• Seiana ließ ein Lächeln sehen, als Pinus nun zustimmte – kühl wie üblich, aber ohne Selbstzufriedenheit oder ähnliches. Es war gut, fand sie, dass er bereit war Hilfe anzunehmen… denn ganz aus eigener Kraft würde es sehr schwer werden für ihn, es in Rom zu schaffen. Das war es für jeden. Sicherlich sprach nichts dagegen, dass er es zumindest versuchte, aber sie fand es positiver, dass er die Lage jetzt schon realistischer einschätzte als sie gedacht hätte – und dass er zudem noch bereit war, seinen Stolz hinunter zu schlucken. Und die Zusicherung, sich zu benehmen… Nun, das blieb abzuwarten, inwiefern er das nur so daher sagte oder ob er sich wirklich daran hielt.


    „In Ordnung, dann werde ich ihm schreiben“, antwortete sie und nickte dann. „Ja, der Cursus de rebus vulgaribus ist Voraussetzung für sämtliche weiteren Kurse. Wenn du Interesse an solchen hast, kannst du gerne auch zuerst zu mir kommen und dich dann gezielt anmelden.“ Nicht dass sie jedem Interessenten das Kursangebot der Schola erklärte, aber Verwandte waren etwas anderes.

  • Seiana’s Lächeln machte die Sache nicht besser. Oh ihr Götter, ab jetzt bin ich am Arsch, schoss es Pinus durch den Kopf. Den Stolz hinunter zu schlucken war die eine Sache, eine andere war es Seiana zufrieden lächeln zu sehen. Hoffentlich war ihm Fortuna gnädig.


    "Nun ich denke ich schreibe mich erst einmal für den CRV ein und mache dann den Cursus Iuris. Dann muss ich sehen was ich für meine Arbeit noch gebrauchen kann. Wann ist denn der nächste CRV genau?"


    Hoffentlich hatte er den letzten nicht gerade verpasst. Pinus hatte kein großes Interesse daran ewig zu warten bis der neue Cursus anfing.


    "Ach und überhaupt, der CRV ist kostenfrei, oder?"


    Ansonsten hatte er, mal abgesehen von Seiana’s eventuell kommender Daumenschraube, ein Problem. Und sich noch zusätzlich von ihr Geld leihen kam nicht in Frage. Dann würde er lieber einen von den Sklaven verkaufen. Einer würde schon nicht auffallen…

  • Seiana ging in Gedanken kurz die Pläne der Schola durch. „Er müsste eigentlich bald wieder anstehen...“, antwortete sie vage. Ganz sicher war sie sich nicht, konnte sie doch unmöglich alle Kurse und alle Termine der Schola im Kopf haben, aber sie meinte sich zu erinnern, dass der letzte Grundkurs nun schon einige Zeit zurücklag... und dieser wurde in schöner Regelmäßigkeit wiederholt. „Ich erkundige mich in den nächsten Tagen bei meinen Mitarbeitern und gebe dir Bescheid, wann der nächste ansteht.“ Sie lehnte sich ein wenig zurück und nippte an ihrem Wein, bevor sie auf Pinus' nächste Frage nickte. „Ja, er ist kostenlos... der erste Versuch wenigstens. Die weiteren Kurse kosten dann.“ Sie bot ihm bewusst nichts an. Es brachte nichts, Verwandten Geld hinterher zu schmeißen... wenn er wirklich etwas brauchte, würde er schon fragen. Und Seiana fand, dass das vielleicht eine ganz heilsame Wirkung für Pinus haben könnte, entweder fragen, bitten zu müssen – oder eben sich tatsächlich selbst das nötige Geld zu erarbeiten, dass er für derartige Dinge brauchte... Demut war hier das Stichwort. Demut und Respekt, das war etwas, was Pinus noch lernen musste, und das würde er nicht, wenn er alles hinterher geschmissen bekam. Eine Empfehlung zu schreiben war eine Sache, ihm alles in den Schoß zu werfen etwas völlig anderes. „Nun... dein Zimmer wird inzwischen hergerichtet sein, du bist sicher müde von der Reise... und ich habe noch einiges zu tun. Wenn du nichts dringendes mehr zu besprechen hast, würde ich mich nun zurückziehen.“

  • Man führte ihn zum geplanten Treffpunkt und Avarus nutzte den Moment des Wartens, um sich umzusehen. Wie wenig sich doch in den letzten Jahren hier geändert hatte. Er betrachtete die Bilder der Wände, die Decke, den Fußboden und blickte schließlich in jene Richtung aus der er näher kommende Schritte vernahm...

