[Capitolium] Templum Iovis Capitolini

  • Ein Opferstecher stand nicht bereit, weil Menecrates selbst opfern wollte. Die Vorfahren seiner Vorfahren hatten dies schon getan, ganz ohne Priester und Helfer. Als Harigastus mit dem Tier herangetreten war, ließ sich Menecrates Wein reichen, um ihn über den Kopf des Widders zu gießen. Der Widder schüttelte sich, aber er musste ruhig stehen, weswegen gewartet werden musste. In der Zwischenzeit betete Menecrates still. Endlich stand der Widder ruhig, sodass Menecrates ihm mit dem Opfermesser über den Rücken streichen konnte.


    "Iuppiter, sei geehrt durch den Weihrauch, sei geehrt durch dieses Tieropfer", murmelte er, dann schoss seine Hand zu den Hörnern des Widders, während die andere den Kehlschnitt ausführte. Das überraschte Tier kam nicht mehr dazu, Widerstand gegen die festhaltende Hand zu verüben, als es auch schon zu Boden sank. Menecrates führte die Handgriffe flink und gleichzeitig überlegt aus. Man konnte die Routine erkennen. Er hatte längst die Hörner losgelassen und eine Schale unter die geöffnete Halsschlagader gehalten, um das Blut aufzufangen. Die nachfolgende Eingeweideschau ergab ein beruhigendes Ergebnis.


    "Harigastus, ein Teil des Fleisches soll im Tempel verbrannt werden, einen anderen Teil sollen die Priester bekommen. Bringe Blut und Fleisch zu ihrem Bestimmungsort." Bei ihm hatte Menecrates den Eindruck, als kenne er sehr wohl heilige Handlungen, denn er stand ihnen mit dem nötigen Respekt gegenüber.


    Als Harigastus gegangen war und Menecrates erneut die Götter um ihr Wohlwollen für die Wahl beteten hatte, blickte er zu Morrigan.
    "Die weiße Ziege zur Ehrung Iunos ist an der Reihe."

  • Sie hielt den Hahn wieder in ihren Händen. Manuel musste Mola Salza holen.
    Das Federtier war hungrig gewesen. Nach den Brotkrümeln hackte er nicht mehr. Er ließ sich übers Federkleid streichen und gackerte vor sich hin.


    Blutige Opfer waren bei sehr wichtigen Angelegenheiten üblich. Dominus Menecrates wollte ganz sicher gehen, dass die Götter ihm ihr Wohlwollen zukommen lassen. Minerva war zudem auch die Göttin, die Mansuri verehrte. Heimlich hatte sie zwei kleine Kuchen, Datteln und eine weiße Lilie mitgebracht. Nach den blutigen Opfern, wollte sie Minerva opfern.

  • Wulfgar beobachtete die Opferung. Als das Blut des Tieres in der Schale war und nur noch kleine Tropfen aus dem Tier kamen, richtete sich Menecrates auf und gab Wulfgar weitere Anweisungen, was mit Blut und Fleisch geschehen sollte. Er nickte Menecrates zu und Schulterte das tote Tier. Dieses brachte er zu einem Tempeldiener und gab die Instruktion weiter, was Menecrates wollte, was mit dem Fleisch zu geschehen hatte. Dann holte er die Blutschale und wiederholte den Befehl dazu.
    Als dies geschehen war, stellte er sich wieder zu den anderen und wartete auf weitere Befehle.

  • Ah das Essen wurde geschlachtet. Fein, dann konnte man ja blad wieder zur Villa gehen.
    Nur warum die Biester hier hoch geschleift wurden... Man hätte die auch gut in der Villa schlachten können. Und seit wann machte der Chef das selbst? Nun ja ihr sollte es egal sein.
    Sie ging mit der Ziege zu Menecrates.

  • Die Opferung nahm denselben Verlauf wie bei dem Widder. Die gereinigte Ziege für Iuno wurde von Menecrates vorsichtig mit dem Opfermesser berührt. Er achtete darauf, dass das Tier nicht unnötig unruhig wurde, als er ihm über dem Rücken strich. Sein Blick erfasste die aufmerksamen Augen, die wie Edelsteine im schneeweißen Fell wirkten. Der aparte Bart und die goldenen Hörner ließen die Ziege fast aristokratisch wirken. Sie stellte ein würdiges Opfertier für Iuno dar.


