Casa Germanica - Officium Avarus

  • "Danke." Valeria nahm Platz und drehte ihren Becher kurz in den Händen. Dann legte sie sich in den Schoß. Avarus schien nicht unbedingt begeistert davon zu sein, dass sein Sohn in Alexandrien studierte. Valeria hätte eigentlich versichert, dass er da wohl bestens aufgehoben war, aber angesicht von Avarus' geringer Begeisterung kommentierte sie seine Worte besser nicht.


    "Er war zu seiner Zeit der bedeutendste Iatros am Iatreion zu Alexandria und kam eigens für den Medizinkurs nach Tarraco. Soweit ich weiß, war die Schola sehr zufrieden mit seiner Leistung", erzählte sie. "Inzwischen lebt er auf Capri. Wir halten immer noch Kontakt."


    Auf Avarus' nächste Worte hin wiegte Valeria den Kopf. "Vertiefen nicht unbedingt. Wenn das mein Ziel wäre, würde ich kaum nach Rom kommen, sondern viel eher zurück ans Iatreion gehen. Aber ich möchte mein Wissen gern anderen vermitteln, das ist richtig." Sie nickte zustimmend. Ursus unterstützte sie ein wenig. "Den Archiven der Schola kannst du entnehmen, dass ich damals den Kurs mit einer Auszeichnung bestanden habe. Ich bin mir sicher, dass auch das Iatreion mir eine Empfehlung ausstellen würde, wenn ich darum bäte. Und nicht zuletzt kann ich Apollonius von Samothrake selbst als Referenz benennen", half sie nach.

  • Er lauschte ihren Worten aufmerksam. Es war die Geschichte, wie ein jeder Mann sie sich wünschte. Ein paar Jahre erfolgreich für Rom dienen, dann auf dem Olymp seines Treibens den Aussteigerweg finden und auf einem wunderbaren Fleckchen Erde das Leben zu Ende genießen. So oder so ähnlich kam es in tausenden von Träumen vor. Doch leider blieb er all zu oft Schall und Rauch.


    "Besser kann es einem Mann nicht gehen. Wenn du ihn mal wieder schreibst, sende ihm doch die besten Grüße der Schola mit."


    Oh dieses wehemente Betteln, wie kannte das Germanicus Avarus nur zu gut. Er fand den Vorschlag perfekt. Es war deutlich besser so.


    "Das mußt du doch garnicht. Warum suchst du dir nicht eins der leer stehenden Officien aus und beginnst mit den Vorbereitungen die Medizin wieder zum Anfassen zu machen?"


    Ohja davon standen eine ganze Reihe leer. Die Zeiten in dennen Praeceptoren wöchentlich aus dem Boden schossen, waren längst vorbei.


    "Möchtest du den Titel eines Praeceptors tragen oder ist es dir lieber Praeceptor Externus zu werden?"


    Letzterer schloss darauf, das Valeria einzigst der Medizin verpflichtet war und Ersterer darauf, das sie auch in anderen Fachgebieten mitmischen wollte.

  • Vitale klopfte an des Senators Tür. Nachdem er eine Weile gewartet hatte, klopfte er nochmals. Als immer noch keine Antwort kam, versuchte er, ob sich die Tür öffnen ließ. Da das der Fall war, ging er zum Schreibtisch und hinterließ das Schreiben gut sichtbar in seiner Mitte.


    Senator
    Medicus Germanicus Avarus
    Casa Germanica
    Roma


    Dem ehrwürdigen Senator unseren Gruß,


    es ist einige Zeit vergangen, seit wir dich zum Patron unserer geliebten Civitas ernannt haben, und du uns mit der Ehre bedacht hast diese Wahl anzunehmen.
    Nun schreiben wir dir, um dich im Namen Mogontiacums um Hilfe zu bitten. Das Eis des Winters wird bald abgeschmolzen sein, und der Rhenus wird in seiner Macht über die Ufer treten um die angrenzenden Ländereien zu verwüsten. Wie jedes Jahr wird danach viel Arbeit und Geld vonnöten sein, um den Hafen der Stadt wieder instand zu setzen und die Stadt wieder am Handel auf dem Fluss und der Leben mit den anderen Städten am Rhenus teilhaben zu lassen. In dieser Sache bitten wir dich, ehrwürdiger Senator, um Hilfe, um die auf uns zukommenden Probleme meistern zu können!


    Wir verbleiben in freundlichem Gruße,


    Volusus Statorius Rullus et Kaeso Lucceius Philonicus


    Ohne sich weiter umzusehen verließ er das Zimmer wieder und schloß die Tür.

