Zu Ehren der Augusta

  • Da nun die Augusta sass, konnten auch die anderen Kommandanten und ich endlich unsere Plätze einnehmen. Da ich schon einer der Ersten gewesen war, der anwesen war, konnte ich nur froh sein. Ich war doch schon arg lange umhergestanden.

    ir-senator.png annaea2.png

    CIVIS

    SODALIS FACTIO ALBATA - FACTIO ALBATA

  • Macer kam etwas später als die Augusta und die meisten der höheren Gäste an, der er auf dem Weg zur Basilika noch kurz aufgehalten worden war. Er grüßte einige der Anwesenden und begab sich auf seinen Platz.
    Man hatte sich bemüht, die Sitzordnung aus dem Theater auch in die Basilika zu übertragen, was offenbar ganz gut gelungen war. Die Augusta saß selbstverständlich vorne in der Mitte und die weiteren wichtigen Persönlichkeiten hatte man links und rechts daneben in den ersten Reihen platziert. Etwas schwieriger war die Umsetzung der Plätze der Ritter und Decurionen, die normalerweise auf den Tribunalia über den Seiteneingängen der Orchestra lagen, die aber hier in der Halle natürlich fehlten. Durch erhöhte Plätze, die teilweise in den Seitenschiffen der Basilika lagen, hatte man aber auch dieses Problem geschickt gelöst.

  • Die Augusta war da und das war gut so. Wer jetzt noch kam, der hatte Pech gehabt, denn er würde halt den Anfang verpassen. Einer der Schauspieler trat nach vorne, verneigte sich recht tief in Richtung Augusta und sprach:
    Ehrwürdige Augusta, ehrwürdiges Publikum, selten ist es den germanischen Bürgern des Reiches beschieden solch hohen Besuch in ihren Städten Willkommen zu heissen. Da dies so ist, soll gerade der derzeitige Aufenthalt der Augusta jedem in guter und noch lange zu erzählender Erinnerung bleiben. Und um Dir, ehrwürdige Augusta den Aufenthalt zu versüßen, hat die Theatergruppe von Mogontiacum Euripides Helena einstudiert, um Deinem künstlerischen Genuß zu wohlgefallen.
    Er verbeugte sich noch einmal und sagte dann: Wir befinden uns auf dem Platz vor dem Palast des Theoklymenos, des Königs von Ägypten, auf der Insel Pharos. Vor dem Palast das Grabmal des Proteus.
    Dann trat er ab und Helena erschien mit dem Beginn ihres Auftrittes:


    Hier glänzt des Niles Flutenspiegel jugendschön,
    Der längs Ägyptens Fluren anstatt Wolkentaus
    Beim Schmelzen weißer Gletscher durstige Schollen tränkt.
    Proteus, Ägyptens König weiland, thronend hier
    Im Pharos-Eiland, war Beherrscher dieses Lands,
    Vermählt mit einer Wellennixe Psamathe,
    Nachdem dieselbe aus Aiaks Eh geschieden war.
    Und sie gebar dem Fürstenhaus zwei Sprößlinge,
    Den Sohn Theoklymnos, welcher ausgezeichnet war
    Durch heiligen Wandel, und ein Mädchen edler Art,
    Eido, der Mutter Wonne und Stolz als kleines Kind.
    Dann, als ihr Leib zur Jugendblüte reifte, hieß
    Sie Theonoe; denn alles Unsichtbare war,
    Was ist und sein wird, ihrem Geiste kund; ihr war
    Vom Ahnen Nereus dieser Gabe Kraft vererbt.
    Doch meine Heimat nenn ich Sparta, wohlberühmt;
    Mein Vater dort war Tyndaros. Die Sage geht,
    Daß Zeus in meiner Mutter Leda Schoß herab
    Sich schwang, in Schwanenbildung umgewandelt, und
    Verstohlne Liebesfreuden haschte, hergescheucht
    Von einem Aar, wenn ja die Sage richtig ist!
    Helena heiß ich, meine Schicksalsleiden tu
    Ich kund: Um Schönheit streitend gingen Göttinnen,
    Ihr' drei, zum Paris nach der Idagrotte hin,
    Kypris und Hera und die Jungfrau, Zeusens Kind:
    Entscheiden sollt er über Reiz und Wohlgestalt.
    Und meine Schönheit - ist auch schön, was Leiden bringt? -
    Verhieß dem Paris Kypris zum Besitze und
    Gewann. Vom Ida Paris ließ die Hürden stehn
    Und kam nach Sparta, mich zu frein als seine Braut.
    Doch Hera, grollend, daß sie nicht den Preis gewann,
    Vereitelt' meiner Hand Besitz dem Paris: mich
    Nicht selber gab sie, sondern ein lebendig Bild,
    Aus Ätherstoff geschaffen und mir völlig gleich,
    Dem Fürstensohne Priams hin - er glaubte mich
    Zu haben, eitlen Wähnens, ohne mich! Doch Zeus
    Hat andren Ratschluß diesem Unheil angereiht,
    Den armen Phrygern und dem Griechenlande Kampf
    Und Fehden sendend, daß die Muttererde frei
    Von Übervölkrung würde und die Tapferkeit
    Des ersten Helden Griechenlands der Welt bekannt.
    Ich ward zum Kampfpreis ausgesetzt - ich selber nicht,
    Mein Name nur - für Phryger- und Hellenenmut.
    Mich faßte Hermes, durch die Himmelsweiten mich
    In Wolken hüllend - meiner hatte Zeus ja nicht
    Vergessen -, und versetzt' in Proteus' Haus mich her,
    Ihn achtend für den bravsten Mann der ganzen Welt,
    Damit ich Menelaos treu und keusch verblieb.
    So weil' ich hier. Mein armer Gatte sammelte
    Indes ein Kriegsheer, zog damit vor Ilions
    Burgfesten; meine Entführung wollt er rächen dort!
    Und viele Leben starben am Skamander-Bach
    Um meinetwillen, aber mir unselgem Weib,
    Mir flucht man, glaubend, Treu und Ehe hab ich frech
    Gebrochen, sei am ungeheuren Kriege schuld!
    Warum noch leben also? Ein Orakel gab
    Mir Hermes, einst noch würd ich Spartas stolzen Grund
    Mit meinem Mann bewohnen, der's erführe, daß
    Ich Troja nicht sah, keinem Mann ergeben war.
    Solang nun Proteus noch das Licht der Sonne sah,
    Blieb meine Treu unangerührt; seit aber ihn
    Der Erde Nacht birgt, strebt des Abgeschiednen Sohn
    Nach meinem Bett. Ich aber, treu dem einstigen
    Gemahle, knie an Proteus' Grabe flehend hier,
    Auf daß ich rein dem Gatten meine Treu erhalt
    Und, wenn mein Name in Ilion auch verrufen ist,
    Mein eignes Selbst doch ohne Schanden hier besteht.


    Noch während ihre letzten Worte verklangen, trat Teukros auf:


    Wer übt die Macht wohl hier in dieser festen Burg?
    Ein Haus des Reichtums nach dem Aussehn ist es, denn
    Ringmauern prangen fürstlich samt dem Zinnenkranz.
    Ha!
    O welcher Anblick! Himmel! seh ich wirklich hier
    Das mördrisch Bild des Weibes, welches mich verdarb
    Und alle Achaier? Sei ein Abscheu Göttern, weil
    Du trägst Helenens Ebenbild! Und stünde nicht
    Mein Fuß auf fremdem Boden, büßen solltest du,
    Helenens Bild, durch diesen wohlgezielten Pfeil!


    Wer bist du, Unglückselger? Was verwirfst du mich
    Und hegst um ihren schlimmen Geist Haß wider mich?



    Ich irrte, gab der Leidenschaft zu rasch mich hin!
    Zeus' Tochter freilich ist ein Abscheu allem Volk
    Der Griechen; drum verzeih mir meine Rede, Weib.

  • Venusia hatte in der Nähe der Augusta und von Valentin Platz genommen und lauschte gespannt der Vorführung. Sie drückte ihrem Cousin ganz fest die Daumen, dass die Vorstellung ein Erfolg würde, wobei sie daran nicht zweifelte. Sie wollte ihn einfach nur unterstützen und wenn sie es nur mit ihren Gedanken tat.

  • Die Worte sammelten sich in meinem Gehirn. Ich hatte sie auch schon gelesen, zum Teil sogar rezitieren müssen, als kleines Kind. Doch alles war sehr lange her und daher war ich froh, nicht selbst auf der Bühne stehen zu müssen und hörte gebannt weiter zu.

    ir-senator.png annaea2.png

    CIVIS

    SODALIS FACTIO ALBATA - FACTIO ALBATA

  • Macer verfolgte die Aufführung fasziniert. So selten, wie er im Theater war, war jeder Besuch dort für ihn etwas besonderes. Auch ohne dass er zu den Kennern und großen Freunden der Bühnenkunst gehörte, machte ihm die Aufführung Spass.

  • Artoria Medeia hatte sich, nachdem sie der Kaiserin in die Loge gefolgt war, etwas weit hinten aufgestellt. Eine Theateraufführung wollte sie sicherlich nicht verpassen und sie war schon seit ihrer Ankunft sehr gespannt gewesen, welches Stück zu Ehren der Augusta aufgeführt wurde. Sie trat dann doch einen Schritt weiter nach links um die Bühne besser im Blick zu haben.


    Als das Stück begann, wurde Medeia davon auch ganz in den Bann geschlagen. Zwar hatte sie gerne etwas Einheimisches gesehen, bezweifelte insgeheim jedoch, dass die Germanen wirklich große Autoren hatten. Bei den Römern stand es damit ja auch nicht zum Besten, ihrer Meinung nach. Doch sie genoß trotzdem das Stück sehr und antwortete geistesabwesend die flüsternden Fragen der Diener, die ihr unterstanden.

