Das Marcellustheater


  • Auf dem Marsfeld, zwischen Kapitol und Tiber gelegen, erhebt sich das prächtige Marcellustheater. Der Bau wurde bereits unter Gaius Iulius Caesar begonnen, jedoch erst im Jahr DCCXLII unter Kaiser Augustus vollendet und geweiht. Es ist nach Marcellus benannt, dem zwölf Jahre zuvor verstorbenen Neffen des Kaisers und Sohn seiner Schwester Octavia. Vespasian ließ den Bühnenbau restaurieren und umbauen, ansonsten blieb das Theater seit 113 Jahren unverändert. Es ist der Ort, an dem zu den Ludi Apollinares die Schauspiele zu Ehren des Apollo stattfinden, denn der Tempel des Gottes liegt gleich gegenüber dem Theater.

  • Als einer der Ersten erschien der Aedilis Plebeii am heutigen, ersten Tag der Apollo-Schauspiele im Theater des Marcellus. Er begutachtete die Arbeit der Staatssklaven, die alles für den großen Tag vorbereitet hatten. Zufrieden stellte er fest, dass die Massen kommen konnten, um dem Spiel der Parasiti Apollinis beizuwohnen.

  • Der Tag heute war reinster Stress. Zuerst zur Aufführung hier, am Abend auf das Bankett im Kaiserpalast, die Gedanken ohnehin ganz wo anderes, bei zig verschiedenen Dingen aus der Arbeit.
    Fast stolz sah sie Quarto, sie bewunderte ihn für seine Energie. Sie hatte zu ihrer Zeit als Aedil sicherlich um einiges weniger geleistet als er.
    Nungut, vielleicht schaffte das Spiel ihr ein wenig Ablenkung zu geben.

  • Nachdem Quarto die Ränge inspiziert hatte, begab er sich in das Bühnengebäude, wo er Matinius Fuscus nach ihrem Eintreffen alleine gelassen hatte. Inzwischen füllten sich die Sitzplätze bereits mit den ersten Zuschauern und er wollte sehen, ob die Schauspieltruppe aus Germanien alles hatte, was gebraucht wurde.
    Hinter der Bühne war ein wildes Durcheinander. Bühnenhilfskräfte, Schauspieler und Leute, von denen Quarto keine Ahnung hatte was sie dort zu tun hatten, liefen hektisch und scheinbar ohne Sinn durcheinander oder lümmelten ebenso zwecklos herum.
    Etwas orientierungslos rief er: “Fuscus! Ich suche Matinius Fuscus!

  • “Ich werde euch gleich ankündigen und dann soll die Bühne euch und eurer Kunst gehören. Vorher aber…“
    Er kramte in den Falten seiner Toga und holte einen ledernen Beutel hervor.
    “…vorher will ich dir schon einmal geben, was dir zusteht.“
    Er gab Fuscus den Beutel.

    Sim-Off:

    WiSim


    “Gib darauf acht, in Rom gibt es viel Diebesgesindel.“
    Er nickte dem Schauspieler noch einmal aufmunternd zu, dann ging er hinaus auf die Bühne…

  • Quarto trat aus dem rückwärtigen Gebäude des Theatrum Marcelli auf die festlich geschmückte Bühne. Mit erhobenen Händen gab er dem miteinander schnatternden Publikum auf den Rängen zu verstehen, dass er das Wort an sich richten wolle. Dennoch dauerte es eine ganze Weile und bedurfte einiger Zurufe der Staatssklaven, bis die Lautstärke etwas zurückging.


    “Römerinnen und Römer, die ihr an diesem Tag hierher gekommen seid um den Künsten der Parasiti Apollini beizuwohnen und die ihr mit eurem Lachen und mit euren Tränen dem Gott des Schauspiels Apoll ehrt, ich darf euch herzlich willkommen heißen.“


    “Ich habe die Ehre, euch die Theatertruppe des Manius Matinius Fuscus aus Moguntiacum in Germania Superior anzukündigen. Sie werden euch ein Stück des Ayschilos darbieten.“
    Er drehte sich um und machte ein Zeichen in Richtung der wartenden Schauspieler.
    “Empfangt sie mit eurem Wohlwollen.“
    Dann verließ er schnell die Bühne.