  • Kaum war Vitale in der Poststube angekommen flatterten gleich zwei Schreiben herein. Also machte er sich sofort wieder auf den Weg zurück zum Officum des Senators. Vorsichtshalber klopfte er an, öffnete aber recht schnell die Tür. Er legte ein weiteres Schreiben gut sichtbar auf den Schreibtisch:



    An den LACP Med. Germanicus Avarus
    Casa Germanica, Roma



    Salve Legatus,


    Lucius Iunius Merula, Stationarius von Alexandria, entsendet Grüße aus dem sonnigen Ägypten.
    Zwei Dinge sind es, weswegen ich dir schreibe: Zum einen sind es die Abrechnungen der letzten Monate, die ich dir auf diesem Wege zukommen lasse. Zum anderen habe ich kürzlich erfahren, dass meine Cousine vier Tage vor den Iden des Aprils heiratet, und ich gedenke, an den Festlichkeiten teilzuhaben. Es ist also nicht unmöglich, dass ich noch vor Eintreffen dieses Briefes nach Rom gelange.
    Was für dich als mein Vorgesetzter wichtig ist: Für die Zeit meiner vorübergehenden Abwesenheit aus Alexandria wurde vorgesorgt; es wird zu keiner Beeinträchtigung des Briefverkehrs führen.


    Vale,



    Lucius Iunius Merula




    ANTE DIEM III NON APR DCCCLX A.V.C.



    Und wiederum verließ er den Raum.

  • Während das erste Schreiben recht rasch zu beantworten war, ließ sich Avarus beim zweiten Brief Zeit. Zwar enthielt er wenig Neuigkeiten, aber die Listen des Cursus Publicus wollten genau unter die Lupe genommen sein. Er setzte schließlich eins seiner internen Siegel hinzu und verschloss das Pergament so, das es nicht von jedem Depp gelesen werden konnte, dem es auf dem Weg ins Archiv des Postdienstes durch die Finger glitt.


    Dann wies er einen Sklaven, den Diener, der immer an der Tür wartete an:


    "Schick mir umgehend Volubilis Vitale herein. Ich hab einen Botengang für ihn."

  • Vitale war gerade in sein kleines Officum zurückgekehrt, als ein Sklave eintrat und ihn aufforderte, in Avarus Zimmer zu erscheinen.
    Natürlich machte er sich sofort auf. Er nahm nur ein paar Schreibutensilien mit und schlug den Weg zu des Senators Zimmer ein.
    Dann klopfte er und wartete darauf, eingelassen zu werden. Nein, er würde es sich nicht angewöhnen, einfach irgendwo hineinzustürtzen...

  • Das konnte nur der Schreiberling sein.


    "Komm rein!" rief Avarus und wartete nicht bis der Scriba Volubilis Vitale bis zu seinem Schreibtisch gelangt war, sondern plapperte munter drauf los:


    "Ave Vitale, wie ich höre, hast du dich bereits in unseren Haushalt eingelebt, das ist wunderbar. Ich habe hier eine kleine Aufgabe für Dich. Bitte geh doch in den nächsten Tagen zur Casa Iunia hier in Rom und erkundige dich ob ein gewisser Lucius Iunius Merula aus Aegyptus bereits eingetroffen ist und falls nicht, wann man ihn in etwa erwartet. Sollte er da sein, bitte um kurzes Gehör und richte ihm aus, das ich ihn sehen will. Den Termin kann er benennen, er sollte aber nach dem Mittag liegen. Wie du weißt bin ich früh im Senat, auf dem Palatin und so weiter."


    Avarus schaute ob der Schreiber alles verstanden hatte und obs noch Fragen gab.

  • Vitale trat ein und da wurde er auch schon mit Aufgaben überhäuft. Nein, eigentlich war es gar nicht so viel, nur Avarus sprach in seiner betreibsamen Art und Weise so schnell, dass man kaum mitkam.
    Vitale war aber auch ein Flinker und wiederholte seinen Auftrag, um sicher zu sein, nichts vergessen zu haben:
    "Ich erkundige mich, ob Lucius Iunius Merula aus Aegyptus bereits eingetroffen ist, bzw., wann er erwartet wird. Sollte er bereits eingetroffen sein, bitte ich ihn zu einem Gesräch mit dir um die nachmittägliche Stunde."
    Soche Aufträge mochte er: nicht so schwierig, aber ein Spaziergang im Dienst...