  • Wer bist du? und von wannen nahst du diesem Land?


    Der schwergeprüften Griechen einer bin ich, Weib!


    Dein Haß Helenens wundert dann mich keineswegs.
    Doch wer? woher? mit welchem Namen ruft man dich?


    Mein Name ist Teukros; der mich zeugte, Telamon;
    Und meine Heimat, die mich aufzog, Salamis.


    Und wie gelangst du in des Nilstroms Fluren her?


    Ich irre flüchtig, aus der Heimat weggebannt.


    Unglücklich also? Wer verstieß dich aus dem Land?


    Mein Vater, der mich lieben sollte, Telamon.


    Warum? Ein Schicksal waltet in der Sache wohl?


    Des Bruders Tod in Troja war mein Untergang.


    Wieso? Ihn hat doch etwa nicht dein Schwert entseelt?


    Nein, durch den Sturz ins eigne Schwert entleibt' er sich.


    Wahnsinnig? denn wer bei Verstand verübte das?


    Du hast Achillen wohl gekannt, den Thetissohn?


    Ich hör, er trat mit bei Helenens Freiern auf.


    Des Tod erregt' im Heere Streit um seine Wehr.


    Wie mochte dies dem Aias zum Verderben sein?


    Die Wehr empfing ein andrer, drum entleibt' er sich.


    Wie aber hat sein Leiden dir Unheil gebracht?


    Weil ich für ihn mein Leben nicht hinopferte.


    So zogst du, Fremdling, mit vor Ilions stolze Burg?


    Ich half sie mit zerstören und ging mit zugrund!


    So ist sie eingeäschert schon, des Feuers Raub?


    Daß selbst die Spur der Mauern nicht mehr kenntlich ist!


    Helena, Unselge! Troja ging zugrund durch dich!


    Die Griechen gleichfalls: schweres Unglück ist geschehn!


    Wie lange Zeit ist's, daß die Stadt verwüstet ward?


    Bald sieben Ernten, sieben Jahreskreise schon.


    Die andre Zeit dann eures Bleibens dort, wie groß?


    Viel Monden: zehen Jahre wohl verstrichen dort.


    Das Weib von Sparta, kam's in eure Hände dann?


    Bei den Haaren hat sie Menelaos fortgeschleppt.


    Du sahst die Arme? oder hast das bloß gehört?


    So nah mit Augen sah ich's, wie ich dich erblick.


    Ob, was ihr hieltet, nicht ein Trug vom Himmel war?


    Laß uns von andrem reden, nicht von jener mehr!


    So sicher seid ihr überzeugt von eurem Wahn?


    Ich sah's ja selbst mit Augen an, so klar wie dich.


    Ist Menelas mit seiner Gattin schon daheim?


    In Argos nicht, und auch am Bach Eurotas nicht.


    Ach weh! ein traurig Leiden denen, die's betrifft!


    Verschwunden ist er samt der Frau, so geht der Ruf.


    Ging denn die Rückfahrt aller nicht nach einem Ziel?


    Wohl, doch ein Sturm verschlug sie jeder Richtung zu.


    Auf welcher See hochsträubigem Rücken packt' er euch?


    Grad als wir schifften mitten auf Ägäischer See.


    Erfuhr man seitdem nichts von Menelaens Fahrt?


    Gar nichts. Er wird für tot gesagt in Griechenland.


    Zum Publikum gewandt und als spräche sie für sich, sagte sie:
    Ich bin verloren! -
    Lebt die Tochter Thestiens?


    Die Leda meinst du? Die ist tot und längst dahin!


    Ihr war doch nicht Helenens Schand am Tode schuld?


    Man sagt's; ihr edles Leben hat ein Strang gekürzt.


    Die Tyndar-Söhne leben? oder sind sie tot?


    Sie leben nicht und leben, denn zwei Sagen gehn.


    Wie lautet dann die beßre? -
    Zum Publikum gewandt und als spräche sie für sich, sagte sie:
    Oh, ich armes Weib!


    Sie seien Götter, als Gestirne leuchten sie.


    Das lautet trefflich! Und die andre Sage spricht -?


    Vom Stahl durchbohrt der Schwester wegen starben sie.
    Genug der Meldung! spare mir zwiefachen Schmerz!
    Und was mich her zum Fürstenhause führte, mein
    Begehren nach der Seherin, der Theonoe,
    Vermittle du, auf daß ein Spruch mir werde, wie
    Ich glücklich richte meines Schiffes Segelflug
    Zum Meereseiland Kypern, wo Apollo mich
    Heißt siedeln und den Inselnamen Salamis
    Der Gründung geben, meiner Heimat eingedenk.


    Die Fahrt, o Fremdling, offenbart es selbst: verlaß,
    Flieh dieses Land, eh Proteus' Sohn dich hier erblickt,
    Der Beherrscher dieses Reiches, der jetzt auf der Jagd
    Fern ist, mit treuer Doggen Dienst das Wild erlegt.
    Er tötet jeden Griechen, den sein Arm ergreift.
    Weshalb? das unterlasse du zu forschen, und
    Ich will es auch verschweigen; denn was frommt es dir?


    Für diese Kunde dank ich, und der Himmel soll
    Die edle Wohltat dir, o Frau, vergelten. Denn
    Helenen gleich im Äußern, bist du von Gemüt
    Nicht ihresgleichen, sondern weit verschieden: sie
    Soll schlimm verderben, nimmer zum Eurotasbach
    Gelangen; du, Frau, mögest immer glücklich sein!

    Er verlässt die Bühne.


    Über unendliches Leid unendlichen Schmerz zu verbreiten,
    Wehe, wo find ich den Ton? wie ring ich in stöhnenden Seufzern,
    Liedern und Trauergesang und Jammern, ai, ai!

  • Und damit begann die erste Strophe.
    Flügeltragende Mädchen, Jungfrauen, Erdentöchter, ihr,
    Sirenen, ach, erschienet ihr
    Bei meinem Wehruf mit Schalmeien
    Oder mit Flöten, Tränen, die
    Meinen Schmerz begleiten, Leid zum Leide, Lied zum Liede stimmend,
    Gesänge, die meinem Weinen dienen,
    Persephonen zu senden.
    Huldigungen in Tränen bring ich ihr zu der mörderischen, der finstern
    Kammer, Paiane
    Für die verlornen Toten dort.


    Langsam zog der Chor ein und begann mit der Gegenstrophe.
    Bei den blauen Fluten auf krausem Moose weilte ich, wo
    Im goldnen Glanz des Sonnenblicks
    Und über Schilfröhricht buntfarbne
    Reine Gewänder trockneten.
    Dort erscholl ein Jammerschreien, ein leierfremdes Lärmen, ein Weinen.
    Es war ein Angstruf - was hat's bedeutet? -,
    So wie von einer Nymphe,
    Die im Forst im Tone des bangen Fliehens stöhnet, in tiefer Felsen-
    Grotte laut aufschreit
    Ob der Nötigung durch Pan.


    Helena began mit der zweiten Strophe.
    Io, io!
    Jagdbeute welscher Räuberfahrt, Jungfrauen Griechenlands!
    Ein Schiffer kam, ein griechischer Mann,
    Brachte auf Tränen Tränen mir:
    Ilions Verwüstung durch grimmer Flammen wilde Glut
    Meinethalben, der Mörderin, meines leidenreichen Bilds!
    Und Leda starb, aus Gram
    Über meines Leumunds Schande durch den Strick erwürgt;
    Mein Gemahl, in irrer Seefahrt verloren, schwand dahin;
    Meiner Heimat Doppelzierde, Kastor samt dem großen Bruder,
    Ist dahin, verließ die Bahn der Rennerhufe
    Und die Turnerschul am Ufer-
    Schilf Eurotens, wo die Jugend ringt!


    Die zweite Gegenstrophe wurde angestimmt
    Ach, ach! ach, ach!
    Dein leidenreiches Mißgeschick, dein Jammerlos, o Weib!
    Ein Kummerleben fiel dir zu,
    Als im Mutterschoß dich Zeus
    Zeugte, durch die Luft in schneeweißem Schwanesflug geschwebt.
    Welches Leiden blieb dir fern? welches Schicksal trugst du nicht?
    Die Mutter ging dahin,
    Zeusens teure Zwillingssöhne schieden ab vom Glück,
    Deine Heimat siehst du nie, durch die Städte geht ein Ruf,
    Der dich einem welschen Buhlen, hohe Herrin, überliefert,
    Und der Gatte fand den Tod im Wellengrabe.
    Deiner wird das Vaterhaus nie
    Froh sein, nie der ehrne Tempelbau!


    Die Epode begann:
    Wer von den Phrygern fällte, weh!
    Den Fichtenstamm, so tränenreich Trojern?
    Schuf daraus dem Priamssohn
    Das Boot des Unheils, der mit welschem Ruderschlag gesegelt kam
    Hin zu meinem Vaterherd, meinem unglückselgen Reiz
    Samt der falschen Kypris, dieser Mördrin, die
    Tod den Danaosenkeln bracht und Priams Kindern.
    O ich jammervolles Weib! Aber sie auf güldnem Thron,
    Die da ruht in Zeusens Armen,
    Entsandte Maias flügelschnellen Sohn zu mir,
    Als ich duftige Rosenblüten mir in den Busen pflückte, um
    Dem ehrnen Heiligtum zu nahn; und durch die Lüfte entführt' er mich
    Her in dies unselige Land und schuf dem Griechenvolke mit den
    Priamskindern Fehd und Streit.
    Und mein Nam ist dort am Simoeisbach beschimpft durch
    Unverdienten nichtgen Ruf.


