Milde lächelnd blickte Phaeneas das Mädchen an. „Gut, wenn es um deine Hand nicht so schlimm steht“, sagte er erst und erklärte dann weiter: „Mit der Frage wollte ich nur herausbekommen, ob sie gebrochen ist, das war alles, worum es mir ging. Wenn man die Hand für nichts mehr benützen kann, weiß man, dass sie gebrochen ist.“
Hedda schien es wirklich nicht zu schaffen, einmal nur für eine kurze Weile keine Hintergedanken zu haben. Sie schien nicht fassen zu können, dass er um ihretwegen mit ihr sprach, sich um ihretwegen um sie kümmerte, was ja schließlich nicht selbstverständlich war, er hätte in diesem Moment genauso gut Berenice in der Küche helfen können oder etwas anderes machen können. Doch er war hier, im Garten, einzig und allein, wegen ihr, damit sie nicht andauernd so einsam war.
Hortus et Peristylium
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Ihr Blick war undeutbar und die Sonne spiegelte sich in ihren Augen wieder. Man konnte nicht sagen ob sie nun erstaunt über die Erkenntnis war, dass er anscheinend nur besorgt war, oder ob es ihr Angst machte. Langsam zog sie ihre Hand wieder zu sich als wollte sie diese schützen. Es dauerte nicht lange dann wandte sie ihren Blick von ihm ab und dachte nach. Sie sah nur knapp an ihm vorbei und musste immer wieder blinzeln weil die Sonne genau in ihr Gesicht schien. Sie ist nicht gebrochen. Ein bisschen offen und es tut weh, aber nichts was mich umbringen wird. Sie hatte wirklich daran gedacht, dass er nur fragte um zu wissen wie er sie einteilen konnte zum arbeiten damit sie sich auch ja nicht drücken konnte. Hedda erkannte immer zu spät wenn es jemand nur gut mit ihr meinte. Entschuldige. Das war ein Wort was eigentlich nie jemand von Hedda zu hören bekam und weil dem so war drehte sie sich um und lehnte sich seitlich wieder an die Säule und lehnte auch ihre Stirn dagegen. Eine Pose die sie im Carcer schon immer hatte.
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Phaeneas sah den Ausdruck in ihren Augen und lächelte. „Ein Glück. Hoffentlich heilt die Haut schnell. Du kannst es ja mal mit Spucke versuchen und dann in die Sonne halten, Mahir behauptete immer, das wirke Wunder!“
Das „Entschuldige.“ klang versöhnend. „Ist schon gut.“ Hedda drehte sich leicht weg von ihm und Phaeneas sah diese Pose leicht erstaunt. „Schämst du dich?“, folgte eine ganz einfache, fast primitive Frage. -
Sie war sich nicht sicher was sie auf seine Frage antworten sollte und auch die Spucke auf ihre wunden Knöchel versuchte sie vorerst nicht. Schämte sie sich wirklich? Wahrscheinlich wegen ihrer Schwäche die sie grade zeigte. Sie hasste es Schwäche zu zeigen und Entschuldigungen waren eine Schwäche denn dann gab man zu etwas falsch gemacht zu haben und das war etwas was sie sich nur sehr selten eingestehen konnte oder sagen wir besser fast niemals.
Vielleicht mache ich das wirklich weil ich so schwach bin. Ich schäme mich weil ich mich hängen lasse anstatt zukämpfen wie früher, aber ich bin nicht mehr wie früher. Es ist alles verloren und zerstört. Es gibt nicht mehr die Hedda die einmal stark gewesen war, sie ist weg und wird niemals mehr wiederkommen. Ich bin eine Versagerin, sagte sie leise und schaute immer noch in den Garten. Wiede so viel Grün zu sehen war wie in einem Traum. -
Phaeneas sah, dass Hedda seinem Rat nicht Folge leistete. Nun gut, dann nicht.
