[Forum Nervae] Templum Minervae

  • Kühle schlug Romana entgegen, als sie mit ihrer Begleitung den Tempel betrat. In ihre Aufregung mischte sich ein Frösteln, während ihre Hellblauen die Umgebung abtasteten auf der Suche nach einem Priester. War es eben noch die Neugier, die sich in ihren Augen spiegelte, war es nun die ehrfurchtsvolle Faszination, die von Minerva ausging.
    Mit Blick auf die weißen Lilien, das Symbol ihrer Jungfräulichkeit, griff sie danach und nahm sie der Älteren ab. Ich werde sie allein opfern, du kannst dich im Hintergrund halten und dem beiwohnen.
    Sie trat weitere Schritte auf das Kohlebecken zu, warf etwas Weihrauch hinein, um dann darin die Blüten verbrennen zu können. Während der Rauch begann aufzusteigen konzentrierte sich ihr Blick auf das Antlitz von Minerva und dann auf die Eule der Weisheit.
    Große Minerva, heute ist nicht nur der Tag, an dem ich nach Rom gekommen bin. Nein, ich bin auch hier, um deiner Weisheit und Gnade zu huldigen. Du hast mich mit dem Talent gesegnet, ganz in deinem Sinne den Künsten zu frönen. Dafür nimm diese Gabe an, nimm sie an als Ausdruck meiner Verehrung, meiner Jungfräulichkeit und der Reinheit meiner Gedanken.
    Während Romana sprach, brach sie die Blüten vom Stiel und gab sie zum rauchenden Weihrauch. Nimm die Reinheit meiner Jugend als Gabe an, schenke mir auch hier in Rom die Gnade, dich besuchen, meine Gedanken mit dir teilen und dich um Rat fragen zu dürfen.


    Mit leicht gesenkten Kopf verharrte die Braunhaarige schweigend, bis sich die Lilien ebenfalls in Rauch aufgelöst hatten.
    Ich danke dir Minerva, dass du meine Gabe angenommen hast und mich erhört hast in deiner Güte.
    Mit einem letzten Blick auf die Göttin und einer Kopfbewegung nach rechts und nach links, zog sie sich, zuerst wenige Schritte rückwärts gehend und dann umwendend zurück, um danach den Tempel an der Seite von Nuha zu verlassen.

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    Nuha

    Zufrieden mit ihrem Schützling, nahm Nuha die Hand von Romana und lächelte. Dein Vater wär stolz auf dich. Ihr war anzumerken, dass sie mit den Tränen zu kämpfen hatte und es ihr nicht leicht fiel, ruhig zu bleiben. Vor dem Portal zog sie schnell ihre dort abgestellten Schuhe über, half der Braunhaarigen ihre zu schnüren.
    Am geöffneten Wagenschlag abgelangt, half sie ihr beim Einsteigen, flüsterte dann noch kurz mit dem Kutscher.

  • In diesen Tagen war der Tiberier wieder einmal viel unterwegs. Immer noch war er recht aufgeregt, was die Ankunft des neuen Kaisers betraf und so kam es, dass er in diesen Tagen den Göttern ganz besonders huldigte. Natürlich vor allem den Schutzgöttern der Gens Tiberia, worunter auch Minerva zählte. Schon in seinem 'eigenen' Tempel - dem capiolinischen, wo er seiner Tätigkeit als Aedituus nachging - kümmerte er sich liebevoll um die Stätte der Minerva, freilich ohne die der Iuno und ganz besonders des Iuppiter nicht zu vernachlässigen. Die Götter blickten doch schließlich auch gern mit Neid aufeinander.


    So fügte es sich aber, dass Lepidus heute auch einmal in einem anderen Tempel vorbeischaute, der nur Minerva geweiht war. Ein Austausch unter den Aeditui hielt er ohnehin immer für sehr ratsam. Auch sie waren in Anbetracht der Umstände sehr aufgeregt und hatten viel zu tun. Nachdem sich die Unruhen wieder halbwegs gelegt hatten, strömten die Leute natürlich gleich wieder in Scharen in die Tempel, um sich der Gunst der Götter zu vergewissern.


    Auch Lepidus wollte an diesem Tage einfach nur ein kleines Opfer darbringen. Nichts Aufregendes. Ein wenig Gebäck da, ein bisschen Wein hier. Minerva sollte sich der stetigen Aufmerksamkeit sicher sein und er hoffte, dass die Göttin diese Kontinuität würdigen würde. Doch ob man es glaubte oder nicht, so war das Highlight an diesem Tage wohl keineswegs die kleine Opferung an Minerva, sondern etwas ganz anderes.


    Als der Tiberier aus dem Tempel kam, blieb er für einen Augenblick auf den Stufen stehen und blickte zur Sonne. Es war ein herrlicher Tag. Keine Wolke schien sich am Himmel zu bewegen. Er stand für eine Weile einfach nur so da, während hier und da jemand an ihm vorbeilief. Währenddessen ließ er immer wieder eine Münze in seiner Hand auf und ab fliegen, indem er sie mit dem Daumen schnippte. Er sah nicht einmal hin, was er da tat, sondern machte es rein aus Gefühl. Leider reichte sein Gefühl dann leider nicht aus, um für ähnliche Beständigkeit zu sorgen, wie Lepidus es mit den Opferungen hielt. So glitt ihm mit einem Male die Münze aus der Hand und klirrte auf ein paar Treppenstufen nach unten, wo sie jemandem vor die Füße fiel...

  • ... und dieser jemand war Tiberius Verus.


