[Triclinium] Speisezimmer

  • Die Frage nach einer eigenen Frau ließ bei Gracchus alte Wunden aufreißen. Er war glücklich gewesen, leider nicht dauerhaft. War es doch schon mehrere Jahre her, dass ihn seine Frau verlassen hatte. 'Jetzt nicht schwach werden, Marcus' sprach er in Gedanken zu sich selbst. Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Dass jetzt gerade die Hauptspeise aufgetischt wurde, kam ihm sehr gelegen. Er griff zu und aß erstmal ein wenig. Weiterhin versuchte er Emotionen zu unterdrücken.


    "Nein, ich stehe in keiner festen Verbindung mehr."


    Das letzte Wort kam leise aus seinem Mund, als ob er heiser wäre. Daraufhin verschluckte er sich an einer Fischgräte, die fehlerhafter Weise noch im Fisch war.

  • Furianus verstand, dass man lieber nicht weiter darauf eingehen sollte, er nicht das Recht hatte. Es stimmte den Mann wohl mehr oder minder übel.
    Doch als er sich verschluckte bangte Furianus um die Gesundheit des Mannes.


    "Ist dir nicht wohl, Tiberius, soll ich nach einem Medicus schicken lassen?"


    Sogleich warf er einem der Sklaven einen gereizten Blick zu, damit dieser sogleich wusste, was ihn nach dem Essen erwarten würde. Die Kammer, ein Stück Brot pro Woche und Peitschenschläge wussten einen Sklaven zu formen.

  • Gracchus musste Husten, und versuchte die Gräte hochzubekommen. Sie hatte sich in seiner Speiseröhre verfangen und nur nach noch mehr heftigem Husten gelang es ihm die Gräte wieder in seine Mundhöhle zu bekommen. Daraufhin spuckte er sie aus und wandte sich an einen Sklaven.


    "Bring mir einen Becher Wasser!"


    Danach wandte er sich wieder an Furianus.


    "Danke, geht schon."


    Seine Frau hatte er längst vergessen. Stattdessen wandte er sich wieder den Speisen zu. Das Kalb war köstlich. So etwas hatte er das letzte mal in Achaia gegessen.


    "An welchen Bauten arbeitest du gerade? Ich sah einen riesigen Bauplatz vor der Stadt, dort wo früher die beiden Kastelle standen."

  • "Die Sklaven werden selbstverständlich angemessen bestraft werden."


    Sagte Furianus noch immer mit dem Zornesblick auf einem von ihnen haftend.
    Danach wandte er sich wieder dem Tiberier zu und schwenkte den Wein ein wenig im Becher.


    "Die ehemaligen Kastelle werden eine andere Verwendung finden. Bei dem Areal der Legion ist schon fast alles fertig, ich erwarte nur noch Antwort vom Kaiser, um die Arbeiten wieder aufnehmen zu können. Das andere Kastell wird gerade umgebaut, da ich in meiner Funktion als Princeps Factionis der Factio Purpurea dies Areal als Factiogelände nutzen möchte. Abgesehen davon habe ich noch eine Wasserleitung nach Carthago Nova zu errichten, die Bauarbeiten schreiten zügig voran."


    Dann hatte er genug von dem Spiel mit dem Wein und trank den Becher aus, ließ ihn sich jedoch sogleich nachfüllen.


    "Bist du denn Mitglied einer Factio?"


    Er selbst konnte sich nie für diese Rennen begeistern, aber der gesellschaftliche Aspekt solch eines Schauspiels musste ausgeschöpft, genutzt werden. Schließlich begeisterte man nicht nur das niedere Volk mit diesen Rennen, sondern auch hohe Persönlichkeiten von Rang und Namen. Wobei er als Princeps einer Factio sicherlich noch potenzielle Wählerstimmen in Betracht zog, denn schon die Kaiser wussten wie man den Pöbel für sich begeistern konnte, besonders die großen flavischen Kaiser.

  • Gracchus nickte nur, es war ihm recht, dass die Sklaven bestraft wurden. Er hatte einmal eine Geschichte gehört, dass ein Mann an einer Gräte in der Luftröhre erstickt war. Aber es war nur einer aus der Unterschicht gewesen, daher nicht weiter schlimm.


    "Was wird im Kastell der Legion gebaut? Welche war es doch gleich... Die IX. oder?"


    Factiones. Gracchus war nicht so der Anhänger des Wagenrennsports. Doch immer wenn er einem Rennen zusah, lag er doch auf Seiten der Veneta.


    "Nein, ich gehöre keiner Factio an, allerdings hege ich gewisse Sympathien für die Veneta."