  • Während ein Sklave loseilte, um der Herrin Bescheid zu geben, bot ein anderer dem Senator Getränke an, um ihm dann zu holen, was er wünschte.


    Seiana hatte von der Schola die Nachricht bekommen, dass der Germanicus sie zu sprechen gewünscht hatte und sie wohl in der Casa Decima aufsuchen würde – weswegen sie nicht überrascht war, als ihr Ephialtes nun ankündigte, dass der Senator hier war. Nur kurze Zeit, nachdem er hereingebeten worden war, kam sie ebenfalls ins Tablinum und begrüßte ihn. „Salve, Senator Germanicus. Was verschafft mir die Ehre deines Besuchs?“

  • Der Haruspex hatte zugesagt, und so hatte Seiana alles vorbereiten lassen. Ein leichtes Abendessen wartete darauf, serviert zu werden, sollte der Aurelius Appetit verspüren... Was sie vorhatte ihn zu fragen, ließ sich wohl besser in einem gewissen... vertrauteren Rahmen besprechen, fand sie, nicht mehr oder weniger zwischen Tür und Angel. Und schon gar nicht in den Officien des Collegium Haruspicium, wo sie kaum kontrollieren konnte, wer zuhörte – während sie hier, in der Casa Decima, ihren persönlichen Sklaven eintrichtern konnte, dass sie nicht gestört werden wollte... und unerwünschte Zuhörer entweder vertrieben oder rechtzeitig angekündigt zu werden hatten, so dass eine unliebsame Überraschung ausgeschlossen war. Nicht dass es so außergewöhnlich war, was sie von dem Haruspex wollte, aber dennoch musste es ja nicht sein, dass jemand mitbekam, wie sie das tat. Schon gar nicht Faustus.


    Sie hatte sich bereits kurz vor der vereinbarten Stunde ins Tablinum begeben und dort verharrt, am Fenster, wie so häufig – so dass er nun nicht auf sie warten müsste. Als sie hörte, wie er kam, drehte sie sich um und setzte ihr übliches, kühles Lächeln auf. „Aurelius. Ich freue mich, dass du meiner Einladung gefolgt bist... Bitte nimm doch Platz.“ Sie wies auf die vorbereiteten Klinen – wohl wissend, wie ungewöhnlich das war, aber über diesen Status war sie schon lange hinaus, dem gesellschaftlichen Bild einer Römerin zu entsprechen. Natürlich versuchte sie es nach wie vor, wann immer es ging – aber es ging eben nicht immer, nicht mit den Positionen, die sie mittlerweile innehatte. Während sie sich hinlegten, schenkte ein Sklave Falerner ein und reichte ihnen beiden jeweils einen Becher. „Ich habe mir erlaubt, angesichts der Stunde eine kleine Cena vorbereiten zu lassen... ich hoffe du bist hungrig.“

  • So also sah das Haus eines Triumphators aus. Sextus sah sich kurz um und entschied nach drei Augenblicken, dass ihm die Villa Aurelia weit lieber war. Die war weniger... plebejisch. Sextus folgte also dem Sklaven durch dieses Stadthaus und kam schließlich im Tablinum an, wo ihn die Decima auch gleich begrüßte – und ihn einlud, sich zu setzen. Kurz schweifte sein Blick auf die Plätze, um selbstverständlich eben jene Kline zu nehmen, die dem Korbsessel am nächsten wäre, nur um festzustellen, dass keiner aufgestellt worden war. Das war dann doch sehr merkwürdig. Hielten sich Frauen von geschäftlichen Essen im allgemeinen schon fern, so saßen sie, wenn sie doch daran teilnahmen, gewöhnlich auf einem bequemen Stuhl, aufrecht und gerade, ganz römische Matrone. Doch ohne ebensolchen Sessel ging das wohl kaum.


    Irgendwas war hier definitiv faul. Sextus war sich nur noch nicht sicher, in welcher Weise genau. “Es wird mir eine große Freude sein, in so liebreizender Gesellschaft speisen zu dürfen“, entgegnete Sextus galant und ließ sich auf einer Kline nieder, beobachtete seine Gastgeberin genau dabei, wie sie sich auf der ihren niederlegte. Wenn das hier die Einleitung zu einer kleinen Affäre war, war es sehr ungewöhnlich. Sie legte sich nicht einmal zu ihm auf seine Kline, wie ein Mann es getan hätte. Vielleicht war sie schüchtern?
    Sextus ließ unauffällig seinen Blick über sie schweifen. Sie wirkte ihm zu ernst und zu steif, als dass sie mit ihm nur das Bett teilen wollte. Andererseits waren stille Wasser bekanntlich tief, und wer wusste, was hinter dieser kühlen Oberfläche schlummerte? Und bislang erkannte Sextus keinen weiteren Sinn in ihrem Vorgehen, sich auf eine Kline zu legen, außer sie hatte vor, eben jene nachher noch zu benutzen. Und er würde sie nach erster Betrachtung von eben jener sicher nicht stoßen.