  • Geplant war es schon länger. Es wäre falsch zu schreiben, das diese Reise einfach so geschehen sollte. Nein der Wahrheit entsprach vielmehr, das dieser lange Ritt hinauf über den Rubicon, dann über die Alpes, durch die fruchtbaren Täler Raetias bis schließlich an die Ufer des Rhenus und mit dem Flussschiff endlich nach Mogontiacum rasch, ja übereilig von Statten gehen sollte. Nach vielen Monaten des Verschiebens, des Wartens, des Abwartens, des 'einfach keine Zeit habens' folgte nun 'einfach Zeit nehmen' und dies nicht ohne Grund. Denn Roms Zelt war nun nicht mehr das Seine. Zumindest für die Länge einer Amtszeit. Mochten andere gegen diese Mühlenräder kämpfen, Andere den Sülz ertragen, mittragen oder richten.


    Er selbst sollte einen wunderbaren Frühling erleben. Weg von dieser stickigen Stadt, fort von diesem Pranz, dieser Selbstüberschätzung und letztlich auch dieser Unfähigkeit. Nein es war das Beste und es war sowohl für seine Figur gut, als auch für den Geist, der sonst abzustumpfen drohte. Banale Politik ohne Sinn und Verstand, darauf konnte er gern verzichten. Vorallem aber darauf, das Regelungen und Gesetze den Senat verließen, die eine Laufzeit aufwiesen, welche kürzer als ein Sanduhrendreh war.


    Nun galt es Vorbereitungen zu treffen. Die Klienten mußten ebenso informiert werden wie die Verwalter in Germanien und Italien. Auch gab es die Not dem Statthalter Hungaricus zu schreiben. Genau wie dem Weib -ein Abstecher war geplant- und dem Haushalt in Mogontiacum. Avarus wollte den Luxus des alten Hauses so genießen wie er war, wohnte man dort. Die Sklaven hatten vielleicht drei Wochen alles vorzubereiten. Zeit genug wie er fand...

  • Da das Officium seines Onkels quasi gerade um die Ecke war, war es nur ein Katzensprung von Sedulus`Officium hier her.


    Na dann lass uns mal sehen ob Avarus in seinem Büro ist.


    Meinte Sedulus zu seinem Klienten und entfernten Verwandten Aculeo und klopfte an.

  • Nun standen Sedulus und Aculeo vor dem Büro des Germanicus Avarus und warteten. Paullus meinte leise. Bist du dir sicher dass es nicht gerade ungünstig ist? Vielleicht hat er ja gerade Besuch und muss dringende Anliegen besprechen.
    Irgendwie war es ihm unangenehm und er wurde nervös. Einem noch fremden Verwandten kennen zulernen und das im Zusammenhang mit einer Gefälligkeit war nicht wirklich das gescheiteste.

  • Eine gute Weile blieb es still von drinnen, dann erst hörte man einen dumpfen Schlag -was das auflegen einiger Tabulae bedeutete- dann ein Fluchen -das die damit verbundene Staubwolke begleitete- und schließlich ein Seufzen -das die allgemeine Unordnung kommentierte- Dann war wieder Ruhe... Stille fast konnte man den *Ökolärm* des Gartens hören, aber nur fast. Schließlich ertönte es doch, das Erwartete, das Erhoffte, das Angenommene....


    "Herein."

  • Aculeo öffnete die Türe nachdem sie aufgefordert wurden einzutreten. Nach Sedulus betrat er nun das Officium von Germanicus Avarus und grüsste freundlich.


    Salvete dann verhielt er sich wieder still und wartete darauf dass Sedulus das Wort ergriff oder auch Avarus antwortete.

  • "Ahja..." machte er wenig aufschlussreich und lehnte sich zurück. Wenn Sedulus mit einem jüngeren Germanicus zu ihm kam, dann gab es wohl entweder Rüge zu verteilen, weil vielleicht eine neuerliche Unachtsamkeit dazu beitrug die exquisiten Reliquen im Haus zu dezimieren, oder aber es wollte Fürsprache gehalten werden. "Salve ihr Zwei." Noch bot er nichts an, es durfte darüber gerätselt werden ob der Besuch länger dauerte, dann gabs auch was zum Schlürfen. 8)

  • Ah, der gute Onkel war ja doch da. So ging Sedulus voran ins Zimmer und grüßte.


    Salve Onkel. Ich hoffe wir stören nicht.


    Dann drehte sich Sedulus halb zu Aculeo um.


