Casa Germanica - Bibliothek

  • Serrana sah Umbricius einen Augenblick lang ratlos an. Der junge Germanicus schien ausgesprochen stolz zu sein, was sie verstand und im Grunde auch gut hiess, aber das bedeutete auch, dass er sich selbst mehr Steine in den Weg legte, als es vermutlich notwendig gewesen waere.


    "Nun, der Grundkurs kostet dich kein Geld, fuer den kannst du dich in jedem Fall anmelden." sagte sie bestimmt. "Und was die anderen weitergehenden Studien betrifft, so wird dir mein Mann sicher das notwendige Geld vorstrecken, wenn er weiss, dass du sie fuer deine berufliche Zukunft brauchst. Dafuer ist eine Familie doch schliesslich da, oder nicht? Und du brauchst dich deshalb doch nicht unwohl zu fuehlen, sicher wird irgendwann einmal der Tag kommen, an dem du Quintus oder einem anderen Mitglied der Familie helfen koennen wirst." Serrana legte kurz den Kopf schief und kaute gedankenverloren auf ihrer Unterlippe herum, bevor ihr wieder eine Idee kam. "Und wenn du dir partout nichts von ihm leihen willst, dann frag ihn doch mal, ob du eine Zeit lang fuer ihn als Scriba arbeiten kannst. Bislang hat Volubilis Vitale diese Arbeit fuer ihn miterledigt, aber der ist eigentlich der Scriba von Avarus und mit diesem zur Zeit in Germanien."

  • Der junge Germanicus überlegte sichtlich, runzelte die Stirn, kratzte sich am Kopf, räusperte sich, schwieg dann doch und kratzte sich am Kinn. Er schien einiges abzuwägen, ehe er dann doch endlich wieder etwas sagte.


    "Nun ja, gegen eine Leihgabe spricht im Notfall wohl nichts. Es ist mir lieber, ich leihe mir das Geld von einem Verwandten als von einem Fremden, der mir dann die Finger bricht, wenn ich ihm das Geld nicht fristgerecht zurückzahle. - Die Idee mit dem Scriba ist allerdings gut. Ich sollte ihn wirklich fragen. Schreiben kann ich ja und das auch ziemlich ordentlich. Da könnte ich mir vielleicht ein kleines Taschengeld verdienen. Da ich nicht gerade ein Trunkenbold bin, ist dies vielleicht wirklich nicht gerade die schlechteste Idee. Ich könnte mir etwas Geld ansparen und so die Kurse bezahlen." meinte er und lächelte die schöne Iunia an. "Sprich, Serrana, an wen muss ich mich den wenden, was den Grundkurs betrifft. Wer nimmt da die Anmeldungen an? - Ich meine, dafür muss mans ich doch bestimmt irgendwo bei irgendwem anmelden, oder?"

  • "Natürlich spricht nichts dagegen." antwortete Serrana, die sich durch Umbricius' Antwort bestätigt fühlte, mit einem eifrigen Nicken. "Das wäre ehrliches Geld für ehrliche Arbeit, auch wenn du am Anfang vielleicht nicht allzu viel verdienen würdest. Und falls du dich für Politik interessierst, könntest du sicher einiges von Sedulus lernen, er ist ja schon eine ganze Weile im Senat." Im Grunde waren die Probleme und damit die Gründe für die momentane Unzufriedenheit des jungen Germanicus gar nicht so schwer zu beheben, und die Iunia freute sich, dass sie dazu beitragen konnte, zumal sie auf diese Weise von seinen anderen Äusserungen abgelenkt wurde.
    "Wenn du den Cursus Rerum Vulgares absolvieren willst, müsstest du zur Schola Atheniensis gehen und dich dort anmelden. Und dort kannst du dann auch gleich das übrige Kursangebot einsehen und nachschauen, was dich vielleicht interessieren würde. Wenn du magst, können wir mal zusammen dort vorbeischauen, ich hab nämlich schon überlegt, vielleicht noch einen Lehrgang zu absolvieren, bevor das Kind kommt und ich nicht mehr so viel Zeit habe."

  • Umbricus lächelte die Iunia freundlich an. "Eine schlaue Frau hat mein Verwandter da geheieratet. Praktisch veranlagt bist du definitiv, Serrana. Du hast einige gute Ideen. Deinen Rat nehme ich gerne an. Ich werde später mit deinem Mann darüber sprechen." sprach der junge Germanicus.


    "Mit dir würde ich definitiv überall hingehen. Schon alleine deshalb, damit dir nichts passiert. Wir können also gerne gemeinsam zur Schola Atheniensis gehen. Ich werde den Cursus Rerum Vulgares auf jeden Fall machen und dann sehen wir schon, was wir noch für mich finden. - Aber erst einmal werde ich wohl mit deinem Mann sprechen. Sedulus sollte schon von seinem Glück wissen, wenn ich bei ihm arbeiten möchte, meinst du nicht?"


