"Das 'Weib'", sagte Valeria ruhig und ohne aufzusehen, während sie die Schiene entgegen nahm, "wird sich die Zeit nehmen, die es braucht, um dich nicht schlampig abzufertigen."
Sie festigte den Arm nun mit einer Hand, während die andere die Schiene unter den Arm hielt. Sie sah Cicero an.
"Du kannst jetzt anfangen, den Arm zu verbinden."
Tirocinium Medicinae des Cursus Medicinae II.
- Apollonius von Samothrake
- Geschlossen
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Interessiert schaute Seneca zu.
Er hatte den Ärzten bei sich in der Legion schon des öfteren beim Heilen von Knochenbrüchen zugeschaut.
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Raeticus hörte dem Lehrer zu und kritzelte nebenbei einige Notizen auf seiner Wachstafel.
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Das war ja schwieriger als erwartet... Vom Schema her machten wir das ja ganz richtig, aber ich glaubte, dass uns Apollonius den Ablauf irgendwie, nein, ganz sicher anders erklärt hatte - aber das half jetzt nichts, der Knochen war gerichtet und wir mussten weitermachen. Augen zu und weiterschienen.
"Eigentlich sollten wir unten anfangen, aber da wir nun einmal dabei sind..."
Ich drückte meinen Oberkörper vorsichtig an den Oberarm und versuchte, mit meiner Linken den Ellbogen samt Schiene zu fassen zu kriegen. Als mir das gelang löste ich meine Rechte und griff nach der Verbandsrolle.
Ich hob den Zeigefinger meiner linken Hand, schob das Ende der Rolle herunter und begann eine erste lockere Verbanswindung um das Gelenk und die Schiene zu legen. Eine zweite Windung und eine strafere dritte folgten.
"So. Valeria, jetzt halte weiterhin Handgelenk und Schiene und versuche mir bitte bei der ersten Verbandsschicht zu helfen - ich kann von hier aus nur den oberen Halbbogen der Schlingen anlegen; wenn Du dann jeweils für die untere übernehmen würdest - ", improvisierte ich leise.
Hauptsache, wir hätten die erste Schicht angelegt, die Schiene würde dann vorerst jedenfalls nicht einfach herabfallen, und wir könnten etwas entspannter zur Rinde übergehen...
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Irritiert sah Valeria Cicero dabei zu, wie er den Arm von oben einwickelte, obwohl sie doch mit beiden Händen den ganzen Arm samt Schiene hielt und er somit problemlos unten hätte anfangen können (??!). Doch sie ließ sich nicht weiter beirren und half stattdessen Cicero, aus dem bereits angefangenen Schienen ein eingermaßen ansehnliches Endergebnis zusammenzuklamüsern. Sie ergriff die Rolle und stützte nun auch den Unterarm, indem sie einen Verband anlegte. Als die Rolle aufgebraucht war, gab sie Cicero mit einem Blick zu verstehen, dass er auf den Arm acht geben sollte. Inzwischen holte sie die eingeweichte Rinde, die sie gleichmäßig um die Bruchstelle herum verteilte. Auf der Unterseite des Armes würde sie natürlich abfallen; da musste man die Rinde in die Schlaufe des Verbands stecken, den man über die Rinde anlegen würde. Das wollte sie Cicero überlassen.
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Zeichen leichter Verwirrung huschten über das Gesicht Valerias, als hätte sie mich nicht verstanden. Sie machte dann aber merkwürdigerweise genau das, was ich mir gedacht hatte. Merkwürdig. Sehr merkwürdig war aber auch, was wir hier taten.
Nachdem sie die Rinde auf der oberen Seite des Armes aufgebracht hatte, war es an mir die Unterseite zu versorgen. Dazu nahm ich Verband der Länge des Unterarms entsprechend und legte ihn auf die bereits aufgetragen Rinde. Mit zwei kürzeren Stücken band ich diesen sowohl über dem Handgelenk als auch kurz über der Armbeuge fest. Nun konnte man den Unterarm ins Lot drehen, ohne dass die Rinde zu Boden gehen würde.
Also machte ich mich daran, den restlichen Arm mit Rinde zu bedecken und verband diese und den gesamten Unterarm schließlich mit einer neurlichen Schicht.