    Die Chorführerin sprach nun:
    Gewiß, dein Zustand ist betrübt: indessen frommt's,
    Des Lebens Nöte möglichst leicht zu tragen, Frau!


    Ihr trauten Frauen, welch ein Los ist mir vereint!
    Ich bin als Ungeheuer wohl zur Welt gebracht!
    Denn wo in welschen Landen oder griechischen
    Entsteht ein weißes Schalen-Ei von einem Weib,
    Worin mich, sagt man, Ledas Schoß von Zeus gebar?!
    Und was ich auch erlebt, erfuhr, ist Unnatur,
    Und Hera teils, teils meine Schönheit trägt die Schuld.
    Oh, könnt ich, wie ein Bild verwischt, hinwiederum
    Anstatt der Schönheit eine Mißgestalt empfahn!
    Vergäßen dann mein gegenwärtges mißliches
    Schicksal die Griechen, die dafür das Rühmliche
    Behielten, wie das Gegenteil man jetzt bewahrt!
    Wer Götterunbill leidet, stets nur einerlei
    Schicksal erfahrend, trägt es schwer und trägt es doch -
    Ich aber bin von vielem Unglück heimgesucht.
    Fürs erste steh ich unverdient in schlimmem Ruf;
    Dies Übel ist noch größer als die Wirklichkeit:
    Für Missetat zu büßen, die man nicht beging.
    Dann hat der Himmel aus der Heimat, aus dem Kreis
    Der Lieben mich zu welschem Volk verpflanzt und so
    Zur Sklavin mich erniedrigt, freier Eltern Kind;
    Im welschen Land ist, außer einem, alles Knecht!
    Der Anker dann, auf dem mein Schicksal ruht' allein,
    Die Hoffnung: einst wird mein Gemahl erscheinen, mich
    Erlösen, ist, wenn dieser tot ist, auch dahin!
    Die Mutter ist verschieden: ich gab ihr den Tod,
    Unschuldig zwar, doch diese Unschuld ändert nichts.
    Die aber meines Hauses Stolz und Wonne war,
    Die Tochter, altert gattenlos im Fraungemach.
    Die gepriesnen Söhne Zeusens, meine Brüder, sind
    Nicht mehr. So hab ich lauter Unglück überall,
    Bin, nicht der Tat nach, doch dem Wesen nach schon tot!
    Das Ärgste ist vollends: käm ich je ins Vaterland,
    Man schlösse mir die Tore, meinend, jenes Weib
    Vor Troja sei ich, kommend ohne Menelas.
    Denn lebte noch mein Gatte, wär Erkennung auch
    Durch sichre Zeichen möglich, uns allein bekannt.
    Das ist vorbei; nun gibt es keine Rettung mehr!
    Wozu noch leben? welches Glück erwartet mich?
    Durch eine Heirat frei zu werden von der Not?
    Zu leben mit dem welschen Mann, an reichem Tisch
    Zu speisen fürstlich? Aber wenn dem Weib der Mann
    Zuwider ist, hat auch das Leben keinen Reiz.
    Am besten ist's zu sterben! Wie mit Ehren nur?
    Denn meines Elends Tiefe ist ja bodenlos!
    Wenn anderen Frauen ihre Schönheit Glück erwarb,
    Hat meine Schönheit mich vernichtet, umgebracht!

  • Sev hat leider keine Gelegenheit, die Aufführung zu verfolgen. Seine strengen Blicke gelten seinen Soldaten, an deren Wachsamkeit tunlichst nichts auszusetzen sein sollte. Auch die zahlreichen Zuschauer behält er teilweise noch selbst mit im Auge. Am häufigsten fällt sein Blick dabei natürlich auf die weiblichen Exemplare und vor allem an der Praeposita bleibt sein Blick hin und wieder auch etwas länger hängen.

  • Die Dialoge und Chorlieder liessen schon bald einige Augen wassern und auch ich versank immer mehr in dieser mystischen und dramatischen Welt.

    ir-senator.png annaea2.png

    CIVIS

    SODALIS FACTIO ALBATA - FACTIO ALBATA

  • Helena, glaub nicht, daß des Fremden Meldung dir
    Die lautre Wahrheit brachte, wer er immer sei.


    Wahrscheinlich war die Meldung von des Gatten Tod.


    Wahrscheinlich lautet vieles auch, was Dichtung ist.


    Und umgekehrt wahrhaftige Meldung ebenfalls!


    Du hängst dich, statt des Guten, an das Mißliche.


    Die Furcht umstrickt mich, malt mir Schreckensbilder vor.


    Sprich, stehst du mit den Hausbewohnern freundlich hier?


    Sie sind mir, außer meinem Freier, sämtlich hold.


    Nun, weißt du was? Verlaß den Sitz am Grabesmal -


    Zu welchem Vorschlag, welcher Mahnung zielt dein Wort?


    Tritt zum Palast ein, frage sie, die alles weiß,
    Das Kind der Wellennixe, Nereus' Enkelin,
    Theonoen, um deinen Gatten, ob er lebt, ob schon
    Vom Lichte schied; und hast du's wohl erforscht, so gib,
    Je nach der Lage, dich dem Leid, der Freude hin.
    Bevor du etwas sicher weißt, was frommt es dir,
    Der Trauer nachzuhängen? Also folge mir,
    Verlaß das Grabmal, such die Jungfrau, sprich mit ihr,
    Von der du alles hören wirst! Du hast im Haus
    Den Quell der Wahrheit: such ihn nicht im Fernen erst!
    Ich will mit dir eintreten in das Haus zugleich,
    Den Spruch der Jungfrau selbst mit anzuhören; denn
    Für Frauen ziemt sich's, Frauen hilfreich beizustehn.


    Ich nehm den Rat, ihr Trauten, an: kommt, o kommt ins Haus hinein!
    Erforscht mein Ringen, meine Pein!


    Ich folge willig deinem Ruf.


    O trübselger Tag! O weh!
    Welchen tränenwerten Spruch werd ich hören? welch ein Wort?


    Rate nicht auf Schmerz und Leid, o Beste, weine nicht zu früh!


    Was war das Schicksal meines Ehgatten? Sieht er noch das Licht,
    Der Sonne goldnes Viergespann? erblickt die Sternenbahnen noch?
    Oder liegt, ein toter Leichnam, verwest in dunkler Gruft?


    Bilde dir das Beßre ein, was auch die Zukunft bringen mag!


    Flutenkühler, schilfumkränzter, dir beteure, ja, dir schwör ich,
    Bach Eurotas, ist die Kunde von
    Meines Mannes Tode wahr -


    Was, o Törin?


    Wird mein Leib
    In der Todesschlinge hangen starr und kalt,
    Oder bohr ich mit dem Schwert
    Rinnenden Wundenstrom,
    Drücke das eigene Eisen mit ringender Hand in das Herz ein,
    Sinke hin, der Götter-Drei zum
    Opfer, für Priams Sohn, der die Schalmei auf Rindertriften übte im Idaforst.


    Ziehe dies Gewölk vorüber, scheine dir das Sonnenlicht!


    Weh dir, unselges Troja!
    Du littst um Untaten elend, sankst in Staub!
    Meine Liebesreize kosten vieles Blut und viele Tränen!
    Und Griechenland klagte und schrie mit Jammern, Schluchzen, Weinen;
    Leid um Leid empfing es blutend, Träne um Träne.
    Mütter weinten um die Söhne, junge Witwen um die Gatten
    Und zerrauften ihre Haare und röteten sich blutrünstig stets
    Durch Nägelriß die zarten Wangen.
    Mädchen dort am phrygischen Bach,
    Um Bruderleichen trauernd am Skamanderbett,
    Schoren ihre Locken.


    Oh, Arkadisches Mädchen, Kallisto, glückliche, welche von
    Zeusens Umarmungen schied vierfüßigen Leibes!
    Besseren Glücks als meine Erzeugerin
    Warst du um zottige Tieresgestaltung,
    Wüstes Gesicht, vom Kummer erlöst und
    Frei vom Bilde der trauernden Trübsal;
    Meropens auch, des Titanen, Gezeugte, die
    Artemis einst entscheuchte dem reizenden Leib, einen flüchtigen
    Hirsch mit güldnem Geweih! - da mein Leib
    Pergamos stürzte im Dardanerland
    Und die verlornen Griechen!


    Helena begibt sich mit dem Chor in den Palast, während Menelaos als Schiffbrüchiger auftritt.

