Aemilia kehrt heim

Aemilia hat sehr wohl die Worte ihres Bruders gehört, die er ihr im Circus Maximus noch eingetrichtert hat. Es hat so bedrohlich geklungen und sie hat große Angst, dass sie nun auch noch etwas angestellt hat. Ob er sie ausschimpfen will, weil sie mit Livianus bei den Wagenrennen war? Aemilia hat Angst vor diesem Treffen und so hat sie es immer weiter hinausgeschoben, hat die Finalrunde der Wagenrennen abgewartet, war erst noch beim Pontifex Maximus, und findet plötzlich keine weiteren Ausreden mehr, den Besuch weiter aufzuschieben. So fasst sie sich heute ein Herz und läuft von der Casa Decima Mercator zur Casa Didia.

Immer mehr wohlbekannte Häuser kommen in Sicht. Die Straßen hier sind Aemilia vertrauter als irgendwo anders. Mit dieser Vertrautheit kehrt auch die Erinnerung an die hier verbrachte Zeit zurück und vor allem die Erinnerung an Hungi. Aemilia beißt sich auf die Unterlippe und kämpft tapfer gegen die aufsteigenden Tränen an, versucht diese Gedanken zurückzudrängen. Schließlich steht sie vor der Tür der Casa Didia, schluckt noch einmal, atmet tief durch und klopft dann an.

"Salve..." lächelt Aemilia vorsichtig.
Sie beobachtet Sinonas Reaktion auf ihre Anwesenheit genau. Vielleicht lässt sich ja schon feststellen, wie schlimm das Verbrechen ist, weswegen Falco sie herbeordert hat.
"Hmm... Falco wollte mich sprechen..."

Froh? Verwundert blickt Aemilia Sinona an. Im Circus Maximus hat es für sie ganz anders geklungen. Etwas verdattert folgt sie ihr in das Innere der Casa und lässt die Aufmerksamkeiten der Sklaven über sich ergehen. Das mulmige Gefühl in ihrem Magen fragt sie nun doch noch einmal nach.
"Weißt du zufällig, was er so dringendes mit mir besprechen wollte? Er hörte sich verärgert an..."

Aemilia atmet ein wenig auf. Zumindest allzu schlimm kann es dann wohl nicht sein.
"Puh... Dann natürlich zuerst die guten Nachrichten!"
Erwartungsvoll blickt sie Sinona an, als ihr noch etwas einfällt.
"Wie geht es eigentlich meinem kleinen Neffen und seiner Mutter? Haben sich die Hebamme und der Medicus noch gut um sie gekümmert?"

Verdutzt nimmt Aemilia die vielen Informationen auf.
"Also... Von dem Neffen weiß ich natürlich." Sie grinst. "Den habe ich doch selbst entbunden. Aber eine Nichte und einen Schwager? War Aelia schwanger und hat mir nichts davon gesagt? Heiratet sie?"
Sie schüttelt verwirrt den Kopf.
"Und was hab ich nicht mehr?"

"Wo komen denn dann die Nichte und der Schwager her?" runzelt Aemilia die Stirn. "Bist du etwa schwanger? Liliana kann doch noch garnicht wieder so weit sein..."
Fragen über Fragen stellen sich Aemilia.
"Und Festus? Was ist mit ihm?"

Als Sinona die Namen nennt, wird Aemilia endlich alles klar.
"Oh! Du bist verlobt! Wie schön! Meinen Gückwunsch, Sinona!"
Begeistert umarmt sie ihre Adoptivschwester und gratuliert ihr lächelnd.
"Ich hoffe, er ist nett... Ich bin sehr gespannt. Aber Caesonia? Hmm... Ich habe eine Nichte namens Caesonia? Das klingt ja abenteuerlich..."
Schmunzelnd überlegt sie, von wem diese neue Verwandte wohl abstammen könnte. Gerade will sie nachfragen, da bemerkt sie endlich Sinonas Herumdrucksen. Sorgenvoll runzelt sie die Stirn.
"Was ist mit Festus? Ist alles in Ordnung mit ihm? Ihm ist doch nichts zugestoßen, oder?"
Eine böse Vorahnung beschleicht Aemilia.

Im Fluss treibend? Die Vorahnung wird beinahe zu einer Gewissheit. Als Aemilia die Tränen von Sinona bemerkt, wird es auch für sie bittere Wahrheit und jegliches Anzeichen von Freude verschwindet aus ihrem Gesicht. Sie spürt die Tränen in sich aufsteigen und erwidert die Umarmung ihrer Schwester.
"Oh, nein... Bitte sag, dass das nicht wahr ist..."
Sie spürt, wie sie die Tränen nicht mehr zurückhalten kann und lässt ihnen freien Lauf.

Nur langsam beruhigt Aemilia sich wieder, getröstet von der Schwester. Es dauert eine Weile, bis Sinonas Worte an ihr Bewusstsein dringen.
"Aelia?"
Sie löst sich aus der Umarmung und schaut Sinona angstvoll an.
"Aelia? Ihr ist doch nicht auch etwas passiert? Nein! Das kann nicht sein! Das darf nicht sein! Bitte nicht, Aelia..."
Das Schlimmste schon ahnend hängt sie mit den Augen förmlich an Sinonas Lippen. Panik macht sich in ihr breit und am liebsten wäre sie auf der Stelle fortgelaufen.

Fassungslos nimmt Aemilia das Pergament in die Hand und liest es. Ihre Knie werden weich und beinahe taumelt sie, hält sich an der Wand fest. Die vielen schlechten Neuigkeiten fordern ihren Tribut. Sie sieht die Worte, erschließt die Sätze, doch den Inhalt versteht sie nicht. Hilfesuchend blickt sie zu Sinona auf.
"Was ist das? Was bedeutet das? Was ist passiert? Sie ist gegangen? Wohin? Warum? Wegen Corvus? Ich verstehe das nicht..."