Aquilius und Corvinus

  • Ich schmunzelte.
    "Vielleicht sollten wir uns mal in den Thermen treffen. Ich bin mir sicher, dass das eine willkommene Abwechslung darstellte, ehe ich wieder zurück nach Mantua muss. Immerhin plant der Park sich nicht von allein."


    Ich seufzte leicht und drehte eine Traube zwischen Daumen und Zeigefinger, Aquilius dabei beobachtend. Die Thermen... Ob ich mich wohl würde beherrschen können, wenn ich den Flavier in seiner ganzen natürlichen Männlichkeit sah? Oder würde ich mich größtenteils im frigidarium aufhalten müssen, zur Abkühlung sozusagen? Ich war noch gänzlich mit diesen nervenaufreibenden Gedanken zugange, als Aquilius von Tarraco redete. Da machte ich ein erstauntes Gesicht.
    "Du kommst also aus Tarraco? Das ist interessant. Erzähl, wie ist es da? Ich war noch nie in Spanien."


    Bezüglich des erneuten Schepperns runzelte ich dir Stirn. Seltsam, was taten die da? Sonst veranstalteten sie doch keinen Lärm? Wenigstens half der Geräuschpegel, mein erhitzes Gemüt etwas abzukühlen. Auf die Frage des Flaviers musste ich grinsend mit den Schultern zucken.
    "Also, ich weiß auch nicht, was...ah!"


    In diesem Moment kam Marina mit einem Tablett ins tablinum. Herrlicher Duft ging von der Platte darauf aus, auf der gebratenes Fleisch und Fisch lag. Sie stellte die Platte auf den Tisch zwischen den Liegen und verließ augenblicklich wieder den Raum, um Gemüse und auch einige Krustentiere zu holen. Natürlich viel zu viel für Aquilius und mich allein, aber es war Zeichen guter Gastfreundschaft, mehr aufzutischen als gegessen wurde. Sie brachte noch eine Karaffe Wasser und sah mich dann fragend an.
    "Du kannst gehen. Wir schaffen das allein. Ach und... Marina? Schließe doch bitte die Tür. Es zieht etwas. Und sorge dafür, dass niemand hereinkommt, wir haben wichtiges zu bereden."


    Natürlich stimmte nichts von dem, außer dem Umstand, dass ich nicht wollte, dass man Aquilius und mich störte. Als die schlanke Sklavin mit dem süßen Hintern gegangen war, wandte ich mich Aquilius zu.
    "Greif zu, mein Freund."
    Ich selbst nahm mir einen Hühnerflügel und begann, ihn genüsslich abzunagen.

  • "Der Park, richtig ... ich muss mich erst an den Gedanken gewöhnen, einen angenehmen Gesprächspartner kennengelernt zu haben und ihn wahrscheinlich bald wieder missen zu müssen, wegen der elenden Pflicht," erwiederte ich und überlegte mir kurz, wie ich mir einen Park mit ihm in der Mitte vorstellen würde. Einige lauschige, sehr hohe Hecken, viel weiches Gras und einige Weiden mit lang herunterhängenden Ästen, auf dass man viele versteckte Momente genießen konnte, ja, das hätte mir wahrscheinlich gefallen können, dazu einige Mosaike mit eindeutigen Szenen. Aber ich war mir fast sicher, dass eine Stadt wie Mantua lieber etwas repräsentativeres haben wollte als ausgerechnet meine Ideen.


    "Tarraco ist sehr warm, sehr sonnig, zumindest vom Klima her unterscheidet es sich kaum von Rom, aber alles ist sehr viel gemütlicher. Man sagt den Hispaniern nicht umsonst nach, vieles mit Pausen anzugehen und die sind auch notwendig, denn die Tageshitze lässt einem oft genug das Hirn im Schädel erstarren. Dennoch, ich erinnere mich gern an meine Heimatstadt, denn der hintergründige Schmutz Roms existiert dort nicht ..." Kurz verlor ich mich in der Erinnerung und seufzte etwas. "Der Frühling ist eigentlich die schönste Jahreszeit, denn wenn die Blüten ihre Pracht offenbaren, duftet das ganze Land nach neuem Leben. Es hat schon seine Gründe, warum vor allem im Winter die meisten Kinder zur Welt kommen." Diesen Gedanken schloss ich mit einem Zwinkern in seine Richtung ab und überließ ihn seinen Phantasien, dankbar für die Ablenkung durch die Sklavin mit dem Essen.


    Diesmal entgingen mir ihre prallen Hinterbacken keineswegs und ich hätte mir fast gewünscht, sie im Anschluss an dieses Essen ein wenig genießen zu können, um meine Lust aufbequeme Weise loszuwerden. Ich ließ ihr meinen Blick folgen bis ich mir sicher war, dass sie bemerkt hatte, wie ich sie anblickte, und wurde von einem fast verführerischen Lächeln belohnt, doch dann entschwand sie und ließ mich und den Aurelier alleine mit einer ausgesprochen reichlichen Mahlzeit.
    "Hierzu kann man kaum nein sagen," erwiederte ich auf seine Worte und nahm mir eins dieser gebratenen Krustentiere vom Teller, um zart und genüsslich das Fleisch aus der Schale zu saugen, um den salzig-würzigen Geschmack deutlich auf meiner Zunge zu schmecken. Mein Blick driftete zu ihm herüber, zweifellos, er musste mein Schlürfen gehört haben ...

  • Ich lächelte kurz geschmeichelt über sein ernst gemeintes Kompliment.
    "Es geht ja nicht nur dir so...Caius. Auch ich muss auf anregende Gespräche mit dir verzichten, während ich in Mantua weile und du in Rom."


    Zu seiner Beschreibung Tarracos schloss ich nach den ersten wenigen Worten die Augen und versuchte, mir die Stadt und ihre Begebenheiten in allen Einzelheiten allein aufgrund der Beschreibung seiner Worte vorzustellen. Es gelang mir erstaunlich gut, denn der Flavier wählte die treffenden Worte für die Gedankenreise, die ich gerade machte. Als er geendet hatte, schlug ich dir Augen wieder auf und sah ihn schmunzelnd an. Der Frühling und die Lust am Leben. Das war schon etwas, das man durchaus gleichsetzen konnte. Und mit der Lust am Leben gingen Leidenschaft und Hunger auf gewisse Dinge einher. Wieder drifteten meine Gedanken in eine Richtung ab, die in Achaia normal waren, in Rom hingegen missbilligt wurden, auch wenn man sie durchaus hatte und sie auch auslebte. Ich musterte das markante Gesicht des Flaviers und fragte mich, ob er wahrhaftig zur zweiten Gruppe zählte, oder ob er gar einen Rückzieher machen würde, wenn ich ihm etwas offerierte. Ich entschloss mich jedoch, nicht ganz so sehr in die Offensive zu gehen, sondern ihm das Ruder in der Hand zu lassen. Um es ihm vielleicht etwas leichter zu machen, lehnte ich mich vor und füllte unsere Weinbecher erneut auf. Dass er mit der Köchin liebäugelte, fiel mir gar nicht auf.