  • O Pelops, der auf Pisas Flur die Viergespanns-
    Wettfahrt bestand einst, ringend gegen Oinomas,
    Oh, hätte doch dein Leben da geendet, als
    Tantal, die Götter speisend einst, dich opferte,
    Bevor du meinen Vater noch, Atreus, gezeugt,
    Dem wir entsproßten aus der Ehe Aëropens,
    Das berühmte Paar, Agamemnon und ich, Menelas.
    Die größte Kriegsmacht hab ich - und das sag ich nicht
    Mit Prahlen -, mein ich, hingebracht nach Ilion,
    Ein Führer, nicht Machthaber, dem die Heldenschar
    Sich willig, nicht gezwungen, unterordnete.
    Und diese sind teils schon den Toten beigezählt
    Und teils mit Sehnsucht noch der See entronnen, um
    Der Toten Namen heimzubringen ihrem Land.
    Ich irre umher auf blauen Meeresfluten schon
    Die ganze Zeit, seit Ilions feste Burg von mir
    Verheert ist. Nach der süßen Heimat streb ich stets,
    Allein das Schicksal gönnt mir niemals dieses Glück.
    Im wüsten Libyen hab ich alle ungastlichen
    Anfahrten schon durchstrichen, und sooft ich nah
    Dem Vaterland bin, rafft ein Sturm mich fort, und nie
    Erscheint ein Fahrwind, der mich heimgeleiten mag.
    Jetzt bin ich hier schiffbrüchig, elend, mit Verlust
    Der Gefährten an den Strand geworfen, da mein Schiff
    Zerschellt in viele Trümmer ward auf Klippen und
    Ein Wrack verblieb vom vielgefügten Balkenbau,
    Auf dem ich samt Helenen, die wir weggeschleppt
    Von Ilion, unverhofften Glücks mit Not entrann.
    Noch kenn ich hier des Landes Namen nicht noch auch
    Des Volkes: Menschenmassen weich ich schüchtern aus.
    Mein schlechter Anzug würde Neugier wecken, und
    Ich berg aus Scham mein Mißgeschick. Denn fällt ein Mann,
    Der hoch gestanden, wird das ungewohnte Leid
    Ihn schwerer drücken als den stets Unglücklichen.
    Mich drängt die Not, denn Lebensmittel fehlen uns
    Und Kleiderhüllen; leicht errät man eben hier
    Den Rest des Schiffbruchs, welcher mir zum Mantel dient.
    Der frühern Prachtgewänder Prunk und Üppigkeit
    Verschlang das Meer. In einer Grotte Schlucht verbarg
    Ich meine Gattin, die mir allen Ungemachs
    Urheberin ist, und ging, indem ich dort dem Rest
    Der Genossen meines Weibes Hütung anbefahl.
    Ich komm allein, umspähend für die dortigen
    Gefährten, ob ich unsre Notdurft finden mag.
    Da sah ich dies von Zinnen hochumkränzte Haus
    Mit stolzen Pforten, eines hochbeglückten Manns,
    Und nahte. Aus reichen Häusern darf ein Schiffer wohl
    Zu empfahen hoffen; wer des Unterhalts entbehrt,
    Kann nicht ihn unterstützen, möcht er noch so gern.


    Er klopft an das Tor des Palastes


    Holla! Ein Torwart! Wer erscheint beim Hause wohl,
    Auf daß er drinnen meine Not verkündige?


    Wer ist am Tore? Wirst du wohl von dannen ziehn
    Und nicht der Herrschaft lästig sein mit diesem Stehn
    Am Tor des Hausflurs? Sonst gereicht es dir zum Tod.
    Du hast, als Grieche, keinen Aufenthalt bei uns.


    O Greisin, wohl, für diese Kunde dank ich dir!
    's ist gut, ich folge; aber sprich mir minder barsch!


    So geh von dannen, Fremdling! Mein Obliegen ist's,
    Daß nie ein Grieche diesem Hause nahen soll.


    Oh, nicht mich stoßen, weg mich drängen mit Gewalt!


    Du hörst ja nicht auf Worte, bist drum selber schuld!


    Du sollst ja drinnen deiner Herrschaft melden bloß -


    Schlimm dürft es dir bekommen, wenn ich's melden ging!


    Schiffbrüchig komm ich, fremd, im Schutz des Völkerrechts!


    So nah dich einem andern Haus, nur diesem nicht!


    Hier will ich eingelassen sein. Willfahre mir!


    Zudringlich bist du, und ich brauche bald Gewalt.


    Ach, ach! Mein stolzes Kriegerheer, wo bist du jetzt?!


    Dort warst du vornehm, glaub ich wohl - hier bist du's nicht!


    Schicksal, wie tief erniedrigt bin ich, unverdient!


    Dein Auge schwimmt in Tränen. Sprich, was rührt dich so?


    Der Blick auf mein vormalges Glück, mein selges Los!


    Geh hin und weine deinen Freunden deinen Schmerz!


    Wie heißt das Land hier? Wessen ist das fürstlich Haus?


    Ägypten heißt es, und des Proteus Haus ist dies.


    Ägypten?! Weh! Wohin geriet ich armer Mann!


    Was hast du auszusetzen am prachtvollen Nil?


    Nicht jenes tadl ich; mein Geschick beklag ich bloß!


    So viele dulden Mißgeschick, nicht du allein.


    Ist wohl der König, den du nanntest, jetzt zu Haus?!


    Hier ist sein Grabmal, Herrscher ist sein Sohn bereits.


    Wo ist er? Weilt er drinnen oder außerhalb?


    Nicht drinnen: Griechen ist er ein sehr schlimmer Feind.


    Aus welcher Ursach, die mich mitbetreffen kann?


    Helena, Zeusens Tochter, ist im Hause hier.


    Was war das? Wie? Was sprachst du? Sag es noch einmal!


    Die Tyndarstochter, die zu Sparta einstens war.


    Wo kam sie her? Sprich, welchen Sinn die Sache hat?


    Vom Land Lakedaimon kommend fand sie Aufenthalt.


    Wann?


    Zur Seite sprechend


    Hat man mir die Gattin aus der Kluft geraubt?


    Noch eh Achaias Heeresmacht gen Troja zog.
    Geh vom Palast weg! Denn ein Ungemach hat uns
    Betroffen, das dem Fürstenhaus Verwirrung bringt.
    Du kommst zu ungelegner Zeit: wenn dich der Fürst
    Antrifft, empfängst du statt Bewirtung sichren Tod.
    Ich bin den Griechen wohlgesinnt und heuchelte
    Dies barsche Wesen nur aus Furcht vor meinem Herrn.


    Die Alte geht ab, indem sie die Tür schließt


    Was soll ich sagen? Ungemach und Herzeleid
    Ist's auf das frühre Leiden, was ich hier vernahm!
    Von Troja bring ich als Gefangne her mit mir
    Mein Weib und laß es hüten in der Grotte dort,
    Indes mit meiner Gattin gleichen Namens hier
    Ein andres Weib in diesem Fürstenhause wohnt.
    Und Zeusens Tochter ist sie, wie die Greisin sagt.
    Führt Zeusens Namen etwa wohl ein Sterblicher
    Am Nilesufer? Einer ist im Himmel nur!
    Allein, wo gäb es noch ein Sparta außer nur
    Dort, wo Eurotens Bett sich schlängelt schilfumkränzt?
    Und auch nur einer trägt den Namen Tyndaros,
    Und Lakedaimons Namensbruder kennt man nicht
    Noch Trojas. Was ich denken soll, ich weiß es nicht!
    Gar viele, mein ich, leben in der weiten Welt,
    Die gleiche Namen tragen, Stadt mit Stadt und Weib
    Mit Weibe, daß mich's keineswegs befremden darf.
    Auch vor der Sklavin Drohung werd ich nicht entfliehn.
    So rohen Herzens gibt es niemand, daß er nicht
    Mir Speise reichte, wenn er meinen Namen hört.
    Den Brand von Troja kennt die Welt, und überall
    Ist, der ihn schürte, Menelas, gefeiert auch.
    Ich will den Herrn erwarten hier, auf zweierlei
    Gefaßt: entweder ist er rohen Wesens, dann
    Verborgen schleich ich nach dem Wrack hin; oder auch
    Er läßt sich menschlich finden: dann erbitt ich mir
    Das, was mir nottut in der jetzigen Lage hier.
    Das ist in meinem Jammer gar das ärgste Leid,
    Bei fremden Herrschern, selber Fürst, um Unterhalt
    Zu betteln, aber dazu drängt die Not. Es ist
    Ein Spruch der Weisen, meiner nicht, daß arge Not
    Das Stärkste überwindet, Stahl und Eisen bricht.


    Er geht auf die Seite. Der Chor komm mit Helena aus dem Palast zurück


    Es hat die Jungfrau, die Weissagrin, ihr
    Seherwort in dem Königshaus
    Offenbaret, daß Menelas
    Noch nicht schwand in das finstre Reich,
    Unter der Erde begraben,
    Sondern wo noch auf wogender See
    Kummer leidend ferne verweilt
    Von den Gestaden der Heimat,
    Unsteten Lebens und arm
    Und freundlos und der Freude bar
    In der unendlichen Welt stets
    Umherstreift, von Troja zurück
    Mit seefurchendem Kiele.


    Hier wandl ich wieder nach dem Sitz am Grabesmal,
    Nachdem ich Theonoens teures Wort vernommen, die
    Klar alles anschaut. Und sie sprach vernehmlich mir:
    Mein Gatte, lebend, schaue noch das Sonnenlicht
    Und schweif hinüber und herüber, kreuz und quer
    In tausend Wegen, werde in Irrsal vielgeprüft
    Ankommen, wenn ihm seiner Leiden Ziel erscheint.
    Von einem schwieg sie, ob er, kommend, Heil erwirbt;
    Und voll Entzücken, als ich hörte, daß er lebt,
    Vergaß ich, dieses auszuforschen ganz bestimmt.
    Ganz nahe weil' er diesem Lande, sagte sie,
    Schiffbrüchig wo an den Strand gespült mit einigen
    Genossen. Wann erscheinst du endlich, heiß ersehnt?


    Nun tritt Menelaos hervor.


    Ha, wer ist dieser? Lauert eine Tücke hier?
    Arglist von Proteus' gottvergeßnem Sohn? Nur rasch,
    Dem Rennen eines Rosses, einer begeisterten
    Bakchantin gleich, zum Grab geeilt! Ein wilder Mann
    Ist der von Aussehn, welcher mich zu fangen strebt!


    Weib, das, in hastigen Schritten ringend, hin zum Rand
    Des Grabes, zum Brandopfer heilger Brote strebt,
    Halt an! Was fliehst du? Deines Leibs Erscheinung hat
    Mir Schrecken und sprachloses Staunen eingeflößt!


    Man tut mir Leides! Dieser Mann sperrt mir den Weg
    Zur Grabesstätte, ihr Frauen, will mich fangen und
    Dem König geben, dessen Ehe mich bedroht!


    Kein Räuber bin ich, keines Übeltäters Knecht!