    Verus hatte sich ein wenig Zeit genommen, um Minerva für die überstandene Flucht zu danken und das sie zumindest weitesgehend unbeschwert in Rom angelangt waren. Immerhin war sie Schutzpatron der Handwerker sowie der Denker; eine interessante Kombination, wie Verus fand, denn er selbst war Gewerbetreibender gewesen und zugleich Philosoph oder er interessierte sich zumindest für die schönen Künste. Auch wenn der junge Patrizier nicht sonderlich gläubig war, hielt er die Traditionen aufrecht und war in dieser Hinsicht ganz Römer. Man dankte einfach einer höheren Macht für das Glück im Leben. So vergewisserte man sich seiner eigenen Existenz und zugleich wurde einem erneut bewusst, wie vergänglich dieses Glück war. Es steigerte den Wert des Lebens, so dachte zumindest Verus. Gekleidet in einfache Tunika, die im Grunde weiß-grau war, trat er die Stufen hinauf. Nur an seinen Schuhen war seine höhere Geburt zu erkennen, da es sich um höherwertiges Leder handelte, was kunstvoll gearbeitet war. Das Römer sich selbst über Schuhe definierten, war Außenstehenden oft suspekt aber den Römern war dieser Schuhtick bereits in die Wiege gelegt. Es gab Ritterschuhe, Senatorenschuhe, patrizisches Schuhwerk aus braun-rotem Leder und auch fein gearbeitete Damenschuhe...- Schuhe um Schuhe.


    Dennoch machte sich der junge Verus seltener Gedanken um sein Schuhwerk, denn es war Tradition, ein solches Schuhwerk zu tragen. Verus zweifelte nur bedingt an alten Dingen, die sich als konsistent bewiesen hatten. Ferner war dieser Tiberius weniger dem Opulentem zugeneigt und lebte die römische Sparsamkeit, insofern setzte er nur kleine Signale seines Standes, wie mit einem goldenen Siegelring oder einem gut gearbeitetem Ledergürtel, nebst Schuhwerk.


    Als die Münze herablief, griff Verus diese auf und betrachtete diese kurz. Er lächelte. "Ich denke, dass du dort etwas verloren hast," sagte er im feinen Latein, ohne einen Gosseneinschlag des Vulgärlatein, welches er in letzter Zeit häufiger gehört hatte. Verus blickte auf, holte tief Luft und streckte seinen Arm in Richtung Lepidus aus. "Alles Geld der Welt könnte uns nicht so einen wunderbaren Tag bringen," formulierte er als die warme Luft in seine Lungen drang. Wenigstens konnte er nun das Feuer verdrängen, was ihm sein Leben genommen hatte und in eine schlichte Insula in Trans Tiberim vertrieben hatte. Gut, das war im nicht weiter wichtig: Ihm war wichtig, dass es seiner Frau gut erging und sie sich hier gut einlebte. Ebenso wie seine kleine Nichte Flaminina, die erst noch ihren Weg ins Leben finden musste. Für dieses Glück würde er heute ebenso opfern, wie aus Dankbarkeit. Verus blickte nun sein Gegenüber an und nickte diesem zu. Ein merkwürdiger Zufall. Diese Person dort vor ihm hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit ihm. Diese Nase und dieses Kinn kannte er von seinem Vater. Auch die Kleidung wieß auf einen anderen Stand hin. Kurz zwinkerte Verus und lächelte dann vielsagend, um die aufkommende Neugier zu verdecken.

  • Noch etwas grimmig hatte Lepidus der hinfortgefallenen Münze hinterher gesehen, doch schon war sein Gesicht wieder ganz entspannt, als dieser jemand, der wohl das Glück oder Unglück hatte sich für diese Münze hinunterzubeugen, ihm sogleich entgegentrat, um sie Lepidus auszuhändigen. "Geld wandert normalerweise nicht so leicht aus meinen Händen", kommentierte der Tiberier durchaus wahrheitsgemäß. Mit Ausgaben hatte er sich in letzter Zeit stark zurückgehalten. Es kam ja auch lange nicht mehr allzu viel in die Kassen. Die Ländereien machten nicht die nötigen Erträge und vom Sold eines Aedituus konnte man mehr sterben als leben. Die Lage war für einen Patrizier durchaus schon einmal angenehmer.


    "Ein so schönen Tag könnten wir uns vielleicht nicht kaufen, aber mit genug Geld könnte ich jeden trüben Tag bestens überstehen", so die Meinung des Lepidus, der wohl auch bereit wäre Sol für immer zu verstecken, wenn es dafür einen Berg an Sesterzen geben würde. Als er die Münze wieder in Besitz nahm, sah er die ganze Zeit mehr auf die Münze, als wäre sie deutlich interessanter als der Mensch der sie zurückbrachte. Der interessierte ihn kaum, von seinem Aussehren registrierte er nur das nötigste, war sich aber fast sicher, dass er diesen Menschen in seinem Leben noch nie gesehen hatte. Irgendwie musste Lepidus natürlich die nette Geste zu schätzen wissen und so entschloss er sich zu ein paar Allgemeinplätzen. Ein kurzer Plausch der Höfflichkeit wegen und dann konnte er wieder seinen Geschäften nachgehen. So sprach er immerhin noch: "Ich nehme an, du bist hier um der guten Minerva ein Opfer darzubringen? Sie wird dir sicher sehr dankbar sein." Eine Nichtssagende Phrase - eben die wahrhaftigste Höflichkeit, die Lepidus aufbringen konnte.

