Geschäftig eiligen Schrittes betrat die junge Frau das Büro. Sie schaute sich kurz um, ob sie hier auch richtig war und ob sie hier wirklich ihren Brieg aufgeben wollte, egal, was Scato gesagt hatte. Vertrauen war gut, Kontrolle aber besser. Zumindest zufrieden legte sie dann ihre Nachricht auf den Tresen. "Salve. Das hier muss schleunigst nach Roma. Es handelt sich um eine wichtige Familienangelegenheit." Sie schloss kurz die Augen, schlug sie dann mit einem halb traurigen, halb eindringlichen Blick wieder auf. "Eine Notlage, sozusagen.", hauchte sie noch dazu.
Ad
Aulus Iunius Tacitus
Domus Iunia
Roma
De
Iunia Matidia
Domus Iunia
Mogontiacum
Provincia Germania Superior
Salve, liebster Bruder,
In Deinem letzten Brief hattest Du mir berichtet, dass Du wieder in Deine Heimat zurückkehren möchtest. Wie schön es doch gewesen wäre, hätten wir uns wieder einmal gesehen, statt immer nur diese Briefe zu schreiben. Leider kam es anders, wie Du vermutlich bereits gemerkt hast, und ich machte mich, zusammen mit Mutter, auf dem Weg nach Germania Inferior, um meinen schwer verletzten Verlobten zu besuchen. Eine vielleicht etwas wenig durchdachte Entscheidung, aber nach Vaters Tod war Mutter davon nicht abzubringen. Du kennst diese Willensstärke von uns beiden ja ganz gut.
Eigentlich wollte ich mich nun als eine glückliche, mit ihrem Verlobten vereinte, Frau, die womöglich bereits sogar verheiratet wäre, bei Dir melden. Die Welt könnte soviel einfacher sein! Aber bedauerlicherweise meinte Fortuna es wieder nicht gut mit uns. Noch bevor wir Colonia Claudia Ara Agrippinensium erreichten, verstarb mein Zukünftiger, und wir waren letztlich vollkommen umsonst so weit gereist! Du kannst Dir unsere Enttäuschung vorstellen, und ich will nicht bestreiten, dass ich Mutter gegenüber recht laut wurde. Dabei meinte sie es doch nur gut, und inzwischen tut es mir leid.
Denn ich komme zum eigentlichen Anlass meiner Nachricht. Wir machten uns recht umgehend auf den Rückweg, doch kurz vor Mogontiacum wurden wir überfallen. Zwar konnten die Wachen den Angriff zurückschlagen und es wurden nur Kleinigkeiten entwendet, aber Mutter wurde verletzt. Zum Glück kamen wir bald in die Stadt, wo ihr geholfen werden konnte, aber sie wird sicherlich den Winter hier verbringen müssen. Und ich mit ihr, in dieser schrecklich kalten Provinz. Sobald es Neuigkeiten gibt, werde ich sie Dir natürlich mitteilen, aber es geht ihr täglich besser. Wir sind hier gut untergebracht und haben auch entfernte Verwandte hier, Sorgen musst Du Dir also keine machen. Höchstens, dass ich zu einem grobschlächtigen Landei werde. Ich vermisse Roma!
Ich hoffe, Du hast Dich in dort wieder gut eingelebt? Es wird Zeit, dass wieder bessere Zeiten für unsere Familie anbrechen.
Deine Schwester,
Matidia