    "Iuno, sei geehrt durch den Weihrauch, sei geehrt durch dieses Tieropfer." Seine Hand griff im nächsten Augenblick ein Horn der Ziege und das Messer trennte die Halsschlagader durch. Wieder fing Menecrates Blut und Tierkörper auf - bedacht darauf, seine Toga möglichst schonend zu behandeln. Ein ungünstiges Kleidungsstück, wenn man selbst opferte, aber er hatte es so gewählt.


    Langsam senkte er den Tierkörper ab, als die Blutung annähernd zum Stillstand kam. Er atmete durch.


    "Harigastus, nimm Morrigan den Weg zu den Tempeldienern ab. Die Aufteilung des Fleisches soll dieselbe sein: jeweils die Hälfte für die Götter und die Priester." Der Sklave war nicht nur kräftiger, es schien auch so, als wäre er besonders einfühlsam was Götteropfer betraf. Eine Seite, die Menecrates nicht an ihm vermutet hätte, die ihm jedoch gefiel.


    "Mansuri, der Hahn für Minerva folgt."

  • Der Hahn saß ruhig in ihrer Armbeuge. Sein Gefieder glänzte in der Sonne. Sein Schnabel leuchte gelb und sein Kamm in einem tiefen Rot. Ein schöner Hahn für Minerva. Ihre kleinen Opfergaben dazu, das durfte die Göttin nicht kalt lassen.
    Sie ging mit dem Hahn, dem sie nochmal über das Gefieder streichelte, zu Menecrates. "Nimm das Opfer wohlwollend an Minerva." flüstert sie zum Hähnchen.

  • Als Mansuri mit dem Hahn herantrat, bemerkte Menecrates die besondere Hingabe der Sklavin. Wollte sie etwa aus persönlichen Gründen auch etwas opfern? Er war sich dessen nicht sicher, hielt einen Moment Blickkontakt, was eher unüblich war, dann wandte er sich der eigenen Opferung zu. Der Hahn zeigte keinerlei Scheu oder Aufregung, das mochte an Mansuri gelegen haben. Sein Leben ging für ihn schnell und relativ schmerzlos vorbei, während Menecrates murmelte: "Minerva sei geehrt durch den Weihrauch, sei geehrt durch dieses Tieropfer.
    Ihr Götter, nehmt meine Gaben an, ein unbedeutender Mensch bittet euch um euer Wohlwollen."


    Er wandte sich wieder Mansuri zu. "Bist du in der Lage, die Opfergabe anstelle von Harigastus abzunehmen?" Er flüsterte, um den Moment nicht noch durch Lautstärke, wenn schon durch eine profane Frage zu belasten. Ruhe lag dennoch über der Freifläche vor der Tempelanlage. Die herbstliche Sonne blinzelte durch Wolkenschleier.

  • Sie nickte. Worte waren in diesem Augenblick nicht nötig. Sie übernahm den Hahn und die Schale und ging zu den Tempeldienern. Auf dem Weg holte sie ihre Opfergaben hervor. "Minerva nimm diese kleinen Gaben dazu." Sie übergab erst den Hahn und die Schale mit Blut. Es sollte genauso verfahren werden wie mit Widder und Ziege. Danach die kleine Gaben von ihr , die zwei kleinen Kuchen, Datteln und die weiße, am Morgen frisch geschnittene, Lilie. Als dies Geschehen war ging sie zurück zu den Wartenden. Die Opfer waren erbracht. Jetzt lag es beim Götter-Trias.

  • Nun war es also soweit. Ein großes Opfer für Iuppiter sollte den Abschluss und zugleich Höhepunkt der vorangegangenen praktischen und theoretischen Ausbildung des Flavius Flaccus durch die Aedituae Iunia Serrana und Pedania Iunor bilden. Mit einigen Sklaven und einem prächtigen weißen Widder im Schlepptau war der hagere Flavier auf den höchsten Hügel der ewigen Stadt, das Capitolium, zum großen Tempel der Trias gepilgert. Einige neugierige Blicke hatte die Prozession wohl auf sich gezogen, vor allem der prächtig mit roten und weißen Bändern und Gold und Silberstaub herausgeputzte Widder zog die Augen des gewöhnlichen Volkes förmlich auf sich, im Grunde jedoch erregte der kleine Zug nicht außerordentlich viel Aufsehen, handelte es sich doch um etwas Alltägliches und Gewöhnliches, dass ein junger Mann den Göttern opferte. Manch einem war vielleicht sogar der Gedanke gekommen, dass das Opfer in Zusammenhang mit den kürzlich stattgefundenen Wahlen stehen mochte, eine Erwägung, die den Überlegenden jedoch auf eine völlig falsche Fährte setzen würde. Nicht der Wunsch nach politischem Erfolg war es, der den Flavier im strahlenden Sonnenschein, doch dennoch herbstlich frischen Wind, auf das Capitolium trieb.


