Corvinus zu Besuch

  • Prüfend schaute ich meinen Neffen an. Ich war stets skeptisch, auch wenn ich mit dieser Meinung alleine stehe, das junge Menschen in ihren jungen Jahren nicht zu hoch fliegen sollten. Man müsse sich alles redlich verdienen und erarbeiten. Doch diese Gedanken äußerte ich nicht vor meinem Neffen und der Nichte. Sie würden es wohl nicht verstehen.


    "Per aspera ad astra, mein lieber Marcus. Durch Rauhes zu den Sternen. Gerne will ich Dich als Magistratus in den Dienst der Stadt stellen. Doch weiß ich wohl, das ein junger Geist, Patrizier obenhin, es als ein normales Privileg ansieht, vor anderen Bewerbern genommen zu werden, was wohl auch generell so sein mag. Doch dem stimme ich nicht zu. der Charakter festigt sich viel mehr dann, wenn man sich etwas erkämpft und erarbeitet. Doch die griechischen Philosophen werden sicherlich ein Ähnliches geäußert haben, oder?


    So will ich, wenn Du es noch möchtest, Dich an Amt und Würden nehmen. Doch der Albinus wird derjenige sein, der von Euch das größere Gewicht in die Waagschale legen wird, sollte es zu Abstimmungen und Entscheidungen kommen."


    Ich wusste wohl, welch harte Prüfung es für meinen Neffen sein würde. Wahrscheinlich würden er und meine Nichte mich dafür hassen. Doch tat ich es aus Liebe. Denn wem etwas geschenkt wird, der begreift den Wert nicht. Also muss ein Stolperstein enthalten sein. Diese Lösung würde eh nur von kurzer Dauer sein, da ich selbst mein Amt in Kürze niederlegen würde, wenn alles so verlaufen würde, wie ich es hoffte. Doch das behielt ich derzeit für mich. Sollten sie mich kurzfristig für hart halten, diente es doch ihrem Wohle.

  • Zitat

    Original von Assindius
    Weil ich davon ausging das die Herrin ihre eigene Hüfthöhe meinte, schaute ich mir an, hielt meine Hand in der entsprechenden Höhe und hielt sie bei mir an. Dann nickte ich und trat ab.


    Wieder - schon wie vorhin bei der Erinnerung an die Streiche meines Bruders mit den Trauben - musste ich mir die Hand vor den Mund halten, um nicht laut loszulachen. Zu komisch sahen die Handgriffe meines Sklaven aus. Na gut, wenn das die Denktätigkeit unterstützen würde, sollte es mir Recht sein.


    Ich nickte Assindius aufmunternd zu und folgte sodann mit Aufmerksamkeit wieder dem Gespräch der Männer.

  • Ich musterte meinen Onkel. Seine ersten Worte brachten ein erfreutes Lächeln auf meine Züge, doch als er weitersprach, nahm es wieder ab. Ein Plebejer sollte die Hand an der Waage sein? Das verstand ich nicht und es war in meinen Augen auch keine Art, einen Patrizier zu behandeln. Auf der anderen Seite war doch irgendwo Verständnis in mir, eingepflanzt von den griechischen Gelehrten, die mir wie anderen römischen Studenten dies immer wieder eingetrichtert hatten. Von nichts kommt nichts, hatten sie zu sagen geplegt. Dass ein Patrizier allerdings nicht "Nichts" war, hatten sie nie verstanden und ich hatte stets nur milde gelächelt und geglaubt, im guten alten Rom wäre alles anders. Nun wurde ich eines besseren belehrt.


    Ich blickte kurz zu Deandra, die die Worte sicher ebenso vernommen hatte wie ich, auch wenn sie es vielleicht nicht zeigen würde, und sah dann wieder zu Cicero. Ich räusperte mich.


    "Nun, Onkel. Ernenne mich zum magistratus und ich werde für den Ruhm und die Ehre der gens arbeiten und mich als würdig erweisen", sagte ich.
    Ich meinte es durchaus ernst. Wenn schon mein Stand und die Verwandtschaftsbeziehungen nicht halfen, mir eine gute Stellung zu verschaffen, dann würden es mein Fleiß und meine Taten sein. Was ich mit meiner Entscheidung nicht wusste war, dass ich damit genau das tat, was der Onkel insgeheim von mir erwartet hatte.