"Nun haben wir's doch noch geschafft...", lächelte ich Valeria an und richtete mich dann mit einer Frage an Apollonious
"Meister Apollonius, unser Weg war ein anderer als Du ihn uns beschrieben hast; wie denkst Du von diesem Verband?"
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Valeria nickte nur bei Ciceros aufmunternden Worten und wandte sich dann ebenfalls Apollonius zu, um die Antwort auf Ciceros Frage nicht zu verpassen. Sie fand, dass er und sie recht gut zusammengearbeitet hatten, auch wenn das mit der Schiene besser hätte laufen können und auch der Anfang des Verbindens. Aber nunja, sie hatten es geschafft und es sah sogar recht haltbar aus.
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Apollonius betrachtete sich das Werk für einen langen, schweigenden Moment. Kurz hatte man das Gefühl, dass seine Mundwinkel amüsiert zuckten. Aber das konnte auch eine Täuschung gewesen sein. Er trat an den Gladiator heran, der jetzt wieder alle stoischen Gesichtsausdrucks musterte.
Schließlich nickte Apollonius. "Ja? Ganz passabel!" meinte er letztendlich und trat wieder einen Schritt zurück. "Habt ihr nicht noch eine Kleinigkeit vergessen?" fragte er die Beiden.
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"Ah!" entfuhr es Valeria. Natürlich, wie hatten sie das nur vergessen können... Sie griff nach der Schlinge, legte sie dem Gladiatoren um den Hals und anschließend seinen Arm hinein. Etwas errötet ob dieses peinlichen Vergessens sah sie dann zu dem Medicus und lächelte.
"So ist's besser." -
...worauf ich mich still räusperte und mich eines betretenen Lächelns nicht enthalten konnte...
"Wir müssen das wohl nochmal üben", mein Blick glitt zum Gladiator...
...und dann zu Valeria: "...danke Dir"
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"Nichts zu danken, ich hab die Schlinge im Eifer des Gefechts doch auch vergessen", sagte Valeria diplomatisch und zwinkerte dem jungen Mann zu. Nun war sie allerdings umso gespannter, ob Apollonius noch etwas zu ihrer Arbeit sagen würde....
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Apollonius nickte durchaus zufrieden. "Ja, doch für den Anfang recht gut, muss ich sagen!" Er betrachtete sich noch mal den Arm und blickte dann zu dem Gladiator. "Du kannst gehen! Ach und schick doch Parvus herein. Er ist jetzt dran!"
Apollonius drehte sich zu den Anderen herum und verschränkte die Arme hinter dem Rücken. "Am Anfang werden Euch die therapeutische Behandlung der Patienten ungewohnt und schwer vorkommen. Aber mit der Praxis wird es Euch immer leichter fallen bis ihr irgendwann so routiniert seid, dass ihr die Knochen und Gelenke fast schon im Schlaf wieder richten könnt und Euch die Langeweile dabei packen wird!" Man sah Apollonius an, dass er das Stadium bestimmt schon vor Jahren erreicht hatte.
In dem Moment kam ein drahtiger Mann mit zernarbtem Gesicht herein. Er trug seinen Arm auch in der Schlinge und biss sich immer wieder vor Schmerzen auf die Lippen. Schweiß stand ihm auf der Stirn geschrieben und er musterte die Anwesenden nervös.
Apollonius winkte ihn heran. "Wie ihr sehen könnt, gab es heute morgen in der Schule wohl eine kleine Auseinandersetzung. Dies ist Parvus und er leidet an einem ausgerenkten Arm. Da es bei einer solchen Verletzung recht wichtig ist, dass sie richtig behandelt wird, werde ich zusammen mit einem von Euch die Einrenkung vornehmen. Ihr könnt jedoch dabei zuschauen und lernen. Wer will mir helfen?"
Sein Blick ging von Valeria, Raeticus, Seneca, Cicero, Maximian und zu Sica.
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Valeria sah interessiert hin und her und erstaunt zu dem nächsten Gladiatoren. Sie fragte sich, wie viele er wohl noch draußen stehen hatte, um sie daran üben zu lassen. Wieder einmal musste sie sich eingestehen, dass sie Apollonius vollkommen falsch eingeschätzt hatte. Sie schmunzelte und sah zu Cicero hinüber. Sicher würde auch einer der anderen etwas Praktisches lernen wollen...oder?
