Das Gästezimmer

  • "Du hast viel gesehen und sicher viele Menschen kennengelernt - ich bezweifle nicht, dass du da das Ein oder Andere lernen konntest. Dann haben wir also eine Abmachung."


    Er grinste beinahe schon verschwörerisch, ließ dann allmählich die zierliche Frauenhand los. Der Sklave wartete immer noch, und Maximian wandte sich nun an ihn.


    "Die Dame hier wünscht zu essen."


    Als Antwort bekam der junge Mann ein gehorsames 'Ja, Herr.', worauf sich der Sklave entfernte. Maximian sah die Dame mit aufgepumpter Brust und strammer Haltung an und deutete eine Verbeugung an, bei der er leicht den Kopf senkte und einen Arm auf den Rücken führte. Hätte er nicht dermaßen grinsen müssen, wäre es ihm vielleicht sogar gelungen sein Gegenüber zu beeindrucken. Schließlich hielt er den anderen Arm zur Tür gerichtet und sprach mit belustigter Stimme:


    "Nach dir."

  • Bei seiner Verbeugung konnte ich nicht anders und musste Lachen. Glockenhell klang es durch das Zimmer und ich erwiderte mit einem schelmischen Knicks.


    Aber gerne, mein Herr.

  • Ich saß im Cubiculum und lass ein wenig Ovud, während ich darauf wartete, dass der Schlaf sich einstellte. Die Müdigkeit war groß, aber die Menge der Ereignisse, die ich erst einmal verarbeiten musste auch und so fand ich nicht die rechte Ruhe.
    Irgendwann fielen mir dann aber doch die Augen zu und ich schlief tief und fest bis zum nächsten Morgen, an dem ich frisch, munter und voller guter Laune aufstand und beschloss heute mehr von Tarraco kennen zu lernen und ein paar Briefe nach Judaea zu schreiben.

  • Maximian war, nachdem er von der Einweihungsfeier der Casa Prudentia gekommen war, auf direktem Wege in sein Cubiculum gegangen und hatte sich dort aufs Ohr gelegt. Recht früh am nächsten Morgen war er wieder erwacht, da der Tatendrang in ihm sich so unendlich danach sehnte, dass er endlich mal wieder etwas Nützliches tat. Nur was?
    Schließlich fand sich Maximian vor dem Gästezimmer wieder, dass Viola gehörte. Seine Füße hatten ihn dort irgendwie von allein hingetragen, denn als er nun die Tür vor Augen hatte, konnte er sich nicht erinnern, sich vorgenommen zu haben Viola einen Besuch abzustatten.
    Ein Grinsen erschien auf dem jungen Gesicht, das sich nun vor Verwunderung leicht schüttelte. So konnte es gehen, dachte Maximian bei sich und räusperte sich dann beinahe verlegen. Schließlich beschloss er jedoch, dass, wo er schonmal hier war, er konnte Viola tatsächlich besuchen könnte - wenn sie denn anwesend war. Er klopfte zwei Mal an die Tür und lauschte dann in das Rauminnere.

  • Nach langen Jahren das erste Mal erwachte ich dieser Nacht durch einen Alptraum. Ich schreckte hoch und tat, was ich auch früher oft getan. Ich griff halb blind im Dunkeln nach meinem Mantel und eilte aus dem Haus.
    Ich war verwirrt durch die Bilder und lief ihnen davon.

  • Als Maximian sich umgekleidet und gewaschen hatte, führten ihn seine Schritte wieder an der Zimmertür vorbei, hinter der Violas Gästezimmer verborgen war. Wieder klopfte er, nun in eine blaue Tunika und seinen warmen Mantel gehüllt, an und lauschte einen Moment die Luft anhaltend, um eventuelle Regungen im Zimmerinneren hören zu können. Aber es regte sich nichts - wo sie wohl steckte? Nie und nimmer hätte Maximian sich träumen lassen, dass die hübsche Frau, die ihm vor allem nach den ersten Tagen seiner Ankunft in Tarraco beigestanden hatte, schon nicht mehr unter den Lebenden weilte.


    So schob er nur kurz die Unterlippe hoch und ging schnellen Schrittes ins Speisezimmer, wo man wahrscheinlich schon auf ihn wartete. Nachdem sich die Familienversammlung dort dann wieder aufgelöst hatte, besuchte Maximian sein Pferd in den Stallungen.