    Aber noch war es definitiv nicht so weit. Also hieß es erst einmal ahnungslose Miene zum unbekannten Spiel machen. “Stößt noch einer deiner Verwandten zu uns, oder habe ich das Vergnügen deiner Gesellschaft exklusiv für mich?“ fragte er noch scheinbar beiläufig, allerdings tatsächlich auf der Suche nach Anhaltspunkten, ob seine Theorie einen wahren Kern haben mochte.

  • „Die Freude ist ganz meinerseits“, erwiderte Seiana, wie stets ein wenig... nun: sich unbeholfener als sonst fühlend, wenn ihr ein Kompliment gemacht wurde. Aber in Momenten wie diesen, in denen es recht eindeutig nur dem höflichen Geplänkel zuzuordnen war, fiel es ihr dann doch recht leicht, diese Unsicherheit in ihr gekonnt zu überspielen. Sie legte sich ebenfalls hin und musterte den Aurelius währenddessen, während zugleich ein weiterer Sklave erschien und eine kleine Variation an Vorspeisen brachte – nichts zu exquisites, immerhin wollte sie nicht übertrieben, aber doch ausgewählt und nicht gerade billig: gefüllte Oliven, eingelegte Fischhäppchen, Eier, dazu ein wenig Brot.


    Sie lehnte sich zurück und nippte an ihrem Wein. Auch wenn der Rahmen nicht... ganz der ihre war, war das hier immer noch besser als ein Fest. Oder auch nur ein Mahl mit mehreren Personen. „Vielleicht“, antwortete sie vage, während sie sich ein wenig zu essen nahm. Möglicherweise kam Faustus noch dazu, wenn er hörte, dass sie Besuch hatte. Wenn Faustus sich nicht geändert hatte in der Hinsicht, dann war er immer noch ein wenig... nun ja, empfindlich, was ihre Ehre, ihr Ansehen betraf. Dass sie über diesen Punkt schon längst hinaus war, wusste er nicht... auch wenn es zumindest teilweise logisch war, bedachte man ihre Position. Und ganz sicher würde es ihm nicht gefallen, dass sie ihm nicht vorher Bescheid gegeben hatte – aber was hätte sie machen sollen? Hätte sie es ihm gesagt, hätte er womöglich dabei sein wollen, und das ging nicht. Sie konnte Faustus hierbei nicht gebrauchen. Sie würde ihm ganz sicher nicht offenbaren, dass sie vorhatte den Aurelius zu bestechen. Und wie so häufig in letzter Zeit spielte für sie auch der Fakt eine Rolle, dass sie sui iuris war – und schon lang auf sich selbst gestellt. Die Männer der Familie konnten sie nicht einfach jahrelang allein lassen und dann, wenn sie auf einmal wieder auftauchten, erwarten, dass sie nach ihrer Pfeife tanzte, nur weil sie eine Frau war. Das würde sie ganz sicher nicht. „Aber wenn, dann erst später. Vorerst sind wir unter uns.“ Sie lächelte flüchtig. „Meinen Glückwunsch zu deiner abgeschlossenen Quaestur. Deine res gestae scheint den Leuten gefallen zu haben...“ Ein Einstieg so gut wie jeder andere... Aber ein dezenter Hinweis darauf, dass es Zeiten gegeben hatte, in denen sie mit den Aureliern recht gut gestanden hatte, war vielleicht noch angebracht. Immerhin war das einer der Gründe, warum sie beschlossen hatte, ihn einzuladen – vielleicht half ihre Verbindung zu seinem verstorbenen Verwandten ja, ihn ihrem Anliegen ein wenig gewogener zu machen. Letztlich hatte die Familie weiterhin die Verantwortung für Klienten, auch wenn es ehemalige von Verstorbenen waren... und wenn er davon nichts wusste, würde sich sicher eine Gelegenheit ergeben, das noch einzubauen im weiteren Gesprächsverlauf. „Wie geht es deinen Verwandten?“