  • Verus lächelte dezent auf die Aussage zum Tage. "Geld ist nur ein Wert, der Möglichkeiten schafft. Wie wir diese Möglichkeiten nutzen liegt an uns selbst," erklärte der junge patrizische Denker. "Ein trüber Tag bleibt trübe, auch wenn wir ihn uns schön schminken, mit Ablenkung oder Zerstreuung. Die Wahrheit bleibt. Es wird ein trüber Tag sein." Der Römer beobachtete den anderen Römer, wie er seinen Besitz wieder an sich nahm. Sein stoischer Blick zu seiner Münze verwirrte Verus ein wenig, da er diese Geste als unhöflich empfand. Es zeugte von einem gewissen Materialismus, der Verus bei Weitem fremd war. Auch wenn er wirtschaftlichen Erfolg zu schätzen wusste, da er eine Sicherheit für das Leben bot aber niemals wollte er ausschließlich für Geld leben, egal, wie sicher ein Leben durch Reichtum wurde. Schließlich besann sich der Römer vor ihm seiner Höflichkeit und stellte einen Allgemeinplatz in die Luft. Verus kannte diese aufgesetzten Formulierugen nur zu gut, da er sie selbst zu gerne anwandte. "In der Tat," antwortete der Patrizier aus Achaia sanft. Sollte er diesen Fremden über seine Situation aufklären? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Verus war hin und her gerissen aber er wollte mit einer Person außerhalb seines Familienkreises reden. Es war angebracht sich vorzustellen, um nicht selbst als unhöflich zu gelten, bevor man seine Geschichte erzählte. "Ich bin Tiberius Verus," sagte er also und nickte dem Fremdling zu, der immer noch seine Münze betrachtete, als sei es ein Geschenk der Götter.

  • Ohne ausdrucksvolle Miene hörte sich Lepidus das sophistische Gewäsch seines Gegenübers an. Nein, Münzen waren doch wirklich manchmal viel interessanter als Menschen. Er wartete ab, bis dieser Mann seine Worte gesprochen hatte und hoffte dadurch seiner Schuldigkeit genüg getan zu haben. Welch Opfer an Zeit und Aufmerksamkeit man nicht bringen musste, nur um nicht anstößig zu wirken. Lepidus lächelte sogleich als er annahm, dass der Man ihm gegenüber fertig war. Er wollte schon fast ansetzen, sich nun zu verabschieden, als sein Gegenüber sich auch noch vorstellte. Da es ihm eigentlich herzlich egal war, mit wem er es da zu tun hatte, hörte er auch überhaupt nicht richtig hin, so dass eine Reaktion im ersten Moment ausblieb. Doch schon im zweiten Moment ratterte es in Lepidus Hirn und er wurde sich darüber bewusst, was er gerade gehört hatte. Hatte er gerade Tiberius Verus gesagt? Lepidus konnte nun tatsächlich seine Münze aus den Augen lassen und sah den Fremdling stattdessen eindringlich an - noch immer kam ihm der Mann nicht bekannt vor. Aber vielleicht hatte er sich auch nur verhört? "Hast du Tiberius Verus gesagt? Mein Name ist Lucius Tiberius Lepidus." Hatte er hier einen entfernten Verwandten getroffen? Wie konnte das sein? Alles Zufall? Oder hatten hier die Götter, wenn nicht Minerva höchst persönlich ihre Hand im Spiel? Lepidus konnte erst einmal nichts weiter sagen. Sein Blick blieb skeptisch. Wahrscheinlich wartete er immer noch darauf, dass der Fremde sagen würde: "Nein, nein, das hast du falsch verstanden: Ich heiße soundso." So richtig glauben, konnte er es jedenfalls noch nicht.

  • "Hmmm," machte Verus, da ihm erkenntlich wurde, dass dieser Römer seinem -Smalltalk- nur bedingt folgen wollte. Seine Mimik und auch seine Haltung sprachen für eine gewisse Abwehr. Sollte er fortfahren oder einfach gehen? Verus war nicht die Person, die anderen ein Gespräch aufzwang, wenn diese einem Diskurs abgeneigt waren. Kurz legte er seine Lippen zusammen, ließ die Sekunden verstreichen, bis Lepidus antwortete. Kurz wich er mit seinem Schädel einige Millimeter zurück. Vor ihm ein weiterer Tiberier? Das war unmöglich. Verus lächelte urplötzlich, wie er es immer tat, wenn er peinlich überrascht war. Dieser introvertierte Römer sollte ein Verwandter sein? Er wollte seinen Namen noch einmal hören, also gab Verus seinen vollen Namen preis: "Aulus Tiberius Verus." Knapp formulierte Worte, da es keiner weiteren Worte bedurfte. Es wären nur unnötige Worthülsen gewesen, die eine Antwort zu sehr ins Detail gezogen hätten, da es Verus ohnehin müßig erschien, diesem Tiberius vor ihm, Dinge zu erklären, wenn dieser nur halb zuhörte. Nun nickte Verus erneut, ging einen Schritt vor und versuchte einen genaueren Blick in sein Gesicht zu werfen, um irgendeine Regung darin abzulesen. Es war schon eine Überraschung, dass sich zwei Tiberier plötzlich sowie unerwartet in einem Tempel trafen. Entweder die Götter hatten ihre Hände im Spiel oder Fortunaus Lose waren wieder einmal merkwürdig gefallen. Kurz kniff Verus die Augen zusammen, da die Sonne ihn blendete. Vielleicht sollte er diesem merkwüdigen Römer seinen Siegelring zeigen? In der Tat, eine gute Idee, wenn man bedachte, dass dieser Römer vor ihm, ebenso ein Tiberier war. So streckte Verus seine Faust samt Ringfinger aus und deutete auf das Siegel. "Ein Tiberius," sagte er noch. "Eine göttliche Fügung mag man es nennen, dass wir uns hier begegnen, Tiberius Lepidus." Verus nahm die Siegelhand zurück und überließ nun wieder Lepidus das Feld. Seine letzten Worte waren vielleicht zu viel Gespräch für diesen jungen Tiberier vor ihm, der immer noch sehr introvertiert erschien.