    Was mir allerdings auffiel, war das Schlürfen, mit dem er eines dieser Krustenviecher auslutschte. Oh, ich wünschte mir in diesem Moment nichts sehnlicher, als dass es etwas anderes war, dem er sich ebenso hingebungsvoll widmen würde wie diesem Krebs! Ich gierte nach seiner Zunge und seinem Körper, fuhr mir abschätzend mit der Zungenspitze über die Lippen und benetzte sie dann mit Wein. Mehr Wein, Corvinus, rief ich mich selbst an. Vielleicht wird der Tag dann mit einem erlebnisreichen Abend zu Ende gehen...


    "Wie ich sehe, schmeckt es", stellte ich leicht rauchig fest. Die Tür war verschlossen. Wir waren allein. Wohin würde das führen?

  • "Zur Not besuche ich Dich in Mantua ... ich wollte mir diese Stadt ohnehin einmal ansehen," meinte ich mit einem unschuldigen Tonfall und widmete mich dem zweiten Krustentier in ähnlicher Weise wie dem ersten. Wie er mein praenomen ausgesprochen hatte, ließ mir eine Gänsehaut über den Rücken krauchen. Leicht kratzig im Klang, rauchig irgendwie, als sei seine Stimme von mehr als nur Gedanken belegt worden. Ein Tonfall, der mich nur allzu leicht an meine eigene Stimme erinnerte, wenn ich gerade meine Erlöung im Schoß einer willigen Frau gefunden hatte - oder von der Hand eines willigen Mannes. Hätte ich an diesem Morgen nur ein bisschen mehr Entspannung geübt, ich fühlte mich in diesem Moment einfach nur nahe vor einer Explosion, oder zumindest dem Zwang danach, mir diesen jungen Mann mit den Händen festzuhalten und ihm zu zeigen, zu was mich sein Traubensaugen verlockte.


    Langsam leckte ich mir die Sauce der Krustentiere von den Lippen und schwankte zwischen der Überlegung, diese Farce eines Essens weiterzuführen oder einfach in die Offensive zu gehen. Seine Augen offenbarten eine so unterdrückte Gier, dass mir beim Blickkontakt ein scharfes Brennen in die Lendengegend zog und ich einfach nicht weiter essen konnte. Stumm griff ich nach dem Becher Wein und stürzte ihn in wenigen Schlucken herunter, die angenehme Mattigkeit in den Gliedern spürend, die mich immer beschlich, wenn ich die Wirkung des Weins einsetzen fühlte. Viel zu guter Falerner und ein williger junger Mann, es war fast wie in Achaia ...


    "Es schmeckt ausgesprochen gut. Ich hätte bei unserer Begegnung auf dem Markt nicht vermutet, welche Genüsse noch heute auf mich warten würden," entgegnete ich und stellte fest, dass meine Stimme ebenso rauh klang wie die seine. Ach, wer nicht wagt, der nicht gewinnt, dachte ich und deutete auf sein Kinn. "Du hast da etwas kleben, Marcus ..." Natürlich klebte da nichts, aber vielleicht würde dieses kleine Manöver den gewünschten Erfolg bringen und ich mich hilfsbereit anbieten können, den nicht auffindbaren Spritzer Sauce wegzuwischen ... oder zu lecken.

  • Den nächsten Becher Wein leerte ich mit großen Schlucken. Wo mochte das hinführen? Auch er nannte mich nun beim praenomen. War es Einbildung, dass sein Atem leicht zitterte, wenn er mich gerade nicht ansprach? Dass seine Stimme leicht schwankte, wenn er mit mir redete? Ich widmete mich für einen Moment meinem Hühnerflügel, konnte allerdings dem aufkeimenden Gefühl in meinen Lenden nicht vollends ausweichen. Es war die ganze Zeit schon da gewesen, und wie es immer ist, wenn man es versucht zu unterdrücken, so kehrt dieser leichte Druck mit einer ziemlichen Hartnäckigkeit immer stärker wieder, bis man ihm nachgibt.


    Aus den Augenwinkeln heraus konnte ich Aquilius' Zungenspitze aufblitzen sehen, während er sich den Saft von den Lippen leckte. Ich musste aufgrund dessen hart schlucken, doch glücklicherweise waren wir beim Essen und so fiel es vermutlich nicht so sehr auf. Wenn ich die Augen schloss, sah ich jedes Mal den bebenden, nackten Körper dieses Mannes auf der Liege mir gegenüber. Ich musste aufpassen, sonst verriet ich mich am Ende noch. Rasch schenkte ich uns beiden Wein nach. Die Karaffe noch in der Hand, sah ich mit gerunzelter Stirn zu Aquilius, der mich auf etwas am Kinn aufmerksam machte. Ich stellte sie weg und griff die Situation beim Schopfe. Herübergelehnt hatte ich mich wegen des Weines sowieso schon, warum also sollte ich nicht so tun, als finde ich den Spritzer nicht, der mir im Gesicht hing? So fuhr ich in Lippengegend mit dem Handrücken über meinen Mund, leckte mir langsam über die Lippen und fragte dann:


    "Hab ich es erwischt?" Die Anspielung auf die Genüsse des Abends gab mir noch zusätzlich Mut und ich schenkte Aquilius ein unschuldiges Lächeln. Meine Lenden bebten und die Gier wurde von Augenblick zu Augenblick größer. Oh ihr Götter, was habt ihr nur den Körper des vollkommenen Mannes erschaffen! Ich schluckte und sah Aquilius, immer noch herübergelehnt, an. Wären wir nun in den Thermen gewesen, hätte man mehr als deutlich sehen können, wie sehr mir dieses Spiel gefiel. Und der Wein tat sein übriges, um eventuelle Hemmschwellen fallen zu lassen.

  • "Es ist nicht ganz weg," sagte ich, meinen ursprünglichen Plan weiter verfolgend. Wahrscheinlich würde demnächst der Vater dieses so geschmeidig sich auf seiner Kline räkelnden jungen Manns in der Tür stehen und mich achtkantig aus dem Haus jagen, aber das war mir das Risiko in diesem Augenblick absolut wert. Langsam neigte ich mich zu ihm herüber, einen kurzen Blick auf seinen Körper werfend, wie er sich vor meinen Augen erstreckte, und wieder ließ mir die Mischung aus jugendlicher Unschuld und männlichen Verlangens in seiner Haltung den Atem schwer werden. Und diesmal war es eindeutig, unter seiner Tunika hatte sich etwas erhoben, wie auch unter meiner - ich hatte das Bein etwas beiseite legen müssen und offenbarte mich damit deutlicher als mit jedem Wort, aber ich wollte ihn. Wollte ihn so schmerzhaft, dass ich glaubte, ich müsste unter diesem Verlangen vergehen, das nicht einmal Nefertiri stillen konnte. Sie war eben kein Mann, dort, wo ihr Körper weich und rund war, sehnte ich mich auch oft genug nach männlicher, straffer Muskulatur.


