besser, wie es zu dem Streit gekommen ist." Allein Seianas Tonfall gab mir einen deutlichen Hinweis. Und ein Wort wie 'idiotisch' hörte man doch äußerst selten aus ihrem Munde. "Ausserdem: Massa hat sich nicht beklagt! Gar nicht. Er hat selbst gesagt, dass er einen Fehler gemacht hat, in der Hinsicht. Aber Seiana, ich fürchte... ähm, also, auch wenn ich in der Sache ganz deiner Meinung bin... kann es sein, dass du dich vielleicht ein bisschen...hart ausgedrückt hast?"
    Wie verdammt schwierig das war, ich wollte weder meine Schwester vor den Kopf stoßen, noch Massa illoyal sein – nein, eigentlich war es nicht schwierig, es war unmöglich.
    "Jedenfalls hat das... bei ihm den Eindruck erweckt, das er nicht mehr als Teil der Familie angesehen wird. Dass er sozusagen nur als Freund von mir hier willkommen ist. Und das ist ein wirklich schlimmes Mißverständnis!! Seiana, ich will dir gar keinen Vorwurf machen, echt nicht, aber du mußt das irgendwie aus der Welt schaffen. Nicht weil du irgendwie schuld daran wärst, aber weil du die einzige bist die das kann!" Flehentlich sah ich sie an, versuchte zu erklären: "Massa ist... jemand ganz besonderes für mich, er ist... edelmütig, und feinfühlig und großzügig und tapfer, und die Familie ist ihm wahnsinnig wichtig. Ich liebe ihn sehr! Und ich kann das absolut nicht ertragen, dass zwischen euch dermaßen Unfrieden herrscht. Bitte Seiana, bitte, kannst du ihm nicht irgendeinen lieben Brief schreiben, damit das wieder in Ordnung kommt?!"

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • Seiana runzelte leicht die Stirn, als Faustus erneut von Streit sprach. Es hatte keinen Streit gegeben. Sie hatte bis jetzt ja noch nicht einmal etwas davon gewusst, dass es überhaupt ein Problem mit Massa gab. „Moment“, erwiderte sie, nun wieder ein wenig irritiert, während sie versuchte zu sortieren, was ihr Bruder ihr da alles gesagt hatte. „Du... du willst was?“ Sie starrte ihn an. „Ich soll mich entschuldigen? Für was denn?“ Für einen Augenblick versuchte Seiana sich zu erinnern, was sie überhaupt genau geschrieben hatte – aber der genaue Wortlaut wollte ihr nicht mehr einfallen, nur der ungefähre Inhalt. Was allerdings war an dem so schlimm gewesen, dass Massa sich offenbar dermaßen verletzt fühlte? Männer! Warum konnte eine Frau nie deutliche Worte ihnen gegenüber verlieren, ohne dass sie sich gekränkt fühlten? Warum musste eine Frau immer irgendwelche Schleichwege nutzen?
    Seiana rieb sich die Stirn. „Ich weiß nicht mehr, was ich genau geschrieben habe. Aber es ging nicht um die Sache. Natürlich habe ich eine Meinung, aber was mit den Kindern passiert, ist deine Entscheidung. Nicht meine. Und auch nicht seine! Das ist das einzige, was ich ihm klar gemacht habe. Er kann Entscheidungen treffen für seine Familie, seine Nichten und Neffen. Aber doch nicht für unsere! Wie nahe wir uns stehen innerhalb der Gens tut da doch nichts zur Sache, nur, dass die Verwandtschaft in diesem Fall zu entfernt ist, als dass er etwas entscheiden könnte! Da könnte genauso gut mein Mann ankommen und Entscheidungen treffen wollen, oder ein Verwandter von Venusia!“ Sie konnte ein Seufzen nicht unterdrücken. Dass Massa sich zurückgesetzt fühlte, sich nur noch als Freund von Faustus' willkommen sah, war einfach lächerlich. Sie war überzeugt, dass sie das niemals so geschrieben hatte. „Und ich bin mir sicher dass ich erwähnt habe, wie viel er uns bedeutet. Dass wir seinen Rat schätzen und er immer willkommen ist. Dass ICH auf ewig in seiner Schuld stehen werde, weil er dir das Leben gerettet hat, weil er dich zu mir zurückgebracht hat. Das werde ich nie begleichen können.“ Seiana musste schlucken, als sie das sagte, als sie sich wieder daran zurück erinnerte. Nein, das war eine Schuld, die sie tatsächlich niemals würde begleichen können.
    Sie sah ihren Bruder an, wie er vor ihr stand, lebendig, und nahezu unversehrt. Gerade eben noch hatte er ihr stolz seinen Arm vorgeführt. Und wem hatte sie das zu verdanken? Massa. Sie schloss die Augen und seufzte erneut. Massa hatte ihren Bruder gerettet. Und genau der stand nun vor ihr und bat sie um einen Gefallen. Bat sie nur darum, über ihren Schatten zu springen und einem Mann eine Entschuldigung zu schreiben, der ihn gerettet hatte – und der ihm offenbar darüber hinaus unglaublich viel bedeutete. Selbst wenn sie nach wie vor keinen Grund sah, ihm zu schreiben – wie schwer konnte das schon sein? Wie groß war dieser Gefallen schon? Verglichen mit dem, was sie Massa schuldete. „Nie begleichen können“, wiederholte sie leise. „Ich werde ihm schreiben.“