  • Lepidus hatte nun sehr genau die Ohren gespitzt. Kein Wort sollte ihm mehr entgehen. Wenn irgendetwas sein Interesse immerhin etwas weckte, dann war es ein entfernter Verwandter. Dieser wiederholte den Namen und es war wohl eindeutig: Er hatte hier einen weiteren Tiberier vor sich. Oh, Minerva. Was hast du dir da nun wieder ausgedacht?


    "Tiberius Verus also" wiederholte Lepidus immer noch etwas ungläubig. "Auch wenn ich gern glauben möchte, dass die Götter ihre Finger im Spiel hatte, so ist es vielleicht doch kein so großer Zufall mehr, dass wir uns am Tempel unserer Schutzgöttin treffen." Sein Gesicht hellte sich etwas auf und fing an zu lachen aufgrund dieser merkwürdigen Situation. "Wie kommt es mir, dass du mir so gänzlich unbekannt bist. Ich war der Ansicht, zumindest in Rom alle Tiberier zu kennen. Du kommst nicht von hier, oder?" Lepidus grübelte immer noch. Bei einem so breiten Familienstamm war es natürlich klar, dass man nicht jedes Gensmitglied kennen konnte. In der Tat hatte sich der Stamm meist so verstrickt, dass man sich wirklich nur noch auf sehr entfernte gemeinsame Vorfahren berufen konnte. Von daher hatten sie zwar denselben Namen, hatten darüber hinaus aber nicht viel miteinander zu tun. Dennoch interessierte Lepidus natürlich auf welche Art er wohl mit diesem Menschen in der weiteren Familienverzweigung verbunden war. "Lass uns doch ein wenig um den Tempel spazieren. Ich habe Minerva bereits reich auch im Namen unserer Gens geopfert, so dass sie es sicher verzeihen wird, wenn du noch etwas damit wartest." Lepidus wies auf die Stufen nach unten setzte sich bereits in Bewegung: "Sag, wie hieß dein Vater?", fragte er nun neugierig. Introvertiert hätte er sich dagegen wohl selbst nie bezeichnet. Desinteresse beschrieb dagegen schon eher, was er empfand, hätte er es hier nur mit einem gewöhnlichen Mann von der Straße zu tun gehabt.

  • Sein Gegenüber vollzog eine seltsame Wandlung. Plötzlich öffnete sich der Römer vor ihm, was Verus erneut ein strahlendes Lächeln entlockte. Immerhin hatte er einen Verwandten gefunden. Zumindest war dies ein Zeichen, dass es mit seiner kleinen Welt aufwärts ging und die Zukunft besser werden würde, so dachte er. "Wahrlich ein merkwürdiger Zufall," kommentierte Verus beiläufig und ging mit seinem neu-entdeckten Verwandten einige Schritte. Es war an der Zeit seine Geschichte zu erzählen aber wo sollte er beginnen? Sie würde den Rahmen dieses Spazierganges sprengen, so denn er sich für die wichtigen Fakten entschied: "Ich stamme aus Achaia, wo unser Familienstamm mehrere Landgüter unterhielt." Ein feiner Anfang, denn er umging so die schwierige Aussage, dass man ihm alles genommen hatte und dieser Bürgerkrieg auch diese Tiberier schwer getroffen hatte. Leider musste er nun die Wahrheit offenbaren, damit Lepidus verstand. Es fiel ihm sichtlich schwer, diesen Satz auszusprechen. "Ich...Wir...wurden vertrieben als der Pöbel des Salinator über unsere Landgüter herfiel und brandschatzend alles vernichtete, was sich Männer unseres Standes aufbauen konnten." Es war gesagt. Seine Augen kämpften mit dem Licht, da sie inzwischen leicht glasig geworden waren. Das Trauma wog schwer. Verus konnte die Flammen nicht vergessen. Er seufzte, blieb stehen und blickte Lepidus ernst an. "Mein Vater war Marcus Tiberius Antoninus, leider verstorben." Ein weiterer Fakt, der schmerzte und die Miene des Patriziers vereisen ließ. Es war die schicksalhafte Trauer, die seinen Verstand überflutete und die Kommunikation belastete. "Wenigstens meinen es die Götter nun gut mit uns, so denn wir einen Teil unserer Gens hier wiederfinden konnten." Verus rang sich ein mutiges Lächeln ab, was nur schwer über die Lippen kam. Vielleicht halfen andere Gedanken. "Tiberius Durus hielt Kontakt zu uns über Briefe und Boten. Hat er nie von uns erzählt? Leider kamen in letzter Zeit keine Briefe mehr." Wieder kamen die Sorgen auf, immerhin kannte Verus Durus grob durch seine Briefe und so blieb nur eine schüchterne Aussage: "Ich weiß von seinem Tod und dem Schrecken des Salinator." Ein falscher Gedanke, der sein Gemüt nicht erhellte. Unstet war sein Geist in diesen Tagen. Seine Augen suchten Halt in den seines Gegenüber, so dass Lepidus erkennen konnte, dass dieser Römer vor ihm durch die sprichwörtliche Hölle gegangen war: eine Flucht, seine Familie war zerschlagen und nur seine Frau und Nichte waren ihm geblieben; sonst nichts, keine Güter und keine Macht, dieses Schicksal schnell zu ändern.