  • Die Truppe betrat die Bühne und der Leiter derer trat vor das Publikum.
    Verehrtes Publikum. Wer kennt nicht die großen Griechen und die griechische Mythologie.
    Wer kennt nicht die Geschichte von Orest, der Sohn der Klytaimnestra und des Agamemnon?
    Heute werden wir Euch diese Geschichte vorspielen. Ayschilos "Die Grabspenderinnen oder das Totenopfer".

    Er atmete kurz durch und begann dann kurz zu erzählen, worum es in der Geschichte ging.
    Der als Kind geflüchtete Orest, der Sohn der Klytaimnestra und des Agamemnon, kehrt, begleitet von seinem Freund Pylades, heim. Er wird von seiner Schwester erkannt und vollzieht im Auftrag Apollos und im Einverständnis mit Elektra die Rache an der Mutter und ihrem Geliebten Aigisthos.
    Dann breitete er die Arme aus und sagte:
    Und nun, werte Zuschauer, verehrte Geniesser der Kunst: Möge das Stück beginnen.


    Die Darsteller des Orestes, des Pylades, der Elektra, der Klytaimestra, der Kilissa, des Aigisthos, der Knechte und der Chor der Mägde nahmen ihre Positionen ein und das Schauspiel begann.



    Die Zuschauer sahen den Königspalast zu Argos. In der Mitte der Bühne Agamemnons Grab. Orestes und Pylades kommen in Wandrerstracht und gehn zum Grabe; Orestes steigt die Stufen hinauf.



    ORESTES:
    "O Grabeshermes, der dir beschiednen Macht gedenk,
    Sei Retter, sei Mitkämpfer mir, dem Flehenden!
    In dieses Land gekommen bin ich, heimgekehrt,
    Und ruf meinen Vater hier an Grabesrand,
    Daß er mich anhört, meinen heilgen Schwur vernimmt!
    (Denn dich zu rächen, Vater, bin ich heimgekehrt,
    Dein Sohn Orestes, der ich im fernen Phokerland,
    Verwaist der Heimat, durch der Mutter arge List
    Verstoßen, aufwuchs, daß ich dir einst Rächer sei;
    Mich aber sendet Loxias' trugloser Spruch,
    Daß dir der Mörder wieder, dir die Mörderin,
    Dein Blut zu sühnen, fallen muß durch diese Hand.
    So hör mich, Vater, schaue gnädig auf mich her,
    Daß ich erfülle deines Blutes heilig Recht,
    Wie mir der Gott es, Loxias es mir gebeut!
    Ich aber weih dir ärmlich, trauerreich Geschenk,
    Des eignen Grames treuen Gruß auf deine Gruft;
    Zum ersten Male schnitt ich mir als Pflegedank)
    Die Scheitellocke für des Inachos Fluten ab,
    Zum zweitenmal jetzt meine Trauerlocke dir,
    (Daß dir sie Zeugnis gebe, deines Blutes Sohn
    Sei heimgekommen, Vater, in dein teures Haus,
    Die Missetat zu rächen, zu erwerben sein
    Und seiner Schwester lang entwöhntes Erb und Recht!)"



    Aus der Tür der Frauenwohnung kommt der Chor, in schwarzen Kleidern und Trauerschleiern; in gleicher Mägdetracht Elektra



    "Was dort erblick ich? Was bedeutet jene Schar
    Von Weibern, schwarzverhüllten, die sich trauernd nahn?
    Auf welch Ereignis rat ich oder deut ich dies?
    Betraf ein neuer Todesfall vielleicht das Haus?
    Könnt ich vermuten, ihre Spenden brächten sie
    Für meinen Vater, für die Toten fromme Pflicht?
    Nicht anders ist es; denn Elektra, glaub ich, selbst
    Geht dort mit ihnen, meine Schwester, tief gebeugt
    Vor Kummer. O Zeus! gib zu sühnen mir den Tod
    Des Vaters, sei mir gern ein Helfer meiner Tat! -
    Laß uns zurückgehn, Pylades, damit ich klar
    Erkennen könne, was bedeute dieser Zug!"


