Auf der Suche nach Tertia

Mit großem Respekt nähert sich Lucilla dem Tempel der Vesta. Ihr ist es nicht ganz geheuer sich so nah zu nähern, immerhin ist sie noch nicht aus der Phase heraus, wo jederzeit jemand auf die dumme Idee kommen könnte, sie zur Vestalin zu machen.

Aber irgendwo hier müsste ihre Schwester Tertia stecken, also muss sie zwangsläufig noch näher an den Tempel ran. Neugierig schaut sich Lucilla um. Wenn sie es sich genau überlegt, dann ist sie erst ziemlich selten hier gewesen.

Lucilla blickt die Vestalin vor ihr unsicher lächelnd an. "Oh, Salve. Ja, also, ich bin Decima Lucilla. Und ich suche meine Schwester Decima Tertia. Sie..." 'Arbeiten' erscheint ihr als das falsche Wort. "... lebt hier. Also... sie ist eine Vestalin."

Nächstes mal würde sie Tertia einen Brief schreiben, dass sie sie irgendwo anders trifft.

"Tertia!" ruft Lucilla erfreut und überfällt ihre Schwester sogleich mit einer Umarmung. "Wie geht es dir?"

Sie wirft einen verlegenen Blick auf die Virgo Vestalis Maxima und lächelt dann. "Ja, ihre Hilfe hat sogar bestens funktionniert. Ich bin nämlich auf der Suche nach dir. Besser gesagt, ich war es." Obwohl ihre Schwester schon so lange in Rom lebt, erinnert sie Lucilla doch immer an Hispania und ihre Kindheit. Mehr, als dies jeder andere tun könnte. "Ich bin nämlich ganz privat hier."

"Noch habe ich nichts zu vererben, also brauche ich auch kein Testament. Und ich brauche hoffentlich eh noch lange keines." lacht Lucilla. "Ansonsten komme ich, um mal nach dir zu sehen , ein bisschen zu plaudern und so..."

'Und mein Herz auszuschütten.' denkt sich Lucilla, sagt es jedoch ersteinmal nicht. Sie will Tertia nicht gleich überfallen. Außerdem würde es sich ihre Schwester wahrscheinlich sowieso zusammenreimen können.

"Und um dir Grüße von Meridius auszurichten. Er war ganz kurz in Rom, aber dann musste er mal wieder schneller als schnell zurück zur Legion." Sie versucht zu lächeln, doch es will nicht recht gelingen.

"Nein, passiert ist nichts." Lucilla schüttelt den Kopf. "Ich hätte nur mal wieder so viel mit ihm zu reden gehabt." Zum Glück hatte sie ihn für das erste Gespräch noch direkt am Abend abgefangen.

"Weißt du, es ist nämlich so... also..." Sie grinst in sich hinein und blickt dann strahlend zu ihrer Schwester auf. "Ich werde heiraten, Tertia!"

"Es ist Germanicus Avarus." strahlt Lucilla. "Er ist ein ganz wundervoller Mensch. Und ich..." sie blickt ihre Schwester verschämt von unten an. "Ich liebe ihn. Und dabei ist er nichteinmal eine schlechte Partie, so dass sogar Meridius zufrieden ist." Sie kann es noch immer fast nicht glauben, dass Meridius so einfach zugestimmt hatte. Doch wahrscheinlich hatte auch er erkannt, dass Lucilla auch nicht jünger wird.

"Das mit den Hochzeitsvorbereitungen kannst du aber vergessen. Vielleicht, wenn du Meridius ganz lieb bittest, aber sonst wirst du keine Chance haben. Du weißt doch, er hat es Mutter versprochen und dieses Versprechen einzulösen wird ihn nichteinmal der Kaiser abhalten können." Sie grinst breit. "Sogar mir hat er schon unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass ich nicht viel zu sagen haben werde."

Lucilla zuckt mit den Schultern. "Ich habe keine Ahnung, wie er das anstellen will. Aber du weißt ja, ihm fällt immer etwas ein. Und wegen den Handlangern..." Sie kichert. "Da werde ich wohl mal ganz unauffällig deinen Namen fallen lassen. Und bei der Sponsalia kannst du mir vielleicht helfen. Ich weiß überhaupt nicht, was man da alles machen muss. Bei Meridius Verlobung war mir noch etwas schlecht von der Seereise, da habe ich überhaupt nicht darauf geachtet, was alles passiert ist. Und bei der Verlobung von Livianus da... ähm..." Da hatte sie sich sehr gut mit Crassus unterhalten. "...das ist schon so lange her."

Ob sich Avarus wohl noch an seine erste Verlobung erinnert? Andererseits wäre es vielleicht keine so gute Idee, ihn danach zu fragen.

"Aber irgendjemand wird sich schon finden, der es weiß."

Lucilla atmet ein wenig erleichtert auf. "Na dann ist es ja gar nicht so kompliziert. Das ist gut, je schneller es geht, um so beser. Ich kann es gar nicht erwarten, bis wir uns endlich so ganz offiziell miteinander sehen lassen dürfen."

Sie lächelt verlegen, dann jedoch fällt ihr noch etwas anderes ein und sie blickt ihre Schwester ernst an. "Und außerdem muss ich dringend aus der Casa Decima. Seit Aemilia eingezogen ist, ist es fast nicht mehr auszuhalten." Hoffentlich würde sich Meridius nicht zu lange mit den Vorbereitungen der Hochzeit aufhalten.

"Ja, wir haben uns auch gut verstanden..." Lucilla drückt sich ein wenig um das Thema. Aber schließlich ist sie ja auch deswegen hergekommen.

"Aber seit sie in der Casa eingezogen ist... dass sie ständig das Bad blockiert ist nur der Anfang." Lucilla seufzt und lässt die Schultern sinken. "Aber mittlerweile habe ich sogar das Gefühl, dass sie die anderen gegen mich aufhetzt. Ich glaube, sie will mich aus dem Haus hinausekeln... und ehrlich gesagt... ich will schon gar nicht mehr bleiben. Sie ist die Hausherrin, meinetwegen soll sie es sein. Wenn sie alle auf ihre Seite zieht, dann kann ich eh nichts dagegen tun." Sie verkneift sich heftigere Worte, die ihr beim Gedanken an die alte Giftschlange schon wieder in den Sinn kommen.

Lucilla schüttelt traurig den Kopf. "Es ist einfach so ein Bauchgefühl. Ich kann es nichteinmal begründen. Seit Aemilia da ist... ach, ich weiß auch nicht. Ich werde es wohl noch aushalten müssen. Ich werde mich in die Arbeit stürzen und ansonten noch mehr Zeit auf den Märkten verbringen." Sie denkt mit einem Schauern an Aemilias Blicke, versucht jedoch gleichzeitig zu lächeln.

"Aber nicht, dass du dir jetzt Sorgen machst, ja? Ich will dich nicht damit belasten. Ich musste glaub einfach mal nur darüber reden. Es reicht schon, dass sich Meridius immer Sorgen um alles macht."