    Ich befeuchtete meinen Zeigefinger mit der Zunge, nachdem ich meinen Becher beiseite gestellt hatte, und fuhr ihm damit leicht über die weiche Haut, entweder wuchs ihm das Barthaar noch nicht besonders kräftig oder er verfügte über einen guten Barbier, doch ließ ich es nicht dabei bewenden. Das imaginäre Spritzerchen Sauce war längst entfernt, doch mein Finger blieb auf seiner Haut liegen, tastete sich langsam die Linie seines Kinns entlang bis hin zur Unterlippe, die er behutsam berührte. Oh, ich wollte diesen Mund am liebsten teilen, ihn für mich vereinnahmen, doch waren es nur meine Augen, die ihren Blick in den seinen bohrten und ihm verrieten, dass mein Hunger ganz anderer Natur war als ausschließlich nach köstlich bereiteten Krustentieren oder ähnlichen Spezereien. "Gut gekochte Speisen haben einen entscheidenden Nachteil," raunte ich ihm zu, während unsere Gesichter sich nahe waren wie nie zuvor. "Sie machen trotz eines gefüllten Magens stets ... Lust ... auf mehr."

  • Ich versuchte, meine Augen überall hin zu lenken, nur nicht auf die Stelle seiner Tunika, an der nicht nur der Stoff Falten schlug. Es gelang mir nicht, ich sah hin, sah genau hin und genau das schürte meine Lust noch mehr. Und als Aquilius seinen Finger befeuchtete, um mir den Spritzer aus dem Gesicht zu wischen, fühlte ich einen wohligen Schauer durch meinen Körper laufen. Ich lenkte meine Aufmerksamkeit von tieferen Gefilden auf sein Gesicht und den feucht glitzernden Finger, der mir langsam näher kam. Als er meine Wange berührte, bekam ich eine leichte Gänsehaut. Ich musste mich beherrschen, um nicht seinen Kopf zu packen und meine Lippen leidenschaftlich auf seine zu drücken, wie ich es gern getan hätte in diesem Moment. So schloss ich lediglich leicht die Augen und wartete angespannt ab, was Aquilius weiters tun würde. Statt die Hand wieder fortzunehmen, fuhr er an meiner Wange entlang und legte den Zeigefinger auf meine Lippe. Ich konnte es nicht zurückhalten, ein leises, zurückhaltendes Stöhnen drang über meine nur halb geöffneten Lippen. Ich hob den Blick und sah in Aquilius' braune Augen. In meinem Blick mochten wohl Welten liegen. Welten der Leidenschaft, der Bbegierde, der Erregung und Welten der Sympathie. Doch, Aquilius war mir sympathisch. Mehr noch, ich mochte die Art wie er sprach, wie er sich verhielt, wie er ging...


    Auch sein Blick verriet, dass er mehr wollte als die Krabben und Muscheln, die bereits die Ehre gehabt hatten, von seinem Mund zu kosten. Diese Ehre wollte ich nun auch haben, ganz für mich allein in diesem Moment der Sinnlichkeit. Ich erzitterte noch immer unter seinen Berührungen, erbebte vor Erregung.


    "Ebenso, wie es ein gut geführtes Gespräch zu tun vermag, Caius", raunte ich ihm zu. Und dann ließ ich meine Zunge seinen Finger erkunden, ihm dabei in die Augen schauend. Ich wollte seine Reaktion auf dieses Vorgehen beobachten, wollte wissen, was er tun würde.

  • Ich fühlte mich, als müsste ich sterben, in genau diesem Augenblick, in dem seine Zunge meine Fingerkuppe benetzte. Sterben vor Verlangen und gleichzeitig vor Hitze, die durch meine Adern flutete und mich zu versengen drohte. Es musste in meinen Augen stehen, dass ich ihn am liebsten an mich gerissen hätte, doch ich umfasste mit einer Hand eilig den Rand die Kline, auf der ich gelegen hatte und hielt mich gerade noch so zurück, auf jenem schmalen Grat zwischen Leidenschaft und Beherrschung tänzelnd, den mir seine Gegenwart auferlegte. Auch ich seufzte nun, ein genießendes, tiefes Seufzen, bevor ich meinen Finger etwas hob, ein gemächliches Spiel mit seiner Zunge beginnend, bevor ich ihm jenen endgültig entzog.


    "Du scheinst mir Achaia auf ebenso besondere Weise kennengelernt zu haben, wie ich es erfuhr, Marcus," raunte ich zu ihm zurück, folgte der Linie seiner Oberlippe mit der Fingerkuppe und neigte schließlich meinen Kopf etwas näher zu dem seinen. Sollte ich es wirklich wagen, diesen letzten Schritt zu gehen? Der Schritt, der wahrscheinlich kein Zurück mehr erlauben würde? Meinem Verlangen nachgeben?
    "Ich frage mich nur, wie sehr Du die Sitten der Achaier verinnerlicht hast, mein werter Freund. Nicht alle der dort bekannten Dinge übt man auch hier in Rom ..." Nur Andeutungen, nur ein vorsichtiges Vortasten. Während sein Körper gierig verlangte und der meine nicht minder nach einer Berührung des seinen gierte, musste der Geist sich versichern, absichern.


    Zu leicht konnte ich dieser Verlockung ansonsten anheim fallen, und vielleicht war dies auch alles nichts als eine geschickte Inszenierung, die Flavier in Misskredit zu bringen? Roms Fänge hielten uns alle, quetschten uns das Leben und die Seele aus, und irgendwann blieben nur leere Hüllen zurück. Langsam hob ich meinen Finger von seinen Lippen und leckte an jener Stelle, die seine Zunge berührt hatte, seinen Geschmack ab.

  • Blut pulsierte heiß und leidenschaftlich in meinen Adern, erhitzte meine Haut und mein Gemüt und schoss in meine Lenden, auf dass ich dachte, in wenigen Augenblicken müsse es um mich geschehen sein. Dieser verheißungsvolle Blick, diese Begierde, ja, Gier in Aquilius' Augen! All das machte mich wahnsinnig, raubte mir den Atem und ließ ihn zugleich schneller gehen. Nichts wünschte ich mir sehnlicher in diesem Moment, als uns beide in Achaia zu wissen, wo es gebilligt und für normal befunden wurde, wenn ein Mann einen anderen Mann begehrte. Doch wir waren nicht nur in Rom, nein, wir waren in der Villa Aurelia, in meinem Elternhaus und in der Nähe meiner Familie. Durch diesen Gedankengang leicht ernüchtert, hielt ich es wieder einen Moment länger aus und genoss das erotische Spiel mit dem Flavier umso mehr.


