Cella II - leer

  • Ich saß noch immer neben Ganymed, als plötzlich die Tür aufging und der Praefect nebst einem Centurio eintrat. Ich stand augenblickblich auf und salutierte vor beiden.


    "Salve Praefectus. Centurio."


    Ich nickte beiden zu und tat gelassen.

  • "Praefect, lass mich erklären..."


    Ich ging näher heran und antwortete im Flüsterton.


    "...dieser Sklave wurde schwer verletzt und bewusstlos aufgegriffen. Ich war auf der Jagd nach einer Sklavin. Dieser Mann versuchte sie zu decken und flüchtete mit ihr. Sie schafften es bis auf das Dach einer Insula. Die Sklavin, Nadia ist ihr Name, konnte unbeschadet gefangengenommen werden. Doch der Sklave widersetzte sich jedem Rettungsversuch und wollte sogar weiter fliehen. Bei dem Versuch, auf ein anderes Dach zu springen, rutschte er ab und stürzte. Dabei kam er wohl so hart auf, dass er innere und äußere Blessuren davontrug. Die Vigiles brachten ihn hierher, da er nun Gegenstand der Untersuchung ist. Da ich ihn von der Sklavin separieren wollte, um ihm nicht zu ermöglichen, einen weiteren Fluchtversuch zu planen, ließ ich ihn hierher bringen. Das ist die Erklärung, Praefectus. Ich kenne weder seinen Namen, noch seine Besitzer."

  • Ganymed sah die Konturen des zweiten Mannes, der sich vom Licht dahinter abhob. Irgendwie kam er ihm bekannt vor. Die Uniform, der Helm und die Silhouette. Hatte er nicht davon geträumt? Das Flüstern von Strabo konnte er nicht verstehen. In seinen Ohren rauschte es leicht als ob der Styx darin floß. Er verstand immer noch nicht, was sie von ihm wollten. Oder vielleicht wolten sie ihm ja auch helfen?


    Benommen sank er nun ganz auf die Pritsche zurück und starrte an die Decke. Wie er stumm an die Decke schaute, fragte er sich, ob die Flecken dort wirklich waren oder ob sie nur für seine Augen existierten. Ikarus..."Ikarus..." flüsterte Ganymed wieder. Er schloss die Augen und würgte leicht. Ihm war so schlecht und die Schmerzen. Wenn sie doch nur endlich aufhören würden.

  • Crassus runzelte die Stirn und sah zu dem Centurio, der es ihm gleich machte.


    Aha. Ich erwarte einen ausführlichen Bericht über diesen Vorfall und auch über die Verfolgung morgen früh auf meinem Schreibtisch.


    antwortete Crassus ebenso leise. Dann ging er um den Optio herum und kniete sich neben Ganymed, um mit ihm vielleicht ein paar Worte zu wechseln.


    Salve.


    sprach Crassus leise und möglichst freundlich. Irgendwoher kam ihm der Sklave auf den ersten Blick bekannt vor... nur woher? Auf einer Feier hat er ihn mal gesehen, glaube Crassus. Nur auf welcher?

  • Ich nickte.


    "Jawohl, Praefectus.", sagte ich im Vorbeigehen.


    Nun blieb ich neben dem Centurio stehen und sah zum Praefect. Scheinbar wollte er mit dem Sklaven reden. Ich konnte nur hoffen, dass sich der Himmelsflieger nicht verriet.

  • Die Schritte von Caecilius Crassus kamen Ganymed laut und dröhnend vor. Wenn auch das Rauschen in seinen Ohren nicht leiser geworden war. Langsam wandte er seinen Blick zur Seite. Die Flecken vor seinem Gesichtsfeld waren immer noch da und der Mann neben ihm sah er nur sehr verschwommen. Hatte er nicht gerade mit ihm gesprochen?


    Mühvoll richtete sich Ganymed ein wenig auf, wobei wieder ein Stechen durch seinen Brustkorb ging. Ein leichtes schmerzhaftes Stöhnen kam ihm über die Lippen. Er blinzelte und versuchte den Mann klarer zu erkennen.


    "Salve, Herr!" brachte er schließlich hervor. Ob das sein Herr war? Er sah ihn fragend an. Wo war er noch mal? Verwirrt sah er sich um. Irgendwie wußte er, dass der andere Mann (Strabo), ein Vigil wohl, ihm es gesagt hatte. Aber auch das verschwamm in seinen Gedanken wieder.

  • Weißt du wo du bist und warum du hier bist, aber auch wie du hier her gekommen bist?


    Verflixt, woher kam der Sklave Crassus so bekannt vor? Und warum drang nun auch Lucilla in seine Erinnerungen? Hatte er ihn irgendwo getroffen, wo er mit Lucilla war?