    Die Blauen. Sie wurden besser. Irgendwann würden sie bessere Fahrer haben als die Grünen und die Purpurnen. Hohe Tiere in der Politik und Militär waren ebenfalls Anhänger der Veneta. Darunter auch enge Berater des Kaisers.

  • "Es soll eine art Nekropole werden, die der Stadt Tarraco noch zusätzlich durch den Verkauf der Grundstücke Geld einbringen soll. In Rom baut man entlang der Via Appia, hier wird man die begehrtesten Grundstücke an der Straßenkreuzung erstehen können. Man will ja nicht vergessen werden und je mehr Menschen an deinem Grabmonument vorbeigehen, desto länger bleibst du in Erinnerung. In Rom sind die Preise jedoch etwas höher angesiedelt.
    Ja, die IX Legio."


    Ein Bissen in das herzhaft schmeckende Fleisch unterbrach seinen Redeschwall. Natürlich durfte ein Schluck des Weines auch nicht fehlen, für den er sich auch ausgiebig Zeit nahm.
    Doch bei dem Wort Veneta musste er unweigerlich lächeln. Zwar gehörten dieser Factio große Politiker an, aber schon die Tatsache, dass Senator Germanicus Avarus, der patrizierfeindlich gesinnt, mit der Nota Censoria belegt und von Furianus angeklagt worden war, ebenfalls Mitglied dieser Factio war schreckte ihn schon ab. Mit solchen Männern würde er nichts teilen wollen, nur Rom als Wohnort.


    "Eine große Factio. Große Personen gehören ihr an, aber auch einige, die mir persönlich verhasst sind. Sie haben gute Fahrer, doch ich gehöre da lieber der Purpurea an, wir haben ebenso erfolgreiche Gespanne und dürfen uns großen Mitgliedern rühmen. Der Proconsul dieser wunderschönen Provinz gehört uns ebenso an, wie auch der Senator Prudentius Commodus, der mir das Amt des Princeps übertrug."

  • "Mal sehen, wenn ich irgendwann mal Lust habe Geld auszugeben, vielleicht kaufe ich mir dann dort ein kleines Plätzchen." ;)


    Gracchus zwinkerte und nutzte die Redepause um ebenfalls ein kleines Stück Fleisch zu essen. Vom Fisch ließ er ab. Nach einigen weiteren Stückchen Fleisch und einem Becher Wein, wandte er sich wieder dem Flavius zu.


    "Die Purpurea hat meines Wissens nach sogar noch Gespanne, beziehungsweise Fahrer, die besser sind als die blauen Fahrer."


    Er nahm einen Schluck Wein.


    "Sag, wen hasst du? Prudentius Commodus? Nie gehört. Es gibt soviele Senatoren, da kenne ich nicht alle. Aber der Matinius ist mir durchaus ein Begriff."

  • Furianus begann zu lachen, als sich der Tiberier zu der Nekropole äußerte und nickte ihm sogleich zu, nahm danach einen Schluck vom Wein.
    Der Tiberier kannte sich wohl sehr gut in der Welt der Gespanne aus. Furinaus wollte bescheiden sein, doch der Mann schien diesbezüglich bewandert und so blieb ihm dies nicht verborgen.


    "Nun, hassen ist nicht das passende Wort. Ich hege Aversionen gegen diesen Mann, der sich zu unser aller Schande noch Senator nennen darf. Es ist Senator Germanicus Avarus, jener, der von unserem Imperator Caesar Augustus persönlich mit der Nota Censoria belegt worden ist, jener Mann, welcher unsere Vorfahren öffentlich auf der Rostra beleidigte und dadurch einen Aufruhr begründete, der dann vor dem Palast des Kaisers den Kopf des Avarus forderte. Ein höchst erniedrigendes Spektakel für jeden Römer - ich war damals dabei und einer der ersten, der den Senator tadelte. Dieser wich bis heute nicht von diesen schandhaften Worten ab. Solch ein Mann ist für mich der Senatorenwürde in keinster weise würdig. Und da er unsere Ahnen beleidigte, speziell die patrizischen, klagte ich ihn an. Doch leider verloren meine Mitkläger, Tiberius Durus, der Advocatus Imperialis und ich diesen Kampf."


    Es war schon damals erniedrigend gewesen, da die Senatorin Tiberia Livia, selbst eine Patrizierin, diese Verhandlung führte und es doch zu dieser Schande kam, dass jener frevelhafte Mann ohne Schuld entkommen war. Eines der Rätsel, welche er bis heute nicht verstand - besser gesagt nicht verstehen konnte.

  • "Soso, ein Germanicus."


    Gracchus kratzte sich am Kinn und nahm sich danach noch ein Stück Fleisch. Mit dem Becher Wein in der Hand, antwortete Gracchus dem Flavier bedächtig.