  • Mein Blick verweilte lange Zeit auf den Augen seiner Mutter, und ich lächelte ihr zu. Dann schaute ich Marcus an und klopfte ihm auf die Schulter.



    "Du wirst eine harte, aber gelehrige Schulzeit in Mantua absolvieren. Der Gens zu dienen ist ein ehrenvoler Entschluss. Doch vergiss auch nie die Götter, denn sie machten uns zu dem, was wir sind."


    Mein Herz erfreute sich und erwärmte meinen Körper. Solche Augenblicke waren stets viel zu selten in unserer Seele gesäht, so dass es ein bewegender Augenblick für mich war. Ich spürte stark in mir, es würde eine gute Wendung nehmen. Mantua würde eine gute Wendung erfahren. Wir würden eine gute Richtung einschlagen. Dann wandte ich mich an meines Neffen Mutter.


    "Liebe Severina, Frau meines geliebten Bruders. Dein Sohn, dessen bin ich mir sicher, wird in ehrenvoller Weise deinem Manne, meinem Bruder folgen."


    Meiner nichte zwinkerte ich dezent zu, so das es niemand gewahr wurde.

  • Hm, warum war Onkel Cicero nur so streng? Nichts deutete bei Corvinus darauf hin, dass er oberflächlich war. Nein, also verstehen konnte ich das nicht. Vor Jahren gab es noch viele Privilegien für Patrizier, die – traurig genug – inzwischen verschwunden waren.


    Ich suchte den Blickkontakt zu Corvinus, zuckte nur verständnislos mit der Schulter und blickte sodann Onkel Cicero an. Wie dachte er sich das, wenn ein Klient einem Angehörigen der Patronsfamilie etwas zu sagen hatte?


    Was sollte mir jetzt sein Zwinkern sagen?

  • Ich ließ mich klopfen und nickte.


    "Natürlich, Onkel. Meine erste Tätigkeit als magistrat wird sein, den Göttern zu opfern und um ihren Segen für die Geschickte Mantuas zu bitten", versprach ich. Ich ehrte und achtete die Götter. Sie hatten meiner Familie stets beigestanden in guten und auch in schlechten Tagen.


    Seltsam war es schon. Da hatte ich nun plötzlich eine Tätigkeit in Mantua. Vater würde es wohl sehr freuen, wenn er davon hörte. Aber zuerst wollte ich mich noch etwas informieren.
    "Wird es etwas bestimmtes zu tun geben, Onkel? Ist bereits etwas geplant? Und wann soll ich das Amt antreten?" fragte ich ihn. Die Worte an meine Mutter hatte ich überhört. Sie erfüllten mich zwar mit Stolz, aber sie waren an meine Mutter gerichtet und ich hätte ohnehin nicht gewusst, was ich hätte antworten sollen.


    Ich sah Deandras Schulterzucken und warf ihr nur einen ratlosen Blick zu. Er würde sich schon etwas dabei gedacht haben. Es blieb hinterher noch Zeit, über das Was nachzudenken.

  • Es schien mir so, als würden hier einige Blicke zuviel gewechselt werden. Eine Reaktion verkniff ich mir, wohlwissend, das meine Verhaltensweise eh genügend Interpretationsmöglichkeit offen ließ.


    "Melde Dich morgen früh bei mir im Officium. Wir werden viel zu tun haben. Ich plane diverse Aktionen, um den Bekanntheitsgrad der Stadt zu steigern. Dafür brauche ich pfiffige Köpfe - außerdem wollen wir uns ja dein Officium ansehen."


    Dann fiel mir noch ein:


    "Du hast doch bestimmt schon längst Dein CRV absolviert, oder?"

  • Ich nickte andächtig. Schon morgen! Bereits jetzt juckte es unter meinen Fingern, als Cicero auf den cursus zu sprechen kam.
    "Um ehrlich zu sein: Ich warte darauf, dass man mir die Unterlagen zusendet. Eingeschrieben habe ich mich bereits am Tag meiner Ankunft. Stellt das ein Problem dar?"