  • Zitat

    Oh, Minerva. Was hast du dir da nun wieder ausgedacht?


    Eigentlich hatte Minerva sich gar nichts ausgedacht. Ihre Gedanken weilten noch zu sehr in den taktischen Wirrungen und Winkelzügen des gerade erst beendeten Bürgerkriegs, um sich derart auf einzelne Sterbliche konzentrieren zu können, dass sie eine solche Familienzusammenführung bewerkstelligte – die ja doch ein Minimum an Planung erfordert hätte.


    Aber sie hatte auch nicht unbedingt etwas dagegen, wenn Sterbliche glaubten, sie hätte bei derlei Zufällen ihre Finger im Spiel. Angelockt von dem Opfer, das einer der beiden Männer bereits dargebracht hatte, sehr erfreut über die Tatsache, dass es zur Abwechslung mal keine Bitte gegeben hatte, sondern einfach nur so an sie gedacht worden war, verweilte sie noch ein wenig und betrachtete die beiden bei ihrem Gespräch... bevor sie eine ihrer Eulen hieß, leicht mit den Flügeln zu schlagen, um so die beiden Sterblichen von einer angenehm warmen Brise umschmeicheln zu lassen. Dann lenkte sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Geschehnissen um den Sieger des Bürgerkriegs und künftigen Kaiser Roms.

  • Die Worte des Verus wogen schwer. Offensichtlich hatte sich das Leid der Tiberier über große Distanzen ausgebreitet, so dass nicht einmal eine gute Familie in der Provinz verschont blieb. All dies hätte wahrlich Anlass zu pessimistischer Verstimmung geben können, doch Lepidus fühlte sich in der Nähe des Minerva-Tempels äußerst wohl und mit diesem wohligen Gefühl stellte sich eher eine trotzige Euphorie ein. "Ich bedauere dein Unglück. Es ist eines von vielen in einer langen Kette, die dieser Bürgerkrieg mitgezogen hat. Doch Kopf hoch, wir sind immer noch die Tiberii und mit dem Tode Salinators sind wir von einer großen Plage befreit worden." Lepidus war sich zwar bewusst, dass dies die Landgüter des Verus auch nicht mehr zurückbringen konnte, aber was half in diesen Tagen alles Klagen? Hauptsache war wohl, dass sie überlebt hatten."Marcus Tiberius Antoninus" wiederholte Lepidus leise und dachte nach. "Nein, ich kann mich auch an den Namen deines Vaters nicht erinnern. Wir sollten bei Gelegenheit einen Blick in den Familienstammbaum werfen. Meinen Cousin Durus habe ich im Übrigen kaum gekannt, weshalb er mir nie von euch erzählen konnte, doch als ich zu Beginn des Krieges von seinem Tode erfuhr, bin ich umgehend nach Rom zurückgekehrt, um mich um alles zu kümmern. Ich war zu dieser Zeit ebenfalls in Achaia, um meine Ausbildung abzuschließen. Nach dem hohen Blutzoll, den unsere Familie mit Durus, Tiberia Arvinia und letztlich auch mit Tiberia Albina zu zahlen hatte, gab es niemanden mehr, der unsere römischen Besitzungen verwalten konnte. Als Cousin von Durus war ich dafür noch der naheliegendste Verwandte." So hatte er Verus auch gleich einen Eindruck verschafft, wie es derzeit aussah und was er hier in Rom tat. "Ich musste mich um die Wiederherstellung unseres Rufes kümmern und jetzt mit dem Tode Salinators wird wohl auch das Bild von Durus, der bislang als Verräter gebrandmarkt war, weil er angeblich irgendetwas mit dem Tode Valerians zu tun gehabt haben soll, wieder ins rechte Licht gerückt. Zumindest hoffe ich das inständig." Es sprach zumindest nicht viel dagegen und auch für diese geschichtliche Bereinigung wurde die Ankunft Palmas seitens der Tiberia sehnsüchtig erwartet. "Derzeit wird die Villa Tiberia nur von mir und meiner Schwester Tiberia Lucia bewohnt - sozusagen die letzten Überlebenden der Tyrannei Salinators. Hast du ebenfalls noch weitere Familie mit nach Rom gebracht? In welchem Teile Roms bist du untergekommen?"