    Sein Seufzen hatte den Effekt, meine Hemmschwelle noch tiefer sinken zu lassen, als sie ohnehin schon gesunken war. Der Wein tat sein übriges, sodass ich mich auf das Zungenspiel mit seinem Zeigefinger einließ und genüsslich die Augen dabei schloss. In meinem Kopf liefen die unterschiedlichsten Bilder ab. Da war Periklis aus Achaia, wie er nackt vor mir stand und sanft den mehr als unsicheren Aurelier, mich, anlächelte. "Komm", sagte er, "ich zeige dir etwas, das du niemals vergessen wirst." Es war der Anfang einer ereignisreichen Nacht gewesen, und als wir in den frühen Morgenstunden erschöpft und schweißnass nebeneinander auf das Lager sanken, wusste ich, dass er recht behalten sollte. Nie wieder würde ich den jungen, blondgelockten Griechen vergessen. Ich lächelte in Erinnerung, wandte meine Aufmerksamkeit wieder Aquilius zu, der ebendieses aussprach, was soeben meine Gedanken gewesen waren. Sein Stimme war zugleich fordernd wie prüfend. Scheinbar war er sich nicht gänzlich sicher, was mich die Griechen wirklich alles gelehrt hatten.


    Mein Blick suchte den seinen, ich lächelte leicht und offenbarte ihm leise und mit leicht zitternder Stimme:
    "Periklis war nicht nur bei den Studien der Rhetorik mein Kamerad, Caius."
    Seine Finger an meiner Lippe, sein Blick, der so fordernd war, sein Körper, der vor Anstrengung leicht bebte, weil er das Verlangen so sehr zügeln musste... Er machte mich schier wahnsinnig. Dass er den Finger dann ableckte, gab mir den Rest. Ich musste die Augen schließen und mich zwingen, ein- und auszuatmen, sonst wäre ich vermutlich der unerträglich angeschwollenen Lust wegen erstickt. Als ich die Augen wieder öffnete, hob ich zugleich meine Hand, um nun meinerseits seine Lippen nachzufahren. Mein Zeigefinger ertastete etwas Feuchtes. Darauf hatte ich gewartet. Ich löste nun meinen Finger und tat es Aquilius gleich, fuhr zum Mund und nahm seinen Geschmack mit bebendem Atem in mich auf. Und ich wollte mehr, wollte ihn nicht nur schmecken, sondern seine feuchte Zunge spüren, mit ihr spielen. Kurz hielt ich inne, dann kam ich seinem Gesicht nahe, nahe, noch näher. Nun spürte ich seinen Atem auf meinem Gesicht, mein Blick bohrte sich in den seinen, doch ich wartete. Wartete darauf, was er nun tun würde, ob er bereit war, dieses Spiel auch zu Ende zu spielen. Ich war es, mit jeder Faser meines Seins...

  • Die Umgebung begann für mich langsam aber sicher zu verblassen, dafür nahm sein feucht schimmernder Mund viel zu viel Raum in meinem Bewusstsein ein. Sein Finger berührte meine Lippen und ich fühlte mich unter dieser Liebkosung zucken, sowohl in den Lenden als auch am ganzen Leib, wie aufgeladen durch diesen kurzen Kontakt mit seinem Finger. Periklis hieß dieser Bursche also, der ihn in die süßen Freuden der Liebe zwischen Mann und Mann eingeführt hatte, wie glühend beneidete ich diesen unbekannten Achaier in diesem Moment um dieses Geschenk, einen unerfahrenen Mann in diesen Genuss eingeführt zu haben, wie es einst mein Freund Agamenos bei mir getan hatte. Auch das stand mir noch so deutlich vor Augen, als sei es erst gestern gewesen, noch heute fühlte ich seinen süßen Atem über meine Haut streichen wie seine Finger, Agamenos war wirklich ein Könner gewesen, der mich unsicheren Knaben in die höchsten Höhen hatte führen können. Und nun blieb mein Blick auf seinen feucht schimmernden Lippen hängen, hoffend, fürchtend, verlangend zugleich.


    Und dann war es mir gleich, ob vielleicht sein Vater gleich in der Tür stehen würde, ob seine Mutter mich mit einem Besen aus der Villa treiben würde, oder ob mein Name auf ewig entehrt wäre. Das schon in Gracchus' Nähe aufgestaute Verlangen wollte sich entladen und sein bebender Leib war eine einzige Einladung. Hungrig begrub ich seine Lippen unter den meinen, seine Nähe energisch mit diesem Kuss einfordernd, in dem sich mein Mund auf den seinen brannte, als wollte ich ihn nicht mehr loslassen. Ich konnte und wollte nicht mehr warten, dafür hatten wir uns gegenseitig zu sehr gereizt, und so ließ ich meine Zunge die meinen Lippen teilen, tastete mich suchend zu den seinen vor, kurz über seine Unterlippe gleitend, bevor ich mir einen Einlass zu finden versuchte, der meine Zunge in seinen Mund führen würde. Ihn vereinnahmen, ihn zu einem Ort zu machen, an dem mein Willen für diesen Moment dominieren würde - meine Hand streckte sich nach seinem Kopf aus und vergrub sich in seinem kurzen Haar, seinen Kopf in meiner Nähe haltend, damit er mir nicht entkommen würde ... wie ich diesen Aurelier mit einem Mal für mich haben wollte, es war verwirrend und aufpeitschend zugleich.

  • Daran, dass jemand hereinkommen könnte, dachte ich gar nicht erst. Es musste ja nicht einmal Vater sein, der neben Deandra der einzige war, den ich in Rom wusste. Doch ich dachte nicht daran und genoss stattdessen den Rausch, in den mich der Falerner und Aquilius' Berührungen gleichermaßen getrieben hatten. Ich wusste nicht wie mir war, als die Gier schließlich doch über Aquilius siegte und er seiner Erregung nachgab und seine Lippen auf die meinen presste. Ich schloss die Augen, konzentrierte mich gänzlich auf dieses Gefühl, dieses elektrisierende Pulsieren, das meinen Körper vom Ausgangspunkt der Lippen aus durchströmte und heiße Wogen des Verlangens in meine Lenden sendete. Seine Zunge war meiner plötzlich nah, vorsichtig umtastete ich sie, spielte mit ihr und küsste ihn dann leidenschaftlicher.