Ruhig hörte er sich alles an, was sie sagte. Sie schien nicht sehr viel gutes von sich zu denken, doch um zu verstehen, warum das so war, müsste er vermutlich ihre Vorgeschichte kennen. Eigentlich war ihm danach, sie wieder aufzurichten und ihr Mut zu geben. Es war einfach furchtbar zu hören, wie sich jemand so schlecht sah! Aber zuerst musste er ihre Gesinnung herausfinden.
„Was hätte die frühere Hedda denn jetzt getan?“, fragte der Bithynier. -
Doch auch dieser Traum verblasste langsam wieder. Langsam vor ihren Augen baute sich eine unsichtbare Mauer um dieses Grün auf und sie konnte nichts mehr sehen. Verzweifelt versuchte sie dieses grausame Bild wieder abzuschütteln und dann kam noch seine Frage dazu, die sie vernalasste sich wieder zu Phaeneas umzudrehen.
Ein ziemlich undeutbarer Blick traf ihn dabei als sie ihn ansah und ein eindringlicher dazu. Ihre Stimme schien seltsam verändert zu sein Ich glaube nicht, dass du das wissen möchtest was die alte Hedda in diesem Fall getan hätte oder versucht hätte zu machen.
Hedda presste ihre Kieder aufeinander und schluckte nur um sich danach kurz auf die Lippe zu beißen. Die alte Hedda hätte gekämpft bis zum bitteren Ende. Ich hätte gekämpft! Gekämpft bis ich das hätte was ich wollte und mir wäre jedes, wirklich jedes Mittel recht gewesen. Ich bin nicht ohne Grund hier Phaeneas. Sie klang verbittert, enttäuscht von sich selber und es klang noch vieles mehr in ihrer Stimme mit. -
„Wofür, Hedda, wofür hättest du gekämpft, was hättest du damit erreichen wollen?“
Phaeneas wollte es endlich aus ihr herausbringen, er musste wissen, woran er war, woran er zumindest im Moment war. Denn er konnte schließlich nie sicher sein, ob ihre Absichten binnen kurzer Zeit schon wieder andere sein würden.
Es war schließlich ein Unterschied, ob sie um ihre Freiheit kämpfen würde oder mit sich selber, um sich endlich mit ihrem Schicksal abzufinden. -
Meine Freiheit, meine Freiheit hätte ich damit erreichen wollen. Das Recht frei über mich entscheiden zu können ohne, dass ein anderer mir reinredet. So wie es früher war als ich noch mit meiner Schwester ganz alleine war. Es war schwer, aber keiner sagte etwas. War es das was er wissen wollte? Hatte sie ihm nun seine Frage beantwortet oder lag sie schon wieder falsch. Sie war sich nicht sicher was sie alles von sich erzählen konnte und durfte, denn alles führte auf die Geschichte im Carcer zurück und darüber sollte sie schweigen, aber andersrum war er doch auch nur ein Sklave.
Ich weiß, dass du mich sicher nicht verstehst, aber das kann ich nicht ändern. -
Das war es, was Phaeneas hatte erfahren wollen. Tja, und nun wusste er es. Er wusste, dass Hedda wohl noch einen weiten Weg vor sich hatte.
Der bithynische Sklave seufzte leise. „Ich begreife nicht, warum du um eine Zeit weinst, in der du eine Schlacht gekämpft hättest, die längst verloren ist. Verstehst du denn nicht, dass es für dich nur eine Möglichkeit geben wird, nämlich nachgeben und damit überleben, einen Ausweg gibt es nicht. Nicht hier.“
Phaeneas war es immer wieder unbegreiflich, dass neue Sklaven stets so schwer erkannten, dass sie im Grunde gar keine Wahl hatten. Wer fragte sie denn, doch wohl nur Mitsklaven. Und leben wollte am Ende doch jeder. Denn...wer hatte schon das Durchhaltevermögen, für seine „Freiheit“ zu sterben...den Tod auf sich zu nehmen...? Kaum jemand -
Hedda presste ihre Lippen so fest zusammen, dass sie nur noch einen weißen Strich bildeten. Diese Worten waren einfach schmerzhaft und alleine dafür hätte sie ihn gerne geschlagen aber sie hielt sich zurück denn es war besser so. Es tat weh das zu hören, denn sie wusste, dass er im Recht war.