    Doch sieht dein Anzug wild und ungeordnet aus.


    O laß die Furcht, o hemme doch den raschen Lauf!


    Ich hemm ihn, weil ich diese Zuflucht nun erreicht.


    Wer bist du, Weib? Und welchen Anblick gibst du mir?


    Wer du? So kommt denn ein Gedanke mir und dir!


    Ich sah doch größre Ähnlichkeit im Leben nie!


    O Himmel! Freunde finden ist ja Himmels Werk!


    Sag, bist du Griechin oder Eingeborne hier?


    Bin Griechin. Aber gib mir auch von dir Bericht.


    Du gleichst Helenen ganz und gar, wie keine je!


    Und du so ganz dem Menelas! Ich bin erstaunt!


    Ganz recht erkannt! Der vielgeprüfte Mann, ich bin's!


    Oh, endlich in der Gattin Arm zurückgekehrt!


    Wie? Welcher Gattin? Weg die Hand von meinem Kleid!


    Die dir mein Vater Tyndaros vermählet hat.


    Send Huldgesichter, Geist des Zwielichts Hekate!


    Kein Nachtgespenst vom Geist am Kreuzweg siehst du hier.


    Ich kann doch wohl nicht zweier Frauen Gatte sein?


    Und welches andren Weibes Gatte wärst du noch?


    Der, die, von Phrygien mitgebracht, die Grotte birgt.


    Nur ich, mein Freund, kein andres Weib gehört dir an!


    Wohl bin ich, scheint's, bei Sinnen, doch mein Aug ist krank.


    Erkennst du denn, mich sehend, deine Gattin nicht?


    Der Leib ist gleich, nur fehlt die klare Deutlichkeit.


    Was fehlt noch? Sieh mich! Klarer überzeugt ja nichts!


    Du gleichst ihr: dieses freilich leugn ich keineswegs!


    Wer anders kann dich's lehren, wenn dein Auge nicht?


    Ich hab ein Weib schon: darin liegt der Übelstand!


    Ich reiste nicht nach Troja, 's war mein Ebenbild!


    Wer aber schafft leibhaftige Bilder, lebende?


    Der Äther! Eine Götterhand schuf jenes Weib!


    Und wer der Götter formte sie? O wunderbar!


    Heras Betrug war's, daß mich Paris nicht empfing.


    Wie warst du dann in Troja dort und hier zugleich?


    Der Name kann sein da und dort, nur nicht das Ich.


    O laß mich! Trübsal bracht ich schon genug mit mir.


    Mich willst du lassen, ziehen mit dem Wechselweib?


    Und lebe wohl, Heil dir, Helenens Ebenbild!


    O Jammer! Kaum gefunden, flieht mich mein Gemahl!


    Der Last der dortigen Leiden glaub ich mehr als dir.


    Weh, welches Elend war noch je dem meinen gleich?
    Der Liebste flieht, verläßt mich hier, und Griechenland,
    Die traute Heimat, werd ich niemals wiedersehn.

  • Sim-Off:

    Tschuldigung, hab den Thread vergessen gehabt -.-


    Ein Bote tritt auf.


    Dich sucht ich lange und find ich endlich, Menelas,
    Im ganzen welschen Lande hier umhergeirrt,
    Von deinen hinterlaßnen Freunden ausgesandt.


    Was gibt es? Plündern etwa gar die Welschen euch?


    Ein Wunder! Worte erreichen seine Größe nicht!


    So sprich! Es kündet deine Hast Seltsames an.


    Wohl! Deine tausend Mühen trugst du ganz umsonst.


    Ein altes Lied um altes Leid! Was bringst du sonst?


    Entrückt, empor zum Äthersraum gehoben ward
    Dein Weib, verschwebend und verschwindend in der Luft,
    Verließ die heilige Grotte dort und unsre Hut
    Und redete also: "Jammervolles Phrygervolk
    Und arme Griechen, meinetwegen sanket ihr
    Durch Heras Künste an Skamanders Ufern hin,
    Im Wahn, Helenen habe Paris, der sie nicht
    Besaß! Ich aber gehe, weil die Zeit erfüllt
    Ist und mein Schicksal ausgedauert, nun zurück
    Zum Himmel, meinem Vater, und umsonst ertrug
    Das ganz unschuldige Tyndarskind den üblen Ruf!"


    Er erblickt Helena.


    O Heil dir, Ledas Tochter! Also bist du hier,
    Indem ich melde, wie du auf zu Sternenhöhn
    Dich schwangest, und nicht ahnte, daß dein leichter Leib
    Geflügelt schwebt? Nun sollst du nicht zum zweitenmal
    Uns höhnen, daß du deinem Mann in Ilion
    Und seinen Streitern ganz umsonst die Mühen schufst!


    Das also war es! Was sie sprach, ist wahr und stimmt
    Zu dieser Botschaft! O ersehnter schöner Tag,
    Der dich, Geliebte, meinen Armen wiederschenkt!


    O liebster Mann, mein Menelas! Die Not ist jetzt
    Vergangen: gegenwärtig mein Entzücken nur!
    Meinen ersehnten Gatten, o ihr Lieben, hab
    Ich und umschling ich froh
    Nach viel Sonnenaufgängen mit liebem Arm!


    Ich habe dich! Und möchte vieles fragen, viel
    Dir sagen, weiß nicht, wo ich nur beginnen soll!


    Vor Freude beb ich, Wonnenschauer sträuben
    Mein Haar ums Haupt, und Freudenzähren rinnen.
    Um den geliebten Mann schling ich die Arme, hoch
    Entzückt! Mein Gemahl!


    O lieber, süßer Blick! Ich bin's zufrieden:
    Zeus' Kind und Ledas liegt in meinen Armen,
    Welcher im Kerzenschein jubelten einst die Brü-
    Der, die reisigen Jünglinge!
    Und die entrückt durch Götter war aus meinem Haus!


    Das Rad dreht sich jetzo! Ein glücklicheres Los bringt der Himmel!
    Und es hat uns ja wieder zusammen das freudige Leid geführt
    So spät! Dennoch laß mich froh sein des Glücks!


    Genieß es dauernd! Also fleh ich dir vereint!
    So eng verbunden, teil ich Wohl und Weh mit dir!


    O liebste Fraun!
    Über das frühre Leid härm ich mich jetzt nicht mehr!
    Meinen Gemahl besitz ich, den viele Jahr
    Erwarteten vom Krieg!


    Dein bin ich, du bist mein. Nach tausend Sonnen, die
    In Not verbracht sind, ahnt ich erst der Göttin Trug!
    An meinen Tränen hat mehr das Entzücken als
    Herbe Erinnrung teil.


    Noch staun ich! Wer auf Erden hätte das gedacht,
    Daß ich wider Erwarten dich drück ans Herz!


    Ich habe dich und meinte, fort zur Idastadt
    Seist du geflohn zur unglücklichen Trojerburg!
    Beim Himmel, sprich, wie wardst du meinem Haus entführt?


    Ach, du betrittst einen betrübten Pfad!
    Ach, du begehrst einen Bericht voll Schmerz!


    Sprich, laß mich alles hören, was der Himmel gab!


    Abscheulich und häßlich ist, was ich erwähnen soll.


    Sprich immerhin! Von Abenteuern hört man gern.


    Nicht in den Arm des welschen Jünglings im Flug
    Des Seeschiffs, im Fluge der Begier nach buhlerischer Liebeslust -


    Und welches Schicksal raubte dich dem Vaterland?


    Des Zeus und der Maia Sohn, Liebster, brachte mich ins Niltal her.


    Erstaunlich! Und wer sandt ihn? Oh, seltsames Wort!


    Ach, ich bewein es, heiß rinnen die Tränen mir
    Vom Aug: Zeusens Gattin war mein Verderb!


    Hera? Was trieb sie, Ungemach uns anzutun?


    Wehe, du schlimmes Bad und ihr, Gewässer, wo
    Sich die Gestalt der Göttinnen verschönte, daß
    Das Urteil entschied!


    Wiefern hat Hera auf den Spruch dies zugefügt?


    Mich dem Paris zu rauben -

    Wie? O sprich!


    Dem mich Kypris gelobte -


    Jammervoll!


    Jammer, o Jammer! trug sie mich Ägypten zu!


    Und gab dafür dein Ebenbild, so sagtest du!


    Ach, und in deinem Haus das Leid!
    Meine Mutter, weh mir!


    Was ist's!


    Dahin meine Mutter! Sie erhing aus Scham
    Sich um die Ehebrecherin im Todesstrick!


    Weh mir! Und lebt die Tochter noch, Hermione?


    Ledig und kinderlos, o mein Gemahl, beklagt
    Sie meiner Uneh Schmach!


    Oh, bis zum Grund hast, Paris, du mein Haus zerstört!
    Das vernichtete dich und der tapfern Achaier
    Tausend in ehernem Kleid!


    Und von der Heimat riß mich Unselge ein Gott,
    Mich, von der Stadt und dir; ein Fluch ruht' auf mir,
    Als ich vom Hause ging und nicht ging, im Ruf
    Schmählicher Buhlerei!


    Wofern das Glück auch in der Zukunft günstig noch
    Euch lächelt, kann das frühre Leid vergütet sein.


    Gönnt, Menelas, an eurer Wonne mir auch Teil!
    Ich gewahr es selbst wohl, doch begreifen kann ich's nicht.


    Wohl, Alter, komm du zum Gespräche nur herbei!


    Ist an den Mühn vor Troja denn nicht diese schuld?


    Nicht diese! Ein Trug des Himmels hatt uns blind gemacht,
    Ein kläglich Luftgebilde war in unsrer Hand.


    Was? Um ein Luftbild waren unsre eitlen Mühn?