    "Ich hörte von dem Fall, ja... Es scheint einen großen Aufstand vor dem Palast des Kaisers gegeben zu haben. Der Name des Anführers ist mir allerdings nicht bekannt. Darüber stand mal etwas in der Acta Diurna."


    Er rollte mit den Augen.


    "Das ist schlimm, schlimm. Eigentlich hätte dieser Fall vor dem Iudicium Imperatoris verhandelt werden müssen. Ich denke der Kaiser hätte anders gehandelt, als der damalige Praetor. Wer war es doch gleich?"

  • "Ja, die Acta Diurna berichtete davon."


    Merkte er kurz an, um so ein wenig Zeit gewinnen zu können, denn langsam ging das Gespräch ins Unangenehme, wenn Furianus nun den Namen sagen würde.
    Daher biss er erst einmal schnell ins Fleisch und kaute seelenruhig und trank nach.
    Zeit musste geschindet werden und die richtigen Worte gefunden.


    "Ob der Kaiser anders gehandelt hätte, ich hoffe es. Wenn ich mich recht entsinne war der praetor Tiberia Livia."


    Schon Durus hatte sich damals Fragen über Fragen gestellt warum seine Verwandte es zu solch einem Verhandlungsergebnis kommen ließ. Aber bis jetzt wusste es niemand, es wurde eine Geschichte, die man lieber vergessen wollte, als sich darüber den Kopf zu zerbrechen warum es, besonders unter solch einem Vorsitz, zu dieser Misäre kam.

  • Gracchus aß ebenfalls weiter, wurde aber langsam des Fleisches satt. Furianus war der nahme des Praetors anscheinend unangenehm, da er es ein wenig herauszögerte. Erst nachdem der Name genannt war, verstand Gracchus warum. Eine Tiberia hatte dieses Urteil gesprochen. Selber war sie in der Schrift beleidigt worden und doch hatte sie den Germanicus freigesprochen. Gracchus schluckte und fand keine Worte.


    "Eine Tiberia? Ein Patrizier war Angehöriger des Iudicum und hat ihn nicht verureilt? Hat es an Beweisen gemangelt?"

  • Furianus genehmigte sich einen weiteren Bissen in das schmackhafte Fleisch und fuhr dann fort.


    "An Beweisen mangelte es nicht. Er wurde lediglich frei gesprochen, da das Iudicium befand, dass der Tatbestand der Üblen Nachrede nicht erfüllt sei, die Enge zu den Vorfahren scheinbar fehle, um eine direkte Beleidigung zu erkennen - absurd, aber so war es.
    Das heißt also, dass du dich öffentlich hinstellen könntest und ganz schnell die Vorfahren ungeliebter Personen beleidigen kannst, ohne dafür belangt zu werden. Lächerlich, aber so ist es eben.
    Zu der Verteidigung deiner Verwandten wäre zu sagen, dass sie nicht alleine entschied, sondern noch zwei Senatoren plebejischer Herkunft. Ich weiß nun nicht ob dies Sympathisianten des Avarus waren oder nicht, doch das Urteil war lächerlich."


    Die Sklaven kamen mit einem neuen Gang des Fleisches, da die Schüssel sich doch langsam aber stetig leerte.

  • "Wie sprach Cicero doch so schön? O tempora, o mores."


    Gracchus seufzte. Was geschehen war, war geschehen und man konnte es nicht rückgängig machen. Er nahm sich noch einige Stücke des neu herbeigebrachten Fleisches, ließ dann aber davon ab.


    "Hast du eine Abschrift des Urteils, sowie der Rede, die der Germanicus gehalten hat? Es würde mich doch intressieren."

  • Furianus verneinte mit einem dezenten Kopfschütteln, während er weiterhin das zarte Fleisch genoss.


    "In Rom dürfte ich noch eine Abschrift haben.
    Im Wesentlichen ging es in der Rede darum, dass Romulus und Remus, sowie auch ihre Anhänger, Räuber seien und der erste dazu ein Brudermörder. Die übelste Bande von jenen Anhängern sind die Patrizier, da sie zuerst Land an sich rissen.
    Das dürfte der wesentliche Inhalt sein. Also wären wir damit Emporkömmlinge einer Räuberbande, der ein Brudermörder vorstand, wir Patrizier die übelste Bande zwischen jenen seien. Also gut ein paar duzend Verstöße gegen etliche Paragrpahen und der frevel am Gotte Mars, der ja Vater des Romulus ist und somit ebenfalls in Schande gezogen wird.
    Alles in Allem ein Werk, welches ein Barbar nicht besser schreiben könnte."


    Und noch ein Stückchen Fleisch fand den Weg in seinen Gaumen.

  • Enttäuscht blickte Gracchus den Flavier an. Zugerne hätte er die Rede des Avarus gelesen.