    Beide verbergen sich

  • Ein Theaterstück. Ein Ereignis, daß Hungi auf keinen Fall verpassen wollte. Aischylos stand am Programm... Ein Pflichttermin. Sowieso.


    Mit seiner Verlobten an seinem Arm ließ er sich zu seinem Sitzplatz führen. Nicht ganz so weit vorne, lieber ein paar Sitzreihen dahinter, weil er war der Ansicht, daß man so viel besser sah und viel mehr den Überblick hatte. Und man fühlte viel mehr mit. Er war ganz begeistert. Geschwind winkte er den Weinverkäufer zu den beiden, kaufte zwei Becher Wein, gab seiner Verlobten einen davon und schaute ganz gebannt auf die Bühne.


    Hier, schau. Es hat schon angefangen. Fast hätten wir etwas verpasst.

  • Livia lächelt nur abwesend und antwortet ihm nicht. Ihre gesamte Aufmerksamkeit ist bereits auf das Geschehen auf der Bühne gerichtet. Diese Form der Unterhaltung sagt ihr doch noch um einiges mehr zu als die Wagenrennen und die Gladiatorenkämpfe. Den Becher Wein unbeachtet in der Hand verfolgt sie das Stück und lauscht den Worten der Schauspieler. Schnell bekommt sie das Gefühl, eine qualitativ hochwertige Vorstellung vor sich zu haben. Für einen kurzen Augenblick verwundert es sie, dass eine solche Truppe aus der Provinz Germania kommt, doch die Verwunderung weicht schnell der Vorfreude auf die weiteren Ereignisse auf der Bühne...

  • Erste Strophe


    CHOR:
    Entsandt dem Hause kam ich her,
    Geleit der Spende mit der Hände wildem Schlag!
    Die Wange blutet heiß in tiefen Rissen,
    Wiedergerissenen Nägelfurchen mir!
    Und rastlos, weh, an Wehklage weid ich meinen Sinn!
    Zu Fetzen reißt mein Kleid entzwei,
    Zu linnezerrißnen in meinem Gram!
    Mein schwarz Brusttuch, mein weitfaltiges Kleid
    Zerfetzt der ungewehrte Schmerz!


    Erste Gegenstrophe


    Denn furchtberedt, gesträubten Haars,
    Des Hauses Träumedeuter, aufgeschreckt im Schlaf
    Zu neuem Graun, hat mitternächtgen Angstschrei,
    Mordesgeschrei an dem Herde geschrien,
    Zu uns ins Fraungemach taumelwild sich hineingestürzt.
    Des Traumes Deuter sprachen dann
    Und riefen zu Zeugen die Götter an:
    Sehr voll Ingrimm sei'n, sehr zornig die Toten,
    Ihren Mördern wildempört!


    Zweite Strophe


    Und diese Liebe liebelos, die sühnen soll die Schuld,
    Io, Erde, Erde!
    Spendet, sendet her das gottvergeßne Weib!
    Mich bangt's, auszustoßen dieses Wort!
    Denn welche Sühne gibt es für vergossen Blut?
    Io, du allbeweinter Herd!
    Io, du untergrabnes Haus!
    Ja, graungemieden, sonnenlos umhüllt tiefes Dunkel das Haus,
    Drin erschlagen der Herr ward!


    Zweite Gegenstrophe


    Ehrfurcht, versagt, verargt, gefährdet nimmer sonst,
    Dem Volk eingewohnt sonst
    Tief in Ohr und Herzen - jetzt empört sie sich!
    Voll Angst weiß ich eine! - Glücklich sein,
    Das gilt als Gott den Menschen und gilt mehr als Gott!
    Ein letzter Schlag versieht das Recht
    Urplötzlich dem am Tage noch,
    Dem stürzt er lauernd im streitgen Licht der Dämmrung heimtückisch hervor,
    Nacht fängt andre, die nie tagt!


    Dritte Strophe


    Das Blut, von seiner Amme, Erde, aufgefahn,
    Gerann zum Racheblutmahl, nie verfließt es mehr;
    Voll Tücke verschiebt Ata sie noch, daß, wer es tat,
    Seh seines Jammers Blütenpracht!