  • "... naja, nicht direkt entschuldigen... mehr das Mißverständnis aufklären... " Aber letztendlich lief es wohl doch auf etwas in der Art hinaus. Ich nickte verständnisvoll mit dem Kopf zu allem was Seiana sagte. "Ja.... und danke ausserdem dass du dich... wieder einmal... um all diese Familiensachen gekümmert hast während ich weg war." Sie hatte ja eigentlich eine Lanze für mich gebrochen, für meine Entscheidungs-Macht, und war nun deshalb in diese Position geraten. (Jetzt stand sie da wie so eine Art böse Zuchtmeisterin, die sich zwischen Mutter und Kinder drängte, die Massa aus der Familie warf... und ich konnte der nette Heimkehrer sein, der alle wieder versöhnen wollte. Dabei hatte sie eindeutig die schwerere und unangenehmere Rolle übernommen.)
    "Ich käme überhaupt nicht klar ohne dich."


    Und, was ich kaum zu hoffen gewagt hatte – sie gab tatsächlich nach, wollte ihm schreiben.
    "Echt?! Oh danke, danke, danke! Das ist großartig. Da fällt mir ein Stein vom Herzen!! Du bist die Beste, die fa-bu-löseste Schwester der Welt!" Die ganze Spannung fiel von mir ab, ich lachte erleichtert und wurde nach diesem langen Tag, und all den schweren Themen ein bisschen albern, knuddelte Seiana überschwänglich. "Übrigens will ich Massa zur Garde holen. Ich hab Terentius schon vor meiner Abreise damit genervt, und vorhin wieder, und da hat er endlich zugestimmt. Dann kommt Massa nach Rom, da freu ich mich unheimlich drauf!"
    Fast hätte ich ihr gleich noch erzählt dass ich mich ja schon ein bisschen im Massa verguckt hatte... aber das wäre dann wohl doch zu viel der Offenherzigkeit gewesen, schließlich war Seiana, wie gesagt, die Anständige in der Familie.
    "Komm, lass uns mal wieder rein gehen." schlug ich dann vor. Es gab noch eine Menge zu erzählen und zu besprechen, aber für den ersten Abend war das heute echt genug gewesen.