  • Verus nickte verstehend auf die Ausführungen zu Lepidus' Lebensgeschichte, vorgetragen in einem schnellen Abriss. Eine merkwürdige Erleichterung erfasste Verus. Scheinbar wurden mit dem sanften Wind, der um sein Gesicht zog, die Sorgen hinweg gewischt. Der Patrizier fand in diesem Gespräch wieder Vertrauen ins Leben und auch Vertrauen in Lepidus. Der Moment war seltsam, dass man einen göttlichen Hauch vernehmen konnte, der beide Sterblichen zusammen warf. "Ich hoffe, dass der neue Kaiser dieses Unrecht aus der Welt schaffen wird. Unsere Familie musste viel durchmachen. Die Verluste sollen nicht ungesühnt sein," sagte er noch ernstlich, bevor er in den Himmel blickte. Ein klarer, fast wolkerfreier Horizont erstreckte sich vor ihm. Dieser Anblick machte ihm Mut, denn Verus wusste, dass die Sonne jeden Tag auf das Neue aufging und ihn sowie seine Familie nicht so schnell verlassen würde. Der Tiberier ließ seinen Blick wieder hinabfallen. Er wollte nicht auf die Verluste und Toten der Familien eingehen, da er nicht in die trüben alten Gedanken verfallen wollte. "Wir können nur in die Zukunft gehen. Ich hoffe, dass ich hier ein neues Leben finde," formulierte er ehrlich, während sich seufzend Luft durch seine Nase schob. "Eine große Aufgabe hast du dir vorgenommen, Lepidus. Eine sehr große, will ich meinen. Doch du bist nicht mehr allein. Ich denke, dass ich dich unterstützen werde, sobald ich wirklich in Roma angekommen bin." Er nickte ernstlich und legte seinem Verwandten seine Hand auf die Schulter. "In aller Freundschaft, in römischer Treue, stehe ich dir bei." Es war fast ein Treueschwur, den er dort sprach, während er ihm loyal in die Augen blickte. Verus war es ernstes Anliegen, seine Gens zu unterstützen, da er nie wieder vertrieben werden wollte. Nie wieder sollte Chaos herrschen und nie wieder sollte sich der Pöbel über das Recht stellen. Verus nickte noch einmal ernst, bevor er sich wieder ein Lächeln abrang und die Hand von seiner Schulter zurücknahm. Er fragte nach seiner Familie. Eine willkommene Themenverlagerung. "Wir leben derzeit recht bescheiden in Trans Tiberim in einer Insula. Ja, meine Frau und unsere Nichte. Beides Decima Frauen, welche aber unschuldig in Belangen ihrer Familie sind, dafür bürge ich." Wieder schnitt er den Makel ihres Namens an. Er hatte bereits von vielen Stellen erfahren, dass die Decima auf lange Sicht als illoyale und korrupte Gens gelten wird, die sich einem falschen Kaiser unterworfen hat, um Privilegien zu erheischen. Verus gab zwar nichts auf diese Gerüchte aber auch er kannte die Berichte über die Taten des Praefectus Praetorio oder andere Decima. Kurz schloss er seinen Mund, schwieg und sagte dann: "Meine Frau trägt den Namen Decima Calena und ihre Nichte Decima Flaminina." Warum wechselte er jetzt das personen-anzeigende Fürwort? Von uns zum ihr? Vielleicht fürchtete er sich vor dem Fluch des Namen "Decimus" in diesen wirren Tagen oder auch war er schlicht in diesem Moment zu feige dazu zu stehen. Gedanklich schämte sich Verus, nicht genug Stand bewiesen zu haben und so warf er ein: "Sie sind gute Frauen, die mit Salinator nichts zu schaffen hatten." Jedes Wort war nun zu viel, also brach er ab und schnitt ein anderes Thema an: "Kennst du einen guten Advocatus? Ich möchte vom römischen Staat meine Verluste durch den Verräter Salinator einklagen. Immerhin kann man uns einen Teil aus seinem üppigen Privatvermögen erstatten? Vielleicht auch von den anderen Verrätern, wie den Decima, Iunia, Iulia et cetera? Eine gerechte Sache wäre das." Vielen Namen, die Salinator korrumpiert hatte. Wieder eine rationale Angelegenheit, die Verus beruhigte und das Gespräch in seichtere Gewässer lenkte. Geld - nun redete er doch über Geld, was ihn leicht grinsen ließ.

  • "Den Beistand können wir hier gut gebrauchen. Vielen Dank für deinen Willen zur Unterstützung", sprach er nur kurz nach dem Treueschwur von Verus. Dabei fasste er Lepidus auf die Schulter und leider musste dieser darauf wieder feststellen wie unangenehm ihm körperliche Berührungen waren. Zum Glück nahm er sie bald wieder runter. Immerhin kannte er diesen Menschen auch erst seit einigen Minuten. So viel verwandtschaftliche Zuneigung hätte er da noch gar nicht erwartet. Er würde sich deshalb wohl auch noch nicht allzu sehr auf ihn verlassen. Das brauchte bei Lepidus schon etwas mehr Zeit. Darüber hinaus hatte ein Neuankömmling in Rom auch erst einmal andere Sorgen. Das war Verus vielleicht noch gar nicht so richtig bewusst, dachte sich Lepidus jedenfalls.


    Als er von der mitgebrachten Verwandten erfuhr, spitzte er schon sehr die Ohren. "Du hast dir also eine Plebejerin gegönnt? So so. Wollen wir mal wirklich hoffen, dass sie keine allzu starken Verbindungen zu jenen haben, die derzeit im Kerker schmoren." Lepidus bekam das nicht wirklich. Nicht nur, dass er vielleicht auch noch heimliche Salinator-Treue in der Familie hatte, nein, auch Plebejer haben sich dazu geschlichen. Zumindest war ihm nicht bekannt, dass es eine patrizische Linie der Decima geben würde. Naja, die Zeiten, wo man es noch so genau nehmen konnte mit der Heirat aus edler Geburt waren ja auch längst nicht mehr so relevant, wie ja überhaupt der gesamte Patrizier-Stand marginalisiert wurde. Aber Lepidus hing gern einem großen Ideal hinterher, einem Ideal, was ihn als was Besseres auszeichnete und was ihn wohlweislich abgrenzte von allem üblichen. Doch womöglich konstruierte er sich da auch ein Ideal, welches es so niemals gegeben hat. Dennoch würde er Verus und ganz besonders dessen Frau sehr skeptisch betrachten. "In jedem Fall sehr schön, dass ihr untergekommen seid. Falls ihr meine Hilfe braucht - gerade was die Orientierung in Rom angeht, kann ich sicherlich behilflich sein. Was einen Advocatus angeht: Ich selbst bin zwar einer, aber bisher hatte ich noch nie einen Fall. Wenn du einen erfahrenen suchst, dann schau mal bei der Basilica Ulpia vorbei. Dort müsste irgendwo eine Liste aushängen. Ich bin mir aber gar nicht sicher, ob so etwas Bestand haben wird. Sobald Palma hier ist wird er wohl das ein oder andere Edikt erlassen, welches das Reich in die Nachkriegszeit überführt. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, dass ein großes Mästen der Verräter geben wird. Wahrscheinlich wird Palma eher im Sinne der Clementia Caesaris vorgehen. Zumindest ist das meine bescheidene Vermutung."