    Vor dem gewaltigen, von Marmor und prächtigen Farben strahlenden und durch Blumen und blühende Girlanden geschmückten Tempel Iuppiters angekommen, erklomm Flaccus die letzten Stufen zum Tempeleingang und den Kollonaden hinauf in gemessener Ruhe. Auf dem Podest des Tempels angelangt, trat er zwischen den mächtigen Säulen hindurch und blickte sich um. Die mit den Gaben für das Voropfer bestückten Sklaven waren ihm in angemessenem Abstand mit demütig gesenktem Kopf gefolgt, während der Rest mit dem gewaltigen Widder am Vorplatz des Tempels wartete. Tief holte der schlanke Flavier Luft, bevor er sich umwandte und bestimmt zwischen den Pfosten des Eingangs hindurch trat.


    Sofort umfing Flaccus die beruhigende und mächtige Aura des Tempels, der Geruch verbrannter Harze, das dämmrige Licht unzähliger Öllampen. Einen Moment lang schloss der junge Mann die Augen und ließ die nahezu greifbare Atmosphäre göttlicher Macht ehrfürchtig auf sich wirken. Sodann trat er auf das Becken mit frischem Wasser herantrat, um sich zu reinigen. Zunächst nur seine Hände in Berührung mit dem kühlen Naß bringende, benetzte er sodann auch sein Antlitz, um tatsächlich völlig rein und würdig das folgende Opfer vollbringen zu können. Nun zog er in einer langsamen Bewegung einen eine Falte seiner Toga, die er zu diesem wichtigen Anlass natürlich angelegt hatte, über sein Haupt und trat näher, zum gewaltigen Bild des Gottes und seinem Altar. Einen Moment blieb der Flavier reglos stehen, bevor er zunächst den Weihrauch aus den Händen eines Sklaven entgegennahm. Aus seiner flachen Hand ließ die Körnern auf die glühenden Kohlen der Feuerschalen zu Seiten des Altars rieseln, während er mit seinem Blick die aufsteigenden Schwaden des wohlriechenden Rauchs beobachtete und seine Handflächen gen Himmel richtete.


    "Iuppiter Optimus Maximus! Du Herrscher über Himmel und Erde, Wahrer des Rechts unter Menschen und Göttern, du, der du Wachstum und Reichtum bescherst, aus deinem himmlischen Wohnsitz begib dich hinab, das Gebet eines Sterblichen erhöre! Quintus Flavius Flaccus steht vor dir, Sohn des Cnaeus Flaccus, ein Spross jener gens, die dir immer treu gedient hat. Um dir zu danken für die glückliche Reise und um Segen für Rom und meine Familie zu erbitten, stehe ich vor dir und flehe: Nimm mein Gebet an!"


    Wieder wandte der junge Mann sich um und nahm nun die patera mit Wein entgegen. Einige Tropfen ließ er zunächst auf den Boden des Tempels fallen, bevor er den Rest in die, am Altar bereitstehenden Schalen goß. Sodann gab er die nun leere patera wieder dem Sklaven zurück und nahm Früchte und kleine Kuchen von einer hübschen Sklavin entgegen. Auch sie (die Gaben, nicht die Sklavin) platzierte er am Altar, bevor er erneut zum mächtigen Bild des Gottes aufblickte.


    "Iuppiter, du Bester, du Größter! Nimm diese Gaben an: den Wein, die Früchte und den Kuchen, die ich dir darreiche zur Ehre deines Namens und neige meinen Bitten dein Ohr gnädig zu! Bewahre dieser, deiner Stadt Wohlstand und Reichtum! Sichere Frieden und Macht und lass die Bürger in Eintracht leben! Wende alle Not ab von den Frommen und beschere ihnen ein glückliches Leben!"


