Es war ein Amtstag wie jeder anderer, eigentlich wirkte er so den ganzen Tag. Den gesamten Vormittag wurde Medeia von einem Bittsteller oder Beschwerdeführer nach dem Anderen aufgesucht, amtliche Angelegenheiten wurden besprochen und Edikte ausgestellt. Immer wieder betrat ein Besucher die Basilica und schlängelte sich zum Officium des Aedilis Plebis vor. So auch mit jenem Besucher. Da Quartus gerade wieder seine erste Mittagspause nahm, war es auch nicht so schwierig gewesen in das Officium und zu dem Tisch vorzudringen. Medeia sah von einem Papyrus auf, was sie gerade studierte und hob kurz ihre Augenbrauen, lächelte jedoch freundlich und nahm den Brief entgegen. Mit einem Handgriff war er geöffnet und Medeias Augen flogen über die Zeilen hinweg. Und erneut wanderten ihre Augenbrauen hoch. Verblüfft sah sie noch mal auf den Brief und dann zum Sklaven, den sie einen Moment recht ernst musterte. „Einen Moment bitte!“ Kopfschüttelnd griff Medeia nach ihrem Schreibzeug, Rabenfeder und Tinte und nach einem Papyrus
An Senator Medicus Germanicus Avarus
Casa Germanicus
Roma / Italia
Salve werter Senator,
bezüglich Deines Schreibens möchte ich Dir doch ausführlich und erklärend antworten, um vielleicht das bei Dir entstandene Missverständnis auszuräumen. Sicherlich ist Dir das Prozedere der Edikte und ihre Folgen hinlänglich bekannt, hast Du doch selber lange genug im Cursus Honorum dem römischen Volk gedient. Ein Edikt ist eine Amtshandlung im römischen Dienst und auch als dieses zu behandeln. Selbst wenn es Edikte des ehemaligen Aedils, Helvetius Tacitus, sind, so haben sie immer noch Gültigkeit und ihren Rechtscharakter vor dem römischen Gesetz nicht verloren. Als Amtsträger ist es in meiner Pflicht, diese Edikte durchzusetzen und somit dem römischen Gesetzt genüge zu tun. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Edikt auf einem Irrtum, oder gar Schlimmerem, beruht. Aber dafür haben wir entsprechende Instanzen, der Consul oder in diesem Fall noch der Kaiser persönlich. Diese Option sollte Dir als Senator und rechtsgelehrten Mann bekannt sein.
Solltest Du in allen Edikten des ehemaligen Aedils, Helvetius Tacitus, Fälschungen sehen, so bist doch gerade Du in der besten Position im Senat diese über eine Petition oder einen Beschluss aufheben zu lassen. Bis dahin bitte ich Dich, die üblichen Rechtswege einzuhalten.
Es erstaunt mich jedoch durchaus, dass Du in Deiner Person gleich die gesamte römisch-germanische Bevölkerung siehst. War doch mein Erinnerungsschreiben höchstpersönlich an Dich gerichtet und auch amtlich versiegelt worden. Genauso wurde es in Deiner Casa abgegeben. Doch sei versichert, derartige Schreiben haben auch andere Römer erhalten, die sich nicht auf germanischen Ursprung berufen. Ich hoffe somit, Deine Befürchtungen ausgeräumt zu haben.
Vale
Artoria Medeia
Aedilis Plebis
Medeia reichte dem Sklaven den versiegelten Brief. „Bitte, bring das doch Deinem Herren, Germanicus Avarus, und richte ihm dabei noch meine freundlichen Grüße aus. Vale!“ Dann widmete sich Medeia wieder alten Aufzeichnungen und neuen Berechnungen ehe der nächste Bittsteller kommen sollte.