    Ob dadurch nicht aber alle herabgewürdigt werden, die zum Cornelier gehalten haben, war wieder eine andere Frage. "Was hältst du davon, wenn ich dich für morgen zur Mittagsstunde in die Villa Tiberia auf dem Esquilin einlade? Ich würde mich freuen, deine Familie kennenzulernen und meine Schwester Lucia wäre sicherlich auch sehr begeistert von verwandtschaftlichem Besuch. Wir könnten uns dann über die Zukunft unterhalten und auch einen Blick in den Stammbaum werden."

  • "Gegönnt? Ich gönne mir keine Ehefrau," sagte Verus mit einem gereizten Unterton, da er es nicht mochte, dass man seine Frau als billige Lupae abtat. "Sie kann keine Verbindungen haben, da sie ja bei mir war und von Salinators Schergen ebenso vertrieben wurde, wie ich. Sie wurde faktisch von ihrer eigenen Familie verraten," musste er klarstellen. "Ich hoffe, dass sie erkennt, dass sie mit ihrer Gens brechen muss, um unsere Ehre rein zu halten." - Schob er noch hektisch nach, um sich selbst ein wenig aus der Affäre zu ziehen und Lepidus zu zeigen, dass er ganz Salinator-Gegner war. Immerhin war dieser Tyrann für seine jetzige Lage verantwortlich und die war bekanntlich miserabel.


    "Ich werde mir die Liste gerne ansehen und bei Bedarf einen Advocatus mandatieren," sagte er wieder in einem normalen, sonoren Tonfall, der ihm sein Eigen war. Seine Stimme war zwar jung aber dennoch schwamm eine gewisse Tiefe in ihr; die andere als gute Stimmelage sowie Stimmfarbe bezeichnen würden. Eine Stimme, die deutlich war. "Wenn unser baldiger Princeps, ich will nicht sagen -Herrscher-, wirklich danach handelt, können wir davon ausgehen, dass wir Tiberier die Kriegslast alleine tragen müssen, ohne eine Entschädigung oder einen Neuanfang," sorgte sich Verus offen, denn ein solches Verhalten des Kaisers würde zwar seine Stellung beim Volk stärken aber keine echte Gerechtigkeit herstellen, im Sinne der Iustitia. "Doch leider liegt das nicht bei uns. Wir können nur hoffen, dass es nicht noch schlimmer wird." Wieder seufzte er. Rom entpuppte sich als größer und auch komplexer als gedacht. Umso mehr freute ihn die Einladung von Lepidus, so dass er kurz seine Mundwinkle nach Oben wandte. Er nickte eifrig. "Gerne, ich freue mich darauf," antwortete er forsch. Seine Schwester trug also den Namen -Lucia-. Verus versuchte sich diesen Namen für später zu merken.

  • "Haha", Lepidus lachte freudig in Anbetracht der Tatsache, dass er sein gegenüber ein wenig gereizt hatte. Er klopfte ihm nur ganz kurz auf die Schulter, bevor er ihm antwortete. "Ach, Verus, sei doch nicht gleich so gereizt. Meine Wortwahl ist manchmal etwas unpräzise, aber doch niemals böse gemeint." Das sollte jedenfalls glauben, wer wollte. "Ich bin sicher, da werden keine Schwierigkeiten bestehen. Ob sie mit jemandem bricht oder nicht, das überlass ich euch. Wenn der Kaiser Gnade walten lässt, dann bin ich niemand, der diese Autorität hinterfragen wird", fügte er noch hinzu. Das, was der Kaiser letztlich unternehmen würde, war noch nicht abzusehen. Man würde wohl einfach warten müssen, bis es geschah und sich dann beugen, zumindest hielt das Lepidus für den elegantesten Weg.


    Zufrieden stellte er fest, dass Verus seine Einladung akzeptierte. "Über die große Politik können wir uns dann gern auch noch beim Essen in der Villa unterhalten. Bis dahin werde ich mich einfach auf dein Erscheinen freuen. Ich werde Lucia veranlassen, euch einen sehr schönen Empfang zu bereiten. Es wird eine wahrhaft freudige Familienzusammenführung, dessen sei dir sicher."

  • Verus beruhigte sich in der Tat schnell, da ihm das cholerische Element fehlte, was seinen Vater einst ausgezeichnet hatte. Der junge Patrizier war ein ruhiger Mann, welcher selten aus der Haut fuhr. "Unrpäzise?" Er zog die linke Braue hoch, nickte dann abschließend und deutete vor sich; eine Geste, dass man ruhig sowie entspannt weitergehen konnte. "Belassen wir es. Du wirst meine Frau bald kennenlernen und dir selbst ein Bild machen können," sprach der Tiberier und schloss mit diesem Thema ab.