    "Schade, aber da lässt sich nichts machen."


    Aufmerksam hatte er zugehört. Schon ziemlich dreist, was sich dieser Senator zumutete. Da erinnerte er sich gerade an den Mitkläger. Hatte er sich da nicht verhört? Oder war es wirklich Tiberius Durus gewesen.


    "Wer war doch gleich dein Mitkläger? Tiberius Durus?"

  • Furianus zuckte entschuldigend mit den Schultern und griff nach einer Keule.


    "Leider sind fast meine ganzen Unterlagen noch in Rom, da ich plante mit den Projekten hier schneller fertig zu werden. Doch getäuscht habe ich mich wirklich darin."


    Und ein beherzter Griff zum Weinbecher vollendete den Satz.
    Bei der nächsten Frage fiel ihm sogleich auf, dass Durus sicherlich schon auf sein Antwortschreiben wartete - er musste sich sofort nach dem Mahl daran setzen und seinem Freund schreiben.


    "Ja, ein guter Freund und Patrizier. Aus deiner Reaktion heraus dürfte er dir bekannt sein?"

  • Es war also wirklich Durus gewesen? Der hätte ja mal einen Brief oder sowas schreiben können. Aber irgendwie war Gracchus stolz auf seinen jüngeren Bruder. Nicht jeder verklagte eben mal so einen Senator. ;)


    "Durus ist mein jüngerer Bruder, Flavius..."


    Er kratzte sich am Hinterkopf.


    "Aber ich habe ihn seit einigen Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Unsere Wege haben sich recht früh getrennt und auch der Schriftverkehr brach irgendwann ab..."

  • Jüngerer Bruder? Furianus war erstaunt über die doch kleine Welt. Sogleich nickte er ihm lächelnd zu.


    "Welch angenehmer Zufall. Durus ist ein guter Mann und ich freue mich natürlich besonders seinen Bruder kennenlernen zu dürfen."


    Durus erzählte einmal, dass er seine Jugend in Aegyptus verbracht hatte. Vermutlich lebte dort auch Gracchus, bevor er wohl in die Welt aufbrach und sie sich verloren. Vielleicht hätte Gracchus mal einen Beschwerdebrief an den Cursus Publicus schicken sollen, wenn der Schriftverkehr so plötzlich aufbrach - oder es war sein und des Durus Verschulden, was die Sachlage natürlich auch erklären würde.


    "Nun, Wege kreuzen sich irgendwann einmal wieder und so werdet auch ihr euch sicherlich wiederfinden. Durus ist in Rom und diese Information ist schonmal ein großer Schritt in eine Zukunft, in der ihr euch sicherlich begegnen werdet."


    Natürlich würde Furianus in dem Brief an Durus erwähnen müssen, dass dessen Bruder hier in Hispania weilte. Diese Information sollte Durus entweder erfreuen oder verärgern, doch er vermutete eher das erstere, denn im Zwist schienen sie nicht zu liegen.

  • "Ich bin mir sicher, dass sich unsere Wege irgendwann wieder kreuzen werden. Ich habe ihm auch schon einen Brief geschrieben. Wenn ich richtig informiert bin, dann ist er zur Zeit Quaestor?"


    Gracchus Hand fuhr über seine Glatze, die im Licht der Lampen glänzte.


    "Weißt du, ob er plant curulischer Aedil zu werden?"

  • "Ja, Quaestor Consulum."


    Sagte Furianus und nahm noch einen kräftigen Schluck aus dem Becher. Der Hauptgang neigte sich dem Ende zu und die Sklaven räumten ab, um sogleich die Nachspeisen bringen zu können.
    Für gewöhnlich verlangte Furianus immer eine kleine Pause dazwischen, um den Magen zu beruhigen und das Gefühl der Sättigung ein wenig zu mindern. Denn die Nachspeise war immer ein Genuss.


    "Ich hoffe doch, dass er zum Aedilis Curulis kandidiert, er wäre ein guter Kandidat."


    Zwar wusste Furianus, dass sein Vetter Gracchus derzeit Quaestor Principis war, doch aufgrund dieser plötzlichen Kandidatur, welche dem Vetter gar manche Stimme kostete, glaubte Furianus erkennen zu können, dass dessen Weg in die Politik nur ein kurzer sein würde. Außerdem war das Ergebnis für eine weitere Kandidatur nicht gerade erfolgsversprechend gewesen - doch man wusste ja nie, so hatte auch er nur abzuwarten und sich lieber auf seine eigene Kandidatur zu konzentrieren, vorausgesetzt der Imperator würde sich gnädig zeigen und ihm die Ehre einräumen in den Ordo Senatorius aufgenommen zu werden.

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