    Dann wiegte er den Kopf. Er versuchte sich Serrana mit dem Bauch einer Schwangeren vorzustellen, aber so wirklich gelingen wollte ihm das nicht. "Du bist schwanger bestimmt immer noch schön, aber vorstellen kann ich es mir gerade nicht so wirklich. - Nun ja, ich werde es dann ja beobachten können." murmelte der junge Römer. "Du wirst über die Monate wohl immer ein wenig rundlicher werden, aber sobald das Kind da ist, ist auch das schon wieder vorbei. - Ich tue mich allerdings richtig schwer damit, mich dich als matronenhafte Mutter vorzsutellen."


    Diese Worte waren jetzt weder zum Einschleimen noch als Kompliment gemeint. Sein Gesichtsausdruck machte deutlich, dass es sich hierbei um eine ehrliche Überlegung handelte.

  • "Schlau? Ach, ich weiß nicht..." antwortete Serrana abwiegelnd, doch auf ihrem Gesicht erschien jetzt ein unzweifelhaft geschmeicheltes Lächeln. Irgendwie tat es ihr genauso gut, für intelligent wie für schön gehalten zu werden, wenn auch aus ganz anderen Gründen. Und natürlich war es um einiges unverfänglicher! "Ja, mach das, Sedulus wird sich sicher gern Zeit für dich nehmen." nickte sie dann und gleich darauf noch einmal, als Umbricius sich ihr als Begleitschutz anbot. "Das ist sehr fürsorglich und nett von dir. Normalerweise fühle ich mich in der Stadt immer sicher, denn meine Leibsklavin ist so riesig und stark, dass sie es mit fast jedem Mann in Rom aufnimmt. Wenn wir zur Schola gehen, lernst du sie auf jeden Fall kennen, falls du sie nicht schon irgendwo hier im Haus gesehen hast. Sie ist wirklich ziemlich auffällig für eine Frau, weißt du? Sehr groß und muskulös..." Während sie über Adula sprach, hatte Serrana automatisch mit Händen und Füßen geredet, um deren beeindruckenden körperliche Attribute auch deutlich machen zu können. Erst reckte sie sich mit ausgestrecktem Arm ein Stück in die Höhe und deutete dann mit den Händen den Umfang der muskelbepackten Oberarme ihrer Sklavin an. Erst als Umbricius von ihrer Schwangerschaft anfing, ließ sie die Arme wieder sinken, und ihr Blick folgte dem seinen hinab zu ihrem immer noch absolut flachen Bauch.


    "Da geht es mir ganz ähnlich." sagte sie nach einer Weile und strich nachdenklich an dieser Stelle über den Stoff ihrer Tunika. "Es ist ein seltsames Gefühl, so schnell schon schwanger zu sein. Wenn das Kind geboren wird, dann bin ich immer noch sechzehn, und Matrone hört sich so furchtbar alt und erwachsen an, findest du nicht?"

  • Aculeo stapfte die Treppe hoch mit Roxane im Schlepptau und steuerte zuerst in die Bibliothek. Manchmal war Serrana hier zu finden und mit dieser Hoffnung war Aculeo eben zuerst hierher gekommen..

  • Wie es das Schicksal wollte, folgte sie ihm -mehr oder minder gehorsam, dafür um so neugieriger. Hier oben hatte sie auch endlich Zeit sich einen Moment umzusehen und der Raum erhielt durchaus ihre Anerkennung. Da sie Aculeo allerdings nicht gleich wieder mit Fragen nerven wollte, schwieg sie zunächst und wartete, ob die Unbekannte erscheinen würde oder sogar hier wäre, so dass sie mit ihr vielleicht in Diskussion treten konnte. Allerdings hoffte sie auch, das ihr Begleiter so höflich sein würde und ihr einen kurzen Abriss der Thematik zur Verfügung stellen würde.