    Eine Drehung nach rechts bildete den Abschluss des Gebets und gleichermaßen den Auftakt für den zweiten Teil des Opfers. Nicht sogleich, aber schon bald nachdem er geendet hatte, wandte Flaccus sich endgültig um und trat aus der göttlichen Atmosphäre des Tempels hinaus an die frische Herbstluft. Noch immer standen die restlichen Sklaven mit dem stolzen Widder an der befohlenen Stelle und harrten des Fortgangs des Opfers. Flaccus selbst ließ den kühlen Wind einen Augenblick lang durch sein Haar streifen, bevor er sich anschickte, die Stufen des Tempels hinab zu steigen, um das Opfer zu vollenden.

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    Pedania Iunor



    Kurz vor dem Flavier und seinen Begleitern waren auch Serrana und Pedania Iunor am Tempel des Iuppiter auf dem Capitol angekommen. Die Iunia, der man ihre fortgeschrittene Schwangerschaft mittlerweile deutlich ansah, verabschiedete sich jedoch bereits ausserhalb des Heiligtums wieder von ihrer Priesterkollegin, um dort den Ausgang des Opfers abzuwarten, während Pedania ihrem Schüler in den Tempel folgte und dort ebenfalls als erstes die rituelle Reinigung vollzog. Ruhig und äusserlich völlig unbewegt verfolgte sie die einzelnen Handlungen des Flaviers, achtete auf jedes Wort, jede Bewegung und nickte kaum merklich, als dieser mit einer Rechtsdrehung das Voropfer beendete und sich nach draussen zu dem von ihm ausgewählten Opfertier begab. Bisher war alles reibungslos verlaufen, und Pedania war sich relativ sicher, dass sie auch weiterhin nicht würde eingreifen müssen, schließlich hatte Flavius Flaccus sich in den letzten Wochen und Monaten als ausgesprochen aufmerksamer und lernbegieriger Schüler erwiesen.

  • Dass die ehrwürdige Aeditua Pedania Iunor ihm ins Innere des Heiligtumes gefolgt war hatte der junge Flavier zwar wahrgenommen, jedoch keine weitere Aufmerksamkeit darauf gerichtet. Sie würde ihn bei diesem Opfer nicht unterstützen, wiewohl hoffentlich rettend eingreifen, sollte sich der Discipulus einen allzu großen Fehler erlauben - eine Überlegung die wohl nahezu gänzlich dem Bereich des Unwahrscheinlichen zuzuordnen war, eingedenk der Sorfalt und Perfektion, die der junge Mann aus Überzeugung in alle seine Taten und Worte - mochten sie anderen auch noch so nichtig erscheinen - zu legen pflegte. Und so war das Voropfer (und damit der für Flaccus auch interessantere Teil des großen Opfers - fand er doch im intimen Rahmen des Tempels statt, gleichsam einem persönlichen Dialog mit der Gottheit) auch bald glücklich vollbracht und als der hagere Flavier bedächtig die Stufen des Tempels wieder hinab stieg und derweilen seinen wachen Blick über die Ansammlung an Menschen im großen Vorhof des Tempels streifen ließ, wurde er der Iunia Serrana gewahr, der er ein flüchtiges Lächeln schickte. Wiewohl sicherlich auch sie keinerlei Zweifel am Können des ihr anvertrauten Discipulus gehegt hatte, mochte dieses erleichterte Zeichen doch die Botschaft vermitteln, dass, zumindest Flaccus' eigenem Ermessen nach, bisher alles perfekt abgelaufen war.