    Ein Werk der Hera, nach der drei Göttinnen Streit!


    Ist diese ein wahrhaft Wesen, ist dein Eheweib?


    Sie ist es. Traue gläubig hierin meinem Wort!


    Wie wunderbar, wie unerforschlich, Tochter, ist
    Des Himmels Fügung! Weise dreht und wendet er
    Hinüber und herüber alles. Dieser ringt
    Mit Not, und der, der früher nichts erlitt, verdirbt.
    Im wechselvollen Leben ist kein dauernd Glück.
    Du und dein Gatte littet manches Ungemach,
    Du durch den Leumund, er im ernsten Kriegessturm,
    Und nichts gewann sein eifrig Ringen - jetzt gewinnt
    Er's, stellt das schönste Glück sich ein ganz ungesucht.
    So hast du denn den greisen Vater nicht entehrt
    Noch auch die Brüder! Und erlogen war der Ruf!
    Jetzt lebt dein Hochzeitsreigen auf in meinem Geist,
    Des Fackelglanzes denk ich, den ich leuchten ließ,
    Beim Viergespanne schreitend, als dein Bräutigam
    Dich führte heim vom hochbeglückten Elternhaus.
    Ja, schlecht ist, wer nicht seine Herrschaft ehret, nicht
    Mit ihr sich freut und redlich ihre Schmerzen teilt.
    Ich möchte, bin ich immerhin nur Knecht, doch stets
    Den Sklaven edler Denkung beigezählet sein
    Und, wenn ich unfrei heiße, doch der Seele nach
    Frei sein; denn dies ist besser, als wenn einen zwei
    Gebrechen drücken: daß er schlecht sei von Gemüt
    Und anderen Menschen untertan als Knecht zugleich.


    Wohlan, o Greis! So viele Nöte hast du schon
    Mit mir, an meiner Seite ringend, durchgekämpft,
    So geh, nachdem du dieses Glückes Zeuge warst,
    Jetzt hin und melde meinem Rest von Freunden dies,
    So wie du's fandest und so wie die Sache steht.
    Und heiß am Strand sie bleiben und gewärtig sein
    Des Abenteuers, das, so ahn ich, meiner harrt,
    Und, falls ich diese irgendwie fortstehlen kann,
    Achthaben, daß wir, eines Glücks Genossen, weg
    Vom welschen Volk uns retten, wenn es möglich ist!


    Es soll geschehen! Aber, Fürst, wie nichtig hat
    Weissagung hier sich kundgetan, wie lügenhaft!
    So haben denn die Opferflammen nichts getaugt
    Und nichts die Vogelstimmen! Albern ist es, nur
    Zu glauben, daß die Vögel Menschen nützen je.
    Denn Kalchas hat's dem Heere nie verraten, daß
    Er um ein Luftbild seine Freunde sterben sah,
    Noch auch Helen'; er ließ umsonst die Vaterstadt
    Verwüsten! Gott hat's nicht gewollt, so sagt man: gut!
    Was aber prophezeien? Opfern muß man und
    Um Gutes bitten, doch die Seherei verschmähn.
    Das ist zum Geldesköder bloß erfunden, und
    Kein Müßiggänger wurde reich durch Flammenschau:
    Der beste Seher ist Verstand und kluger Sinn!


    Er geht ab.


    Dieselbe Ansicht über Seher heg ich wie
    Der Alte: wer die Götter nur zu Freunden hat,
    Besitzt die besten Sehersprüche für sein Haus.


    Wohlan, bis hierher gingen unsre Sachen gut.
    Die bestandnen Nöte auf der Rückfahrt, Armer, kann
    Zu wissen zwar nicht frommen; dennoch trägt der Freund
    Verlangen, mitzufühlen, was der Freund erlitt.


    Mit einem Wort, in einem Zuge fragst du viel!
    Wer schildert auf Ägäschem Meer den Untergang,
    Des Nauplios trüglich Leuchten am Euböerstrand,
    Und Kretas, Libyens Städte, wo ich umgeirrt,
    Und Perseus' Warten? Fertig würd ich nimmer mit
    Erzählen, und erneuten Schmerz empfänd ich wie
    Beim Dulden: meinen Schmerz verdoppeln hieße das!


    Wohl ist die Antwort besser, als die Frage war:
    Doch sag mir eins für alles nur: wie lange Zeit
    Verlorst du dich in irrer Fahrt auf hoher See?


    Ich brachte nach den zehen Sonnenkreisen dort
    Vor Troja sieben volle Jahrumläufe zu.


    Ach wehe! Welche lange Frist, du armer Mann!
    Und, dort gerettet, fällst du hier in Mörderhand!


    Was sagst du? Wie? Du hast mich ganz vernichtet, Frau!


    Der Besitzer dieses Hauses hier ermordet dich!


    Was tat ich, das mich solchen Unglücks würdig macht?


    Dein Kommen stört ihm meine Heirat unverhofft.


    Verlangt man wirklich, mein Gemahl zu ehlichen?


    Und - möcht ich's nie erdulden! - roh zu nötigen!


    Ein mächtiger Bürger? Oder gar der Landesherr?


    Der Sohn des Proteus, dieses Landes König hier.


    Das also war das Rätsel, das die Sklavin sprach!


    An welchen welschen Pforten hast du angeklopft?


    Hier, wo ich wie ein Bettler abgewiesen ward.


    Du batst gewiß um Unterhalt? O jammervoll!


    Die Sache war so; doch des Scheins enthielt ich mich.


    So weißt du, wie's mit meinem Freier steht, gewiß?


    Wohl, aber ob du seine Liebe miedest, nicht.


    Ich habe dir die Treue wahrlich rein bewahrt.


    Süß klingt es, wenn's wahrhaftig ist! Was bürgt dafür?


    Du siehst am Grab hier meinen unglückseligen Sitz?


    Strohpolster seh ich, Arme - was bedarfst du der?


    Hier sucht ich Schutz vor seinem Bett, am heilgen Ort.


    Gab's keine Tempel? Oder ist es welscher Brauch?


    Nicht schlechtren Schutz als Göttertempel bot die Gruft.


    Dich nach der Heimat bringen dürft ich also nicht?!


    Dein harrt ein Schwertstreich eher wohl als meine Hand.


    Ein größres Elend hätte nie die Welt gesehn!


    Drum ohne Scheu entfliehe rasch aus diesem Land!


    Dich lassend? und zerstörte Troja deinethalb?


    Doch besser, als wenn mein Besitz dich mordete!


    Ein feiger und des Trojerkriegs unwürdger Rat!


    Du denkst den Herrn zu töten wohl? Das kannst du nicht!


    Ist denn sein Körper unverwundbar für den Stahl?


    Erprob es! Was unmöglich, wagt kein weiser Mann.


    Ich laß mir wohl die Hände binden, still und stumm?


    Kein Rat und Ausweg! Hier bedarf es einer List!


    Ein tapfrer Tod ist süßer als ein leidender.


    Auf einem Weg nur gibt es Hoffnung unsres Heils -


    Bestechung, Kühnheit oder Überredungskunst?


    Wenn deine Ankunft unbekannt dem Herrscher bleibt.


    Wer sagt's ihm? Und erkennen wird er doch mich nicht?


    Es wohnt ein göttergleicher Beistand drin im Haus!


    Wohl eine Stimme im Hause, die vom Innern schallt?


    Nein, sondern eine Schwester namens Theonoe.


    Ein Orakel nach dem Namen! Sprich, was droht sie mir?


    Allwissend ist sie, zeigt dich ihrem Bruder an.


    Da sterb ich! denn unmöglich bleib ich unentdeckt.


    Ob etwa unser Flehen doch sie rühren kann -


    Zu welcher Handlung? Welche Hoffnung zeigst du mir?


    Dem Bruder deine Gegenwart nicht kundzutun.


    Und wenn's gelänge, wär Entrinnen möglich dann?


    Vereint mit ihr leicht, aber ohn ihr Wissen nicht.


    Das wäre dein Werk: Frauen sind den Frauen hold.


    Oh, ihre Knie umschling ich gerne mit der Hand!


    Wie aber, wenn sich unsrem Wort ihr Ohr verschließt?


    Dann ist der Tod dir, mir die Zwangsheirat gewiß.


    Du brächst die Treu und wärst entschuldigt durch den Zwang!


    Geschworen sei's mit heilgem Eid bei deinem Haupt -


    Wie? Willst du sterben, keines andern Gattin sein?


    Durch selbiges Schwert! An deiner Seite sink ich hin!


    So reiche zur Versicherung deine Rechte mir!


    Hier! Scheiden will ich aus der Welt, wenn du mir stirbst!


    Und ich mein Dasein enden, werd ich dein beraubt.


    Nun gilt es, so zu sterben, daß man Ruhm erwirbt.


    Hier auf dem Grabmal töt ich dich, dann töt ich mich!
    Jedoch zuvor wohl kämpf ich einen tüchtgen Kampf
    Um deine Hand: er komme, wer ihn wagen will!
    Den Ruhm bei Troja mach ich nicht zuschanden hier,
    Noch komm ich je nach Griechenland mit Schmach bedeckt.
    Ich, der der Thetis ihren Heldensohn geraubt,
    Des Telamonschen Aias Blut sah fließen und
    Den greisen Neleussohn verwaist - ich sollte nicht
    Um meine Gattin wagen, in den Tod zu gehn?
    O nein! Denn wenn die Götter weise sind, so wird
    Ein mutiger Held, von Feindeshand erschlagen, sanft
    Im Grab von ihnen zugedeckt mit leichtem Sand,
    Doch auf dem Feigling lastet hart der Erde Druck.


    O Götter, laßt doch endlich wieder glücklich sein
    Das Haus des Tantal, und erlöst es aus der Not!