  • Irgendwas war hier im Busch, und eine geplante Affäre war es vermutlich nicht. Ansonsten hätte sie ihre Antwort, die schon sehr lockend und vielversprechend mit einem weiblichen 'vielleicht' (Was nichts anderes in der Übersetzung hieß wie: 'ja, auf alle Fälle will ich, aber ich will noch ein wenig mich zieren und auf unnahbar machen, damit du deinen Charme spielen lässt und ich mich verführen lassen kann, weil ich will mich begehrenswert fühlen') anfing, nicht damit abgeschlossen, dass später evetnuell doch jemand dazukam. Und sofern die Decimer nicht wirklich abgedrehte Sexualphantasien hatten oder aber besagte Verwandte weiblich waren und Sextus ganz und gar absonderliches Glück, an welches er nicht glaubte, dann war eine Affäre wohl unwahrscheinlich. Folglich ging es um etwas anderes.
    Sie sprach seine Quästur und seine res gestae an, die seiner Meinung nach so nichtssagend gewesen waren, als hätte er über das Wetter philosophiert. Blablabla Handel ist wichtig, blablabla, das Volk Roms ist wichtig, blablabla, ich hab meine Arbeit gut gemacht, Ende. Mehr hatte er nicht gesagt, weil er nicht mehr zu sagen gehabt hatte. Dass das das Volk zu großen Begeisterungsstürmen veranlasst hätte, wäre ihm entgangen. “Ich danke für deine freundlichen Worte. Ich empfand die Quästur als große Ehre und bin durchaus zufrieden mit ihrem Verlauf.“
    Er verzichtete auf die obligatorische Gegenfrage nach ihren Tätigkeiten oder der Senatsdebatte über die Finanzen, da sie wohl zum einen nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun hatten, andererseits keinen Mehrgewinn an Informationen für ihn bereithielten, und zu guter letzt er seine Gesprächspartner nicht zu spiegeln oder nachzuäffen pflegte, auch nicht beim Smalltalk und erst recht nicht eine Frau.


    Das Essen wurde aufgetischt, und auch hier schlichen sich weitere Zweifel an einer angedachten Verführung ein. Es war nichts besonderes. Schon gut und reichlich, aber keine exotischen Früchte, keine kulinarischen Raffinessen, nichts wirklich außerordentlich schwer zu beschaffendes. Eine Frau gab sich bei einem potenziellen Liebhaber üblicherweise mehr Mühe, zu beeindrucken.
    “Meine Verwandten befinden sich soweit alle wohl und guter Gesundheit, danke der Nachfrage. Doch du entschuldigst, wenn ich nun nicht nach deinen Verwandten im Gegenzug frage, sondern direkt zum Kern meines Hierseins vordringe.“ Die Decima war zu öffentlich und zu hoch an Stellung, um als Affäre für ihn in Frage zu kommen, und wiederum nicht hoch genug, um seine Fähigkeiten dennoch einfach zum Spaß auszuprobieren. Abgesehen davon wollte er nicht den kompletten Abend mit nichtssagenden Plattitüden verschwenden. “Also, Decima, welcher Art ist dein angesprochener Bedarf an meiner Person?“ Er nahm sich eines der gefüllten Eier und aß ganz ruhig und gemütlich, während er auf die Antwort wartete.

  • Seiana musste schmunzeln, als der Aurelius die Höflichkeiten beiseite wischte und sie gleich auf den Grund ihrer Einladung ansprach – und in dieser Situation versuchte sie nicht einmal, es zu verbergen, wo sonst so häufig. Dass er augenscheinlich gleich zur Sache kommen wollte, amüsierte sie und gefiel ihr gleichermaßen. Nicht immer verliefen Gespräche so – häufiger, als ihr lieb war, legten die Menschen Wert auf eine gewisse Einleitung, auf den Austausch gewisser Höflichkeiten. Und sie war höflich. Es kam – in diesem gesellschaftlichem Rahmen jedenfalls, etwas anderes waren beispielsweise Gespräche mit ihren Mitarbeitern, die ganz sicher kein Geplänkel von ihr zu hören bekamen – nur selten vor, dass sie diejenige war, die ein Gespräch beschleunigte… und dann auch nicht, weil sie zuließ dass ihre Ungeduld die Oberhand übernahm, sondern weil es ihr erfolgversprechender erschien, eine gewisse Härte in die Unterhaltung einfließen zu lassen. In den meisten Fällen dieses Rahmens spielte sie nach den Regeln… Aber sie hatte sich damit noch nie wirklich anfreunden können. Weswegen sie sich auch auf Festen so unglaublich fehl am Platz vorkam, selbst bis heute, obwohl sie eindeutig dazu gelernt hatte, was die Fähigkeit zur oberflächlichen Konversation betraf.