    Wieder am Fuße des Tempels und gleichsam am Boden der Tatsachen angekommen, trat Flaccus auf den Widder zu. Obwohl sich die bisher regen Gespräche am Tempelhof bereits auf ein deutlich leiseres Maß reduziert hatten, tönte es von irgendwo her: "Favete linguis!", womit auch die letzten geflüsterten Gespräche endgültig verstummten. Lediglich die meditativen Klänge der tibicines und fidicines erfüllten nun den Hof, sowie die sanften Geräusche des aufkeimenden Windes, die die Musik weit über die Grenzen des Tempels hinauszutragen schien. Die gespannten Blicke aller Augen ruhten auf dem jungen Flavier, der ruhig an den Altar und den davor fixierten Widder trat und zunächst die mola salsa entgegennahm und damit, wie es Sitte war, nicht nur das Opfertier bestreute, sondern auch den culter sowie die anderen für die Opferhandlung benötigten Gerätschaften. Anschließend nahm er auch noch ein Kännchen Wein zur Hand, trat erneut an den Widder heran, der ihn aus trägen Augen ansah - nicht umsonst hatte man ihn im Vorfeld der Opferhandlungen mit geeigneten Kräutern seiner übersprudelnden Vitalität beraubt, und ließ den blutroten Inhalt langsam zwischen die Hörner des Tieres rinnen. Ein tiefroter Fleck bildete sich am strahlendweißen Haupt des großen Tieres, vom Blut, das schon in wenigen Augenblicken fließen würde, kündend. Das nunmehr leere Kännchen wieder einem der ministri reichend und stattdessen das Opfermesser zur Hand nehmend, beugte sich der schlanke junge Mann, nachdem flinke Hände rasch den Opferschmuck entfernt hatten, nun über das Haupt des Tieres um einen Strich von der Stirn bis zum Schwanz zu ziehen.


    Nun breitete der hagere Flavier beide Arme aus und richtete Hände und Haupt gen Himmel, eine, trotz seiner Jugend durchaus ehrwürdige Erscheinung bietend. "Oh Iuppiter! Optimus! Maximus!", mit starker Stimme sprach er und seine Worte hallten durch den Tempelhof, "Hier steht vor dir Quintus Flavius Flaccus, Sohn des Cnaeus Flaccus um deine Kraft und Macht zu preisen. Du Herr über Himmel und Erde, Vollzieher des Schicksals, Mehrer von Reichtum und Wohlstand! Sieh diesen Widder an: ein gewaltiges Tier, einem so großen Gotte würdig! Er soll dir geopfert werden zu deinen Ehren und zum Preis deiner Macht!" Eine kurze Pause legte der Flavier hier ein, eingedenk seiner rhetorischen Ausbildung, dass Schweigen in einer Rede ebenso Platz finden musste, wie die kunstvoll aneinander gefügten Wörter. "Nicht um Schutz und Friede für mich oder meine Familie zu erbitten bin ich gekommen." Sein durchdringender Blick streifte die gaffenden Augen der anwesenden Menschenmasse, die wohl nur auf Teile des Opferfleisches hoffte. "Nein, die brennende Sorge um diese Stadt und ihre Bürger ist es, die mich hierher treibt! Viele Dinge mögen geschehen sein, die deine Gunst für sie gemindert hat. Sieh dieses Opfer als kleinen Teil und bescheidene Bitte an, um deinen rauchenden Zorn zu besänftigen, auf dass du den frommen Dienst der Stadt anerkennst und ihr eines Tages Ruhm, Ehre und Reichtum in alter Fülle zuteil werden!" Eine Wendung nach rechts schloss auch dieses Gebet ab und schon trat ein popa an das mächtige Tier heran. "Agone?", fragte er mit brüchiger Stimme. "Age!", forderte ihn Flaccus bestimmt auf und schon sauste der Hammer mit einem gewaltigen Schlag auf das Haupt des Widders nieder. Dieser schwankte benommen, doch schon ergriff ihn der junge Flavier mit festem Griff zwischen den Hörnern und durchtrennte mit einem tiefen Schnitt des culter die Halsschlagader des Tieres selbst. Als schlechtes Omen konnte der Blutfluss wahrlich nicht gewertet werden, denn jenes floss in Strömen. Eilig herbeigehuschte ministri fingen Teile der dunklen Flüssigkeit in Schalen auf, während der mächtige Leib des Widders noch einige Male zuckte, bevor er endgültig erschlaffte. Nachdem der cultrarius den schweren Körper zu Boden sinken gelassen hatte, reichte Flaccus ihm das Messer, damit dieser damit mehr oder minder fachkundig den Bauch des Tieres öffne und die Eingeweide nacheinander daraus entferne.