    Ich war gefangen in der Begierde, gefesselt mit Leidenschaft und an die Erregung gekettet. Mein Körper sehnte sich so sehr nach der Erlösung, nach einem kurzen, heftigen Spiel der Lust, das mit einer Explosion der Gefühle enden würde, dass ich Aquilius nun ebenfalls eine Hand ins Haar legte und ihn an mich presste. Doch die Haltung war zu unbequem, immerhin hingen wir noch auf einer seltsamen Art und Weise zwischen den Liegen, jeweils gestützt von der anderen Hand. Was würde geschehen, wenn ich mich in just diesem Moment von ihm löste? Würde die heiße Erregung von ihm abfallen, würde er mich zu sich ziehen oder sich von mir ziehen lassen? Ich presste ihn noch immer auf meine Lippen, liebkoste seine Zunge und strich verheißungsvoll an seinen Lippen entlang. Nicht umhin konnte ich, dass mir ein kleiner Seufzer über die Lippen kam. Still küssten wir uns und langsam richtete ich mich auf, sodass ich ihm nunmehr gegenüber saß und nicht mehr lag. Das hatte den Vorteil, dass die andere Hand frei war. Sie bewegte sich sogleich auf Wanderschaft, seinen Hals entlang und unter die Tunika auf seine Schulter, wo ich sie verharren ließ und auf eine Gegenreaktion wartete. Gierig sah ich Aquilius in die Augen.

  • Ich fühlte seine Hand in meinem Haar überdeutlich und gleichzeitig durchpflügte meine Zunge seinen Mundraum, umtanzte die seine, spielte mit ihr dieses alte Spiel des Neckens und Lockens, das nicht mehr viel unserer Empfindungen offen ließ. Er schmeckte so gut nach Jugend, nach Sommer, nach alten Erinnerungen und neu geborenen, dass ich unwillkürlich tief aufstöhnen musste, meine Finger vergruben sich in seinem Haar, als wollte ich ihn jetzt nicht mehr loslassen - und gleichzeitig manifestierte sich ein Gedanke, den ich oft genug zu unterdrücken gelernt hatte, der in Achaia auch vollkommen unnötig gewesen war, hier in Rom aber vielleicht der wichtigste von allen war. Ich zog ihn am Haar von mir weg, und ich rang unwillkürlich nach Atem, als die heiße Gegenwart seiner Zunge der meinen so heftig entzogen wurde, aber noch ein wenig länger und ich hätte es nicht mehr geschafft, ihn überhaupt von mir fern zu halten.


    "Marcus!" keuchte ich unterdrückt, im Klang der Stimme noch immer die Gier nach allem, was er mir geben würde können, nach allem, was ich mir von ihm nehmen wollte, um selbst zu geben, "Marcus..." etwas eindringlicher wiederholte ich das Wort, seinen praenomen, diesen verlockenden Klang, der mit einem Mal für mich deutlich mehr an Tiefe gewonnen hatte als zuvor. Ich würde diesen Namen wahrscheinlich nie wieder lesen können, ohne mich an seine bebenden Lippen, den feuchten Glanz auf seinem Zeigefinger zu erinnern, wahrscheinlich würde mir jedes Mal bei der Erinnerung ein heißer Stich in die Lenden fahren wie gerade jetzt, in dem jede Faser meines Leibes ihn begehrte.


    "Marcus ..." ein drittes Mal klammerte ich mich an diesen Namen, an den Blick zu ihm, meinen schnell gewordenen Atem, dann entließen meine Finger sein Haar und ich murmelte nur, die Stimme rauh und kratzig, fast als sei mir das Sprechen viel zu mühsam geworden: "Du ... wir ... wir sollten ...vielleicht ... nicht gleich wie ...wilde Tiere übereinander herfallen." Ich wölbte meine Lippen kurz nach innen, den Geschmack kostend, der sich nun vereint hatte, aber mein Entschluss stand fest. Noch nicht. Dafür war er mir zu kostbar, um ihn zu pflücken wie eine flüchtige Blüte im Garten und danach fortzuwerfen.

  • Einen Moment drohte alles aus mir herauszubrechen, angeheizt durch dieses tiefe, wohlklingende Aufstöhnen des Flaviers, durch seine Berührungen, durch den Umstand, nun endlich wieder das haben zu können, was mir so lange versagt geblieben war. Seit ich wieder in Rom war, hatte ich die Erlösung weder bei einer Frau noch anderweitig gefunden. Eine lupa aufzusuchen, dagegen weigerte ich mich allerdings. Vielleicht sollte ich mir eine Sklavin anschaffen, die mir manche Stunde versüßen mochte. Dieser Gedanke lenkte mich ein wenig ab, und so konnte ich den Ausbruch der Gefühle noch etwas herauszögern. Ihr Götter, dieser Flavier trieb mir kleine Schweißperlen auf die Stirn und seine Berührungen und Gesten hämmerten Gedanken in meinen Kopf, die mich noch zur Weißglut bringen würden. Doch dann löste er sich unverhofft von mir. Das Ziehen in meinem Haar tat nicht weh, veranlasste mich aber dazu, ihn mit leicht gerunzelter Stirn anzusehen.


    Er keuchte meinen Namen mit einer Leidenschaft, die mir schon wieder unter doe Haut ging wie nur was. Ich schloss die Augen und leckte mir über die Lippen, schmeckte seinen Geschmack nach purer Männlichkeit und Verlangen. Meine Hand befand sich noch immer auf Aquilius' Schulter, drückte sie kurz nach diesem ersten Einwand seinerseits. Ich öffnete die Augen und sah ihn wieder an, als er mich das zweite Mal beim Namen nannte, diesmal nüchterner, eindringlicher. Und ich ahnte, was er gleich sagen würde, schluckte und versuchte, meinen Atem wieder unter Kontrolle zu bringen.


    Und einen kurzen Augenblick später kam er dann, der Einwand. Ich löste meine Hand von seiner Schulter, rutschte etwas zurück, noch immer schnell atmend und mit einem Verlangen, das seinesgleichen suchte. Doch er hatte recht. Wir waren zivilisierte Römer, keine Wilden, die sich nahmen wie Schafböcke und dann voneinander abließen. Und irgendwie machte das Spiel um die Verlockung auch viel zu viel Spaß, als dass man es einfach so aufegeben sollte. Ich prägte mir den Anblick seines Gesichts ein, der Ausdruck der Begierde, der darauf abgezeichnet war, und beschloss im Stillen für mich, Aquilius dereinst halb wahnsinnig zu machen,ihn dorthin zu treiben wo ich mich am heutigen Tage wiederfand.