    Der neue Kaiser? Wahrlich ein Thema, das diskutiert werden sollte, auch weil Verus an dieserlei Dinge Interesse gefunden hatte und er gut darin war, Gesellschaften und die Macht darin als solche zu verstehen. Er redete einfach gern über Politik, zumal sie nun in dieser brisanten Zeit immer einen Hauch Spannung bot; im Gegensatz zu seinem sonstigen Alltag, der recht dröge war. "Ich werde mit meiner Familie dann morgen bei dir sein. Sollen wir irgendetwas mitbringen?" Eine normale Frage, da Gastgeschenke in seinen Kreisen üblich waren.

  • Ein Glück hatte sich Verus schnell beruhigt. Es war doch nichts wichtiger als einen kühlen Kopf zu behalten. Er nickte und war immerhinn wirklich schon ein wenig interessiert, welches Bild er sich denn nun der Frau machen würde.


    "Ach, keine Umstände", wank der Tiberier dann gleich ab. "Es ist für alles bestens gesorgt und Geschenke würden ja ohnehin in der Familie bleiben, nicht wahr?" Eine sehr nette Geste, aber dem Tiberier war auch beim besten Wille nicht eingefallen, was er sich wünschen würde. Abgesehen davon hatte er noch im Hinterkopf, dass es seinem neuen Verwandten in Anbetracht des Verlustes seiner Güter finanziell derzeit sicher nicht allzu gut gehen würde. Von daher konnte er da mit gutem Gewissen sagen, dass das schon in Ordnung gehe. "Ich nehme an, du wirst deine ursprüngliche Absicht eines Opfers nun nachgehen? Ich wünsche dir dafür in jedem Fall noch viel Glück und ich freue mich bereits auf den morgigen Tag." Soweit sein Zeichen, dass sie sich nun verabschieden konnten.

  • "So ist es, Lepidus," antwortete Verus, während er sich bereits leicht zum Tempel hinauf wandte. "Ich werde Geschenk genug sein," scherzte der Tiberius mit einem breiten Grinsen und nickte dann abermals freundlich. "Ein kleiner Scherz," schob er nach, um nicht als kindlicher Witzereißer zu gelten; zumindest nicht vor seinem Verwandten. "Ja, ich werde Minerva noch danken und dann wohl nach Hause aufbrechen, um meiner Frau beim Einrichten zu helfen. Die neue Wohnung entspricht zwar nicht dem Standard unseres Standes aber wir versuchen das Beste daraus zu machen." Ein bisschen Wehmut lag in seiner Stimme. "Wir sehen uns morgen," nickte er ab und ging dann einen Schritt an ihm vorbei aber nicht ohne ein freudiges "Vale!" zu rufen.

  • Es war kaum ein Tag vergangen. Oder zwei. Dabei fühlte es sich an wie mindestens drei! Nachdem ich bei den Feierlichkeiten zur bestandenen Wahl das Favius Scato auf die Kaiserin getroffen war, war meinem Frohsinn kein Ende mehr zu setzen. Nachdem ich daheim angekommen war, sagte ich sogleich zu unser treuen Sklavin Columbana, dass ich noch gut und gerne einen guten Becher Faustianer vertragen könnte. Sie brachte sie ihn auch sogleich. Ob dieses Hochgefühls war mein Verlust, den mir Scipio und Nelia beigbracht hatten, nur noch halb so schlimm. Fast vergessen war er nach einer halben, kleinen Amphore des köstlichen Getränks.
    Doch auch diese Episode war nun in den Hintergrund gerückt, denn ich war im Begriff meine Zukunft mit beiden Händen zu erfassen, sie zu meinem Mund zu führen und sie quasi… zu schmecken. Endlich, endlich, endlich war es so weit und ich konnte die Stufen zu einer Karriere erklimmen, die wohl ihresgleichen suchen würde. So weit war ich zumindest in meinen Gedanken. Ich grinste auf dem Weg zum Minervatempel und selbst mein defizitäres Knie machte heute erstaunlich wenig Schwierigkeiten. Das war wohl das Gefühl des Aufwinds! Ich war glücklich.
    “Muckel… das wird wunderbar!“, prophezeihte ich.
    Oh ja! Ich konnte mich noch gut an den Hauch des Göttlichen erinnern, der mir widerfahren war als ich im Flavischen Anwesen stand. Die Kaiserin sehen und meine – die mir liebste – Göttin erfühlen. Was wollte ein Mann wie ich mehr?
    “Wirklich wunderbar,“ wiederholte Muckel meine Worte und ich seufzte glücklich.
    “Ich werde die höchsten Höhen erstürmen!“, erklärte ich weiter. “Ich fühle es, das ist der Beginn aller Tage...Mein erster Tag auf dem Olymp!“ Ich strebte die Stufen zum Minervatempel hinauf und rückte meine Kleidung zurecht, ehe ich eintrat. Weihrauchgeruch schlug mir entgegen, doch dieses Mal kam dieser mir vor wie der Duft zukünftiger Welten. Ich strahlte innerlich wie äußerlich und schaute mich im Inneren des Tempels um, ob ich nicht irgendeinen Offizialen erspähen konnte. Doch was sollte ich sagen? In Anbetracht der Lage war es mir vollkommen egal. Ich war hier. Ich war jetzt. Und ich wollte eben was ich wollte. Ich wollte Minerva dienen und meinem Imperium. Ich wollte der Kaiserin dienen und meiner Familie. Und ich wollte mein Ego endlich wieder einmal so streicheln, als wäre es kein bissiger Hund.

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