    Darf ich dir Paullus Germanicus Aculeo vorstellen. Er ist der Bruder von klein Pius. Er hat ein Anliegen. Zur Zeit ist er Scriba in Ostia, ihm dürstet es aber ein klein wenig nach mehr. Du hast in deiner Poststelle nicht etwa noch einen Posten frei für einen fleißigen, willigen Germanicer?


    Viel der Neffe auch gleich mit der Türe ins Haus.

  • Sedulus verlor kein Wort als Avarus die beiden begrüsste. Wollte er doch wissen wie sich der junge Germanica dem Patriarchen gegenüber verhielt.


    Paullus war etwas verwirrt und recht nervös. Er kannte Medicus überhaupt nicht. Noch nicht mal gesehen hatte er ihn.


    Sedulus hatte mit ein paar Worten den Grund und die Situation Avarus nähergebracht. Aculeo ersparte es sich also selbst die Tür einzutreten und ins Haus zu platzen.


    Sedulus war so nett und hatte mir den Posten als Scriba in Ostia verschafft. Mehr oder weniger halt. Doch...der ist eher etwas für ältere Menschen gedacht, so denke ich, denn man kommt sich vor wie in einem Sanatorium für Schreiber im Ruhestand. Ein leichtes Schmunzeln war zu sehen und Paullus fuhr fort.


    Es liegt mir nicht mit den Händen im Schoß herumzusitzen und zu warten dass etwas passiert. Da lauf ich immer so unrund und das ist ja auch nicht wirklich gut denn ein gutgelaunter Arbeiter ist ein guter Arbeiter. Oder?

  • Vitale klopfte an die Tür von Avarus Officum und trat nach einem "Mmh!", dass er als ja deutete, ein.

    Sim-Off:

    Habe das Eintreten mal etwas abgekürzt, ich hoffe, das ist ok?


    "Salve." grüßte er zurückhaltend. "Hier ist eine Schriftrolle für dich eingetroffen." Beim Nähertreten hielt er sie dem Senator entgegen. Dabei versuchte er dessen Laune an seinen Gesichtszügen abzulesen.



    Medicus Germanicus Avarus
    Casa Germanica
    Rom, Italia


    Mein liebster Medicus,


    es scheint mir als könnte ich deine Stimme hören wie sie mir die dichterischen Worten ins Ohr flüstert! Ich fühle ich jung wenn ich deine Zeilen lese (auch wenn du sie nur geliehen hast), wie eine junge, verrückte Henne in einer Taberna in Tarraco, der ihr Herz bis zum Hals pocht weil ihr Vorgesetzter sie zum Essen eingeladen hat. Ach Medicus, mit dir bin und bleibe ich ein junges Mädchen, das sich jeden Tag aufs neue verliebt! Und ich vermisse dich, ich vermisse dich so sehr!


    Aber was soll ich zu den Vorwürfen sagen, die du mir wegen Caius Erziehung machst? Im einen Satz schreibst du von Habgier, Machtsucht, Intriganz und Neid die in Rom herrschen, und im nächsten verlangst du, dass ich Caius in dieses Nest hinein setzte? Er ist noch so jung, Medicus, viel zu jung für dieses Spiel, das Bitterernst ist! Mein Vater, meine Brüder und Cousins sind in den Krieg gezogen, und du weißt wie sehr ich mich immer um sie sorge, und wie sehr ich mir wünsche, dass unser Sohn nicht diesen Weg geht. Aber ich kenne auch Rom nur zu gut und ich kenne den Krieg der dort geführt wird. Genauso wenig wie ich zulassen werde, dass jemand Caius in seinem Alter mit in die Legion nimmt, werde ich zulassen, dass du ihn in diesen Moloch ziehst. Natürlich soll er dich eines Tages begleiten, natürlich soll er von dir das Spiel der Politik lernen. Aber dazu braucht es Grundlagen und ein festes Fundament, dass er nicht schon nach den ersten Schritten stolpert und stürzt! Wie soll er begreifen was Politik ist, wenn er gerade einmal anfängt das Leben zu begreifen? Wie soll er den Versuchungen und Irrwegen der Macht widerstehen, wenn er noch jeder Süßspeise verfällt? Nein, Medicus, schau sie dir an die Männer, die Rom erzogen hat: machthungrig, gierig, rachsüchtig und bar jeden Verständnisses für die Dinge, die wirklich wichtig sind im Leben. Schau sie dir genau an, wenn du ihnen das nächste mal im Senat gegenüber sitzt. Und dann sage mir noch einmal, dass ich unseren Jungen nach Rom schicken soll bevor er auch nur die Chance hatte seinen Charakter zu festigen!