  • Was sollte sie denn nun mit auf die Reise nehmen? Etwas historisches aus ihrer Lieblingsecke? Oder doch vielleicht eher etwas philosophisches wie Romana ihr geraten hatte? Serrana befand sich schon seit mehreren Stunden in der Bibliothek der Casa Germanica und stöberte in den Regalen auf der Suche nach passender Lektüre für ihre Reise und den vermutlich mehrwöchigen Aufenthalt in Mantua. Eigentlich konnte sie sich nicht vorstellen, dass sie sich in Gesellschaft ihrer Freundin Septima langweilen würde, aber vermutlich hatte die als Ehefrau des Legaten auch viele andere Pflichten. Und wer wusste schon, ob es in einem Castellum auch eine so umfangreiche Bibliothek gab? Ein wenig unschlüssig drehte sie gerade eine Schriftrolle von Cassius Hemina in ihren Händen hin und her, als sich plötzlich die Tür der Bibliothek öffnete. Serrana fuhr herum und lächelte, als sie Sedulus' jungen Verwandten Germananicus Aculeo erkannte.
    "Salve, Aculeo, was treibt dich denn in die Bibliothek, hier hab ich dich bislang ja noch nie gesehen..." sagte sie mit einem Augenzwinkern und presste die Hand in ihr schmerzendes Kreuz. Seiit ihr Bauch von Tag zu Tag dicker zu werden schien, tauchten zunehmend auch einige körperliche Beeinträchtigungen auf, aber bislang kam sie damit noch ganz gut zurecht. Jetzt erst bemerkte Serrana, dass Aculeo nicht allein sondern in Begleitung einer jungen Frau etwa in ihrem Alter war und musterte diese neugierig, während sie darauf wartete, dass der junge Germanicus sie ihr vorstellte.

  • Salve Serrana antwortete er mit einem Lächeln.


    Ich will deine Bedenken gleich zerstreuen. Bin nicht hier um die Vielfalt an Wissen zu nutzen welches in diesen Räumen lagert sondern dir jemanden vorstellen... er trat ein wenig zur Seite und zog Roxane, immer noch an der Hand haltend, nach vorne.


    Das ist Roxane. Im Moment Scriba Personalis. Sie würde gerne ein wenig über Religion und solch Dinge erfahren. Du warst die nächste Person die mir einfiel Fragen zu beantworten. Wenn wir aber ungelegen kommen dann würde es ein andermal auch sicher in Ordnung sein. dabei wendete er sich an Roxane. Oder? Wäre es schlimm wenn es heute nicht gehen würde?

  • Sie fühlte sich gezogen und amüsierte sich einerseits genauso sehr darüber - vielleicht sogar noch ein wenig mehr - als das sie sich auch darüber ärgerte. "Sei gegrüßt," meinte sie höflich in ihrem warmen Klang mit dem Akzent ihrer Heimat und neigte leicht den Kopf. "Nein," erwiderte sie zunächst zu Aculeo um sich dann wieder an die Dame zu wenden. "So es Deine Zeit oder Deine Pflichten nicht erlauben mir einige Fragen zu beantworten und Dinge zu erläutern, gegebenenfalls auch ein wenig zu diskutieren, ist es kein Problem für mich, wenn wir dies verschieben." Sie wandte sich wieder an Aculeo und schmunzelte ihn mit Schalk im Nacken an: "Ich habe im Zweifel noch ganz viele andere Fragen, mit denen ich Dich in der Zwischenzeit sicherlich löchern kann."

  • Der Blick Roxanes verwirrte den Germanicer leicht und so war auch seine Reaktion darauf. Blut schoß im in die Wangen und stammelnd meinte er dann nur.


    J J Ja Raoxane...gerne....


    Irgendwie hatte ihn heute wieder eine gewisse Melancholie erfasst was sich auf seine Reaktionen niederschlug. Langsam beruhigte er sich wieder und schob dies auf seine momentane Situation viel zu tun zu haben.


    Ich warte noch ein wenig bis ihr beide euch bekannt machen konnten und auch klären konnten obs jetzt ungelegen ist.

  • Dass die junge Fremde sich für Religion, Serranas absolutes Leib und Magen-Thema interessierte, fachte deren Neugier gleich noch ein bisschen mehr an und sie schüttelte schnell den Kopf während sie erst Roxane und dann Aculeo anlächelte. "Nein, schon in Ordnung, ich habe Zeit. Die meisten Pflichten im Tempel kann ich zur Zeit ohnehin nicht wahrnehmen, weil ich als Schwangere von den kultischen Handlungen ausgeschlossen bin. Und mit den Vorbereitungen für die Reise nach Mantua kann ich auch noch später weitermachen." Sie drückte die Hände erneut in ihr Kreuz und wies dann auf eine recht gemütliche Sitzgruppe in einer Ecke der Bibliothek. "Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir uns für das Gespräch hinsetzen, Roxane? Ich bin leider nicht mehr allzu gut zu Fuß und es fällt mir schwer lange zu stehen."

  • Anscheinend war der Zeitpunkt günstig und die Stunde der Wahrheit rückte näher. Iunia Serrana hatte kundgetan Zeit zu haben um Roxane in einem Gespräch Fragen zu beantworten welche der jungen Partherin auf der Seele brannten.
    Irgendwie hatte ja Aculeo auch Lust ein wenig mehr über Dies und Jenes zu erfahren doch beließ er es lediglich bei dem Gedanken und meinte nur knapp sich zu verabschieden um sich in der Stadt ein wenig umzusehen. Vllt würde man ihn in der Taverne antreffen bei einem Becherchen Wein oder anderem.

