Aussergewöhnliche Sitzung der Societas Veneris

Claudia hatte sich alles schweigend angehört. Sie schaute zuerst zu Agrippina, ob diese etwas sagen würde und liess dann ihren Blick über Fausta und Quarto wandern.

Ihre Stimme war nicht mehr als ein etwas lauteres Flüstern: "Beruhige dich, Didia Fausta. Wahre die Würde dieses Ortes."

Dann wandte sie sich an Quarto: "Consul, warum bist du hier? Erbittest du unsere Zustimmung oder informierst du uns nur über einen Senatsbeschluss?"

“Wir, Senator Matinius Agrippa und ich, sind hier, weil wir die Societas Veneris über die möglichen Auswirkungen der uns überantworteten Planungen informieren wollten. Sie betreffen eben den erwähnten Tempel der Venus Genetrix. Darum war uns daran gelegen, der Societas die Möglichkeit zu geben, dazu Stellung zu nehmen.
Unser Hiersein ist darüber hinaus als Angebot zu verstehen. Ein Angebot an die Societas Veneris, an möglichen Planungen für einen Tempelneubau mitzuwirken.
Wir sind gekommen, obwohl wir wussten, dass das, was wir vorzubringen haben, nicht auf einhellige Zustimmung stoßen könnte.

Dennoch möchte ich für dieses Vorhaben werben. Das Ulpianum ist ein wichtiges Unterfangen im Interesse Roms. Es wird die Einigkeit des Kaiserhauses mit dem Volk von Rom und mit den Göttern symbolisieren. Der vorgesehene Bauplatz wurde mit bedacht ausgewählt, den dieser Ort eignet sich in besonderem Maße dazu, dies zu verkörpern.

Ich will den Tempel, um den wir streiten, nicht gering schätzen. Doch bitte ich darum Augenmaß zu behalten. Dieser Tempel ist kein Werk der Götter, er wurde von Menschen errichtet. Es ist kein Ort eines uralten, seit Menschengedenken praktizierten Kultes. Man kann ihn kaum mit dem Tempel der Capitolinischen Trias vergleichen, dem Tempel der Iuno Moneta auf der Arx, oder dem Vestatempel. Er wurde vor nicht einmal einhundertfünfzig Jahren der Göttin geweiht und dabei noch nicht einmal ihrer bedeutendsten Erscheinungsform, wenn ich mir dieses Urteil erlauben darf.
Wir bieten an, diesen alten Bau durch einen neuen zu ersetzen und für die Finanzierung Sorge zu tragen.
Es ist ein Angebot, Tiberia Claudia. Ich würde mich freuen, wen ihr es nicht leichtfertig ausschlagen würdet.“

Imperiosus konnte es nicht fassen. Die Worte des Senators klangen gar zynisch. Doch er blieb ruhig, bis zu einem gewissen Maße, erhob sich dann.

"Ich mag kein Mitglied der Societas sein, noch habe ich das Recht für den Cultus Deorum zu sprechen. Doch dieses Anliegen liegt mir persönlich am Herzen. Senator, meine Meinung ist inkongruent mit der eurigen. Senator, für einen Iulier wie mich klingen eure Worte zynisch. Ein Nachfahre des Caesars bin ich, ich kann nicht zusehen wie der von meinem Ahnen erbaute Tempel nun einem Ulpianum weichen muss. Bei aller Ehre, bei aller loyalität zum Kaiser, dieser Tempel wurde von einem großen Mann für eine große Göttin erbaut. Dieser, in euren Augen obsolete, Tempel steht für mich als Wendepunkt der Geschichte. Jener Geschichte, mit der auch unser großer Kaiser seinen Thron bestieg. Diesen Bau unterstütze ich als Iulier somit keinesfalls. Ich danke für euer Gehör."

Ruhig setzte er sich wieder hin. Sein Standpunkt war klar.

“Nach meinem Dafürhalten hast du als Iulier bei diesem Thema jedes Recht das Wort zu ergreifen. Denn mir ist durchaus bewusst, dass dem Geschlecht der Iulier an der Verehrung der Venus Genetrix besonderes am Herzen liegt. Schließlich ist ihre eigentliche Bedeutung die, dass dein Geschlecht sie als ihre Ahnherrin bezeichnet.