    Stück für Stück brachte jener die noch warmen Innereien zum Vorschein und reichte sie dem jungen Mann. Dieser ließ sich nichts von dem Ekel, der ihn beim Anblick des geöffneten Bauchraums und dem nunmehrigen Begutachten der Eingeweide befallen hatte, anmerken, mit steinerner Miene prüfte er akribisch genau jedes Organ um nach Defekten wie Rissen, Verhärtungen, Deformationen, Geschwüren oder auffälligen Flecken Ausschau zu halten.

  • Der Göttervater hätte nichts dagegen gehabt, wenn beim Voropfer des jungen Mannes nicht nur die Gaben, sondern auch die hübsche Sklavin im Tempel verblieben wäre. So musste er mit den wohlausgesuchten Gaben und preisenden Worten zufrieden sein. Das war er aber auch, denn auch der Widder war makellos.

  • Über alle Maßen sorgfältig und mit der, dem jungen Flavier in so außergewöhnlichem Maße eigenen akribischen Genauigkeit, prüfte Flaccus jedes einzelne Organ, drehte und wandte es in seinen nunmehr bluttriefenden Händen - die strahlende Toga war schon längst von den rostfarbenen Malen des Opfers übersät – auf dass ihm auch nicht die kleinste Unförmigkeit, der unscheinbarste Defekt entging. Dennoch schien Iuppiter dem jungen Mann gewogen zu sein, denn die Eingeweide widerstanden in ihrer Makellosigkeit dem prüfenden Blick des Flaviers, sodass dieser, nachdem das letzte Stück begutachtet worden war, sich zu seiner vollen Größe aufrichtete, mit fester Stimme verkündend: „Litatio“


    Nun übergab er auch das letzte Stück der Innereien des Widders dem assistierenden popa, der nun die wichtigsten Organe, unter ihnen Leber, Lunge und Herz, auf dem Altar verbrennen würde, während der größte Teil des genießbaren Fleisches hingegen in den Küchen des Tempels zubereitet und entweder in den cenacula auf dem Tempelareal verzehrt, oder aber in anderer Form unter das Volk gebracht werden würde. Konzentriert harrte er also noch am Altar aus, bis auch das letzte Stück der Eingeweide durch die Flammen in göttliche Sphären erhoben worden war, um schließlich zurückzutreten und erstmal erleichtert aufzuatmen. Es war ein großes, komplexes Opfer gewesen und er hatte es, völlig auf sich selbst gestellt, gut gemeistert. Mit einem Lächeln auf den Lippen blickte er gen Himmel, und siehe, in luftiger Höhe zog ein gewaltiger Adler in majestätischem Flug immer größer werdende Kreise, bis er sich schließlich dem Blick des jungen Mannes entzog und jenen dadurch zwang, seine Aufmerksamkeit wieder auf die Erde und in konkreter Weise auf die Schüssel mit klarem Wasser zu lenken, die ein Sklave ihm anscheinend schon seit geraumer Zeit demütig entgegenstreckte, auf dass der Opferherr nach vollbrachter Tat seine blutigen Hände wieder säubere. Dies tat der Flavier, dem Umstand gewahr geworden, auch unverzüglich, bevor er anschließend und im sicheren Gewissen, das Opfer nun endgültig abgeschlossen zu haben, seinen suchenden Blick über die anwesende Menschenmenge schweifen ließ.


    Schon nach einigen Augenblicken, fanden seine Augen das Ziel ihrer Suche in Gestalt der Aeditua Pedania Iunor, die, in einiger Entfernung stehend, das Opfer ihres Schützlings mit wachen Augen verfolgt zu haben schien. Ein erleichtertes Lächeln auf den Lippen, kämpfte Flaccus sich durch das rege Treiben, das schon wenige Augenblicke nach Abschluss des Opfers erwacht war - galt es doch nun, die besten Stücke des Opfertieres zu ergattern – zu seiner Magistra hin durch, um auch ihre Meinung (und vor allem ihr Lob) zu seinem erfolgreichen Opfer zu hören.

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    Pedania Iunor



    Aufgrund ihrer durchweg positiven Erfahrungen, die sie mit dem jungen Flavier bislang gemacht hatte, hatte die alte Priesterin einen negativen Ausgang des Opfers für so gut wie unmöglich gehalten. Dennoch atmete sie unmerklich auf, als am Ende der reibungslos verlaufenen Zeremonie das Litatio ertönte und entspannte sích erst jetzt völlig, während sie ihrem Schüler entgegensah und ihm bei seiner Ankunft anerkennend zunickte.