Warum gibt es das nicht hier? Warum? Warum muss ich nachgeben warum kann es nicht mal ein Römer machen? Was bringt mir das Überleben?Verrate mir bitte was das Überleben für mich bringt. Wenn ich nachgebe werde ich mich doch selbst verlieren, mich aufgeben und ein Nichts sein. Sie schloss ihre Augen und wollte dem ganzen am liebsten nur durch ihre Gedanken entkommen aber das konnte sie nicht. -
„So ist es nun einmal, Hedda. Ich habe viele Sklaven fliehen gesehen, ich habe viele sich widersetzten gesehen. Glaub mir, keinem hat es gut bekommen. Kaum einer schafft es zu entkommen, fast alle werden wieder eingefangen und hart bestraft. Oft schaffen sie nur noch ein paar taumelnde Schritte zu ihrem Lager...“ All das hatte er mit Schwermut in der Stimme gesagt. Phaeneas erinnerte sich gut an eine junge Sklavin, die Hedda sehr ähnlich gesehen hatte. Als die Haut auf ihrem Rücken schier gar nicht mehr heilen wollte, hatte sie ihren Widerstand aufgegeben.
„Hedda, ich glaube trotz allem, dass es etwas gibt, was mich von anderen Sklaven unterscheidet, was mich ausmacht und mich zu mir selbst macht. Das muss wohl heißen, dass ich mich in all den Jahren nicht selbst verloren habe und immer noch etwas bin.“
Etwas, na ja, so etwas ähnliches wie Trotz kam in dem Bithynier darüber auf, dass jemand behauptete, Sklaven würden zu geistlosen Hüllen. Es beleidigte ihn ein bisschen, auch wenn es nur von einer jungen Frau kam, die rein gar nicht wissen konnte, was es hieß Sklave zu sein.
„Es ist ganz allein deine Entscheidung, ob du dich selbst verlierst oder nicht.“
Phaeneas überlegte weiter: „Das Überleben bringt dir ein neues Leben, Hedda. Es wird eine Umstellung bedeuten, aber wenn du dich anpasst, wirst du aufhören ständig daran zu denken, dass du eine Sklavin bist.“ Phaeneas dachte schließlich auch nicht immer daran. Er war, nun ja, einer wie alle anderen eben auch. „Unter all den anderen Sklaven ist es anders als im Umgang mit Freien. Es gibt zwar auch hier eine streng geordnete Hierarchie, aber trotz allem ist man irgendwie gleich. Wenn du dich etwas hier im Haushalt einbringst und dem Herrn gegenüber zurückhältst, kannst du ein angenehmes Leben haben. Mittlerweile kann ich das aus eigener Erfahrung sagen. Fehler unterlaufen einem immer, Hedda, das ist normal. Doch ein wirklich menschlicher Herr verrät sich dadurch, dass er einem kleine Fehler nicht nachträgt als wären sie Absicht.
Vielleicht findest du unter den Sklaven des Hauses Freunde, vielleicht verliebst du dich, dafür ist es doch allemal wert weiterzuleben. Und wenn, dann hast du immer noch dich selbst, das ist etwas, was dir niemand wegnehmen kann.“ -
Glaube mir diese taumelnden Schritte kenne ich nur zu gut und auch die Schmerzen wenn man nicht das macht was andere wollen. Sei es nur weil man ihnen etwas nicht sagen möchte. Es scheint mir fast als war mein Leben, fast mein ganzes Leben, schon ein Sklavendasein auf Probe und ich habe diese Probe nicht bestanden deswegen bin ich hier.
Alles schrie in ihr zu sagen, dass sie sich doch schon verloren hatte als sie zustimmte eine Sklavin zu werden. Sie konnte sich nicht entscheiden ob der Tod nicht doch die bessere Wahl gewesen wäre oder nicht. Vielleicht war ihre Entscheidung doch zu schnell gefällt gewesen, vielleicht....vielleicht.....man konnte vor jedem Satz den sie begann, den sie dachte ein Vielleicht setzen.