    Caius ist übrigens gut angekommen in Alexandria. Was denkst du nur von mir, ich habe natürlich Vorkehrungen getroffen! Zum Glück hat ihm die Seereise gefallen und er hasst seine Mutter jetzt nicht dafür, dass sie ihn so lange an der Küste entlang schippern lässt, statt ihn quer über das weite Meer zu schicken. Er hat sich schon sehr gut eingelebt und ist ganz begeistert von der großen Bibliothek. Ich werde ihm schreiben, dass er dir auch Briefe über seine Fortschritte und Abenteuer schicken soll. Denn auch wenn er dich nur aus Erzählungen kennt bist du kein Fremder für ihn, Medicus, du bist sein Vater und er liebt dich abgöttisch.


    Es freut mich sehr, dass es der Familie gut geht und dass das Leben in der Casa blüht. Auch wenn es mich betrübt, dass dein Leben davon ausgeschlossen scheint und dass du dich selbst vielleicht davon ausschließt.
    Narbo ist natürlich ein Dorf verglichen mit Rom, aber durchaus vergleichbar mit Tarraco. Ein bisschen kälter ist es, aber immer noch warm genug. Jocasta und ich vergnügen uns auf den Märkten, in den Thermen und bei Abendgesellschaften. Das Leben hier ist so einfach, genau wie in Tarraco, nur dass es mit Jocasta nicht mehr ganz so leer ist.


    Ich habe Einladungen bekommen aus Rom, zur Hochzeit meiner Nichte Seiana und auch die zu den Hochzeiten von Calvena und Sedulus. Ich habe lange darüber nachgedacht, meine Kisten zu packen und zumindest für einen Besuch vorbei zu kommen. Aber ich habe in der letzten Zeit viel länger über Rom und über uns nachgedacht und festgestellt, dass Rom keinen Reiz mehr auf mich ausübt. Ich fürchte mich regelrecht vor Rom, Medicus, davor dass das römische Leben mich überrollen würde. Ich lese die Berichte aus der Acta Diurna und Briefe über politische und gesellschaftliche Ereignisse, aber es ist alles so weit fort und so unbedeutend. Und so oberflächlich, so fadenscheing und irgendwie unecht. Ich war wohl zu lange fort und würde ich wiederkommen, so fehlt mir die Neugier, der Stolz und der Elan, mir meine Position in der Gesellschaft zu erkämpfen, wie ich es schon einmal tat. Natürlich bräuchte ich das nicht, ich bin eine Senatorengattin und Matrone, aber Bona Dea, noch weniger als das dumme Landei will ich ein gesellschaftliches Nichts sein, das sich auf dicken Kissen ausruht und nichts mehr zu sagen hat! Ach, das Leben in Rom ist so kompliziert und ich glaube, ich habe meinen Biss verloren, Medicus. Vielleicht ist Caius daran schuld (wie soll ich scharfzüngige Hiebe austeilen, wenn ich ständig um meinen Sohn fürchten muss?), vielleicht auch meine Herkunft. Denn viel mehr als eine scharfzüngige Schlange möchte ich eine Glucke sein.
    Aber bei all dem vermisse ich dich so sehr und wenn du schreibst, wie sehr dich das Leben in Rom betrübt, dann gibt mir das nur noch mehr Anlass zu träumen. Erinnerst du dich an Mauretania, an Caesarea? An die wundervollen, weitläufigen, prachtvollen Marmorvillen und die herrlichen Gärten, in denen das ganze Jahr über die Brunnen glucksen und die schönsten und größten Blumen blühen? An die lustigen Tiere dort, deren Fleisch so leckere Gaumenfreuden bietet, an die saftigen, fetten Früchte und den vollmundigen, schweren Wein? Ach, Medicus, ich träume seit Jahren davon, dass wir uns dort eine Villa bauen, und wäre nicht jetzt der richtige Zeitpunkt? Du könntest deine Geschäftsinteressen nach Mauretania verlagern, oder vielleicht Senator Aelius bitten beim Kaiser ein gutes Wort einzulegen (immerhin ist er mit deiner Nichte verheiratet), denn Virginius Tricostus hat sich schließlich schon lange genug an der Provinz bereichert. Du könntest bei deinen Kindern sein, noch haben wir Zeit für einen ganzen Stall voll, und wenn unsere Söhne alt genug sind, dann können wir sie immer noch zur Familie nach Rom schicken, sie haben schließlich genug Onkels, die sie ebenso in die Politik einführen können wie du.


    Ich vermisse dich so sehr, mein Medicus!


    In Liebe,
    deine Lucilla

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