  • Sie war dankbar und zeigte dies mit einem Lächeln. "Aber ich bitte Dich, nein, nur zu." Einen Moment musterte sie die junge Frau offen und durchaus neugierig, besonders die offenkundigen Anzeichen der Schwangerschaft, ehe sie sich ebenfalls setzte und kurz von Aculeo abgelenkt wurde. "Bis später. Fahren wir dann Morgen nach Ostia?" fragte sie noch schnell, denn das wäre durchaus wichtig zu wissen. Dann aber wandte sie ihre volle Aufmerksamkeit ihrer Gastgeberin zu.


    "Nun, ich hatte bereits eine Diskussion mit Aculeo über das Thema der Religion, denn die polytheistische Religion wie die Römer, Griechen und Ägypter, scheinbar auch noch viele andere Völker diesseits des Meeres leben, ist mir so fremd. Sicher ich kenne sie, ich habe auch das ein oder andere Wissen dahingehend bereits gesammelt, dennoch sind noch immer viele Aspekte darin für mich mit Fragezeichen behaftet. Ich bin mit dem Zorostrismus groß geworden, der Religionsform, welche von Zarathustra ins Leben gerufen wurde. Unser Glaube ist monotheistisch, ähnlich der Christen und doch ganz anders. In einigen Ausprägungen ist diese Religionsform durchaus auch dualistisch und früher war sie es fast immer. Im Zentrum unseres Glaubens steht Ahura Mazda, unser Schöpfergott. Ihn begleiten diverse unsterbliche Heilige sowie sein größter Widersacher, der Dämon Angra Mainyu. Der Dualismus beruht auf den Schöpfergott und den Dämon, der Monotheismus ausschließlich auf Ahura Mazda. Doch auch wenn unser Glaube monotheistisch oder dualistisch ist, so kennen wir doch eine Vielzahl anderer Götter, die auch in unserer Religion eine Rolle spielen, doch sind sie nur die Unterstützer des Einen, des Ahura Mazda. Mithras zum Beispiel." Das sollte wohl erst einmal zur Einführung genügen, so dass ihr Gegenüber einen Einblick darin hatte, wie viel sie sich mit Religion auskannte, ihr die Unterschiede bekannt waren und auch das sie in vielen Dingen recht offen war. Ausserdem hatte sie ihr durch die Blume und doch auch deutlich gesagt, dass sie Parthin war.


    "Meine Fragen sind vermutlich in vielerlei Hinsicht vor Allem religionsgeschichtlicher Natur aber auch kultureller. So versteh ich zum Beispiel nicht ganz, warum die Götter nicht Hand in Hand arbeiten, wie dies zum Beispiel in unserer Religion - sieht man von dem Dämon ab, welcher als Gegengewicht, als Gegenpart, als das Andere gesehen werden muss - der Fall ist. Warum sind sie sich teilweise Feind untereinander und doch nicht so klar abzugrenzen als Gegenparts? Sie wirken dadurch sehr menschlich und sehr fehlerbelastet, aber sollten Götter nicht eher fehlerlos und vorbildich sein? Wieso wächst die Göttergemeinschaft der Römer mit jeder weiteren Eroberung? Ich verstehe durchaus den theoretischen Sinn dahinter, denn so lässt man den eroberten Völkern etwas was sie wieder erkennen,weil es aus ihren Ursprüngen kommt und macht es ihnen leichter sich zu integrieren.Zugleich sieht man zu sich die besten Attribute deren Mythologie und Religion mit anzueignen. Aber ist dies nicht widersinnig? Schwächt man damit nicht sein ursprüngliches Pantheon und führt den eigenen Glauben ad absurdum, weil man frei Schnauze einfach noch hier und da beliebig wen hinzufügt? Wenn Du den Vergleich gestattest, der wahrlich nicht respektlos sein soll, bei einer Pferdezucht würde man von der Verwässerung einer Blutlinie sprechen." Respektlos wollte sie wahrlich nicht erscheinen und der Ernst in ihrer Stimme und das Interesse darin zeigten wohl auch, wie wichtig ihr die ganze Thematik war. Nicht weil sie vielleicht konvertieren wollte, das möchte der Eine bewahren,aber weil sie verstehen wollte. "Und dann ist da noch die Frage danach, welche Probleme die Römer mit dem Monotheismus der Christen haben. Ich kann nicht gerade behaupten mit deren Glaubensgrundsätzen und einigen Systemen konform zu gehen, alleine die Frage nach Sünde und Sühne und das jemand Anderes für den eigenen Mist herhalten muss, den man verzapft, ist etwas, was ich abstoßend finde, aber zumindest der monotheistische Grundgedanke der "Sekte" wie Aculeo sie nannte, ist mir nicht fremd. Auch wenn mir bei diesen die ganzen Unterstützer fehlen, doch auch sie haben den Part und seinen Gegenpart und auch sie haben Heilige." Womit die Ähnlichkeiten in vielerlei Hinsicht schon wieder aufhörten, aber das waren Details, auf die man im Zweifel später noch eingehen konnte.