    "Das war ein wirklich makelloses Ritual, kein Wunder, dass Iuppiter dein Opfer angenommen hat. Behalte dir diese Sorgfalt und Gründlichkeit bei, dann wirst du den Göttern immer ein wohlgefälliger Diener sein, gleich welchen Rang du auch in Zukunft einnehmen wirst."

  • Sorgfalt und Gründlichkeit. Besonders die Hervorhebung dieser beiden Komponeten des Wesens des jungen Flaviers durch die ehrwürdige Aeditua erfreuten jenen zutiefst. Das Streben nach Perfektion in allen Dingen, das, in den Augen des Flaccus einem Streben nach Vollkommenheit gleichzusetzen war - denn schließlich war es die Ordnung, die das wirre Chaos in ästhetische Formen lenkte - schien auch ihm der bedeutendste Charakterzug seiner Person.


    "Ich danke dir, für deine wohlwollenden Worte.", erwiderte der Flavier und deutete eine leichte Verbeugung an. Nun, nachdem das krönende Opfer seiner Ausbildung erfolgreich vollbracht worden war, schien es dem Flavier jedoch nur angemessen, auch über seine weitere Zukunft im Cultus zu sprechen. "Welche Aufgaben, Pedania, könnte ich nun im Dienst an den Göttern erfüllen?" Dass er durch die exzellente theoretische und praktische Ausbildung der letzten Zeit für den einfachen Dienst eines minister, der dem Ausbildungsstand eines discipulus angemessen sein mochte, sich inzwischen deutlich überqualifiziert und durchaus fähig fühlte, bedeutendere Aufgaben wahrzunehmen, spornte den Ehrgeiz des Flaviers an.

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    Pedania Iunor




    "Nun, der auf eine erfolgreich absolvierte Ausbildung folgende Schritt wäre nun die Tätigkeit eines Aedituus, also eines Tempelverwalters in einem der Heiligtümer unserer Stadt. Du wärst für den reibungslosen Ablauf aller kultischen Handlungen an diesem Ort verantwortlich und könntest einiges an zusätzlicher praktischer Erfahrung sammeln, bevor du dich um die höheren Ämter des Cultus Deorum bemühst. Was diese betrifft, solltest du dich vielleicht mit deinem Verwandten, dem ehrwürdigen Pontifex Flavius Gracchus, unterhalten, er wird dir sicher einen Weg weisen können, der für dich und deine unleugbaren Fähigkeiten am besten geeignet ist." Pedania nickte ihrem Schüler aufmunternd zu und ließ ihren Blick dann durch den Tempel schweifen. "Ich persönlich habe leider keine Entscheidungsgewalt über die Zuordnung der Aeditui, aber vielleicht wäre es ja möglich, dir den Tempel des Apollon anzuvertrauen."

  • Ein Tempelverwalter. Das klang in erster Linie nach einem ganzen Haufen Arbeit. Nicht dass eben jene den so engagierten und durchaus auch belastbaren Flavier abschrecken würde, lediglich in einer Richtung regten sich Bedenken. "Wird sich die Tätigkeit als Aedituus mit der politischen Karriere vereinbaren lassen?" Schließlich würde Flaccus schon in der nächsten Wahlperiode sich um ein Amt als Vigintivir bemühen müssen, um sein erklärtes Ziel, sämtliche Ämter des Cursus Honorum suo anno zu erreichen, in realistische Sphären zu rücken. Sosehr sein Interesse momentan auch dem Cultus gelten mochte, er durfte das eigentliche Ziel dabei nicht aus den Augen lassen.

  • Bevor sich Iavolenus auf seine politische Karriere vorbereitete, wollte er erst um die Unterstützung des Iuppiters bitten. So hatte er sich vorgenommen, an diesem Tag ein Opfer für jenen Got durchzuführen.