  • Ich betrat das Gästezimmer, machte ein wenig sauber und lüftete kräftig durch. Jetzt wo der Frühling in Hispania begonnen hatte, sollte die warme Sonne in jeden Winkel des Hauses fallen. Unglaublich wie sich so viel Staub ansammeln konnte...

  • Livianus hatte gesagt, dass Maximians Mutter sich in ihrem Zimmer befinden würde. Also war der junge Decimus die Gästezimmer des Hauses abgelaufen, hatte überall angeklopft, aber bislang immer keine Antwort erhalten. Nun stand er vor der nächsten Tür, atmete einen großen Schwall Luft ein und klopfte drei mal kräftig mit dem Fingerknöchel gegen das massive Holz.

  • Iulia schreckte hoch als es an die Tür klopfte, irgendwie musste sie wohl zwischenzeitlich in ihrem Korbsessel eingeschlafen sein. Nun wer sie wohl sprechen wollte? Sie richtete sich gerade auf und rief


    Herein

  • Als Maximian die Stimme vernahm, war er sich sicher. Es war die Stimme seiner Mutter gewesen. Langsam aber ungeduldig öffnete der junge Mann die Tür und steckte den Kopf durch den Rahmen, kaum dass die Tür weit genug geöffnet war. Seine Augen durchflogen das kleine Zimmer, bis sie an einem Sessel hängenblieben, auf dem eine mittelalte Frau saß. Er schluckte, öffnete die Tür gänzlich und strahlte auf einmal bis über beide Ohren.


    "Mutter!"


    Damit war die Tür auch schon losgelassen und Maximian ein gutes Stück auf seine Mutter zugelaufen, der er seine Arme entgegenstreckte.

  • Als die Tür auf ging und sie den Kopf ihres Sohnes sah, blieb sie einen Augenblick vor Überraschung reglos sitzen, dann strahlte sie ihn an. In dem Moment lief er auch schon auf sie zu. Es erinnerte sie daran wie er als kleines Kind immer auf sie zugestürmt war, wenn er sie für eine längere Zeit nicht gesehen hatte. Nun das waren noch Zeiten gewesen....längst vorbei. Freudig ging sie ihm entgegen und nahm ihn in die Arme. Sie hätte nicht beschreiben können, wie sich in diesem Moment fühlte, aber so glücklich war sie seit Wochen nicht mehr gewesen.


    Maximian, schön das du aus Rom zurück bist.

  • Der Sohn musterte seine Mutter genau. Sie strahlte glücklich, weshalb er keinerlei Verdacht schöpfte und setzte sich zu ihr. Von Nervosität war nun nicht mehr viel übrig geblieben, genauso wenig wie Argwohn. Seiner Mutter ging es offensichtlich gut und dass sie Daheim Familie hatte, vergaß er, während er endlich wieder einmal das Bild seiner Mutter vor sich hatte. Als er es sich aber genauer ansah, dann sah sie ein wenig älter aus. Immernoch freudestrahlend schossen die Fragen nur so aus ihm heraus:


    "Seit wann wartest du denn? Und warum hast mir keinen Brief geschrieben, Mutter? Wie geht es dir? Und was machen meine Geschwister und mein Ziehvater? Sind sie mit dir hier?"


    Er war ziemlich aufgeregt, bemerkte jetzt erst, wie er seine Mutter mit Worten unter Beschuss genommen hatte und seufzte leise.


    "Es tut so gut, dich zu sehen. Ich habe mir Sorgen gemacht, weil du mir nicht schriebst. Ist alles in Ordnung?"

  • Auf die Fragen ihres Sohnes hin, verschwand das Strahlen aus ihrem Gesicht und sie wurde ernst. Sie überlegte wie sie es ihm am besten sagen sollte, dass beste wäre wohl eine sachliche und knappe Schilderung, sie wollte ihn nicht unnötig belasten. Am liebsten hätte sie es schon hinter sich gehabt....


    Nachdem du aus Valentia fortgegangen bist, ist viel passiert, darum hatte ich keine Zeit dir zu schreiben. Keine Angst deinen Geschwistern geht es gut....Aber dein Ziehvater hat herausgefunden, dass du nicht sein Sohn bist. Naja du kennst ihn und du kannst dir sicher vorstellen, wie er reagiert hat. Die einzige logische Schlußfolgerung war dann, dass er die Scheidung eingereicht hat und darum bin ich auch hier.


