Obschon es Sommer war, schienen die Tage in Mogontiacum länger geworden zu sein. Und auch ruhiger. Der Wind des Fernwehs schien die Stadt durchfegt zu haben, Schon bald nachdem Cara in ihrer Geburtsstadt angekommen war, hatte sie sich daran gemacht ihre Freunde aus Kindertagen zu besuchen, jedoch nur um festzustellen, dass die meisten von ihnen, vor allem die engeren Freunde, die Stadt verlassen hatte, um in der Weltgeschichte ihren Karrieren, Schicksalen und Träumen nachzujagen. Die Stadt war wie leer gefegt. Das an sich wäre ja nicht einmal schlimm gewesen, hatte die junge Frau immerhin ihre Verwandte an ihrer Seite. Die Götter schienen es mit Cara jedoch nicht gut zu meinen, denn Corona war unlängst ob eines Unfalls ihrer Mutter nach Roma zurück gerufen worden. Zwischen den einstigen Freundinnen schien noch immer ein geheimes Band zu bestehen, sodass wenn die eine sich krank meldete, die andere sofort nachzog und umgekehrt, Erstaunlich wie schlecht es offenbar um die Gesundheit der älteren Generation bestellt war. Noch allzu gut konnte sich Cara an das vor Schrecken erbleichende Gesicht ihrer Mutter erinnern, als sie ihr von Lucias Unfall berichtete. Abermals musste sie sich fragen, was zwischen den beiden Frauen vorgefallen war, dass sie eine solch unüberzeugende Abneigung gegeneinander empfanden. Zumindest Creticas erschien ihr zumeist eher wie ein Instrument, mit welchem sie andere Empfindungen überspielen wollte. Vielleicht war es Enttäuschung, Verletzung. Wer konnte es schon wissen – Cretica behielt schließlich eisernes Schweigen. Jedenfalls vermisste Cara Corona und sehnte sich schon nach dem ersten Brief der Verwandten. Zwar verbrachte sie einen Großteil ihrer Zeit außerhalb des Praetoriums, wo sie in Begleitung Phocylides oder eines anderen Sklaven durch die Stadt streifte oder ausgedehnte Ausflüge auf Pax´ Rücken unternahm. Dennoch fühlte sie sich vor allem Abends allein, wenn der Legat es nicht zur cena schaffte. Ein Mensch, der ihr zugeneigt war, fehlte.
Es war einer jener Tage, an welchem es so schien, als habe die Iulia das große Anwesen für sich. Das stimmte freilich nie, denn er bedurfte einer großzügigen Anzahl an Sklaven, um Gebäude und Garten instand zu halten, sodass sich zwangsläufig immer ein oder zwei Leibeigene in ihrer Nähe aufhielten. Cara war damit beschäftigt im Atrium einige verwelkte Blumen aus der Vase zu Füßen der Statue der verstorbenen Frau des Decima zu zupfen. Aus einem ihr unerfindlichen Grund verspürte die junge Iulia den Drang der Didia Ehre zu erweisen, etwas Licht in die imaginären dunklen Schatten zu bringen. Die Blumen wechselte sie fast alle drei Tage. Natürlich nicht nur hier, sondern überall im Haus. Das würde es schon sehr bald erforderlich machen, dass sie irgendwo in einer hinteren Ecke des hortus ein eigenes Beet würde anlegen müssen. Dem Maior Domus würde es gewiss keine Freude bereiten, wenn das Peristy kahl war. Sie fischte gerade eine schlaffe Trompetenblüte aus dem Wasser, als die Eingangstür aufgestoßen wurde. Neugierig, aber auch misstrauisch hob die junge Frau den Kopf. Für den Legaten war es eindeutig zu früh. Vielleicht mochte es Aquilia sein, die ihrer Tochter zu Leibe rücken wollte. Der Ianitor, ein robuster, hoch geschossener Kerl kam herein, gefolgt von einer Frau. Von ihrem Stand aus hatte Cara einen guten Blick auf die Tür, ohne jedoch selbstleicht entdeckt werden zu können, weil er schwer vom Kopf des Raumes aus einsehbar war. Überrascht hob sie die Brauen, als sie feststellte, dass die Frau keinesfalls Cretica sein konnte, dafür war sie viel zu jung, das braune Haar zu voll und zu dunkel. Das war insofern ungewöhnlich, dass Besuch hier eher selten war. Von wem sollte er auch kommen? Alle Freunde und Bekannten waren sonst wo in der Welt verstreut. Noch ein Moment wurde Teil der Vergangenheit, in welchem Cara die Frau eingehend musterte, dann, als habe sie Iuppiter höchst persönlich mit einem seiner Blitze angestupst, erkannte sie, wen der Mann herein geführt hatte.
„AEMILIA!!!“, rief Cara erfreut und stürmte ungläubig auf die langjährige Freundin zu, die ein ganz und gar verwirrtes Gesicht machte, als da ein wild gewordener Rotschopf auf sie zugehüpft kam und sie leidenschaftlich in die Arme schloss.
„Was....Cara!“, stammelte die braunhaarige Sentia und brach dann in freudiges Lachen aus, Caras Umarmung erwidern. Wenn das mal keine Invasion war!
„Ich dachte, du hättest Mogontiacum verlassen?! Zumindest sagte das euer Sklave – Mensch ist es schön dich zu sehen!“, sprudelte Cara und nahm ihre Hände, nachdem sie sie aus ihrer Umarmung entlassen hatte.
„Nun, das stimmte auch noch bis heute Morgen“, bestätigte Aemilia lächelnd. „Ich war vor einiger Zeit in Confluentes, um einen Teil meiner Familie zu besuchen. Als ich zurückkehrte, sagte man mir, du seiest bei der Casa gewesen und hättest dich nach mir erkundigt. Da dachte ich, ich komme vorbei und sehe nach dir. Deine Mutter verwies mich hierher – was suchst du denn nur im Soldatenlager?“
„Aaaaaach....das ist eine etwas eigenartige Geschichte...“, winkte Cara ab. „Komm, lass uns in den hortus gehen, dann erzähle ich dir alles – und natürlich musst auch du mir berichten, was hier so alles passiert ist! An den Ianitor gewandt sagte die Iulia : „Schick einen Sklaven zu uns. Er soll Wasser, Säfte und bisschen Gebäck bringen....“