Den Vorwurf des Zynismus weise ich jedoch weit von mir, denn bin ich nicht zusammen mit Senator Matinius Agrippa heute hierher gekommen, um alle Aspekte dieses Vorhabens zu bereden? Ich höre mir geduldig an, was dazu gesagt wird und ich werde die Einwände dem Senat gegenüber nicht verschweigen.
Doch selbst du musst zugeben, dass dem gemeinen Volke die Venus Genetrix nur wenig bedeutet, denn von uns anderen ist sie nicht die Urmutter und ihr wird vergleichsweise wenig Verehrung zuteil.

Das Ulpianum wird aber ein Bauwerk sein, dem große Beachtung beigemessen werden wird und das zu dem gesagten darüber hinaus genau das widerspiegeln kann, was du sagtest. Denn wenn ich die weiteren Pläne ausführen dürfte, dann würdet ihr erfahren, dass der Senatsausschuss den Tempelneubau auf der anderen Seite des Forum Iulium befürwortet. Das Hauptportal des Ulpianums und der Tempel der Venus Genetrix würden sich damit gegenüber liegen und die Statue deines Ahnherrn, Iulius Caesar, welche auf dem Forum steht, würde gen Ulpianum blicken und damit in direkter Beziehung zur geplanten Statue unseres Kaisers Ulpius Iulianus.
In meinen Augen wäre das keine Herabwürdigung, sondern eine Aufwertung dieser Kultstätte.

Und wenn du schon die Geschichte bemühst und die Bedeutung deines Vorfahren, dann sollen auch nicht die Mängel des jetzigen Bauwerks verschwiegen werden. Genau so, wie deine Familie es verehrt, könnte es die Gens Pompeia als Schandmal ansehen, wurde es doch Infolge der Niederlage ihres berühmtesten Sohnes errichtet. Einem Neubau würde dieses Entzweiende fehlen.
Dazu kommt, dass der jetzige Tempelbau Elemente des Isiskultes aufweist, eines höchst unrömischen Kultes und das böse Zungen bis heute behaupten, Iulius Caesar wollte mit diesem Bau vor allem seiner ausländischen Dirne ein Denkmal setzen. Ich behaupte deshalb, dass ein Neubau der Verehrung der Venus Genetrix nicht weniger, sondern im Gegenteil, mehr Würde verliehe.“

“Didia Fausta, an meiner Treue zum Principat und zum Kaiserhaus solltest du keine Zweifel hegen und ob Iulius seinen Sieg den Göttern oder vielleicht doch eher seinen kampferprobten, römischen Legionen verdankte, dass lasse ich dann doch einmal dahingestellt sein.
Aber wenn ich dich richtig verstehe, dann ist die Venus Genetrix demnach nicht nur die Urmutter der Iulier, sondern sogar die eines jeden Kaisers? Das stärkt doch mein Argument, Ulpianum und Tempelneubau als ein gemeinsames Projekt zu betrachten!
Denn wie ich jetzt bereits mehrfach sagte, soll der alte Tempel keinesfalls ersatzlos abgerissen werden.“

Claudia sass kopfschüttelnd da.

"Consul, du kommst hierher, zu einem Treffen dieses Vereins der sich der Verehrung der Venus in jeder ihrer Erscheinungsformen verschrieben hat, um uns zu informieren, dass einer ihrer Tempel abgerissen werden will. Und Consul, leugne bitte nicht, dass dies bereits beschlossene Sache ist."

Sie erhob sich langsam.

"Du Consul und auch du Agrippa,..." Ihr Blick wandert über die beiden. "... ihr kommt hierher und beleidigt diesen Verein, seine Mitglieder und auch die anwesenden Mitglieder der Sacerdotes Veneris durch das Angebot eines billigen Tauschgeschäftes. Ich hoffe doch, der Senat ist nicht davon überzeugt, dass die Societas Veneris oder die Sacerdotes Veneris sich über den Abriss eines Venustempels hinwegtrösten lassen indem man sie um eine Meinung zum Neubau plant, oder etwa doch?"

“Es liegt in der Natur von größeren Baumaßnamen dass irgendwer immer davon betroffen und vielleicht nicht glücklich sein wird. Zumal in einer so dicht bebauten Stadt wie Rom. Ich habe euch die Pläne und Argumente der Inquisitio Senatus Causa Ulpianum genannt.“
Er stand auf und straffte seine Toga, bevor er mit nun härterer Stimmlage weiter sprach:
“Sollte das als Beleidigung aufgefasst werden, dann habe ich hier nichts weiter zu sagen.“

Claudia nickte nur.