    cp-tribunuscohortispraetori.png decima.png

    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA

    Klient - Decima Lucilla

  • „Natürlich würdest du das“, murmelte Seiana und strich Faustus kurz durch die Haare. Und konnte dann nicht anders als zu lächeln, als er danach vor Dankbarkeit beinahe überzusprudeln schien. Sie erwiderte die Umarmung und grinste sogar ein wenig... auch wenn sie sich dann doch für einen Moment fragte, wie wichtig Massa für ihn war, wenn ihm das offenbar so viel bedeutete, dass sie ihm schrieb, obwohl er – zumindest wenn sie seinen Worten glauben konnte, was sie ja tat – behauptete, dass sie im Recht gewesen war. Dass es eigentlich nichts gab, wofür sie sich entschuldigen müsste. Trotzdem wollte er lieber das, anstatt Massa zu sagen, dass er sich nicht so anstellen sollte... Und als er dann noch erzählte, dass er Massa zur Garde holen würde, wurde die Frage noch ein klein wenig intensiver. Und... nun... ein klein wenig Eifersucht mischte sich auch hinein. Die beiden hatten lange zusammen gedient, in Aegyptus, in der Wüste, auf diesem Feldzug... und Massa hatte ihrem Bruder das Leben gerettet. Und jetzt holte er ihn nach Rom, was an und für sich ja kein Thema war, aber wie er über ihn sprach, wie sehr er sich darauf freute ihn in seiner Nähe zu haben...
    Sie wusste, dass sie so wohl kaum denken sollte, aber trotzdem konnte sie nicht anders als sich für einen Moment zu fragen, ob Massa ihm wichtiger war als sie. Diese Bindung, die sie zu Faustus hatte, war eines der wenigen Dinge, wenn nicht das einzige, worauf sie sich immer hatte verlassen können... und worauf sie sich auch heute noch felsenfest verließ. Wenn das wegbrach... sie verscheuchte den Gedanken. Es war Unsinn. Einfach nur Unsinn. Und undenkbar. Es würde nicht wegbrechen. Und selbst wenn er ihr wichtiger war als umgekehrt... war das doch nichts, was sonderlich überraschend war. Sie gab sich so viel Mühe, stark zu wirken, stark zu sein, aber tief in ihrem Herzen wusste sie, dass er stärker war als sie. Dass sie ihn weit mehr brauchte als er sie.


    „Das ist doch großartig“, lächelte sie also nur zurück. „Dann sollte ich ihm vielleicht gar nicht schreiben, sondern mit ihm persönlich reden, wenn er hier ist...“ überlegte sie laut, um davon abzulenken, dass sie bei weitem nicht so euphorisch von der Nachricht war wie er, und nickte schließlich. „Ja, lass uns reingehen.“ Sie hakte sich bei ihm unter und verließ gemeinsam mit ihm den Garten.

  • Als sie den Hortus erreichten, entspannte sich Stella sofort und sie vergaß den Ärger auf ihre Familia. In der Mitte des Hortus befand sich ein wunderbarer kleiner Brunnen, an dessen Rand eine Figur stand, ein Knabe mit einem Schwan. Rosen rankten in den Himmel hinauf und verströmten einen angenehmen zarten Geruch, der sich mit dem dazwischen gepflanzten Lavendel zu einer wunderbaren Komposition verband.


    Ein helles mädchenhaftes Lachen kam über ihre Lippen. als sich ein Schmetterling auf Stellas Locken niederließ. Wie eine Statue blieb das sonst quirlige Wesen stehen, um das zarte Geschöpf zum Bleiben einzuladen. Doch natürlich brachte dies nichts und der Falter flog wieder von dannen.
    Mit einem Lächeln auf den Zügen hakte sie sich wieder bei Varus ein.


    Gerne zeig ich dir den Altar unserer Familie. Er ist nicht sehr groß, aber ich finde ihn schön. Serapio plant ja der Fortuna einen Tempel zu stiften. Wie ich ihn kenne, wird er bestimmt keine Mittel scheuen und für den Tempel nur das beste kommen lassen.
    In der Germanitas Quadrivirii hast du bestimmt viel zu tun. Aber wieso nennt die sich Germanitas? Hat das etwas mit der Gens Germanicii zu tun?

    Das junge Mädchen nahm eine Blüte zwischen die Fingerspitzen und sog den Duft der Rose ein.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!