    Ich sah, wie er den Geschmack von seinen Lippen sog, wie er sich eigentlich wünschte, das Spiel fortzutreiben, weiter zu gehen als bis zu diesem Punkt. Ich spürte auch mein Verlangen, ihn in diesem Bestreben zu unterstützen, ihn so sehr zu reizen, dass er gar nicht mehr anders konnte - doch ich war ein Aurelier. Und Aurelier bettelten nicht. Just in diesem Moment wurden Schritte vor der Tür laut und jemand öffnete die Tür.


    "....dir doch gesagt, dass du nicht lügen sollst! Und..."
    Es war Calvinius, der alte Sklave, dem mein Vater die Aufsicht über die anderen Sklaven erteilt hatte. Mein Kopf ruckte herum, hochrot. Aquilius und ich saßen immer noch voreinander. Man brauchte nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, was eben hier geschehen war. Der Alte stockte im Schritt, hinter ihm sah man Marina, die schuldbewusst auf den Fingernägeln kaute und abwechselnd Aquilius und mich ansah, als hätte sie etwas ausgefressen. Ich verbarg meine Erregung geschickt mit dem Arm, doch sicher hatte der Sklave sie gesehen. Zornig runzelte ich die Stirn und wollte gerade dazu ansetzen, die beiden aus dem Raume zu werfen, als der Sklave rot angelaufen etwas murmelte, dass sich wie eine Entschuldigung anhörte, und dann hastig und einer Flucht gleich den Raum verließ.


    Ich warf Aquilius einen seltsamen Blick zu und erhob mich. Dass meine Tunika an einer bestimmten Stelle noch immer Falten schlug, war mir in diesem Moment egal, schließlich wusste er, was er angerichtet hatte mit seinen Berührungen, seinem Kuss, seiner puren Anwesenheit. Ich ging einige Schritte fort, verschränkte die Arme vor der Brust und seufzte langgezogen. Aquilius sah nun meinen Rücken. Ich hatte die Augen geschlossen und versuchte, Ordnung in das Chaos hinter meiner Stirn zu bringen. Wie gern hätte ich den Schlüssel herumgedreht und dort wieder angesetzt, wo wir unterbrochen worden waren. Doch es schien mir nicht Angemessen. Mit meinen knapp zwanzig Jahren hatte ich längst nicht so viel Erfahrung wie der Flavier. Ich würde mich von ihm leiten lassen, nahm ich mir vor. Nur langsam legten sich die Falten meiner Tunika ob dieser Gedanken.

  • Was tat ich hier? Was bei allen Göttern des Hades und Olymps tat ich hier eigentlich? Er war so willig, so bereit, es hätte nur eines Worts bedurft, einer Handlung, vielleicht nur eines beherzten Griffs meiner Hand an den Ort, an dem ich seine Lust am deutlichsten hätte fühlen können und ich war zurückgewichen wie ein feiger Parther, ohne auch noch den Rückwärtsschuss anbringen zu können. Gleichzeitig aber sah ich sein erhitztes Gesicht vor mir, schmeckte seine Zunge, dieses hungrige Verlangen seines Körpers, das sich allzu deutlich manifestiert hatte, und ich wusste, dass ich dieses Bild noch einmal sehen wollte, musste. An einem Ort, an dem keine verfluchten Sklaven stören konnten. Wahrscheinlich würde der Alte nun frohgemut seine Botschaft in die Villa tragen und unser kleines Geheimnis an genau den Stellen ausplaudern, an denen es am allerwenigsten zu suchen hatte, so waren sie nun einmal, diese Sklaven.


    Meine Begierde war bei der unverhofften Störung jäh in sich zusammen gesunken, deutlich schneller, als mir lieb sein konnte, aber mir blieb nicht die Gelegenheit, darüber allzu sehr nachzudenken, mischte sich in diese Stimmung nun doch auch ein dumpfer Schmerz meiner Glieder, die sich nicht hatten in der erhofften Weise entladen dürfen. Etwas schief saß ich nun auf der Kline, ohne mich zu regen, hoffend, dieser gewisse Druck würde langsam nachlassen, wie mich auch die Standhaftigkeit im Stich gelassen hatte, während ich stumm auf die Türe starrte, durch die der Sklave nebst Anhang wieder verschwunden war. Wäre dies im Haushalt der Flavier passiert, hätte sich der Alte nicht nur einen Hieb dafür eingefangen, allein schon, um meinen Missmut zu befriedigen. Wahrscheinlich hätte ich ihn blutig geschlagen, um diesen Moment zu vergessen, in dem er uns angestarrt hatte, als wären wir im Begriff, etwas absolut Widerwärtiges zu tun. Was sollte ich jetzt tun? Ich hatte uns gebremst, im Nachhinein hatte es sich als nicht falsch erwiesen, aber nun herrschte Schweigen zwischen uns, wo kurz zuvor noch heiseres Keuchen die Stille durchbrochen hatte.


    Langsam drehte ich mich auf der Kline in die Richtung Marcus' und betrachtete seinen Rücken, seine ganze Haltung, die nun sehr gut zu verbergen wusste, was wir kurze Zeit zuvor geteilt hatten. Er wirkte stolz, aufrecht, aber was sollte man von einem Patriziersproß auch anderes erwarten? Ich war der Ältere, ich hätte mich entweder mehr beherrschen müssen oder forscher vorgehen, aber was von beidem nun richtiger war, wusste ich nicht mehr. Zum ersten Mal seit meiner Ankunft in Rom fühlte ich mich auf beklemmende Weise nackt, bis auf das Innerste entblößt, und meine Miene verhärtete sich, um dies zu verbergen. Er durfte nicht wissen, was ich mir dachte, er durfte es nicht einmal ahnen. Auch ich hatte meinen Stolz, und dieser verlangte energisch die Wahrung meiner Würde.


    "Ich denke, wir sollten das Essen fortsetzen," hörte ich meine Stimme beherrscht durch den Raum klingen. "Sollte er seine Botschaft irgend jemandem hier mitgeteilt haben, ist das der beste Weg, keinen Anstoß zu erregen." Die einzige Möglichkeit, dieses stille Vergnügen vielleicht zu behalten, ohne von einer geifernden Öffentlichkeit als Knabenliebhaber gedemütigt zu werden, blieb, es auf eine Weise zu gestalten, in der es niemand sehen würde. In diesem Fall auch, keine Sklaven. Die rationale Entscheidung eines Römers, der wusste, wo er stand und was die Menge anrichten konnte, wenn man sie erst einmal losgelassen hatte - ich konnte ihm in diesem Augenblick einfach nicht sagen, dass mich seine stolze Haltung seltsam innig berührte.