    Umso angenehmer war es nun, in dem Aurelius einen Gesprächspartner bekommen zu haben, mit dem sie keine Zeit verschwenden musste. „Sehr gerne“, antwortete sie also mit einem leichten Neigen ihres Kopfes, und immer noch dem leichten Schmunzeln auf den Lippen. „Ich werde in naher Zukunft heiraten.“ Womit Teil eins, warum sie ihn brauchte, schon mal gesagt wäre. „Was nun Opfer und Eingeweideschau dabei betrifft… mein Verlobter und ich legen Wert darauf, dass die Götter uns sehr wohlgesonnen sind.“ Und das war Teil zwei. Auch wenn sie nicht explizit gesagt hatte, was sie von ihm erwartete, ging das aus ihren Worten doch recht deutlich hervor… Und nun hieß es abwarten, wie er darauf reagieren würde. „Würdest du dafür zur Verfügung stehen?“

  • Zitat

    Original von Decima Seiana
    Während ein Sklave loseilte, um der Herrin Bescheid zu geben, bot ein anderer dem Senator Getränke an, um ihm dann zu holen, was er wünschte.


    Seiana hatte von der Schola die Nachricht bekommen, dass der Germanicus sie zu sprechen gewünscht hatte und sie wohl in der Casa Decima aufsuchen würde – weswegen sie nicht überrascht war, als ihr Ephialtes nun ankündigte, dass der Senator hier war. Nur kurze Zeit, nachdem er hereingebeten worden war, kam sie ebenfalls ins Tablinum und begrüßte ihn. „Salve, Senator Germanicus. Was verschafft mir die Ehre deines Besuchs?“


    "Salve Decima Seiana..." Es existierten durchaus andere Mitglieder dieser Familie mit denen der Senator in einem lockeren Umgangston komunizierte. Mal rein von seiner Frau abgesehen. Doch mit Seiana wurde er irgendwie nicht warm. Sie hatte so ein komisches Wesen an sich, das er entschieden hatte nicht weiter ergründen zu wollen. "... ich bin gekommen, um mit Dir über die Schola zu sprechen. Du bist jetzt ja schon eine ganze Weile im Amt der Rectorix."

  • „Möchtest du dich setzen?“ bot sie ihm einen Stuhl an, und nickte dann leicht. Dass er wegen der Schola kam, war nicht schwer zu erraten gewesen, sonst hätte er kaum zuerst versucht sie dort zu erreichen. „Das ist richtig“, antwortete sie dann auf seine letzten Worte, mit einem leichten, aber kühlen Lächeln... und schwieg dann wieder. Sie hatte schon gefragt, weswegen er hier war, und sie sah nicht ganz ein, warum sie nun ein zweites Mal fragen sollte... Er würde schon sagen, warum er hier war.

  • Heiraten. Das minimierte die Chance auf eine Affäre auf den einstelligen Prozentbereich, da Frauen meist zumindest zu Beginn einer Ehe noch versuchten, dem Bild der treuen Matrone zu entsprechen, zumindest bei der ersten Ehe. Und er wüsste nicht, dass die Decima, obwohl sie schon weitaus älter als seine Schwester war, schonmal verheiratet gewesen wäre. War da nicht sogar so eine peinliche Geschichte mit ihr und ihrem Verlobten in der Villa Aurelia gewesen, der einen Gast angegriffen hatte und später die Decima hatte sitzen lassen? Sextus meinte, sich da dunkel an etwas zu erinnern. Aber im Grunde war es auch unwichtig für den Moment.
    “Ich gratuliere, Decima. Darf ich fragen, wer der Glückliche ist?“ Die anderen Dinge, die sie ansprach, waren dann schon halbwegs eindeutiger. Ihr war es wichtig, günstige Zeichen zu bekommen? Nun, darüber konnte man ja verhandeln. Wäre da nicht so eine kleine lästige Angelegenheit, die seine Abreise bedingte. Daher hieß es: Zunächst die Lage sondieren. Wenn ihm hier schon die Möglichkeit eröffnet wurde, Schmiergeld zu kassieren, wollte er das nur ungern an einen Kollegen weitergeben.


    “Für günstige Vorzeichen kann man natürlich Vorbereitungen treffen. Das passende Opfertier, der passende Weihrauch, das passende Gebet... nur sind die exquisitesten Dinge, die den Göttern so gern gefallen, leider nicht umsonst.“ Womit schon einmal klargestellt war, dass sich Sextus mehr davon erwartete als ein 'Dankeschön', wenn er mitspielen sollte. Da half der Decima auch nicht, mal Klientin von Corvinus gewesen zu sein.
    Doch bevor sie sich allzu sehr mit monetären Dingen beschäftigten, über die beim Essen zu Reden ja ohnehin schon als unschicklich galt, musste Sextus noch auf seine eigene Abwesenheit in naher Zukunft eingehen. “Und nicht zuletzt ist es eine Frage des passenden Termines. Wann soll besagte Hochzeit denn stattfinden?“

