Es war ein schöner und sonniger Tag, ideal für eine Rede auf dem Forum Romanum. Medeia kam in Begleitung ihres Sklaven Ceadh die Via Sacra entlang geschritten. Gemächlichen Schrittes bahnte sie sich den Weg durch die Menschen und ging auf die Rednertribünen am Comitium auf dem Forum zu. Wahlkampfredner in ihren gekalkten Togen präsentierten sich dort schon den Wählern. Heftige oder eher maue Diskussionen wurden geführt und teilweise von den lauthals schimpfenden Rednern, die wieder Mal den Niedergang der Moral anprangerten oder einfach ihre philosophischen Lehren von sich gaben, übertönt.
Medeia trat auf einer der Rednerpulte zu, richtete ihre strahlende und weiße Stola zurecht. Eine Toga erschien ihr wirklich nicht angebracht. Mit streng zurück gesteckten Haaren trat sie auf die Bühne hoch und wandte sich anmutig um. Ihr Blick ging über die Menschen und sie blieb eine Weile ruhig stehen. Wie eine marmorne Statue stand sie dort und sah über die Hügel Roms hinweg und am Palast des Kaisers vorbei. Ihr Blick ruhte jedoch auf dem Tempel der Vesta und des Saturn, die Beide auf dem Forum standen. Schließlich setzte Medeia an zu sprechen, fast wie beiläufig, doch mit einer festen und sicheren Stimme.
„Bürger Roms, heute steht eine Tochter dieser schönen und ruhmvollen Stadt vor Euch. Eine Frau, die ihr Leben, ihr Wirken und ihr Handeln dem Sinne widmen will, das Andenken an unsere Ahnen und an die unsterblichen Götter zu verteidigen. Sie möchte für Euch das Leben erleichtern und helfen die Stadt weiter erstrahlen zu lassen. Sie wünscht somit dem Volke, dem Senat und dem Kaiser zu dienen. Große Worte, werdet ihr sagen, und ihr habt Recht. Wer bin ich schon, als nur eine einfache Frau, die einen kleinen Beitrag zu diesen Zielen beisteuern will? Das will ich Euch heute sagen!“
Medeia pausierte kunstvoll, hob ihren Kopf ein wenig und lächelte über die Menschen hinweg, offen und ohne überheblich zu wirken.
„Ich bin Artoria Medeia aus der Gens Artoria. Der Ein oder Andere mag meinen Namen schon gehört haben. So diente ich viele Jahre dem Kaiser am Hofe als seine Praeposita Sacri Cubiculi, doch auch im öffentlichen Leben zeigte ich mein Interesse an Politik und Spiele durch die Factio Purpurea. Auch tauche ich meine Feder für die Acta Diurna in die Tinte der Wahrheit und suche mit der Schola Atheniensis das Wissen um unsere Vergangenheit, unsere Traditionen und unsere Kultur unter Euch zu tragen.“
Wieder schwieg Medeia, wandte ihren Blick und sah zu einer Gruppe von Männern, von denen sie am Meisten Gegenrede erwartete.
„Ihr werdet sagen, warum vermag eine Frau dies zu tun? Warum bleibt sie nicht im Haus und kümmert sich um den Platz, den die Frauen vor vielen Jahren eingenommen haben? Das sind Fragen, mit denen ich mich auch lange beschäftigt habe. Es war für mich ein schwerer Schritt, lernte ich doch in Achaia kennen, dass eine Frau dort im öffentlichen Leben unerwünscht ist. Doch Achaia ist versunken in der Bedeutungslosigkeit. Dort schlägt nicht mehr das Leben der Politik und des großen Worte. Es ist hier in Rom und es hat sich gezeigt, dass Roms Stärke und Macht mit jedem Bürger gewachsen ist, wahrlich mit jedem Bürger. Auch den Frauen, die sich in das öffentliche Leben eingebracht haben. In dieser neuen Tradition möchte ich ebenfalls mitwirken. So seht in mir nicht eine Witwe oder Frau, sondern seht in mir einen römischen Bürger, der Rom dienen möchte mit all den Fähigkeiten, die ich mitbringen kann, wie mein Wissen, meine Erfahrungen am Hofe des Kaisers, als Praeceptor und Subauctor.“
Medeia verstummte, atmete ein und nickte freundlich lächelnd einem bekannten Gesicht zu. Zwischendrin grüßte Medeia einige andere Bekannten. Doch dann hob sie ihre Stimme wieder an, denn ihre Rede war noch nicht zu Ende.
„Aber ihr fragt Euch sicherlich, was will ich vertreten? Bin ich für eine neue Zeit, für eine Zeit der Gleichheit und des Gleichmachens? Was ist mir wichtig in meiner Politik?“
Medeia ließ die Fragen wirken und sprach dann weiter.
„Jeder Mann und jede Frau sind verschieden und werden verschiedene Qualitäten in das öffentliche Leben bringen oder dem Imperium beisteuern können. Und das ist auch gut so! Ob zu Hause und durch das Unterstützen der Familie oder auf den Rednerbühnen, dem Senat und im Cursus Honorum, jede Tätigkeit verdient respektiert zu werden. Somit möchte ich jenen helfen, die eine traditionelle Lebensweise, wie es manche verstehen, leben möchten. Aber auch jene, die den öffentlichen Weg wählen wollen, sofern sie dafür geeignet sind.
Traditionen! Was ist das? Überlieferte Gewohnheiten, die lange praktiziert wurden. Früher war es Tradition, dass wir Plebejer den Patriziern dienten und sie über uns bestimmten. Doch das änderte sich und wir wurden ein Teil der Macht und der Politik. Und das war gut so! Traditionen ändern sich, wie sich auch das Imperium ändert. Und das ist auch gut so! Aber Werte dürfen sich niemals ändern. Werte, die unser Leben und unsere Würde aufrechterhalten. Werte wie die Ehre, die Pflicht, die Treue und Loyalität. Solchen Werten möchte ich mich verpflichten und in meine Politik fließen lassen.
Ich möchte den hart arbeitenden Menschen hier in Rom die Vorteile des Imperiums, den Reichtum und die vielen Möglichkeiten zu Gute kommen lassen, dabei jene aber nicht vergessen, die täglich in der Fremde ihr Leben riskieren und unser Leben sichern, unsere Soldaten. Somit bitte ich Euch, Bürger Roms, schenkt mir Euer Vertrauen und wählt mich in das Amte des Quaestors.“
Medeia wartete kurz und beendete ihre Rede mit den Worten.
„Ich danke Euch für Eure Aufmerksamkeit. Und wenn Ihr Fragen habt, stellt sie doch bitte.“
Medeia lächelte und ließ ihren Blick über die Menschen schweifen. Sie sah viele dabei direkt an und wartete ruhig auf Fragen oder Anmerkungen, die wohl kaum auf sich warten lassen würden.