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Apollonius schwieg und musterte die Schüler Einen nach den Anderen. Dass sich keiner vor trauen wollte, konnte er verstehen. Das Einrenken war nicht gerade die einfachste Aufgabe.
"Sica! Du gehst mir zur Hand!" meinte er schließlich. Er winkte ihn zu sich. Dann sah er zu Valeria. "Dich brauche ich aber auch noch. Wie ihr sehen werdet, ist die Behandlungsmethode mit zwei Gehilfen am effektivsten!" Er sah zu Valeria, damit sie ebenfalls zu ihm trat.
"Das Einrenken eines Gelenkes ist schon eine sehr alte Methode. Sie geht noch auf Hippokrates zurück und hat bis heute [SimOff: Tatsächlich auch heute noch!] nicht an ihrer Wirkung verloren. Diese Verletzung kann manigfaltige Ursache haben. Zum einen Verletzungen durch Waffen, jedoch auch durchs Fallen vom Pferd, vom Wagen oder andere unglückliche Umstände." Er räusperte sich kurz und fuhr fort. "In seinem Werk 'Über die Gelenke' beschreibt Hippokrates genau, wie ein Gelenk wieder in die Richtige Position gebracht wird. Dafür brauchen wir jedoch auch wieder Hilfsmittel!"
Apollonius ging zu einem Tisch und holte einen kleinen Lederball und einen Lederriemen hervor. So ausgestattet kehrte er wieder zurück und hob den Ball.
"Dieser Ball wird dem Patienten unter dem Arm gelegt. Damit stellen wir sicher, dass während der Behandlung, durch den äußeren Druck nicht noch mehr Schaden angerichtet wird und man das Gelenk nicht auf der anderen Seite herausspringen läßt. Anschließend hält einer der Helfer den Ball fest und den Rumpf des Patienten, der im übrigen sehr starkes Schmerzmittel vorher bekommen muss. Ist das nicht der Fall, ist das Einrenken sehr schmerzhaft und sehr schwierig."
Er nickte und reichte Valeria den Ball. "Den Riemen bindet man um den Unterarm und das Handgelenk des Patienten und der zweite Helfer wird auf Anweisung des Medicus hin an dem Arm kräftig ziehen. Währenddessen wird der Medicus, also hier meine Person, mit der Ferse das Gelenk wieder in die Richtige Position drücken." Er sah zu seinen Schülern, ob sie ihm noch folgen können.
"Diese Behandlung sollte auch schnell nach Eintreten der Verletzung durchgeführt werden. Fange wir an. Den Mohn, den ich Parvus vorhin angereicht habe, müsste jetzt auch ausreichend wirken." Er wandte sich an den Gladiator. "Leg Dich auf den Boden!" wies er ihn an.
"Valeria, leg ihm den Ball in die Achselhöhle, dann hälst Du seinen Oberkörper und den Ball fest. Sica, binde den Riemen fest und zieh kräftig am Arm, wenn ich es Dir sage. Nicht vorher!"
Er sah zu seinen Schülern. "Fragen?"
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Valeria tat erfreut, wie ihr gehießen und gesellte sich zu Apollonius. Sie fragte sich, warum er gerade sie gebeten hatte, ihm zu assestieren; Cicero war schließlich auch recht gut dabei gewesen, während sich Seneca und vor allem Raeticus eher zurückgehalten hatten. Und Maximian schien schlecht zu sein, wie er dort stand und nur zusah.
Die junge Decima lauschte den Worten des Meisters ganz genau und nahm dann den dann den kleinen, ledernen Ball entgegen. Sie drehte ihn einen Moment gedankenverloren in den Händen und legte ihn schließlich an die Stelle, die ihr Apollonius zeigte. Sie befand sich nun in der Hocke und hielt den armen Mann samt Ball fest. Innerlich bereitete sie sich schon auf ein hässliches Knacken oder Ploppen vor - oder wie immer es sich anhören musste. Der Schmerz war sicherlich sehr schlimm.
"Kann man ein Gelenk auch falsch ausrenken? Ich meine: kann man es so in seine ursprüngliche Form bringen, dass der Arm nicht mehr zu gebrauchen ist?" wollte sie wissen.
Sim-Off: Also äh...gerade verstehe ich nicht, wie der arme Kerl da nun liegt. Auf dem Boden, ja, aber auf dem Bauch oder aufm Rücken? Und wo genau kommt der Ball hin?