Zitat

Original von Lucius Aelius Quarto
...

Den Vorwurf des Zynismus weise ich jedoch weit von mir, denn bin ich nicht zusammen mit Senator Matinius Agrippa heute hierher gekommen, um alle Aspekte dieses Vorhabens zu bereden? Ich höre mir geduldig an, was dazu gesagt wird und ich werde die Einwände dem Senat gegenüber nicht verschweigen.
Doch selbst du musst zugeben, dass dem gemeinen Volke die Venus Genetrix nur wenig bedeutet, denn von uns anderen ist sie nicht die Urmutter und ihr wird vergleichsweise wenig Verehrung zuteil.

Imperiosus schüttelte den Kopf.
"Ich achte den Senat als alte und weise Instanz, doch beschliesst der Senat meiner Meinung nach zu schnell. Leitet nicht der Cultus Deorum die Tempel, ist nicht der Kult der Venus dafür zuständig? Warum fragt man nicht nach, warum informiert man die Personen erst jetzt, erst nach dem Beschluss? Heißt es nicht der Senat kümmere sich um das Wohl des Volkes, um das Wohl des Reiches? Bei allem Respekt, Senator, davon merke ich in diesem Moment nicht viel. Und euren Vorwurf dem Tempel wird nur wenig Verehrung zuteil muss ich wehement widersprechen. Pilgern nicht noch heute Befürworter und Bewunderer des Divus Iulius zu gerade jenem Tempel?"

Zitat

Das Ulpianum wird aber ein Bauwerk sein, dem große Beachtung beigemessen werden wird und das zu dem gesagten darüber hinaus genau das widerspiegeln kann, was du sagtest. Denn wenn ich die weiteren Pläne ausführen dürfte, dann würdet ihr erfahren, dass der Senatsausschuss den Tempelneubau auf der anderen Seite des Forum Iulium befürwortet. Das Hauptportal des Ulpianums und der Tempel der Venus Genetrix würden sich damit gegenüber liegen und die Statue deines Ahnherrn, Iulius Caesar, welche auf dem Forum steht, würde gen Ulpianum blicken und damit in direkter Beziehung zur geplanten Statue unseres Kaisers Ulpius Iulianus.
In meinen Augen wäre das keine Herabwürdigung, sondern eine Aufwertung dieser Kultstätte.

"Senator, das soll doch wohl ein Scherz sein. Ihr reist den von meinem Ahnherrn erbauten Tempel ab um ihn dann einen steinwurf entfernt wieder aufzubauen?! Das schmerzt mich zutiefst. Dieser Tempel ist eine Huldigung an unsere Ahnherrin, er wurde vom Divus Iulius erbaut, so wie er es wollte, so wie er der Venus huldigte."

Zitat

"Und wenn du schon die Geschichte bemühst und die Bedeutung deines Vorfahren, dann sollen auch nicht die Mängel des jetzigen Bauwerks verschwiegen werden. Genau so, wie deine Familie es verehrt, könnte es die Gens Pompeia als Schandmal ansehen, wurde es doch Infolge der Niederlage ihres berühmtesten Sohnes errichtet. Einem Neubau würde dieses Entzweiende fehlen.
Dazu kommt, dass der jetzige Tempelbau Elemente des Isiskultes aufweist, eines höchst unrömischen Kultes und das böse Zungen bis heute behaupten, Iulius Caesar wollte mit diesem Bau vor allem seiner ausländischen Dirne ein Denkmal setzen. Ich behaupte deshalb, dass ein Neubau der Verehrung der Venus Genetrix nicht weniger, sondern im Gegenteil, mehr Würde verliehe.“