    Erst als sie jetzt jedoch mit ihrem ersten Fragenkatalog fertig war, bemerkte sie, dass sie wieder einmal viel auf einmal los werden und wissen wollte und ihre Neugierde, ihren Wissensdurst beinahe hektisch zu stillen suchte. Als ihr das Gewahr wurde, entschuldigte sie sich leicht lächelnd bei ihrer Gastgeberin für diesen Überfall, versprach aber wohlweislich nicht in Zukunft weniger schwungvoll zu sein. Das war sie nämlich nicht und das würde sie wohl auch nie sein.

  • Mit einem Lächeln verabschiedete sich Aculeo nun von Serrana. Roxane schien in einer anderen Welt nun zu sein und hatte weder Ohr noch Auge um sich etwas anderem zu widmen als dem Gespräch mit Serrana.


    Bis später dann. Und Ostia wird ja übermorgen auch noch da sein. Mit diesen Worten verließ´er nun die Bibliothek und schlenderte den Gang hinunter zu seinem kleinen Zimmerchen.

  • Auch Serrana verabschiedete sich von Aculeo mit einem Lächeln, wandte dann jedoch ihre volle Aufmerksamkeit Roxane zu. Und besondere Konzentration war auch von Nöten, denn die ihr gegenübersitzende junge Frau sprudelte gleich eine derartige Menge an Informationen und Fragen hervor, dass Serrana nach kurzer Zeit bereits der Kopf schwirrte und sie sich wirklich bemühen musste, nichts wichtiges zu überhören oder bei ihrer Antwort zu vergessen.
    Der erste Umstand, der sie wirklich in Erstaunen versetzte, war die Vielzahl an Gedanken, die sich Roxane zum Thema Religion offenbar bereits gemacht hatte. Serrana selbst hatte nie dazu geneigt, Dinge gleich welcher Natur kritisch zu hinterfragen, sofern ihr die entsprechende Quelle vertrauenswürdig erschien. Das römische Götterbild und -verständnis hatte sie von klein auf mit der Muttermilch in sich aufgesaugt, und sie wäre niemals auch nur auf die Idee gekommen, irgendeinen Aspekt davon in Frage zu stellen, ganz im Gegenteil. Serrana war derart von der römischen Überlegenheit in allen Belangen überzeugt, dass sie fremde Kulturen und damit einhergehende Ideen zwar faszinierend fand, es aber niemals in Betracht gezogen hätte, Teíle für sich selbst zu übernehmen.
    Aufmerksam folgte sie Roxanes Erklärungen, war jedoch bereits nach kurzer Zeit ein wenig verwirrt.
    "Verzeih mir die Frage, aber wie kann kann eure Religion monotheistisch sein, wenn es neben eurem Schöpfergott noch andere Gottheiten gibt, auch wenn diese weniger wichtig sind? Die Juden sind auch monotheistisch, aber sie sagen auch ganz klar, dass es keinen anderen Gott neben ihrem eigenen gibt." Serrana dachte einen Moment lang über diese Vorstellung nach und schüttelte dann den Kopf. "Nur einen einzigen Gott, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Einen Gott, der wichtiger ist als alle andere, das ist schon etwas anderes. Iuppiter zum Beispiel ist der allmächtige Göttervater, und er steht über dem Rest. Und in gewisser Weise arbeiten die Götter auch Hand in Hand, jeder einzelne von ihnen gewährt einem bestimmten Teil unseres Volkes und Reiches seinen besonderen Schutz. Und was die fremden Kulte und Götter angeht..." Serrana zuckte ein wenig entschuldigend mit den Schultern."....viele Gottheiten wurden nur auf Anraten der libri Sibyllini aufgenommen, meistens in Kriegs- oder sonstigen Krisenzeiten, um dem einfachen Volk ein wenig Ablenkung und Hoffnung zu geben oder um eine besondere Verbundenheit mit Gebieten wie Griechenland oder Kleinasien deutlich zu machen. Mit Konkurrenz für unsere alten Götter hat es auf jeden Fall nichts zu tun, da sie in dieser Hinsicht frei von Eifersucht sind." Serrana nickte bekräftigend und runzelte dann die Stirn. "Mit Sekte der Christen hab ich mich bislang noch nicht näher befasst, aber sie ist mir nicht wirklich geheuer. Ganz abgesehen davon, dass mich meine Freundin Claudia Romana, die eine Dienerin der Vesta ist, ganz ausdrücklich vor ihr und ihren Irrlehren gewarnt hat." Und da alles, was aus Romanas Mund kam, in Serranas Augen ausserhalb jeglichen Zweifels oder irgendeiner Kritik stand, würde sie sich wohl auch in absehbarer Zeit nicht näher mit den seltsamen Gedanken der Christianer beschäftigen.