  • „Der Praefectus Praetorio“, antwortete Seiana, wohl wissend, was das hieß, was das bedeutete – und doch blieb ihr Tonfall schlicht und sachlich. Sie war keine von den Frauen, die sich übermäßig darüber gefreut oder kichernd damit angegeben hätten. Sie sah das Ganze rational, und sie wusste, welche Vorteile das ihr und ihrer Familie brachte... aber wenn sie wirklich frei in ihrer Entscheidung gewesen wäre, würde sie ihn nicht heiraten. Sie würde gar nicht heiraten, wäre sie frei in ihrer Entscheidung. Aber das war sie nicht, und da war der Terentius unbestritten die beste Wahl. Auch dann, wenn man ihren Start betrachtete... die Vorteile waren einfach zu groß.


    „Nun, ich gehe doch davon aus, dass wir nicht nur die passenden Opfergaben finden, sondern tatsächlich jene exquisiten, die den Göttern am meisten gefallen. Dass diese nicht umsonst sind, versteht sich von selbst.“ Natürlich tat es das, mit nichts anderem hatte sie gerechnet. Wäre der Aurelius ihr einen Gefallen schuldig, wäre es etwas anderes... aber selbst dann würde sie es vorziehen, für diese Sache hier etwas springen zu lassen und sich einen möglichen Gefallen für später aufzuheben, für etwas, was sie nicht so einfach mit Geld regeln konnte. „Die Hochzeit wird voraussichtlich am ANTE DIEM VIII ID OCT DCCCLXI A.U.C. (8.10.2011/108 n.Chr.) stattfinden.“

  • Den Praefectus Praetorio also. Sextus nickte einmal ruhig und gelassen dazu, ohne Anzeichen zu senden, ob er das nun gut oder schlecht fand. Der Mann war wohl eine gute Partie, wäre selbst eine akzeptable Partie für Sextus Schwester gewesen. Sehr hoher Ritterposten, sehr viel Einfluss. Da war es verwunderlich, dass der Mann überhaupt noch keine Nachkommen hatte, mussten die Mütter Roms doch ihre Töchter eigentlich zu ihm hinprügeln, in der vagen Hoffnung, dass eine davon ihm gefallen würde.
    Auf der anderen Seite strich diese Information jedwede Chance, mit der Decima jemals intim zu werden. Sextus war risikobereit, aber nicht lebensmüde. Erst recht nicht für eine Plebejerin seines Alters, die sich wie ein Kerl gebärdete. Das war den Ärger nicht wert, den er sich einhandeln konnte.


    Nein, seine Gedanken gingen in eine etwas andere Richtung. Der Praefectus verdiente vermutlich das zehnfache von dem, was Sextus aus seinen Ländereien und durch Schmiergelder erwirtschaftete. Die Decima war Auctrix der Acta und erhielt da sicherlich auch diverse Zuwendungen, um bestimmte Informationen zu verbreiten oder eben nicht. Kurzum: Er konnte bei der Höhe des Schmiergeldes durchaus großzügig überschlagen, ohne dass es unverschämt wäre. Und selbst wenn es unverschämt wäre – und das war das Schöne hierbei: keiner der beiden wäre dumm genug, sich mit dem Collegium Haruspicium anzulegen. Oh, sicher könnte der Terentier Sextus einen Kopf kürzer machen. Was für Sextus persönlich natürlich suboptimal wäre. Er mochte seinen Kopf, immerhin hatte er ihn schon so lange. Allerdings sähe sich dann der Terentier einem Collegium gegenüber, dass jede – und zwar wirklich jede – Gelegenheit nutzen würde, ihm in der Öffentlichkeit den Unmut der Götter persönlich anzulasten. Und wie der Präfekt auch darüber persönlich denken mochte, egal wie religiös er sein mochte: Das Volk glaubte dem Collegium. Und früher oder später würde seine Position so unhaltbar sein.
    Kurzum: Sextus wähnte sich in relativer Sicherheit durch sein Amt, was ihn durchaus zufrieden machte.