  • Ich stand noch immer hoch aufgerichtet mit dem Rücken zu Aquilius, wenngleich andere Dinge dies nicht mehr taten. Meine Arme blieben vor dem Körper verschränkt, während mein Blick ins Leere ging und meine Kiefer aufeinandermahlten. Ich dachte nach. Wäre es verdächtig, wenn ich Aquilius nun in mein cubiculum führte? Oder ins balneum? Wenn er generell noch einmal die villa betrat und mit mir allein im gleichen Raum war? Calvinius würde nichts sagen, dazu war er zum einen zu treu und harmonieliebend und zum anderen wusste er nicht, wie er mit dieser eben vorgefundenen Situation umgehen sollte. Das war meine Vermutung. Ich sog die Luft ein und hielt sie an.


    In diesem Moment schlug Aquilius vor, mit dem Essen fortzufahren. Die anderen Worte fanden vorerst keinen Weg in meinen Geist. Beinahe hätte ich ihn verdutzt angeschaut. Wie konnte er in dieser Situation nur ans Essen denken? Wäre er ein fettleibiger, alter mann gewesen, so hätte die Antwort bereits auf der Hand gelegen. Aber bei diesem Adoniskörper? Bei dieser Männlichkeit? Hungrig war es auch, doch inzwischen nach etwas vollkommen anderem als Hühnchen und Muscheln. Ich atmete langgezogen aus. Langsam nahm der beständige Druck in den Lenden ab, die Säfte zogen sich zurück dorthin, wo sie hergekommen waren. Dann wurde mir klar, dass Aquilius nicht um des Essens Willen nach dem Beenden der cena gefaragt hatte, was seine Worte, die mir nun wieder in den Kopf kamen, auch bestätigten. Es war, weil er sowohl die Situation als auch die Etikette wahren wollte. Ein kluger Schachzug. Auf diese Weise würden wir uns anderentags oder anderenort erneut in die Begierde hereinsteigern. Auch, wenn es teilweise quälte, so war dies doch das aufreizende daran.


    Nun wagte ich, mich herumzudrehen. Ich ließ die Hände sinken und wandte mich um. Mein Blick bohrte sich kurz in den seinen. Nach weinigen Augenblicken wandte ich den Blick auf die Liege und begab mich langsam dort hin.


    "Er wird nicht reden", sagte ich und griff nach einer Muschel, um wenigstens etwas zu tun zu haben. Ich pulte die Schale auf und setzte das Teil an meine Lippen. Langsam schlürfte ich das weiche Fleisch heraus und leckte mir danach über die salzigen Lippen. Ganz bewusst vermied ich es, zu Aquilius zu sehen. Ich hätte nur wieder Reaktionen gezeigt auf seinen Blick, die ich besser nicht mehr zeigen sollte heute. So schluckte ich und legte die Muschel fort, ehe ich es schließlich doch wagte, ihn anzublicken.
    "Ein unverhofftes Ende für den Beginn eines so... intensiven Gesprächs", meinte ich zweideutig und schmunzelte leicht.

  • Ich hatte absolut keinen Hunger mehr, nicht einmal auf diese wirklich köstlich angerichteten Meeresfrüchte oder das Huhn, das noch immer unaufdringlich vor sich hin duftete und mich an jedem anderen Tag dazu verlockt hätte, mehr zu essen, als ich eigentlich wollte. Der Hunger hatte längst einem anderen Platz gemacht, den ich jetzt nicht würde stillen können und dürfen, denn auch wenn Corvinus diesem Sklaven zu vertrauen schien, ich tat es nicht. Rom war nicht umsonst die Stadt der tausend Augen und Ohren, und Sklaven redeten ohnehin mehr, als es gut für sie war. Einem stummen Sklaven hätte ich vielleicht eher meine Bedürfnisse anvertraut, aber sicher nicht einem Unbekannten in einem fremden Haushalt - dieser Gedanke verdarb mir jeglichen Gedanken an eine irgendwie geartete Entspannung mit dem jungen Aurelier. Wie hatte ich mich auch schon so weit hinreißen lassen können?


    "Manche Themen verdienen zu einer anderen Zeit eine eingehendere Erörterung," erwiederte ich und griff dann doch nach einer weiteren Meeresfrucht, genau wie er. Den Fehler, ihn noch einmal anzusehen, beging ich dieses Mal nicht, die Erfahrung hatte mich klüger gemacht. Und ich wusste nur zu genau, welche Bilder vor meinem inneren Auge auftauchen würden, wenn ich sah, wie sich seine Lippen an die Schale der Meeresfrucht gelegt hatten, um sie auszusaugen - ich konnte die Gedanken an ein zartes, sanftes Saugen seiner Lippen ja jetzt schon kaum unterdrücken. Ein dumpfes Stechen aus der Gegend meiner vage wieder anschwellenden Lust ließ mich innerlich aufstöhnen. Diese Qual würde ich nun irgendwie ertragen müssen, um mein Gesicht nicht zu verlieren, soviel war sicher, und so kaute ich angestrengt auf dem zarten Fleisch herum, dessen Geschmack mir salzig-würzig den Mund ausfüllte und das so zäh zu kauen schien wie die Sohle einer Sandale.


    "Womit vertreibst Du Dir eigentlich Deine freie Zeit, wenn Du nicht gerade für Mantua tätig bist oder auf dem Markt unterwegs bist?" Ein normales Thema würde die Stimmung zwischen uns und vielleicht auch mich wieder etwas entspannen, zumindest hoffte ich das inständig. Das süße Martyrium seiner Gegenwart sollte schließlich nicht zu einem unendlichen, innerlichen Abplagen werden.

  • Bei Aquilius' Worten schluckte ich gerade einen einzelnen Fleischfetzen des Huhns herunter und konnte einfach nicht umhin, verhalten zu schmunzeln. Geschickt lenkte er das Gespräch wieder auf ein anderes Thema und ich entschloss mich, ihn diesmal nicht zu necken und wieder zweideutig zu antworten, sondern es bei der einfachen, einseitigen Wahrheit zu belassen. Ich griff mir ein Tuch und wischte den fettigen Glanz vom Mund, ehe ich ihn anblickte und gefasst die Antwort auf seine Frage gab.


    "Ich besuche die Thermen, vertiefe mich in gute Schriftrollen, gehe gern ins Grüne... Hm..." ich überlegte, in welcher Weise ich diese Aufzählung fortführen könnte, als meine Gedanken in Richtung Camyrn gingen und ich grinsen musste.
    "Und in Zukunft werde ich wohl auch die ein oder andere Massage meiner Neuerwerbung genießen können, sofern sie endlich mal in Rom ankommt."


    Ich schmunzelte vielsagend und griff nach einem Hühnerbein. Mit dem Fingernagel des Daumens zerteilte ich das weiße, glänzende Fleisch und riss einen Fetzen ab, um ihn zu essen. Kurz kam mir der Gedanke, dass ich auch etwas anders hätte antworten können, und ich fügte hinzu:
    "Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen ist außerdem, gute Gesprächspartner an Weinständen ausfindig zu machen."