    O Not und Jammer! Ja, das ist mein Stand und Los!
    Es ist um uns geschehen, Menelas: sie tritt
    Heraus, die Seherin Theonoe! Die Türe tut
    Sich auf, die Riegel klirren - flieh! Allein, was hilft's?
    Abwesend und anwesend, gleicherweise weiß
    Sie deine Ankunft! Wehe! Dies vernichtet mich!
    Aus Troja kaum gerettet und vom welschen Land,
    Gerätst du wieder unter welsche Schwerter hier!


    Theonoe tritt aus dem Haus, begleitet von zwei Mägden.


    Du schreite mir mit hellem Fackelglanz voran,
    Laß Schwefel wallen nach dem heilgen Äther, daß
    Ich reinen Atem aus den Lüften schöpfen mag!
    Und du berühre mit der Sühnungsflamme mir
    Den Pfad, im Fall ein Sünderfuß ihn wo betrat,
    Und schwing die Kerze, wo ich wandeln soll, voran.
    Und ist mein Brauch den Göttern so vollbracht, so geht
    Und tragt das Herdesfeuer hin ins Haus zurück.


    Zu Helena gewandt.


    Wie steht's um mein Weissagen? Nun, Helena, sprich!
    Ist nicht dein Gatte Menelas leibhaftig hier,
    Verlor die Schiffe und deine Doppelgängerin?


    Zu Menelaos gewandt.


    Du Armer, argen Nöten kaum entronnen, weißt
    Du nicht, ob Heimkehr möglich, ob du bleiben mußt!
    Denn Hader wird im Himmel deinetwegen sein,
    Beratungssitzung heute sein im Saal des Zeus;
    Und Hera zwar, die feindlich bisher grollte stets,
    Ist dir gewogen, will dich heimwärts retten jetzt
    Mit ihr, damit die Welt erfahre, daß die Braut
    Des Paris nur ein Truggeschenk der Kypris war.
    Doch Kypris möchte diese Fahrt vereiteln, daß
    Die Welt es nicht erfahre, welche schnöde Braut
    Helenens wegen ihr die Schönheit kaufen half.
    Es kommt auf mich an, ob ich, Kypris' Wunsch gemäß
    Dem Bruder deine Gegenwart verratend, dich
    Vernichten, ob, mit Hera stimmend, retten will,
    Verhehlend meinem Bruder, was er mir gebot,
    Ihm's, wenn du hierherkommen solltest, kundzutun.


    Zu den Dienern gewandt.


    Geht einer hin, dem Bruder seine Gegenwart
    Zu melden, daß ich meinesteils gesichert sei?


    Jungfrau, zu deinen Knieen fall ich flehend hin!
    Erbarmungswürdig sieh mich vor dir liegen hier,
    Für mich und diesen, den ich, langersehnt und kaum
    Gefunden, tot erblicken soll im Augenblick.
    Verrat es deinem Bruder nicht, daß mein Gemahl
    Zurück in meinen trauten Arm gekommen ist.
    Oh, rett uns, hör mein Flehen! Opfre nimmermehr
    Dem Bruder deine Frömmigkeit um schnöde Gunst,
    Erkaufe dir nicht schlechte Gunst um schlechte Tat.
    Gott haßt Gewalttat: wohlerworbnes Eigentum
    Soll jedermann besitzen, nicht auf Plünderung
    Bedacht, um reich zu werden durch unrechtes Gut.
    Gemeinsam allen Menschen ist der Himmel und
    Die Erde, wo man Haus und Hof sich gründen, nicht
    Nach Fremdem greifen, nichts gewaltsam rauben soll.
    Mich brachte Hermes deinem Vater teils zum Heil
    Und teils zum Elend, daß er meinem Gatten mich
    Erhielte, der mich auszulösen hier erscheint.
    Wie kann er, wenn er tot ist, mich empfangen? Wie
    Proteus dem Toten rückverleihn die Lebende?
    Betrachte dann des Vaters und des Gottes Recht.
    Wird Hermes, wird der Abgeschiedne fremdes Gut
    Wohl wiedergeben wollen, oder wird er's nicht?
    Ich meine wohl! Drum muß der edle Vater dir
    Mehr gelten als des lasterhaften Bruders Gunst.
    Wenn als Prophetin, die das Überirdische glaubt,
    Du deines edlen Vaters Tat zunichte machst,
    Dafür dem ungerechten Bruder frönst, so ist's
    Dir Schmach, zu kennen alles Unsichtbare, was
    Da ist und nicht ist, aber Pflicht und Tugend nicht.
    Oh, sei mein Hort in meinem Elend, meiner Not!
    Gewähr es als Zubuße meines Mißgeschicks!
    O sieh, Helena ist aller Welt ein Greuel; denn
    Ich steh im Rufe, meinem Gatten ungetreu
    Gelebt zu haben in der reichen Phrygerburg.
    Gelang ich nun nach Hellas und zur Sparterstadt,
    Und hört man, sieht man, daß ein Trug des Himmels sie
    Verdarb und ich dem Meinen nicht die Treue brach,
    So werd ich wieder eingesetzt in Tugendschmuck
    Und kann mein Kind vermählen, das jetzt keiner freit,
    Und dann, erlöst vom ruhelosen Leben hier,
    Genieß ich froh der Güter, die mein Haus besitzt.
    Wär er gestorben und bestattet in der Gruft,
    Ich würde fern dem Fernentschwundnen Tränen weihn.
    Nun lebt er, ist gerettet, und man raubt ihn mir!
    O nicht doch, Jungfrau! Laß mein Flehn dich rühren und
    Verleih mir diese Gnade; sei ein würdges Kind
    Des tugendhaften Vaters! Denn für Kinder, die
    Von braven Eltern stammen, ist's der schönste Ruhm,
    Den Eltern nachzuschlagen in Gemüt und Art.


    Mitleid erweckt die vorgebrachte Rede, Frau,
    Du selbst auch Mitleid! Nun begehr ich Menelas
    Zu hören, welche Wort er für sein Leben spricht!


    Ich werde weder deine Knie umschlingen noch
    Mein Aug in Tränen baden: solch demütiges
    Gebaren würde meinen Ruhm entwürdigen.
    Zwar glaubt man, daß es keinen Helden schmähen kann,
    Wenn ihm die Zähr im Leiden von der Wimper fällt:
    Indes ich werde, falls es ziemt, dies Ziemende
    Nicht setzen über Heldenmut und Tapferkeit.
    Nein, ist dir's lieb, zu retten einen fremden Mann,
    Der seine Gattin rechtlich rückempfangen will,
    So gib sie, rett ihn obendrein! Beliebt dir's nicht,
    So bin ich nicht zum ersten, sondern hundertsten
    Mal elend - doch du handelst wie ein schlechtes Weib.
    Indes was meiner würdig und gebührend scheint
    Und was am ersten dein Gemüt ergreifen kann,
    Das will ich sprechen hier an deines Vaters Grab:
    Greis, der du hier ruhst unter dieser Marmorgruft,
    Ich fordre mein Gemahl zurück. Drum gib sie mir,
    Sie, welche Zeus, mir aufzuheben, hergesandt.
    Du kannst sie freilich nie mir geben: du bist tot,
    Doch diese hier wird ihren Vater, den ich ruf,
    Von drunten, jenen sonst so hochgepriesnen Mann,
    Nicht schimpfen lassen; denn es liegt in ihrer Hand.
    Auch deinen Beistand, Gott der Hölle, ruf ich an.
    So viele Leben hast du schon empfangen, durch
    Mein Schwert für sie geopfert, bist längst abgelohnt:
    Nun gib entweder jene neubelebt zurück,
    Wo nicht, so nötige diese, meine Gattin mir
    Zu geben, als des frommen Vaters echtes Kind!
    Doch wollt ihr meines Weibes mich berauben, nun,
    So sag ich ferner, was Helena übrigließ:
    Erfahr es, Jungfrau, daß ein Schwur mich bindet hier,
    Zuerst zum Kampf zu schreiten mit dem Bruder dein
    Auf Tod und Leben - daß du's kurz und bündig weißt!
    Doch stellt er nicht zur Gegenwehr Fuß gegen Fuß,
    Will uns durch Hunger treiben von dem heilgen Ort,
    So steht es fest, ich töte sie und stoße dann
    Das doppelschneidige Eisen mir ins eigne Herz
    Hier auf des Grabes Rücken, daß die Ströme Bluts
    Hinab den Hügel fließen, und wir liegen dann
    Zwei Leichen beieinander auf der Gruft von Stein,
    Dir ewige Reue, deinem Vater ewige Schmach!
    Ja, ihre Hand wird weder je dein Bruder noch
    Ein andrer Mann empfangen! Nein, ich nehme sie,
    Wenn nicht zur Heimat, mit hinab ins Schattenreich! -
    Wie nun? Verfiel ich tränenfeucht ins Weibische,
    So wär ich nicht tatkräftig, nur bedauernswert.
    Beliebt dir's, töt uns! Und wir sterben ruhmgekrönt!
    Doch besser gibst du meinem Wort Gehör, auf daß
    Du tugendhaft bleibst, mir die Gattin wiederkehrt!


    Auf deine Entscheidung, hohe Jungfrau, kommt es an,
    Und mag der Ausspruch jedes Beifalls würdig sein!