    Und auch die Decima spielte bislang sehr brav mit, bejahte ihr Interesse an günstigen Zeichen und an den möglichen Kosten. Bis hier hin schonmal sehr schön, und gekrönt wurde das alles schließlich von einem Termin, der ihm sehr zupass kam.
    “Zwischen dem Tag der Victoria und der der Felicitas also. Da sollte ich dir behilflich sein können, herauszufinden, ob die Götter diesem Tag und deiner Eheschließung gewogen sind.“ Er würde erst fünf Tage später nach Mantua aufbrechen, das würde als Vorbereitung für die Reise genügen. Noch dazu, wo er an der Hochzeit selbst nicht allzu viel zu tun haben würde, allenfalls Nigrina bestand darauf, die Feier über zu bleiben, um gesellschaftliche Verbindungen zu vertiefen. Dass sie als seine Frau dazu wohl ebenfalls eingeladen werden würde, stand für Sextus soweit außer Frage. Alles andere wäre ein Affront. Man lud ja nicht einen Haruspex zu einer Hochzeit wie einen Handwerker zu einer Baustelle. Natürlich würde er nach seiner rituellen Aufgabe auch Gast sein, sofern er wollte. Das war so selbstverständlich, dass Sextus noch nicht einmal daran dachte, es anzusprechen.

  • Seiana trank einen Schluck Wein und bediente sich dann an einer Olive, während der Aurelius den Tag verortete und ihr danach eine vorläufige Zusage gab. Das klang schon mal gut... Sie hatte wenig Lust, sich noch weiter umsehen zu müssen nach jemandem, der ihr da behilflich sein konnte. Die Organisation der Hochzeit fraß sowieso viel zu viel ihrer Zeit. „Nun, ich glaube nicht, dass wir den Termin verschieben werden. Ich persönlich brauche keine Bestätigung darüber, dass die Götter diesen Tag gutheißen.“ Es war im Grunde auch egal, ob die Götter die Ehe guthießen. Es kam nur darauf an, dass jeder glaubte, dass die Götter dieser Ehe wohlgesonnen waren. „Selbstverständlich wird aber die Öffentlichkeit erfahren, dass sie es tun.“ Mit anderen Worten: alles, was ohnehin nur in einem privaten Rahmen stattfand, musste nicht geschehen, solange die Botschaft nach außen stimmte. Sie hatte ja keine Wahl... und da war es ihr fast schon lieber, gar nicht erst zu wissen, was die Götter davon halten mochten. Und dann, wenn noch nicht einmal sie die Wahrheit erfuhr, erfahren wollte, konnte man es auch gleich ganz lassen – abgesehen natürlich von jenem Opfer, das Bestandteil der Hochzeitszeremonie war, und damit unverzichtbar. Ein kühles Lächeln zeigte sich auf ihren Lippen. „Es geht mir um den publikumsträchtigen Teil des Ganzen: die Weissagung bei der Hochzeit selbst.“

  • Gut, sie hatte die Andeutung nicht verstanden. Überhaupt schien sie Andeutungen gegenüber sehr abgeneigt zu sein, denn sie redete in einer Art und Weise, dass selbst dem dümmsten klar sein musste, was sie wollte. Sie hätte es ebensogut schriftlich für die Nachwelt festhalten können. Sextus verzichtete darauf, mit den Augen zu rollen, auch wenn es Momente wie diese waren, die ihn beinahe dazu trieben, und nahm sich statt dessen noch ein wenig Brot und einen Schluck Wein.
    “Ich weiß...“ kommentierte er nur äußerst lapidar ihre Ausführungen, was sie wollte. Es war anstrengend, mit jemandem zu reden, der einen offensichtlich für unterbelichtet hielt. Wie sollte Sextus seine Andeutungen vorher schon sonst gemeint haben, als dass er bereit war, sich bestechen zu lassen? Musste man da wirklich ausführen, in welchen Punkten die Bestechung bestand? Weiber....


    Er nippte in aller Seelenruhe an seinem Wein, ließ sie mit seiner kurzen Feststellung etwas Grübeln. Aus Gründen wie diesen Gesprächen verhandelte Sextus Geschäftliches weit lieber mit Männern. Doch vielleicht begriff sie jetzt rückwirkend, was er ihr hatte sagen wollen, und in welchem Rahmen solcherlei üblicherweise besprochen wurde. Zumindest aber nahm es ihr hoffentlich etwas Wind aus den weit aufgeblähten Segeln.