  • Das verneinte ich deutlich.


    "Du weißt ja wohl, das in Kürze wieder wahlen sind. Es wäre doch schön, wenn Du bis dahin eine gültige Stimme hättest."


    Mein Lachen ließ nun endgültig die bislang vorherrschenden strengen Mimiken vergessen. Dann wandte ich mich an seine Schwester.


    "Und, hat Marcus denn schon von seinen Abenteuern erzählt? habe ich alles verpasst?"


    Zu meinem Neffen gewandt:


    "Und, wie sind die Trauben in Griechenland?"

  • Zitat

    Original von Titus Aurelius Cicero
    Dann wandte ich mich an seine Schwester.


    "Und, hat Marcus denn schon von seinen Abenteuern erzählt? habe ich alles verpasst?"


    Ich schüttelte den Kopf, sodass die Strähnchen flogen und lächelte dabei.


    "Nichts hat er erzählt. Ich warte auch noch gespannt auf seine Berichte."


    Den Kopf schief gelegt wartete ich gespannt darauf, dass Corvinus damit beginnen würde.


  • Ich nickte, erleichtert, dass man für das Amt des Magistratus keinen abgeschlossenen Cursus brauchte. Aber lange dauerte es sicherlich nicht mehr, bis mir die Unterlagen zugesendet würden. Die Trauben betreffend, musste ich kurz lachen.
    "Sie sind süßer als hier", erklärte ich schmunzelnd.


    Deandra schüttelte den Kopf wie damals. Und wie damals flog ihr Haar und verteilte den Geruch nach dem Öl des Haares im ganen Raum. Ich lächelte und schien einen Moment abwesend, dann sah ich kurz Mutter an und begann, zu erzählen.
    "Im Grunde war es sehr lehrreich und sehr theoretisch. Ich machte Bekanntschaft mit vielen anderen, die ihrer Ausbildung wegen nach Griechenland gegangen waren. Wir gingen gemeinsam in die Thermen, die längst nicht so prächtig sind wie die in Rom, besuchten gymnasii und kehrten in Tavernen ein. Es war auch ein Helvetier darunter, den ich vor kurzem auf den Traiansmärkten wieder traf. Leider bekam ich von Rom so gut wie nichts mit. Nur durch die Briefe, die ihr mir dann und wann geschrieben habt."

  • Wieder hob ich ratlos die Schulter, als mich Corvinus' Blick traf. Ich hatte keine Ahnung, was unser Onkel hervorzaubern würde. Was hatte das vor allem damit zu tun, das Corvinus gut erzählen konnte?
    Neugierig reckte ich die Nase, als Aristos den Raum betrat.

  • Ich musste innerlich kichern. Ja,ja, die Neugierde ist schon etwas Wunderbares. Also nahm ich das Kästchen, das ich wie einen Schatz hielt und schaute geheimnisvoll zu meinen Verwandten. Ich gab mnich unschlüssig und nachdenklich, ob es denn wohl der rechte Schritt sein. Natürlich war er es, aber man musste es ja nicht sofort zur Geltung bringen. Ich stellte es auf einem Tische ab und strich mit meiner Hand über den hölzernen Deckel.


    "Seit Generationen ist dies in unserem Besitz. Ich erhielt es von meinem Vater, der von seinem. Nun, da ich keinen MÄNNLICHEN Erben habe, so will ich Dir dieses Kästchen nun weiterreichen, und natürlich seinen Inhalt."


    Ich öffnete es und war etwas enttäuscht, hoffte ich doch, es würde ein knarrendes Geräusch von sich geben, was die Spannung sicherlich erhöht hätte. Auf einem purpurnen Stoff lag ein alter, sehr alter silberner Ring. Schwer und massiv glänzte das Stück. Eine alte Münze, eine Drachme war es, die das Haupt des Herakles zeigt, zierte das alte Stück.


    "Seit über 300 Jahren tragen wir dieses Stück zu besonderen Anlässen. Nun ist es an Dir, diese Tradition fortzuführen."