  • Ganymed hob seine Hand und fuhr sich benommen über die Stirn. Eigentlich war ihm im Moment gar nichts klar. Auch schon wenige Sekunden nachdem er die Worte gehört hatte, musste er sich anstrengen sie in seine Erinnerung zu rufen. Warum fiel ihm jeder Gedanke so schwer?


    Ganymed fokusierte seinen Blick auf Crassus. Er hatte ihn einiges gefragt...Der junge Mann brauchte einige Sekunden, bis er die Worte dafür zusammen hatte. "Wie ich her gekommen bin...?" Er schüttelte ganz langsam seinen Kopf. "Nein, ich...weiß nicht mehr!" flüsterte er heiser. Sein Blick ging kurz hilfesuchend zu Strabo. Ein Gedanke, ein Bild kam ihm immer wieder in den Sinn. Hatte er nur davon geträumt? Von einem geflügelten Mann? Der Gedanke zerfaserte schon wieder, aber Ganymed sprach ihn aus. Leise sprach er. "...vom Dach gefallen!" Das hatte doch der andere Mann gesagt, oder? Aber Ganymed war sich gar nicht mehr so sicher.


    Wieder muste er husten und dieses Mal heftiger. Der Schmerz dabei ließ ihn aufstöhnen und er sank wieder auf die Pritsche herunter. Wieder drehte sich alles. Verwirrt sah er sich um. Hatte der Mann neben ihn, ihn nicht etwas gefragt? Er wußte es nicht mehr. Die Schwärze frass an jedem seiner Gedanken.

  • Crassus schüttelte den Kopf. Das hatte noch keinen Sinn. Er erhob sich und ging zu dem Optio und Centurio.


    Optio, lass einen Vigil-Medicus holen. Er soll sich um den Sklaven kümmern. Verstanden?


    Crassus wusste zwar, dass es mehr als nur ungewöhnlich war, dass wegen einem unbekannten Sklaven ein Medicus geholt wird, aber offenbar hatte er seine Gründe.

  • Erleichtert schloss Ganymed seine Augen. Auf seiner Zunge schmeckte er wieder Blut. Er schluckte kurz und atmete langsam ein und aus. Es war ihm als ob er auf Wellen reiten würde. Wie ein Delphin im blauen Meer von Milet. Milet! Ganymed öffnete seine Augen und sie irrten wieder durch die Zelle des Carcer. Die beiden Männer schienen sich zu unterhalten. Zu leise als dass Ganymed sie verstehen konnte.


    Er sah kurz zur Decke, dann schloss er die Augen. Keine Gedanken mehr...jeder Gedanke schien ihm jetzt zu anstrengend. So hieß er die wiederkehrende Schwärze willkommen. Er ließ sich in sie hineinfallen und seufzte erleichtert auf.

  • "Jawohl, Praefect, verstanden!"


    Ich drehte mich um und holte einen Medicus aus dem Valetudinarium. Zusammen kamen wir zurück. Der Medicus salutierte.


    "Praefect, ich werde mich um den Verletzten kümmern. Wie ist das passiert?"

  • Crassus nahm den Salut ab:


    Ein Sturz aus großer Höhe. Mehr brauchst du nicht wissen, aber bringe ihn schnellst möglich wieder auf die Beine, er soll die beste Behandlung erfahren.


    Crassus wandte sich ab und verließ mit dem Centurio den Carcer. In seinem Büro, würde man weiterberatschlagen.

  • Der Medicus nickte und sah dann Crassus nach. Ich hielt mich etwas im Hintergrund und beobachtete das Werk des Mannes. Er besah sich den Verletzten genau und drückte hier und dort zur Kontrolle auf eine Stelle, um herauszufinden, wie die Sachlage war. Schließlich drehte er sich zu mir um.


    "Optio, dieser Mann hat eine angeknackste Rippe und der Rest sieht auch ziemlich lädiert aus, sind aber zum Glück nur Prellungen. Ich werde ihm gegen die Schmerzen einen Trunk mischen und seine äußeren Verletzungen behandeln. Für den Rest kann ich nur strenge Bettruhe verschreiben. Er ist wahrscheinlich für mindestens drei Tage ans Bett gefesselt."


    Ich nickte nur und blickte besorgt zu dem Sklaven. Hoffentlich würde er durchkommen.


    "In Ordnung, Medicus. Dann frisch ans Werk. Wenn du etwas benötigst, lass mich sofort holen."


    Er nickte ebenfalls nur und ich verabschiedete mich förmlich. Dann machte ich mich auf in mein Officium.

  • Ganymed stöhnte auf als er betastet wurde und dann entfuhr ihm auch ein leiser Schmerzensschrei. Verwirrt schlug er nach der Hand, die ihn da so quälen wollte. Durch sein Schädelhirntrauma (was der Medicus wohl nicht entdeckt hat :P) in einem Nebel aus Verwirrung, Schmerz und Stumpfsinn gefangen, sah er die Silhouette neben sich an. Das Flüstern verschwand wieder in die Ferne und auch die Konturen lösten sich auf als Ganymed erneut bewußtlos wurde.