Freunde hatte ich nie, ich habe sie nie gebraucht, ich hatte immer meine Schwester. Mehr habe ich nie benötigt. Aber was ist wenn ich nicht aufhören kann daran zu denken was ich jetzt bin? Ist es dann nicht folter mir gegenüber? -
Mit der Zeit fand Phaeneas Gefallen daran mit Hedda zu diskutieren. Es war schön, wie sie alles hinterfragte.
"Wenn dein bisheriges Leben schon ein Sklavendasein war, wieso beklagst du dich dann jetzt? Dann müsste es doch jetzt für dich genauso weitergehen wie bisher."
Im Übrigen bestätigte Hedda damit seine Theorie, nämlich dass kaum jemand wirklich frei war und wirklich immer frei entscheiden konnte.
"Und auch Strafen kann man umgehen. Sicherlich, manchen Herrn kann man es schier nicht recht machen, sie würden immer etwas finden, aber die meisten sind damit zufrieden, wenn man sich Mühe gibt."
Darauf basierte Phaeneas' Leben schließlich, auf der Gnade oder Ungnade des Herrn. Und er tat stets alles, damit zweiteres nicht eintraf. Meistens klappte es, manchmal auch nicht. Aber eine Sicherheit hatte man trotzdem nie.
"Ach weißt du, Hedda, wenn du die ganze Zeit krampfhaft daran denkst, dann brauchst du dich nicht zu wundern, dass es dich quält. Doch daran bist du selber schuld.
Und selbst wenn, viel ist Folter, am besten man findet sich damit ab." -
In den Domus Regiae summte es wie in einem Bienenstock. Man konnte im Grunde kaum ein Zimmer betreten, ohne dort Sklaven dabei anzutreffen irgendetwas zu polieren, abzustauben oder zu wischen. Für die Hochzeit musste das Haus auf Hochglanz gebracht werden und nirgendwo sollte auch nur ein Staubkorn aufgefunden werden. Nacheinander wurden die Böden aller Räume geschrubbt, Fenster geputzt, sämtliche Möbelstücke gewischt und so weiter und so fort. Der Arbeit war im Grunde kein Ende gesetzt. Überall fuhren Sklaven mit Staubwedeln und langen Stöcken, an deren Enden Schwämme befestigt waren, über Türgesimse und Säulenkränze, um allen Staub zu entfernen. Das Auffangbecken im Atrium wurde einer ausführlichen Reinigung unterzogen, sämtliche Bezüge mussten ausgetauscht und gewaschen werden und und und...
Phaeneas schien es als wäre er derzeit überall gleichzeitig. Es war vor allem schwierig, den Überblick nicht zu verlieren, bei all den vielen Tätigkeiten, die gleichzeitig ausgeübt wurden. Wenn jemand all zu abgespannt wirkte, versuchte der Bithynier aufmunternde Dinge zu sagen. Ob die anderen es dann auch als aufmuntern empfanden, war jedoch wieder eine andere Frage. Aber dass er nur daneben stand und zusah, wie die anderen arbeiteten, das konnte man ihm nicht unterstellen. Allein all das zu organisieren war nicht gerade leicht und wenn sich irgendwo Schwierigkeiten ergaben, gab Phaeneas jederzeit Hilfestellung und packte kurzerhand mit an.
Gerade trat der bithynische Sklave auf den Peristylgang hinaus. In einem unbeobachtet geglaubten Moment war Menyllus auf eine an einer Säule lehnenden Leiter gestiegen. Phaeneas rief ihn sofort herunter. „Was glaubst du, was deine Mutter mir erzählt, wenn du dir einen Fuß oder sonst etwas brichst!“ Der Junge ging schmollend davon. Aber was sollte man machen, so war es eben. Alles was Spaß machte, war verboten.
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