    Erleichtert stellte sie fest, dass sie es geschafft hatte ohne das ihr die Tränen kamen. Dann musterte sie ihren Sohn um in seinem Gesicht eine Reaktion auf das eben gehörte ablesen zu können. Im Grunde hatte sie immer gehofft ihm nach der Offenbarung, dass Damian nicht sein leiblicher Vater war, ihn mit ähnlichen überaschenden Nachrichten verschonen zu können.

  • Das, was seine Mutter ihm da erzählte, ließ Maximians Gesicht erstarren. Sein Ziehvater, den Maximian immer geliebt hatte, hatte sich Maximians wegen von seiner Frau scheiden lassen. Dabei hatte sie ihm Kinder geschenkt, mit ihm Nacht für Nacht das Bett geteilt und ihn aufrichtig umsorgt. Offensichtlich hatte sie ihm sogar die Erziehung ihres ältesten Sohnes anvertraut, bis zu jenem Tage, an dem für Maximian ein neues Leben fand, oich das seiner Mutter sein Ende. Sofort fühlte der gutherzige junge Mann sich für das Aus der Ehe seiner Mutter verantwortlich; die Gefühle der Schuld fingen langsam an zu blühen und wucherten sogleich in jede kleinste Faser Maximians Körper.
    Seine gute Mutter, wegen ihm entehrt. Immernoch starrte Max seine Mutter fassungslos und geradezu erbleicht an. Die Nachricht war tatsächlich ein Schock, der nur allmählich wieder von seinen Muskeln abfiel. Dann endlich fand er die Sprache wieder.


    "Mutter, ich... wusste nicht... Es... Es tut mir so leid."


    Severa strahlte nun nicht mehr. Sie blickte ihn ernst an, doch Maximian hatte dieses Gesicht schon zu häufig gesehen, um zu wissen, dass es hinter der Fassade in seiner Mutter anders vorging, als es die Gesichtszüge vorzugeben wagten.
    Wollte er sie trösten oder sich - langsam sank er in die Arme seiner Mutter und legte den Kopf an ihre Schulter, wobei er die Augen schloss. Er hatte sich das Wiedersehen anders vorgestellt: Er ein erwachsener Mann, in Rüstung vielleicht, mit Meridius an seiner Seite. In Valentia hinein, die alten, bekannten Gesichter wiedersehen, sie anlächeln. Vor einem Haus anhalten, absteigen, die Mutter sehen. Den langjährigen Vater, die Geschwister. Sie alle in die Arme schließen, nur glückliche Gesichter sehen. Ein kleines Fest, Freude, die alte Familie, in der er 16 Jahre seines Lebens verbracht hatte.
    Stattdessen war diese Familie zerbrochen. Stattdessen hegte sein Ziehvater jetzt Groll und Zorn gegen seine Frau und Maximians Mutter. Stattdessen würde er, Maximian, geboren in Valentia, nicht länger willkommen sein bei Damian.
    Wortlos löste er sich wieder von seiner Mutter und sah sie traurig an.


    "Ich hatte nicht geahnt, dass er überhaupt Verdacht schöpfen würde. Aber das... Mutter, du musst mir glauben: Ich wäre nicht fortgegangen, ich hätte nicht auf dich gehört, wenn ich gewusst hätte, dass er sich scheiden lassen und dich entehren würde."


    Betreten senkte Maximian sein Haupt und fixierte den Boden vor seinen Füßen, als durchgesickert war, was er gesagt aber noch nicht verstanden hatte. Er war der Auslöser für das Unglück seiner Mutter gewesen, indem er einfach nach Tarraco aufgebrochen war. Damian war kein Einfaltspinsel. Maximian war gerade 16 Jahre alt geworden. Damit war er bei weitem zu jung, um zu den Legionen zu gehen oder sonst irgendwo eine Arbeit aufzunehmen.

  • Nun war doch das eingetreten, was sie die ganze Zeit befürchtet hatte, ihr Sohn gab sich offenbar die Schuld an ihrer Scheidung. Sein trauriger Blick tat ihr weh und löste bei ihr eine Welle von Selbstvorwürfen aus. Es war immer ihr Wunsch gewesen Unheil und Probleme soweit es ihr möglich war von ihren Kindern abzuhalten, stattdessen hatte sie sie nun gerade in Konflikte und Probleme gestürzt. Ihre Kinder in Valentia, die nun ohne Mutter aufwuchsen. Maximian, den sie all die Jahre über seinen wirklichen Vater belogen hatte, der nun mit der neuen Situation, einem ihm fremden Vater zurechtkommen musste und sich zu allem Üblerfluß auch noch Vorwürfe machte. Sie legte die Hand auf Maximians Schulter und sagte mit möglichst ruhiger Stimme.