    Bilder zogen in seinem Traum an ihm vorbei. Ein Labyrinth, ein grauenhafter Stier mischte sich mit Szenen vom Fliegen hoch über den Strassen Roms. Auch andere Fetzen, aus Milet und Rom, mischten sich dazwischen. Irgendwann, nachdem der Medicus ihn wieder verlassen hatte, wachte Ganymed stöhnend aus seiner Bewußtlosigkeit auf. Er sah sich suchend um, konnte jedoch nur vage den Carcer erkennen. Erschöpft und von dem Schmerz immer noch benebelt, schlief er ein.

  • Ich kam am Abend noch einmal zu Ganymed, um nach dem Rechten zu sehen. In meinem Kopf kreiste ständig die Frage, wer er war. Wer waren seine Herren? Und wieso war er an Nadia geraten? Das alles würde ich sicher nach und nach herausfinden. Als ich die Tür öffnete und leise wieder hinter mir schloss, betrachtete ich ihn genau. Der Medicus hatte allem Anschein nach ganze Arbeit geleistet. Bemüht, leise zu sein, zog ich einen Stuhl heran und setzte mich neben das Bett. Behutsam rüttelte ich ihn an und wartete darauf, dass er erwachte.

  • Wieder saß Ganymed auf einer grünen Wiese. Rote Dächer zeichneten sich in der Ferne ab und eine glitzernde, blaue Wasseroberfläche- das Mittelmeer. Ganymed hatte die Beine im Schneidersitz verschränkt und hielt in seinen Armen eine Lyra. Langsam zupft er an den Seiten des Instrumentes, konzentriert und aufmerksam. Ein Möwe kreiste in der Ferne. Lächelnd wandte er seinen Kopf und sah den älteren Mann, der auf einem Baumstumpf an seiner Seite saß. Dieser fuhr sich mit seiner rauhen Hand über sein narbiges Gesicht und starrte vor sich hin und an Ganymed vorbei, unfähig ihn zu sehen, da der Mann ja blind war. "Soll ich heute noch mal spielen, Hektor?" fragte Ganymed. Hektor schüttelte leicht den Kopf. "Nein, unser Herr hat heute andere Pläne für Dich...!" Gaynmed sah ihn neugierig an, doch dann wurde er geschüttelt.


    Verwirrt schlug er die Augen auf und sah sich um. Die sonnige, grüne Wiese war einer dunklen und engen Zelle gewichen. Sein Kopf tat ihm weh und ihm war immer noch übel. Langsam wandte er seinen Kopf zu Strabo. Sein Mund war ausgetrocknet und seine Lippen aufgesprungen. Der Mann kam ihm bekannt vor. Woher? "Salve..." flüsterte Ganymed.

  • Ich wartete geduldig ab, bis er sich endlich regte. Er schien noch sehr geschwächt, aber er war über den Berg. Das spürte ich einfach.


    "Salve. Wie gehts es dir? Du hast das Schlimmste überstanden."


    Freundlich lächelte ich ihm entgegen.

  • Ganymed atmete langsam tief ein und aus, dabei kämpfte er die Übelkeit nieder. Langsam richtete er sich auf seine Ellbogen auf und sah wieder in der Zelle umher. Leichter Schwindel erfasste ihn. Etwas Blut tropfte ihm aus der Nase und Ganymed sah erstaunt darauf.


    "Das Schlimmste überstanden?" fragte er schließlich heiser und verwirrt. Grübelnd schwieg er für einen Moment. Wieso war er hier? In einer Kerkerzelle? Irgendetwas mit einem Dach kam ihm in den Sinn. Und auch, dass jener Mann ihm darüber etwas gesagt hatte. Aber die Worte waren tief in einer Schwärze versunken. Nur der Name Ikarus kam ihm noch in den Sinn. "Was ist passiert?" murmelte er schließlich.

  • Ich sah ihn weiter lächelnd an. Mein Lächeln wurde zu einem Grinsen und meine Gesichtszüge waren verzerrt durch das flackernde Licht der Öllampfen.


    "Das ist jetzt erst einmal unwichtig, ruh' dich aus. Der Medicus wird noch einmal kurz nach dir schauen. Ah, da kommt er ja schon."


    Ich sah den eintretenden Medicus zwinkernd an und stand dann auf. Ich hatte einen kleinen Beutel Sesterzen auf den Tisch legen müssen, um ihn zu überreden. In seiner Hand hielt er einen Becher. Darin hatte er ein starkes Schlafmittel gemischt. Für einige Stunden würde es Ganymed außer Gefecht setzen. Zusammen mit der Ohnmacht würde mir das genügend Zeit geben. Der Medicus setzte sich auf den Schemel und hob den Kopf des Sklaven an, damit er ihm das Getränk besser einflößen konnte.


    "Schön trinken, es hilft."

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