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Ich blickte zu Valeria, die gerade versuchte den Ball unter die Achsel zu bekommen - was nicht recht klappen wollte...
"Geht's denn nicht auch ohne Ball?", fragte ich Apollonius
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Sica nahm den Riemen wortlos entgegen und nickte bestätigend. Er band ihn fest um Unterarm und Handgelenk des Gladiators. Sica hatte keine besondere Abneigung gegen Parvus, so dass er sich genau an die Anweisungen des Medicus zu halten beschloss. Man sollte sich nie unnötig Feinde machen. Er warf Parvus einen kurzen, ernsten Blick zu. Dann brachte er sich in Position, um kraftvoll an dem Arm ziehen zu können. Abwartend und aufmerksam sah Sica zu Apollonius auf und wartete geduldig auf den entsprechenden Befehl.
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Apollonius trat hinter Parvus und nickte Sica kurz zu als Bestätigung, dass er sich bereit halten sollte.
An Valeria gewandt, meinte er: "Ja, natürlich kann auch ein Gelenk falsch 'eingerenkt' werden. Du musst Dir den Oberarmknochen vorstellen. Er ist ein langer Röhrenknochen mit einem kugelartigen Gelenk an dem Kopfteil. Diese Kugel wird in einer schüsselartigen Rundung, dem Gegenstück des Gelenkes gehalten. Muskeln und Bänder stabilisieren das Gelenk an Ort und Stelle. Wenn ich jedoch von außen Gewalt einwirke, kann ich diese Befestigung überwinden, auch die Knochengrenzen. Drücke ich also zu tief und es ist kein Gegenwiderstand vorhanden, so werde ich den Kopf des Oberarmgelenkes auf der Gegenseite wieder herausdrücken und sehr wahrscheinlich auch das Gewebe drum herum stark verletzen." Er deutete auf den Ball. "Der Ball wird das verhindern, wenn ich von oben mit meiner Ferse, den Knochen wieder in die Gelenkpfanne drücke. Der Zug ist dabei wichtig, dass der Knochen mobilisiert und für mich leicht hineinzudrücken ist."
Auch Ciceros Frage beantwortete er und schüttelte dabei den Kopf. "Wie Du siehst, ist das ohne Ball nicht möglich. Es gibt noch eine andere Variante, die als Äquivalent eine Stuhllehne nutzt."
Er sah auf Parvus runter, der sich auf den Rücken gelegt hatte. "Er liegt auf dem Rücken, da hinten eine anatomische Besonderheit, das Akromion des Schulterblattes (wenn ihr hinten bei der Vorwölbung des Schulterblattes entlang nach oben tastet kommt ihr zum Akromion) meine Reluxationsversuche einschränken könnte."
Er sah fragend zu Valeria, ob auch sie bereit ist.
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Nach dem netten Aushölen des armen Schweines hielt Maximian sich wirklich mehr im Hintergrund. Das Schienen des Armes besah er sich so gut es ging, denn im Feld würde ihm dieses Wissen sicherlich vo Hilfe sein können. Es verging auch genug Zeit, dass sein magen sich beruhigen konnte und so stand er wieder mit an forderster Front, als einem anderen armen Schwein, einem Gladiator, der Arm eingerenkt werden sollte.
Einen Arm um den Oberkörper gelegt, den anderen mit dem Ellenbogen darauf abgestützt, sodass der Zeigefinger den Mund belegte, besah er sich die Anstalten kritisch. Valeria schien völlig in ihrem Element, aber wenn man es genau nahm interessierte den jungen Maximian der Gladiator an sich viel mehr als das, was sie gerade lernen sollten. -
"Dann scheint es von entscheidender Bedeutung zu sein, dass der Ball immer an der richtigen Stelle liegt...", sagte ich.
In der Tat war ich verwundert über dieses kleine Spielzeug, dass uns hier Hilfe leisten sollte.
"...gerade darum scheint mir aber die Form eines Balles ungünstig zu sein. Ein holzscheit, vielleicht mit mehreren Schichten Leder überzogen und zusätzlich darunter gpolster mit Wolle... würde der nicht viel sicherer an Ort und Stelle bleiben?!"
Dann, zu Valeria gewandt: "Wenn ich Dir dabei helfen kann..."
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