  • Ah, jetzt wurde es kompliziert, denn wenn man einem Aussenstehenden versuchte die vielfältigen philosophischen und religiösen Ansätze und Ideen von Zarathustra auseinander zu setzen, musste man zunächst ein Grundverständnis aufbauen. Einen Moment legte sie nachdenklich die Stirn in Falten, während sie erwiderte: "Ich will versuchen es Dir zu erklären, allerdings muss ich wohl dazu ein wenig ausholen," meinte sie und begann sogleich. "In unseren Lehren ist Ahura Mazda - welcher in Latein der Weise Herr bedeutet - der Erschaffer der Welt und zugleich der Anfang und das Ende. Er hat die 6 guten Geister erweckt, welche Amschspands sind. Ihr würdet wohl unsterbliche Heilige dazu sagen. Sie stehen für die Tugend, die Wahrhaftigkeit, die gute Gesinnung, die Demut und Weisheilt sowie den Besitz, die Gesundheit und zuletzt die Langlebigkeit oder auch Unsterblichkeit.


    Ihm gegenüber steht Angra Mainyu, der böse Geist, der ihm stets in seinen Gedanken, seinen Worten und seinen Werken entgegengesetzt ist. Obwohl sie sich gegensätzlich sind, sind sie doch auch Zwillinge, die das Gute und Böse geschaffen haben. Der Pfad und der Antipfad, das Positive und das Negative. Sie liegen irgendwie immer im Streit und doch ist es Ahura Mazda, der immer das letzte Wort, die letzte Macht besitzt. Neben den sechs guten Geistern gibt es im Übrigen auch sechs Böse: Lüge und böse Gesinnung sind zum Beispiel zwei davon.


    Die anderen Gottheiten - Mithras, den selbst die Römer teilweise verehren, Haoma, Fravashi oder Aschi, sind so genannte Urgötter, sie stammen aus der Urreligion, die galt, ehe Zarathustra uns die Heutige brachte, ehe er uns mit seiner Weisheit und Philosophie in eine neue, bessere oder vielleicht gar die einzig wahre Richtung führte und uns zeigte, dass der Eine, der wahre und große Ahura Mazda längst die Macht inne hielt und sie stets inne halten wird. Die alten Götter gab es, aber sie wurden fälschlich noch immer angebetet. Dennoch ehrte man sie weiterhin in gewisser Weise, da sie ja doch vieles in der Vergangenheit taten und dem Weisen dienten. Sie dienen auch heute noch, doch sind sie für die Menschen fast in die Bedeutungslosigkeit versunken gewesen zwischendurch, weil Ahura Mazda sie alle überstrahlte. Mittlerweile ist es so, dass er ihnen einen gewissen Eigenglanz gewährt und sie sich auch zeigen und auch immer noch verehrt und geehrt werden, doch auch wenn wir sie ehren, glauben wir doch letztlich nur an die Allmacht Ahuras und an seinen stetigen Streit mit seinem Bruder und Rivalen, der dafür sorgt, das die Menschen sich ebenfalls im Streite wieder treffen." Sie hielt mit ihrem Vortrag inne und war sich nicht sicher, ob sie es gut genug erklärt hatte, ob die Grundlagen reichten, ob ihre Sprache reichte und vor Allem, ob ihr eigenes Wissen und Verständnis für die Religion,den Glauben und die Philosophie hinter Allem reichte. "Es tut mir leid, wenn ich es unzureichend erklärt habe, aber ich bin leider kein Gelehrter oder Mobet - unsere Priester. Diese würden es Dir sicherlich bedeutend besser, genauer und mit allen Facetten erklären können." Sie sah etwas bedauernd drein und hoffte auf Verständnis. Immerhin hatte sie selber die Diskussion loegetreten.


    Aufmerksam lauschte sie den Worten der Frau und nickte hier und da. "Ich denke, ich verstehe. Doch was sind Libri Sibyllini?" hakte sie nach. "Hat sie sich dazu geäussert, was sie an den Lehren als Irrlehren ansieht?" Sie schmunzelte, weil ihr gerade der Gedanke kam, dass Serrana vielleicht glaubte, sie würde konvertieren wollen. "Versteh mich nicht falsch, aber ich versuche zu verstehen. Ich bin, von dem was ich bisher hörte, nicht sehr begeistert, bin mir aber sicher, dass ich nicht alle Facetten mitbekommen habe. Dennoch würde ich gerne verstehen, warum sie diese teilweise doppelmoralischen Elemente in ihrem Glauben haben oder ob ich das eben nur falsch verstehe." Sie rieb sich leicht das Kinn. "Verstehst Du, was ich meine?"