    Dritte Gegenstrophe


    Wer frech sich fremdes Brautgemach erbrach, gesühnt
    Wird nimmer der; und strömte aller Ströme Flut
    Allseits her, bluttriefenden Mord
    Hinwegzuspülen, doch umsonst strömten sie!


    Epode


    Doch ich - denn mir wiesen hier Magd zu sein
    Die Götter zu; fortgeschleppt vom Herd meiner Heimat
    Ward ich früh ins Los der Knechtschaft -,
    Ich muß, was recht, muß, was schlecht meine Herrschaft hat getan,
    Ich muß, da mich Gewalt zwingt, es preisen,
    Muß meines Herzens Haß vergessen! -
    Ins Gewand verhüllt, umsonst bewein ich
    Meines Königs Los, verstein ich
    Im verhaltnen Herzensgram!



    Die Schauspieler hatten sich langsam warm gespielt und die anfängliche Nervosität darüber, vor römischem Publikum aufzutreten war vergessen. Fuscus stand weit im Hintergrund, nicht zu sehen von den Rängen aus und beobachtete das Spiel zufrieden.

  • Hungi war enthusiastisch. Endlich wieder ein Theaterbesuch, und diesmal sogar ohne Hund (;)). Daß die Begleitung nicht ganz die seine war, verdrängte er. Er ließ sich ganz einfangen von der Stimmung, schaute gebannt auf die Bühne und lauschte den Worten. Die Luft schmeckte trocken und würzig zugleich, der Wein war - wider Erwarten und Erfahrung - auch genießbar, lau wehte leicht der Wind, ganz sanft und leise. Ab und an nahm er einen Schluck vom Wein, hie und da ein kleiner Seitenblick auf seine Verlobte neben ihm. Irgendwie war die Situation mit ihr schon paradox... Er entschied, heute rein das Theater zu genießen, es wäre schade um die Inszenierung. So konzentrierte er sich wieder auf die Geschehnisse auf der Bühne.

  • ELEKTRA:
    Ihr teuren Wärterinnen, vielgetreue Fraun,
    Mit mir gekommen seid ihr, dieses heilgen Zugs
    Geleiterinnen; drum so sagt mir euren Rat:
    Wenn auf das Grab ich gieße diesen Trauerguß,
    Wie soll ich freundlich sprechen? Wie zum Vater flehn?
    Sag ich, von seiner lieben Gattin sei ich ihm,
    Dem lieben Mann, von meiner Mutter ich gesandt?
    Dazu gebricht's an Mut mir; und nicht weiß ich, wie
    Ich beten könnte, wenn ich auf des Vaters Grab
    Dies spende. Oder sag ich nach dem heilgen Brauch:
    Vergelten mög er denen, die ihm diesen Kranz
    Gesandt, vergelten auch der Bösen bös Geschenk?
    Soll schweigend, schmachvoll, so wie einst mein Vater fiel,
    Ich gießen dieser Spende grabgetrunknen Guß,
    Die Schale dann, als wär sie unrein, gottverflucht,
    Wegschleudern abgewandten Blicks und wieder gehn?
    So wollt mir raten, Teure, was ich möge tun;
    Ist uns gemeinsam doch der Haß in jenem Haus!
    Nicht bergt's in eurem Herzen, irgendwie besorgt;
    Denn sein Verhängnis harrt des Freien ebenso
    Wie des von fremden Siegers Hand geknechteten.
    So sprich, wenn du mir Beßres weißt, als ich gesagt!


    CHORFÜHRERIN:
    Gleich einem Altar ehrend dir des Vaters Grab,
    Sag ich, du willst es, was ich im tiefsten Herzen denk.


    ELEKTRA:
    So sag mir, wie wohl ehrtest du des Vaters Gruft?


    CHOR:
    Zur Spende segne, die ihm treu gesinnet sind.


    ELEKTRA:
    Wen aber von den Seinen darf ich nennen so?


    CHOR:
    Zuerst dich selbst und jeden, der Aigisthos haßt.


    ELEKTRA:
    Für mich und dich denn sag den Segen ich zuerst?


    CHOR:
    Vergiß Orest nicht, weilt er auch im fremden Land.


    ELEKTRA:
    Vor allem; du gemahnst mich an das Teuerste!