    Kauend grinste ich.
    "Und was ist mit dir?"

  • Während sich mein Gesprächspartner an das Hühnchen hielt, sprach ich den Meeresfrüchten weiterhin zu, immerhin waren das kleinere Häppchen und ich wurde durch die schiere Masse des Fleisches an einem Hühnerbein nicht allzu sehr entmutigt. Ein Stück Garnele war schneller geschluckt als ein Hühnerbein, also aß ich langsam, wenngleich nicht mehr mit allzu viel Genuss, weiter. Selten hatte ich mich so zwingen müssen, an dem zarten Fleisch der Meeresfrüchte Gefallen zu finden, normalerweise mochte ich sie sehr gerne, aber im Augenblick war mir viel eher nach einer anderen Sorte zartem Fleisch zwischen meinen Zähnen. Mein Blick driftete wieder zu ihm hinüber, und ich beobachtete, wie er sich die Lippen abtupfte, mit einer gemessenen, aber dennoch eleganten Geste. Dass er sich so bewegen konnte, empfand ich in diesem Moment als Strafe der Götter ...


    "Ah, Du hast Dir eine Leibsklavin gekauft? Wo stammt sie denn her? Meine Nefertiri ist Ägypterin und ich hatte bisher noch keinerlei Grund, mich über mangelnde Hingabe an ihren Dienst zu beklagen," sagte ich und dehnte das Wort 'Hingabe' ein wenig aus - er würde sicher verstehen, welche Art des Dienstes sie bei mir verrichtete und ich ahnte, dass seine Sklavin nicht viel anderes an ihm tat. Aber wofür waren sie sonst schon da? Schönheit existierte, um genossen zu werden, nicht um in der culina zu versauern. "Woran liest Du gerade, wenn ich fragen darf?" Die Lektüre eines Mannes sagte schließlich auch immer sehr viel über ihn aus und ich hoffte inständig, er würde mir jetzt nicht Caesars trockenen bellum gallicum nennen oder etwas ähnlich altvorderes.


    "Das Kennenlernen an Weinständen ist also Deine Masche, ja?" neckte ich ihn grinsend und lehnte mich dann etwas entspannter zurück. Dieses dumpfe Gefühl des Drucks in meinen Lenden begann glücklicherweise etwas nachzulassen. "Nun, ich trainiere viel im gymnasion oder auch im Lauf, um meinen Körper wach und stark zu halten. Aber Deine Vorliebe für die Literatur kann ich durchaus teilen und ansonsten ... genieße ich das Leben in all seinen möglichen Facetten, wie sie sich bieten."

  • "Sie ist Keltin, aber gekauft habe ich sie in Achaia", entgegnete ich, als ich den Bissen heruntergeschluckt hatte. Dann legte ich den Kopf schief und murmelte:
    "Nefertiri.... das ist ein hübscher Name. Bedeutet er nicht 'die Schönste' oder etwas in der Art? Wie sieht sie aus? Sicher ist sie deine.... Leibsklavin... Camryn ist die meine" fragte ich Aquilius und ließ damit durchscheinen, dass ich wohl zumindest einige Brocken Ägptisch sprechen konnte oder zumindest verstand. Bei dem genüsslich ausgesprochenen Wort 'Hingabe' schmunzelte ich kurz. Ich konnte mir durchaus denken, wie er das wohl meinte. Ich dachte an Camryn. Uns waren zwei Wochen geblieben, ehe ich gen Heimat reiste. Viel zu lange war sie nun schon fort gewesen und ich fragte mich, wann sie wohl endlich wieder den Weg zu mir fand...


    Aquilius' Frage riss mich aus den süßen Gedanken, und ich sah ihn im ersten Moment verständlich los an, ehe ich verstand, was er wissen wollte.
    "Die Ilias", gab ich dann begeistert von mir.
    "Sie ist ein wahrhaft fantastisches Werk des Homer. Er beschreibt den Zwist zwischen Ares und Athene so deutlich, als sei er selbst in den Heiligen Hallen der griechischen Götter gewesen, beim Krieg um Troja."

  • "Eine Keltin - ja, diese Keltinnen haben ihre besonderen Reize. Meistens helle, weiche Haut," sann ich über eine ganz bestimmte Keltin nach. Nadia gefiel mir, und ich wusste, dass sie irgendwann mein sein würde, vielleicht nur für eine Nacht, vielleicht für mehr. Wieso auch musste dieses dumme Ding sich so sehr auf ihre Verliebtheit versteifen? Liebe war in den heutigen Zeiten mehr ein Ballast denn eine Hilfe für das tägliche Wohl eines Menschen.
    "Sie hat es mir vor Jahren einmal erklärt, was ihr Name genau bedeutet, aber das ist alles so ägyptischer Firlefanz. Mit Schönheit hatte es etwas zu tun und sie war sehr erpicht darauf, es so genau zu erklären wie möglich - nur ich gestehe, ich habe es inzwischen vergessen. Es muss wohl mit auch daran liegen, dass sie während der Erklärung unter mir lag," gab ich trocken zurück, biß ein weiteres Stück Meeresfrucht ab und kaute es gemütlich. Das war eine rauschende Nacht gewesen, das in meine Lenden zurückkehrende Prickeln bewies es deutlich.


    "Zuerst wollte ich sie nicht als Leibsklavin," überlegte ich und schmunzelte dann. "Sie sollte mich massieren und dergleichen, aber es wurde bald deutlich, dass ihre Talente sich damit nicht erschöpften. Was kann denn Deine Camryn? Einige Keltenfrauen sollen ja auch Waffen führen und furchterregend auf dem Schlachtfeld kämpfen," neckte ich ihn, denn eine solche Frau konnte ich mir kaum in seinen Armen vorstellen. Höchstwahrscheinlich war sie genau das für ihn, was Nefertiri für mich war: Eine höchst probate Ablenkung. Für einen kurzen Moment verirrte sich mein Blick wieder zu seinen so süß schmeckenden Lippen und blieb dort liegen. Nun glänzten sie vom Fett des Fleisches und ich musste meine Gedanken in eine andere Richtung zwingen, um nicht darüber nachzudenken, wie sie wohl nun schmecken würden, wenn ich sie kostete.


    "Die Ilias," sagte ich schnell, um von diesem Thema wegzukommen, das noch immer in meinen Gedanken und Lenden pulsierte. "Wirklich ein herrliches Werk, wenn Du mich fragst. Und wie auf die einzelnen Personen eingegangen wird - manches Mal kann man das Handeln der Helden so gut verstehen, als würde man selbst handeln - man denke nur an Achilleus und Patroklos..." Verdammt. Hatte ich das gerade wirklich gesagt?

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