  • Es war faszinierend, Roxanes Ausführungen zuzuhören. Fremdartig und ungewohnt, aber nichtsdestotrotz faszinierend, oder vielleicht auch gerade deshalb. Ein erschaffender Gott, der Anfang und Ende der Welt darstellte... Ohne es zu merken, spiegelte Serrana mit ihrem Stirnrunzeln die Mimik ihres Gegenübers wider, während sie versuchte, sich das Gesagte in aller Konsequenz vorzustellen, was ihr jedoch nur recht unzulänglich gelang.
    Die Idee von den sechs guten Geistern erschien da schon ein wenig vertrauter, und Serrana nickte langsam, als Roxane die einzelnen Amschpands aufzählte. "Das erinnert mich ein wenig an unsere Virtutes, wobei die vor allem diejenigen Eigenschaften und Qualitäten sind, die sich jeder Römer nach Möglichkeit aneignen sollte, weil sie es erst ermöglich haben, dass wir so ein riesiges Reich aufbauen konnten." Das Wörtchen "wir" kam Serrana in diesem Fall sehr leicht von den Lippen, schließlich hatte sie die Forderungen der Via Romana von klein auf mit der Muttermilch aufgesogen und noch nie den kleinsten Zweifel an der absoluten Überlegenheit ihrer eigenen Kultur gehegt. Faszination schön und gut, aber wenn man Serrana eine Sache einmal erfolgreich eingebleut hatte, dann stellte sie diese auch nie mehr in Frage und hielt unbeirrt daran fest, auch wenn,wie im Falle der römischen Religion, viele Dinge auch selbst ihr manchmal nicht ganz schlüssig oder gar verwirrend erschienen. "Manche von diesen Tugenden werden auch als Götter verehrt, Iustitia zum Beispiel, Concordia oder Fortuna." Gerade wollte sie Atem schöpfen, um noch ein wenig ausführlicher zu diesem Thema auszuholen, als ihr eine weitere Frage der Partherin dazwischen kam.
    "Die Libri Sibyllini? Es heisst, dass sie zur Zeit der etruskischen Könige nach Rom gekommen sind, nachdem eine Sibylle sie Tarquinius Priscus verkauft hat. Es sind aber keine Weissagungen sondern Vorschriften für bestimmte Rituale. Sie stehen unter besonderer Bewachung und dürfen eingesehen werden, wenn ein unheilverkündendes Prodigium beobachtet wurde. Dann zeigen sie uns, welche Maßnahmen man ergreifen muss, damit der Friede mit den Göttern wieder hergestellt werden kann. Darum geht es nämlich, weißt du, dass der Friede zwischen Göttern und Sterblichen erhalten bleibt, und uns die Unsterblichen weiterhin in unserem Tun und Streben unterstützen." Serrana nickte noch einmal energisch, nur um Sekunden später erneut die Stirn in Falten zu legen. "Was Claudia Romana über die Christen gesagt hat? Nun, zum Beispiel, dass sie zum Beispiel das Fleisch anderer Menschen essen. Das allein ist schon so, so...grauenhaft...ich möchte gar nicht darüber nachdenken." Ein unübersehbares Schütteln ging durch ihren Körper, und Serrana verschränkte instinktiv die Arme vor dem Körper, denn Kannibalismus war in den Augen jedes Römers ein nahezu unfassbares Greuel. Bis zum heutigen Tag hatte sie sich noch nie die Mühe gemacht, ernsthaft zum Thema Christen nachzuforschen, aber warum auch? Die Vestalin Romana war in ihren Augen in allem, was sie tat und sagte, unfehlbar, also zweifelte sie auch keinen Moment an deren Worten und Urteil. Nein, was die Claudia sagte, musste einfach stimmen!
    "Was genau meinst du denn mit Doppelmoral? Meinst du etwas bestimmtes?" Serranas Stirnfalten vertieften sich und sie betrachtete Roxane mit neuerwachter Aufmerksamkeit und einer winzigen Prise Misstrauen. Ob die Partherin etwa selbst mit diesen Sektierern und ihren Lehren sympathisierte? Nein, undenkbar, dann hätte Aculeo sie sicher nicht mit ins Haus gebracht.