    "Schau mich an, es braucht dir nichts leid zu tun. Für die Scheidung bist du nicht verantwortlich. Sie ist die Konsequenz meiner Handlungen. Ich habe deinem Ziehvater all die Jahre die Wahrheit vorenthalten. Ich habe dich auch hierher geschickt. Mach dir keine Vorwürfe, indem du denkst, dass wäre alles nicht passiert, wenn du nicht auf mich gehört hättest und in Valentia geblieben wärest. Du bist erst 16, es lag bei mir über die möglichen Folgen nachzudenken.
    Ja ich habe gehofft, dass Damian es nicht herausfindet, aber mir war klar das es ein Spiel mit dem Feuer ist. Dennoch hatte ich den Wunsch, dass du wenigstens jetzt deinen wirklichen Vater kennenlernst und auch Meridius die Wahrheit erfährt. Außerdem brauche ich jetzt nicht mehr zu lügen.
    Und wenn dann muss ich mich sowieso bei dir entschuldigen....."


    Die quälenden Gedanken und Sorgen über die Reaktion ihres Mannes, wenn er je die Wahrheit herausfinden sollte, waren nun vorbei. Oft hatte sie deswegen lange wach gelegen auch weil sie ihr schlechtes Gewissen plagte, dass meldete sich nun zwar noch immer....
    Sie blickte Maximian an, in der Hoffnung , dass ihre Worte wenigstens etwas Wirkung zeigen würden.

  • Als Severa ihm die Hand auf die Schulter legte, legte er seine auf ihre. Es tat gut, endlich wieder bei der Mutter zu sein. Hier kannte er alle Menschen erst seit seiner Ankunft in Tarraco, die ein paar Monate zurücklag, doch sie kannten ihn schon von Anfang an. Auf einmal war auch dieses Gefühl des Heimwehs wieder da und es war größer, als Maximian es bislang gefühlt hatte. Warum nur? Weil sie nun da war? Er seuftze leise, hob den Kopf an und setzte zu einem Widerspruch an.


    "Aber -"


    Abermals seufzte er und hielt inne, als er den Blick seiner Mutter sah. Er war hoffnungsvoll, schuldbewusst und auf der anderen Seite unsagbar tröstlich. Er nickte leicht.


    "Ich bin dir dankbar, dass du mir von Meridius erzählt hast. Hier habe ich viel mehr Möglichkeiten und..."


    Max brach ab. Irgendetwas positives hieraus zu sehen, war wirklich sehr schwer. Vor allem weil der Gedanke an seine Geschwister Maximian sehr betrübte. Er hob seine Hand kurz an und legte sie dann wieder auf die seiner Mutter, die unverändert auf der Schulter lag.


    "Du bist mir keine Entschuldigung schuldig, Mutter. Du hast nur das Beste für mich gewollt und all die Jahre das Geheimnis mit dir herumgetragen. Es muss dich gequält haben, mit niemandem darüber sprechen zu können." Er zeigte ansatzweise ein Lächeln, das gleich danach aber wieder verlosch. "Das ist nun vorbei und der Gedanke, dass dir dieses Gewicht endlich von den Schultern gewichen ist, tröstet mich. Ich..."


    Nun fehlten die Worte. Er sah seine Mutter ein paar Augenblicke lang schweigend an und nahm dann ihre Hand von seiner Schulter, hielt sie aber weiterhin in seiner. Da erinnerte er sich daran, wie sie ihn früher immer an der Hand genommen und ihm beim Spazieren vorgesungen hatte. Dann war sie losgehüpft und Klein-Maximian jauchzte vor Freude, wenn sie ihn auf den Arm geschwungen hatte. Sein Blick wurde sehliger, weniger traurig, als er die Bilder vor seinem inneren Auge vorbeiziehen sehen konnte und hatte das dringende Gefühl, jetzt irgendetwas aufmunterndes Sagen zu müssen.


    "Es wird gewiss alles wieder gut, Mutter."

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