  • Seianas linke Augenbraue wanderte nach oben, als der Aurelius diesmal nur mit einem Ich weiß antwortete, und die gefühlte Temperatur fiel um ein paar Grad, als ihre Ausstrahlung frostiger wurde. Was um alles in der Welt hatten Männer nur immer? Sprach frau in Rätseln, war es nicht recht. Fand frau deutliche Worte, formulierte klar, was sie wollte, war es das ebenso wenig. Denn anders konnte sie sich seine sparsame Antwort kaum erklären, als dass es ihm nicht passte, dass sie deutlicher geworden war. Es sei denn, er bildete sich ein, sie zappeln lassen zu können... aber in ihren Augen überschätzte er sich da ein wenig, sollte dieser Fall zutreffen. Sicher wollte sie etwas von ihm... Aber der Mann war noch nicht mal Senator, während sie Auctrix war und den Praefectus Praetorio heiraten würde. Für den Aurelius war es im Grunde schon eine Ehre, dass er überhaupt bei dieser Hochzeit die Weissagung würde machen dürfen. Dazu kam der Fakt, dass er etwas dafür bekommen würde, wenn er entsprechend Positives zu berichten hatte. Seiana war sich ziemlich sicher, dass es genügend geben würde, die sich darum reißen würden. Und es war nicht so, dass er der einzige Haruspex war... oder die Haruspices die einzigen, die sie fragen könnte hierfür. Ein Haruspex mochte vielleicht passender sein, aber dennoch: die simple Frage: sind die Götter dieser Verbindung wohlgesonnen, ja oder nein?, würde auch ein Augur mit einem glaubhaften ja beantworten können.


    Was auch immer dahinter stecken mochte: Seiana hatte keine Lust, um den heißen Brei herumzureden. Sie hatte auch keine Lust, den halben Abend mit Andeutungen zu verbringen, wenn man zur Abwechslung klar reden konnte, einfach weil sie alleine waren, sah man von den paar Sklaven ab, die hier waren, und denen sie allesamt vertraute. Der Aurelius selbst hatte diese Gesprächsform schon eingeleitet, als er das höfliche Geplänkel zur Begrüßung einfach beiseite geschoben und direkt zum Kern gekommen war. Seiana verstand nicht ganz, warum er jetzt scheinbar wieder Wert darauf legte, unnötig herum zu tun – aber gut, Männer musste man auch nicht verstehen. „Wenn du das weißt, dann verstehen wir uns ja“, lächelte sie kühl zurück. „Sind noch Fragen deinerseits offen? Falls nicht, bleibt nur noch zu klären, was du brauchst. Allerdings gehe ich davon aus, das wirst du nach dem Essen besprechen wollen.“

  • Sextus hoffte für den Terentier, dass seine Frau noch ein Mindestmaß an Höflichkeitsformen erlernen würden. An diesen kalten Fisch gefesselt tat der Mann ihm schon fast etwas leid.
    Es war aber auch eine paradoxe Situation. Eine Frau verhandelte anstelle ihres zukünftigen Mannes – der eigentlich als Präfekt der Prätorianer ein Minimum an Autorität und Befehlsgewohnheit haben sollte. Dazu tat sie das über ihre eigene Hochzeit – wo eigentlich zumindest ihr Tutor anwesend sein sollte – auf einer Kline wie ein Mann liegend – anstatt züchtig und aufrecht auf einem Stuhl zu sitzen – mit ihm gänzlich alleine. Und jetzt machte sich eben diese Frau, die ihn offensichtlich auch für zu dumm hielt, eine Bestechung zu erkennen und sie ihm haarklein erklärte, sich darum Sorgen, ob er beim Essen darüber reden wollte oder nicht? Das war schon beinahe eine makabre Art von Humor, den diese Frau mit todernster Miene an den Tag legte.
    Was Sextus nun betraf, er nahm noch einen Bissen Brot und legte den Rest des abgebrochenen Stückes zurück auf den Teller, spülte alles mit einem Schluck Wein noch in aller Seelenruhe hinunter. Man musste ja nicht hetzen.
    Danach setzte er sich auf und sah zu seiner Gesprächspartnerin herüber. “Was mich betrifft, so bin ich mit Essen fertig.“ Um der Ehrlichkeit den Vorzug zu geben, er hatte kein Interesse daran, den Abend charmant in die Länge zu ziehen. Die Decima hatte nichts Weibliches an sich, wie sie sich gebärdete, und das rief bei Sextus doch einiges an Antipathie hervor. Auch wenn er das nach Außen nicht zeigte und so leichtherzig sich gab wie eh und je. “Daher überlasse ich die Entscheidung über den passenden Zeitpunkt gerne dir und deinen Befindlichkeiten.“

  • Seiana richtete sich ebenfalls auf, als der Aurelius es tat. Von dem Essen hatte sie ohnehin nur wenig angerührt, nur so viel, wie gerade noch höflich war. Ihr konnte es nur recht sein, dass er das nicht in der Länge ziehen wollte. „Ganz wie du möchtest.“ Sein Tonfall war leicht und locker – der ihre hingegen, einmal kühl geworden, blieb so. Sie sah wenig Sinn darin, jetzt zu höflichem Schauspiel zurück zu wechseln, mehr noch, es würde vermutlich nur lächerlich wirken. „Nun, was meinst du, wirst du brauchen?“

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