    CHOR:
    Und dann den Tätern, wann du an den Mord gedenkst -


    ELEKTRA:
    Was dann? Belehr mich, sag es mir, ich weiß es nicht!


    CHOR:
    Sag, ihnen kommen werd ein Gott einst oder Mensch -


    ELEKTRA:
    Meinst du, der sie richten oder der ihn rächen wird?


    CHOR:
    Du sprichst es einfach: der den Mord mit Mord vergilt!


    ELEKTRA:
    Doch ist es fromm auch, von den Göttern das zu flehn?


    CHOR:
    Warum denn nicht soll büßen seine Schuld der Feind?


    ELEKTRA:
    Du höchster Herold hier im Licht, im Hades dort,
    O Grabeshermes, hör mich und erwecke mir
    Des Schattenreichs Gottheiten, daß sie hören mein
    Gebet, die Hüter über meines Vaters Blick,
    Und auch die Erde, die gebieret alles Ding,
    Und was sie aufzog, wieder dessen Keim empfängt;
    Ich gieße diese Spenden für die Toten aus
    Und rufe dich, mein Vater, mein erbarme dich
    Und deines Sohns Orestes. Herrschten wir im Haus!
    Denn sieh, verstoßen leben wir und wie verkauft
    Von unsrer Mutter; den Aigisthos hat sie sich
    Zum Mann erlesen, der dich mit erschlagen hat;
    Und einer Magd gleich hält sie mich; Orestes ist
    Verjagt aus seinem Erbe, während sie in Prunk
    Und eitler Wollust deines Schweißes Frucht vertun!
    Daß heim Orestes gottgeleitet kehren mag,
    Drum fleh ich dich an, Vater, du erhöre mich!
    Mir aber gib du, daß ich tugendhafter sei
    Denn meine Mutter, reinen Wandels, reiner Hand!
    Für uns gebetet hab ich dies; den Feinden nun
    Erscheint, ich weiß es, einer, der dich, Vater, rächt,
    Auf daß die Mörder wieder morde ihr Gericht;
    Und sei mir laut bezeuget, wie für bösen Fluch
    Ich ihnen wiederfluche diesen bösen Fluch!
    Du aber send uns alles Heil empor, mit dir
    Die Götter und die Erd und Dike Siegerin!
    Für diese Bitte spend ich diesen heilgen Guß;
    Ihr aber flechtet eurer Klage Totenkranz
    Und weihet meinem Vater frommen Grabesgruß!


    CHOR:
    Weinet die Träne, die rieselnde, sterbende,
    Ihm, der starb, unsrem Herrn,
    Zu dieser Spende Born,
    Der Bösen nichtiger, schnöder Beschwichtigung
    Wider der Edlen Zorn!
    Höre du, mich höre du,
    O Herr und Fürst, in deiner grabstillen Ruh!


    Wehe ruf ich jammernd aus!
    Wehe, welcher Speeresheld
    Wird Befreier diesem Haus?
    Der Skythe, dem in des Kampfes wilder Hast
    Schwirrenden Pfeiles Flug
    Vom rückschnellenden Bogen blinkt,
    Der griffgefaßt sein nacktes Schwert blutig schwingt?


    ELEKTRA:
    Mein Vater hat nun seinen erdgetrunknen Guß -
    Doch sieh! Zu diesem neuen Wunder ratet mir!


    CHORFÜHRERIN:
    O sprich! Es fliegt mein Herz im Busen mir vor Angst!


    ELEKTRA:
    Hier seh ich eine Locke auf das Grab geweiht!


    CHOR:
    Von welchem Manne, welchem hochgeschürzten Weib?


    ELEKTRA:
    Deutbar zu jedem ist sie, wenn du deuten willst!


    CHOR:
    So laß mich Ältre lernen von der Jüngeren.


    ELEKTRA:
    Ich wüßte niemand außer mir, der's weihete!


    CHOR:
    's ist feind, für wen sich sonst die Trauerlocke ziemt!


    ELEKTRA:
    Und dennoch wahrlich ist so ganz sie wieder gleich -


    CHOR:
    Sag, wessen Haaren? Hören möcht ich das von dir!


    ELEKTRA:
    Ganz meinen eignen ähnlich ist sie anzusehn!