    Nun stand Iavolenus im Tempel, zusammen mit den Opferdienern. Er wusch sich in einem Becken die Hände und zog sich eine Falte seiner Toga wie eine Kapuze über den Kopf. Vor dem Kultbild Iuppiters blieb er stehen; er richtete seine Handflächen nach oben, um das Gebet zu sprechen:
    "Iuppiter Optimus Maximus! Ich, Quintus Claudius Iavolenus, Sohn des Marcus Claudius Constantius, danke dir für deine bisherige Unterstützung, die ich erhalten habe. Ich bringe dir diese Gaben dar und bitte dich, mich auch weiterhin nicht im Stich zu lassen." Iavolenus wendete sich, um das Gebet zu beenden, nach rechts und zeigte dem Gott zuerst den mitgebrachten Weihrauch und streute ihn dann in eine der Feuerschalen zu Seiten des Altars. Er sah den wohlriechenden Rauch aufsteigen und fragte sich, was der Gott wohl von dem Voropfer hielt.


    Jetzt war das blutige Tieropfer an der Reihe. Iavolenus ging mit den Opferdienern hinaus auf den Tempelvorplatz und zum Altar. Dort stand ein prächtiger weißer Ochse, der mit Ketten am Boden befestigt worden war. Die Hörner waren vergoldet, um die Stirn waren weiße und scharlachrote Wollbinden gebunden und es war eine Wolldecke auf den Rücken des Tieres gelegt worden.


    Iavolenus hatte am Tag zuvor eine Menge Geld ausgegeben, Geld, das er auch in etwas anderes hätte investieren können. Aber er brauchte die Unterstützung des Gottes und wenn er pleite war, würde seine Familie ihm bestimmt (hoffentlich) etwas leihen.


    Die Tibicines spielten nun auf ihren Doppelpfeifen. Dem Ochsen wurde der Schmuck abgenommen, er wurde Iuppiter mit der mola salsa geweiht und Iavolenus strich dem Tier mit dem Opfermesser vom Kopf bis zum Schwanz. Er trat einen Schritt zurück, betrachtete den Ochsen, der ihm inzwischen schon Leid tat, und sprach das Gebet:


    "Iuppiter Optimus Maximus! Sohn des Saturnus und der Rhea! Oberster aller Götter!
    Ich danke dir für deine Unterstützung, die ich bisher erhalten habe.
    Ich habe dir immer Opfer dargebracht und dich verehrt.
    Ich bitte dich um deine Unterstützung bei meiner zukünftigen politischen Karriere.
    Wenn du mir die Bitte erfüllst, werde ich dir mehr Opfer als zuvor darbringen und dich mehr ehren, als bislang!"


    Iavolenus beendete das Gebet, indem er sich nach rechts wandte. Der Victimarius hatte wohl schon viel Erfahrung in solchen Dingen und wusste was jetzt kam, also fragte er: "Agone?" Daraufhin antwortete der Claudier: "Age!"


    Der arme Ochse...


    Der Victimarius schlug mit der sacena zu und der Cultrarius stach dem Tier in die Halsschlagader. Blut wurde gesammelt und dann war die Eingeweideschau an der Reihe. Ich ging zum Altar, wo sie stattfinden würde. Ob der Gott mit dem Opfer zufrieden war?

  • Gleich ein ganzer Ochse! Der junge Mann wusste, was dem Göttervater gebührte und schien noch viel vor zu haben. Ein wenig selbstgefällig angesichts des prächtigen Opfers strich sich Iuppiter über seinen Bauch und freute sich, dass man in patrizischen Häusern nicht nur kleckerte, sondern im richtigen Augenblick auch klotzte. So würde Rom noch lange seine Pracht entfalten können, was der Göttervater freilich nach Kräften zu unterstützen gedachte, weshalb er diesen Beitrag gerne akzeptierte.

  • War alles da? Ja, alles... das Herz, die Leber... alles. Das Opfer war angenommen worden! "Litatio!", rief Iavolenus aufgeregt und ein zufriedener Ausdruck breitete sich auf seinem Gesicht aus. Auch die Opferhelfer schienen zufrieden zu sein, jedenfalls dachte er das. Nachdem das Opfer zerlegt worden war, wurden die einzelnen Teile in herangeschafften Kesseln gekocht. Die Vitalia wurden mit der mola salsa bestrichen und anschließend verbrannt. Die restlichen Einzelteile wurden in mehr oder weniger gleich große sportulae gefüllt und den Opferteilnehmern überreicht. Auch Iavolenus nahm sich einen Korb (den größten) und ging dann, gefolgt von seinen Sklaven, nach Hause.

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