  • "Bitte erzähl mir mehr über diese Tugenden," bat sie freundlich und aufmerksam ihr Gegenüber und runzelte dann leicht nachdenklich die Stirn, als diese Nachfrage kam. "Nun," meinte sie und versuchte die richtigen Worte zu finden. Heute noch als sie mit Aculeo darüber sprach, war es einfacher gewesen. "Nehmen wir einmal die Frage des Sündigens und der Gnade ihres Gottes. Ich meine, nicht, dass ich mit dem Monotheismus nicht zurecht käme," schmunzelte sie leicht. "Aber der Gedanke, dass jemand Anderes für mich am Kreuze oder in sonst einer Art und Weise für meine Sünden büßt ist etwas, was mich abstößt. Wenn ich Mist baue, dann stehe ich auch alleine dafür gerade. Das kann man, meiner Meinung nach, von jedem erwarten. Ich lasse doch keinen anderen Menschen dafür büßen, dass ich zu blöd war etwas zu tun." Sie klang wieder einmal ein wenig erstaunt, als sie über dieses Thema sprach. Immer wieder erstaunt darüber, das Menschen sich jemand anderen als Sündenbock auserkoren. Andererseits war der Mensch wohl irgendwie prädestiniert dafür. "Mich würde interessieren, wie dies mit den Sünden nach seinem Tod eigentlich zugeht. Denn sie werden doch sicher keinen neuen Heiland alle paar Jahre haben?" Dieser Gedanke interessierte sie wirklich. "Ist sein Tod so etwas wie eine," wie konnte man das nennen? Nachdenklich sah sie einen Moment drein "Generalabsolution gewesen? Geht man jetzt hin und beruft sich auf den Tod des Sohnes, wenn man Mist gebaut hat? Hat man damit auch gleichzeitig das Recht erworben unendlich viel Mist zu bauen? Ist dies nicht doppelmoralisch? Es gibt deren Gesetze, ich glaube sie nennen sie Gebote, die ihnen Dinge verbieten, wie Mord und Ehebruch und Diebstahl und was weiß ich noch alles, aber wenn sie sie begehen, gehen sie hin, beichten diese und ihnen werden diese Sünden erlassen, auf das sie dennoch die Möglichkeit haben, mhm, ja, was eigentlich. Ich glaube sie nennen es gen Himmel fahren." Sie schüttelte den Kopf. "Ich finde diese Art des Glaubens, dessen Auslegung und Durchführung sehr doppelmoralisch und äusserst fragwürdig."

  • "Die Tugenden? Oh, von denen gibt es eine ganze Menge." entgegnete Serrana erfreut, dass Roxane sich ausgerechnet für diese interessierte und machte eine ausholende Handbewegung. "Also, viele dieser Virtutes sind persönlicher Natur, und jeder von uns sollte danach streben, sie in seinem täglichen Leben auszuleben. Geistige Stärke und Pflichtgefühl zum Beispiel, oder Ehrlichkeit und Mut. Und dann gibt es natürlich auch Tugenden, die für die ganze Gesellschaft, also die Gemeinschaft aller Römer gelten. Harmonie und Gerechtigkeit, aber natürlich auch Freiheit, Sicherheit und Friede. Und die meisten dieser öffentlichen Tugenden werden natürlich nur durch die Einhaltung der privaten ermöglich, daher sind wir alle, also ähm wir Römer dafür verantwortlich, dass die Gesellschaft so gut wie möglich funktioniert." Das war ja gerade nochmal gutgegangen, nicht dass Roxane jetzt vermutete, Serrana wollte ihr irgendwelche Verhaltensmuster vorschreiben. Lange über diesen Gedanken nachdenken konnte sie jedoch nicht, denn die nächsten Ausführungen der jungen Frau ihr gegenüber lenkten Serranas komplette Aufmerksamkeit auf sich.
    Monotheismus, ja der Gedanke, nur einen einzigen Gott anzubeten, war der Iunia bekannt, wenn auch in ihren Augen völlig abstrus. Aber das, was dann kam...
    "Wie meinst du das, jemand büßt für die Sünden eines anderen? Das macht doch gar keinen Sinn..." Serranas Stirnfalten vertieften sich. "Wenn ich etwas tue, was den Göttern missfällt, und sie zeigen mir das in irgendeiner Form, dann bringe ich ein Sühneopfer dar oder versuche, sie mir auf andere Weise wieder gewogen zu machen. Wie sollte das ein anderer für mich tun? Und wieso am Kreuz? Das ist eine Strafe für Sklaven, was für eine Macht sollte ein Sklave denn haben, irgendetwas zu ändern, selbst wenn er das wollte?" Nein, Serrana hatte keine wirkliche Ahnung von den Lehren der Christianer, und Roxanes Worte irritierten sie ungemein, fesselten sie aber dennoch oder auch gerade deshalb.

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