    CHOR:
    Wär's von Orestes selber heimlich ein Geschenk?


    ELEKTRA:
    Mit dessen Locken scheint sie in der Tat mir gleich!


    CHOR:
    Wie hätte der hierherzukommen sich gewagt?


    ELEKTRA:
    Gesandt dem Vater hat er seiner Locke Gruß! -


    CHOR:
    Was du gesagt, nicht minder wein ich bitter drum,
    Wenn dieses Land doch nimmermehr sein Fuß betritt!


    ELEKTRA:
    Auch mir ins Herz gießt brandend sich der Galle Flut;
    Es schmerzt, als hätte mich ein schneller Pfeil durchbohrt;
    Aus meinen Wimpern stürzt mir trocken, ungewehrt
    Unsäglicher Tränen bittre Brandung wild hervor,
    Da ich diese Locke sehe! Denn wie hofft ich wohl,
    Daß einer unsrer Bürger sonst ihr Herr sich nennt?
    Und nimmermehr gab dieses Haar die Mörderin,
    Nein, meine Mutter nimmer, die stiefmütterlich
    Und gottvergessen ihren Kindern ist gesinnt;
    Und wieder, daß ich freudig soll gestehn, es sei
    Mir dies ein Kleinod von dem Liebsten auf der Welt,
    Sei von Orestes - nein, mich täuscht der eigne Wunsch!
    Ach! -
    Daß freundlich sie mir sprechen könnte, botengleich,
    Damit der Zweifel nicht mich jagte her und hin!
    Und doch, gewiß, ich hätte dies Haar angespien,
    Wär's abgeschnitten je von eines Feindes Haupt;
    Wenn's mir verwandt ist, durft es mit mir trauern auch
    Des Vaters Totenfeier und den Grabesgruß! -
    Zu den Göttern laßt uns rufen, den Allwissenden,
    In welchen Kreiselstürmen gleich den Schiffern wir
    Verirrt sind. Dennoch, wenn uns Rettung werden soll,
    Da wächst von kleinem Samen auch ein großer Stamm! -


    Sie steigt die Stufen zum Grab hinab


    Und da, die Tritte, sieh, ein zweites Zeichen ist's
    Von gleichen Füßen, ähnlich ganz den meinigen;
    Ja, sieh, von zween eingezeichnet ist die Spur,
    Hier von ihm selber, da von dem, der mit ihm kam;
    Der Sohlen Abdruck und der Fersen, meß ich sie,
    Zusammentreffen sie genau mit meinem Fuß! -
    Angst übermannt mich; aller Sinn ist mir verrückt!


    Orestes tritt ihr entgegen.

  • Er saß schon länger da. Die letzten Tage war er, von den Verpflichtungen ausserhalb, kaum noch aus dem Haus gekommen, wo er über der Chronicusa grübelte oder aber daran dachte, was mit Julia los sei. Die Arbeit nutzte er zum sich ablenken und zwingen musste er sich jede Minute nicht sofort aufzubrechen.
    Heute hatte er deshalb, als ihm die Decke auf den Kopf fiel, beschlossen sich das angekündigte Theaterstück der Truppe aus Mogontacum anzusehen. Vielleicht würde er da auch Fuscus sehen und ihn ausfragen können.
    So saß er denn etwas weiter hinten, bemüht sich auf das Stück zu konzentrieren und schweifte doch immer wieder ab in Gedanken.

  • Verdammt...doch zu spät.
    Schnell und möglichst unauffällig sah ich mich nach einem freien Platz um...möglichst nicht neben einem Zuhälter.


    Da entdeckte ich zu meiner Freude ein bekanntest Gesicht. In der Hoffnung, nicht allzu vielen die Sicht zu versperren huschte ich hin und setzte mich neben meinen Quaestorenkollegen Germanicus.
    "Salve. Ist hier noch frei?", flüsterte ich, obwohl ich ja schon saß.

  • Schmunzelnd nickte ich.
    "Tja, wir armen Quaestores Urbani mussten ja weiter in Rom schwitzen, während du dich in Spanien vergnügt hast.", frotzelte ich leise. Als er meinen Namen nannte zuckte ich kurz zusammen.
    "Oh...äh....Germanica Aelia...mittlerweile..."

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