    Gemüt und Wille ziehen mich zur Frömmigkeit.
    Mich selber ehrend, mag ich auch des Vaters Ruhm
    Niemals beflecken noch dem Bruder, ungerecht
    Und mir zur Schmach und Schande, seinen Willen tun.
    Ein unentweihtes Heiligtum der Tugend thront
    In meinem Herzen. Dieses Erbteil, Menelas,
    Von Nereus will ich treu bewahren immerdar
    Und Heren, die dein Wohlergehn beschlossen hat,
    Beipflichten. Kypris mag mir immer gnädig sein,
    Doch hat sie niemals meinem Herzen beigewohnt,
    Und streb ich Jungfrau, keusch zu bleiben immerdar.
    Und was du meinem Vater vorhältst hier am Grab,
    Das sprech ich gleichfalls: großes Unrecht tät ich, wenn
    Ich dir sie vorenthielte. Jener, lebt' er noch,
    Er schenkte sie dir, schenkte dich ihr ebenfalls.
    Vergeltung gibt es in der andern Welt sowohl
    Als auch im Diesseits allgemein; zwar lebt der Geist
    Der Gestorbnen nicht, doch sein Bewußtsein bleibt ihm dort,
    Im ewigen Äther aufgenommen, ewiglich.
    Nun um mich kurz zu fassen: treu verschweigen will
    Ich das, um was ihr bittet, meinem Bruder nicht
    In seiner Torheit irgend Vorschub leisten. Denn
    So werd ich, ohne daß ich's scheine, ihm Gutes tun
    Und lenk ihn ab vom Frevel hin zur Frömmigkeit.
    Sucht ihr nun selber einen Ausweg auszuspähn!
    Ich tret euch aus dem Wege und werde stille sein.
    Beginnet bei den Göttern nun und bittet sie,
    Daß Kypris gönne Wiederkehr ins Vaterland,
    Daß Here im Vorsatz treu verharre, den sie hegt
    Hinsichts der Rettung deiner und des Gatten hier.
    Doch du, mein abgeschiedner Vater, sollst, soviel
    An mir es liegt, nicht bös für fromm gescholten sein!


    Er geht ab in den Palast.


    Kein Ungerechter erntet jemals wahres Glück:
    Die Tugend nur leiht Hoffnung auf Wohlfahrt und Heil.


    Nun, von der Jungfrau Seiten sind wir nicht bedroht.
    Jetzt ist's an dir, das Wort zu nehmen, mein Gemahl,
    Um uns zu einen in gemeinem Rettungsplan.


    So höre denn! Du lebtest lang genug im Haus
    Und bist vertraut wohl mit des Königs Dienerschaft.


    Wo zielt das hin? Du deutest mir die Hoffnung an,
    Etwas zu unternehmen, was uns beiden frommt!


    Vermagst du einen, dem der Marstall untertan,
    Zu überreden, Roß und Wagen herzuleihn?


    Das könnt ich, aber wie entfliehn wir und wohin,
    Der welschen Städt unkundig und der Gegenden?


    Unmöglich denn! Wie wär es, wenn ich, im Palast
    Versteckt, den Herrn mit meinem Schwert ermordete?


    Das würde wohl die Schwester nicht gestatten noch
    Verschweigen, wenn du ihren Bruder morden willst.


    Wir haben leider nicht einmal ein Schiff, um uns
    Durch Flucht zu retten; denn das unsre hat das Meer.


    Hör an! Vielleicht spricht auch ein Weib ein kluges Wort!
    Sag, willst du wohl tot heißen, ohne tot zu sein?


    Zwar schlechte Vorbedeutung! Doch wenn's Nutzen bringt,
    So mag das Wort mich sterben lassen, leb ich doch!


    Ich würde dich durch Lockenschur nach Frauenart
    Und Tränen schwer betrauern vor dem bösen Mann.


    Wiefern enthält dies Arzenei zum Heil für uns?
    In deinem Vorschlag steckt ein Kunstgriff ganz gewiß!


    Ich bitte dann den Herrscher, leere Grabesehr
    Dir weihn zu dürfen als im Meer Ertrunkenem.


    Laß ihn's gewähren! Aber wie dann ohne Schiff
    Die Rettung finden bei der Scheinbestattung dort?


    Ich fordr ein Fahrzeug, um den Leichenschmuck hinein
    Zur Ruhestatt zu fahren in den Meeresschoß.


    Ganz wohl gesprochen bis auf eins! Er heißt am Land
    Die Bestattung machen, und der Vorwand führt zu nichts!


    So sag ich ihm, in Hellas sei dies nicht der Brauch,
    Mit Erde zuzudecken, wer im Meer ertrank.


    Gut vorgesehn! Ich schiffe mit natürlich, um
    Den Schmuck hinabzulassen, in demselben Boot!


    Du mußt dabeisein schlechterdings und, wer mit dir
    Schiffbruch gelitten, deine Seegefährten, auch!


    Und bin ich einmal nur im Schiff beim Ankerplatz,
    So stehn wir schwertbewaffnet auch Mann gegen Mann!


    Auf deine Leitung kommt es an: nur günstiger Wind
    Schwell unsre Segel und verleih uns rasche Fahrt!


    Ich hoff es; denn die Götter enden meine Not!
    Allein die Kunde meines Tods, wo rührt sie her?


    Von dir! Und sprich, du einzig seist dem Tod entflohn,
    Mit Atreus' Sohne segelnd, den du sterben sahst.


    Ganz wohl! Und diese Körperhüllen zeugen selbst
    Von Takelwerkesfetzen aus dem Schiffeswrack.


    Sie sind erwünscht, wie ihr Verlust dir schmerzlich war,
    Und jenes Elend schlägt vielleicht zum Segen aus.


    Und soll ich mit ins Haus hineingehn oder hier
    Gelassen sitzen auf dem Grabmal, bis er kommt?


    Bleib immer hier! Denn wenn er freveln will an dir,
    So kann das Grab dich schützen und dein tapfres Schwert.
    Ich geh ins Haus und schneide Trauerlocken ab
    Und lege schwarze Kleider statt der hellen an
    Und ritz die Wangen blutig mit den Nägeln. Denn
    Nun tut es not: es liegen auf der Waage zwei
    Geschicke, Tod entweder, wenn die List entdeckt
    Wird, oder Heimkehr und Errettung deines Leibs.
    O Göttin Hera, die an Zeusens Seite ruht,
    Erquicke zwei Elende in ihrer Leidensqual!
    Wir heben flehend unsre Arme empor zu dir
    Im Himmel, wo du thronest unterm Sternenzelt.
    Und du, Dionens Tochter, die um meine Hand
    Den Preis der Schönheit kaufte, Kypris, schone mein!
    Genug der Qualen hast du bisher zugefügt,
    Den Welschen meinen Namen opfernd, ohne mich.
    Und willst du denn mich töten, laß mich wenigstens
    In der Heimat sterben, setze meiner Not ein Ziel!
    Verliebtheit, Tücke, hinterlistige Täuschungen
    Und blutbefleckten Zauber, laß sie endlich ruhn!
    Holdseligst wärst du aller Welt vor allen, wenn
    Du mäßig walten wolltest. Dies bekenn ich frei!


    Sie geht ab.


    Erste Strophe


    Du Vogel, der im schattigen Laubengezelt
    Wohnsitz und Sangestempel hat, Nachtigall, dich ruf ich,
    Du unerschöpflicher, wohllautströmender Sänger
    Voll klagender Sangesweisen!
    Erschein, aus falber Kehle zu wirbeln ein wimmerndes Lied,
    Mein Weinen und Jammern hier um Helenens Gefahr und Not,
    Um troischer Frauen Not meinen Schmerz zu begleiten ob
    Dem Kriegssturm der Achaier!
    Als Paris kam, mit welschem Ruderschlage rasch
    Die brausende Fläche furchend, o Helena, von
    Lakedaimon die Unglücksbraut,
    Der entsetzliche Freier, nach Ilion im
    Geleit der Kypris bringend.


    Erste Gegenstrophe


    Und viele Achaier sanken, von Lanzen durchbohrt,
    Zermalmt von Felsenblöcken, hin, jammervollen Todes,
    Daß manches jammernde Weib sein lockiges Haupt schor,
    Verwitwete Hallen trauern.
    Und viele Achaier tötet' ein Lotse im einzelnen Boot
    Durch leuchtenden Flammenglanz am euböischen Klippenstrand,
    Trugfeuer, am Kaphereus und ägäischem Seegestad
    Gleich Irrlichtern gezündet,
    Als Sturmeswehen ihn führete weg von dem Vaterland
    Zum Malea-Kap auf irrige, welsche Pfade hin!
    Und er führte am Bord den Zwist
    Der Achaier, ein göttlich Gebilde von Luft,
    Ein reizend Ungeheuer!


    Zweite Strophe


    Was Zufall sei, göttliche Hand und was nicht -
    Wer glaubt in der Welt, bis zum Ururgrund
    Forschend, er hab es ergründet, wenn er im Irdischen sieht,
    Wie die Geschicke vernunftlos springen hinüber und her,
    Und wieder rückwärts, unverhofft?
    Du bist des Zeus Tochter, Helena, man sagt,
    Als weißer Schwan in Ledas Schoß hat dich der Vater gezeugt,
    Und wurdest trotzdem verschrien durch die Welt
    Als Treu- und Pflicht- und Gottvergeßne! Nein, ich kann
    Nicht sagen, wo im Lauf der Welt Götterspruch sich deutlich zeigte!


    Zweite Gegenstrophe


    Der ist ein Tor, welcher die Tugend erstrebt
    Durch kriegrischen Mut und Stärke des Arms.
    Werden die Leiden der Menschheit damit beendigt, o Tor?
    Sollt es ein wechselndes Blutbad schlichten, so würde der Streit
    Niemals im Staat und Hause ruhn.
    Auch Priams Volk ließ die Gemächer verwaist,
    Anstatt, Helen', um dich den Streit gütlich zu schlichten. Und jetzt
    Sind die dahin, ruhn im Grab modernd, und
    Die Mauern hat, wie Blitzesglut, der Brand verheert;
    Und du erduldest Leid auf Leid, jammervoll in deinem Elend!

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!