    Sim-Off:

    WiSim

  • "OH!", entfuhr mir, denn ich war sowohl vom Anblick als auch von der Tragweite des Geschenkes tief beeindruckt. Vom Schmuckstück wanderte mein Blick zu Corvinus. Was er wohl gerade dachte? Er, mein Bruder, war auserkoren, symbolisch Ciceros' Linie weiterzuführen, sein 'Erbe' anzutreten. Wie wird er reagieren?

  • Ich reckte den Hals und konnte meine Neugier wirklich nicht verbergen. Ungeduldig wartete ich darauf, dass mein Onkel die hölzerne Schatulle öffnete, doch da vernahm ich mit Verblüffung und Ehrfurcht seine Worte. Er sprach von dem männlichen Erben, der ihm verwehrt geblieben war, und davon, dass er mir Kästchen und Inhalt anvertrauen wollte. Seine Worte schürten die Ungeduld und die Neugier in mir nur noch, doch erfüllten sie mich zugleich auch mit Stolz. Und dann öffente er das Kästchen aus Holz und Deandra, Mutter und ich wurden mit dem Anblick eines alten Siegelringes belohnt. Ich konnte es nicht verhindern, dass meine Augen groß wurden und das Schmuckstück und das Erbe von Ciceros Blutlinie regelrecht anstarrten. Wie durch Nebel vernahm ich seine Worte. Als ich schließlich den Blick von diesem Schmuckstück abwenden konnte, sah ich ihn nur unendlich stolz und voller Ehrfurcht an. Kein Wort brachte ich über meine Lippen. So umarmte ich meinen Onkel schlicht, denn ich glaubte, dass diese Geste mehr sagte als Worte es in diesem Moment vermocht hätten. Als ich Cicero wieder losließ, sah ich ihn mit Stolz im Blick an.
    "Mein lieber Onkel. Stolz erfüllt mich in diesem Moment und raubt mir all die guten Worte, die mir für genau solche Situationen begebracht worden sind. Ich muss gestehen, ich bin sprachlos."
    Ich sah zu Deandra, zu Mutter und wieder zurück zu meinem Onkel.
    "Ich werde alles tun, um mich als würdig zu erweisen, dieses symbolische Erbe anzutreten, und ich danke dir aus tiefstem Herzen."

  • Meinen Neffen in die Arme schließend, klopfte ich ihm mit beiden Händen auf den Rücken und merkte, das sich in meinem linken Auge Flüssigkeit ansammelte. Ich musste zweimal Schlucken, denn auch mein Hals schnürte sich zu, aber niemals würde ich zulassen, eine Emotion zu zeigen. Das linke Auge brannte ein wenig, denn die Flüssigkeit gewann an Volumen, so dass ich mich von ihm löste. Erneut schluckte ich und räusperte mich dann sogleich, während ich eine möglichst sachliche und unnahbare Mimik annahm.


    "So, nachdem wir dieses nun geklärt hätten, werde ich Euch verlassen. Mich ruft noch Arbeit."


    Ich neigte meinen Kopf vor meiner Schwägerin und nickte meiner Nichte flüchtig zu. Corvinus klopfte ich nochmals beiläufig auf die Schulter. Und mein Gespür für zeitliche Abläufe war perfekt. Gerade als ich mich abwandte, um den Raum zu verlassen, da rann eine Träne die Wange herab und mein Hals schnürte sich abermals zu, so dass ich kaum reden konnte. Aristos, der sich im Hintergrund aufhielt, schien leicht zu schmunzeln umd dann dezent, wenn auch grinsend, zur Seite zu sehen. Er kannte mich gut, und mein bitterböser Blick war für ihn leicht zu deuten, kannte er doch meine Gefühle gut. Ich versuchte noch einmal zu demonstrieren, das ich hier alles fest im Griff hatte, nachdem ich dezent die Träne abwasch. Betont unwirsch versuchte ich zu wirken, als ich raunzte:


    "Ich....ich wünsche nicht gestört zu werden, ich habe mich um die Halbjahresliste zu kümmern."


    Mehr brachte ich nicht heraus. Meine Augen jedoch waren umso spendabler, denn beidseitig öffneten sich nun die Kanäle. Mit schnellen Schritten und scheinbarem Tatendrang begab ich mich ins Obergeschoss, froh darüber, das mich kein Sklave auf dem Weg behelligte.

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