"Ihr sagt die Pompejaner sehen es als Schandmal an? Entschuldigt, aber dies ist mir egal. Gewann nicht Iulius? War es nicht sein gutes Recht solch einen Tempel zu erbauen? Was wäre geschehen hätte Pompejus gesiegt, hätte er keinen Tempel erbaut, würde jener uns nicht ein Schandmal sein?! Iulius hat nunmal gewonnen, Iulius war Sieger und die Gens Pompeia muss dies akzeptieren. Pompeius hat versagt und dies ist Fakt, warum sollte sich die Gens Iulia denn darum kümmern ob die Gens Pompeia dadurch beleidigt sein könnte? Und gerade jener Tempel wurde von Iulius geweiht, nicht um seinen Sieg zu feiern, nein, er wurde geweiht der Ahnherrin zu huldigen. Ihr zu danken und nicht um der Gens Pompeia die Niederlage vor Augen führen. Ihr sagt der Tempel weise Elemente des Isiskultes auf. So frage ich euch ob ihr diesen Tempel entweihen wollt, ihn abreissen und nach den Vorstellungen des Senats wieder aufbauen?! War nicht diese "Dirne", eine Verbündete des Imperiums? Nutzte diese Verbindung dem Imperium nicht ungemein? Ihr und wahrscheinlich auch der Senat scheint nicht großen Wert auf die Taten meines Vorfahren zu legen, dies wird mir durch eure Standpunkte bewusst.

Still und aufmerksam hatte Valeria die Sitzung bisher verfolgt. Wenn man sie fragte, so war auch sie dagegen, dass ein alter, zu Ehren des Caesar errichteter Venustempel einer neuen Spielerei weichen sollte. Die Götter würden sich niemals auf einen solchen Tausch einlassen, das war selbst ihr als Schülerin klar. Aber sie hatte nicht die Befugnis, etwas dazu zu äußern, also schwieg sie lieber und betrachtete das weitere Geschehen.

“Ich glaube, ich muss hier ein Missverständnis aufklären. Es gibt noch keinen endgültigen Beschluss des Senats.
Wie ich mehrfach sagte, wurde die Inquisitio Senatus Causa Ulpianum mit den Planungen beauftragt und diese hat unter meinem Vorsitz einen Bebauungsplan erarbeitet. Ich werde dem Senat in Kürze darüber, aber auch über eure Einwände Bericht erstatten. Das letzte Wort hat selbstverstendlich der Senat.
Es kann also keine Rede davon sein, dass ihr, ob nun durch den Kult der Venus oder durch Familienbande besonders mit dem Tempel der Venus Genetrix verbundenen, nicht daran beteiligt werdet. Ganz im Gegenteil, wir, Senator Matinius Agrippa und ich, wir suchen euch persönlich auf, um mit euch diese Fragen zu erörtern.
Sagt also nicht, es würden Beschlüsse gefasst, ohne dass man euch angehört hätte.“

“Ja, die Auffassung der Anwesenden ist mir deutlich geworden. Ich danke für die Geduld und wünsche noch eine fruchtbare Versammlung.“, sagte Quarto, bevor er sich verabschiedete und ging.

Valeria hob eine Augenbraue und sah dem Consul verwundert hinterher. Nun denn, dachte sie und sah wieder zu Fausta, die in Gedanken versunken schien. Was würde nun passieren? Sie entschloss sich, das Wort zu erheben.

"Verzeih, verehrte Sacerdos, doch mein Schiff geht bald zurück nach Tarraco und ich kann nicht länger in Rom verweilen. Wäre es möglich, trotz des Zwischenfalls mit der Sitzung fortzufahren?"

Zitat

Original von Lucius Aelius Quarto
“Ja, die Auffassung der Anwesenden ist mir deutlich geworden. Ich danke für die Geduld und wünsche noch eine fruchtbare Versammlung.“, sagte Quarto, bevor er sich verabschiedete und ging.

Imperiosus wollte noch Einwände bringen, sagen, dass es durchaus schon fast vom Senat durchgebracht wurde, da man ja die beiden Senatoren mit der Bauplanung beauftragt hatte. Dies zeuge doch davon, dass dieser Entschluss des Senats schon feststeht.
Aber in Anbetracht dessen, dass der Senator sich verabschieden wollte erachtete es Imperiosus nicht mehr für nötig den Disput weiter zu führen und nickte dem Senator zu.

"Vale, Senator Aelius."

Valeria hätte gern an einer solchen Expedition teilgenommen. Allerdings war sie schwanger und außerdem wusste sie nicht genau, wann Maximian abreisen würde. Also wollte sie schnellstmöglich zurück nach Tarraco. Des weiteren konnte sie die Schola nicht so lange unbesetzt lassen. So sagte sie nichts und wohnte der weiteren Sitzung zumeist stumm bei.