Cubiculum | Caius Flavius Aquilius

  • Das Wasser war so angenehm! Seine Kälte hatte langst den Schrecken und Schauder verloren. Wie in Trance begab ich mich immer tiefer hinein. Ich wurde eins mit ihm und bald würde es mich gänzlich verschlingen. Doch dann wurde ich der Präsenz gewahr. Ich spürte etwas oder jemanden in meiner Nähe. Es forderte meine ganze Aufmerksamkeit und lenkte mich von meinem weiteren Tun ab.


    Das kühle Nass, welches erst meine rissigen Lippen benetzt hatte, rann jetzt langsam und wohltuend die Kehle hinab und kühlte meinen Körper. Meine Augenlieder schoben sich langsam nach oben, doch durch die unerwartete Helligkeit des Raumes begann ich zu blinzeln. Das Licht einer Lampe schien mir in die Augen.Es dauerte eine Weile, bis sich meine Augen einigermaßen an das Licht gewöhnt hatten. Verschwommen nahm ich die Gestalt eines Mannes wahr, allerdings erkannte ich ihn nicht.
    Er beugte sich über mich und flößte mir die kalte Flüssigkeit ein. Gerade eben noch war ich in meinen Träumen am Teich gewesen, doch wo war ich jetzt? Träumte ich immer noch oder war ich bereits wach. Das alles hier schien real zu sein, doch auf eine gewisse Art und Weise auch wieder nicht. Das Licht war so grell und es schmerzte meine Augen. So bevorzugte ich es, lieber die Augen geschlossen zu halten. Dumpfe Worte in einer fremden Sprache klangen bruchstückhaft an mein Ohr, deren Bedeutung ich aber verstand. Das war kein Traum mehr!
    Noch einmal öffnete ich vorsichtig die Augen. Schemenhaft nahm ich eine weitere Gestalt wahr.
    Langsam versuchte ich mich in der fremden Sprache zu artikulieren. Es bereitete mir besonders viel Mühe, da es mir sehr schwer fiel, mich zu konzentrieren. Doch einige abgehachte heisere Worte brachte ich heraus.


    Wo- bin- ich? Was- ist- los?

  • So viele Dinge auf einmal, die zu tun waren - aber wenn einer wusste, was getan werden musste, war es Straton, und ich war in diesem Augenblick dankbar dafür, dass er mir ohne weitere Fragen einfach half. "Du bist in meinem Bett, Bridhe, und Du bist krank. Strenge Dich nicht an, wir werden Dir helfen," antwortete ich mit klarer Stimme auf die Worte meiner Sklavin, strich ihr dabei über die glühende Stirn und füllte den Wasserbecher erneut, um ihr gleich Straton noch etwas des kühlen Getränks einzuflößen. Als Straton mein cubiculum verließ, umgriff ich Bridhes Schultern vorsichtig mit meinem Arm, sie aufrichtend, und bedeutete ihr, dass ich sie entkleiden wollte - und so sie sich nicht wehrte, schob ich langsam die nassgeschwitzte tunica über ihren Kopf und warf sie beiseite, um sie dann wieder unter die Decke zu stecken und aus dem Nebenraum eine neue tunica für sie zu holen.


    Wo konnte sie sich nur dieses widerliche Fieber zugezogen haben? Ich hatte sie in der letzten Zeit in keinster Weise herumgeschickt, und ich würde sie wohl fragen müssen, wenn sie wieder klar bei Sinnen war. An das Bett zurückgekehrt, nahm ich es auf mich, ihr die frische tunica langsam überzustreifen, und schließlich lag sie wieder unter der Decke, fiebernd wie zuvor, aber zumindest warm eingepackt und die Hilfe in Form Stratons nahte. Schweigend blickte ich auf sie herab, bevor ich mir ein Tuch nahm, es mit dem Wasser befeuchtete und auf ihre Stirn legte, um die Hitze aus der Haut zu ziehen.
    "Was machst Du nur für Sachen, Bridhe," murmelte ich leise vor mich hin und betrachtete ihr blasses Gesicht nachdenklich.

  • Es hatte den Anschein, als ob ich immer wieder zurück in meinem Traum sinken wollte. Sobald ich die Augen schloss und mich entspannte, war es, als wollte ich wieder hinab ins kühle Nass sinken. Sich einfach treiben lassen, nichts weiter tun, als sich treiben lassen. Doch immer wieder wurde ich durch Impulse, die von Außen kamen, zurückgezogen.
    Wieder drangen Sprachfetzen der fremden Sprache an mein Ohr. Es bedurfte einige Zeit, bis mir deren Bedeutung klargeworden war. Meinem Bett…krank…helfen.
    Ich öffnete erneut die Augen einen Spalt. Doch ich konnte kein klares Bild einfangen. Verschwommen, nahm ich eine Gestallt war, die sich um mich zu kümmern schien. Eine Hand strich über meine Stirn, so wie es früher meine Mutter getan hatte, wenn ich einmal krank war. Wie sehr ich sie vermisste! Zu meiner Bestürzung musste ich eines Tages feststellen, dass meine Erinnerung an die Physiognomie ihres Gesichtes bereits begann, zu verblassen. Ich hatte sie als zierliche dunkelhaarige Frau mit blauen Augen in Erinnerung. Die Leute hatten immer behauptet, ich würde ihr sehr ähnlich sehen. Immer wieder sehnte ich mich nach ihr.
    Máthair?, hauchte ich fast unhörbar. Aber nein, das konnte nicht meine Mutter sein! Mutter war schon lange tot. Sie war längst schon hinüber gegangen.
    Wieder drang etwas kaltes Wasser an meine Lippen und fast schon begierig, begann ich, die Flüssigkeit in mich aufzunehmen.
    Als man meinen Oberkörper aufrichtete, um mich zu entkleiden, ließ ich alles mit mir geschehen. Ich hatte keine Kraft, etwas dagegen zu tun. Doch als die scheinbar kalte Luft meine Haut berührte, zitterte ich noch mehr. Doch bald schon, war mein Körper wieder gut verpackt. Noch einmal erzitterte ich, als ich gleich darauf etwas Kaltes auf meiner Stirn spürte. Aber schon bald empfand ich es als angenehm.
    Ich wollte noch einmal versuchen, ein Bild meiner Umgebung einzufangen. So setzte ich all meine Kraft dafür ein, um mich zu konzentrieren. Schließlich erkannte ich das Gesicht meines dominus, welches mich recht sorgenvoll betrachtete. Sicher waren ihm Severus Spuren in meinem Gesicht nicht entgangen. Ob er schon alles erfahren hatte, was geschehen war? Wenn nicht, konnte er es sich wahrscheinlich schon zusammenreimen.

  • Während ich auf Stratons Rückkehr wartete - er würde schon wegen des heißen Steins sicher ein Weilchen brauchen - hielt ich den Blick auf Bridhe gerichtet, ihr feuchtglänzendes Gesicht gefiel mir gar nicht, denn neben dem, was unweigerlich von der Krankheit stammen musste, waren die anderen Spuren weit bedenklicher. Es war recht leicht zu erraten, woher diese Art Spuren stammen mochte, denn dass Severus sich über die Offenbarung nicht gefreut haben musste, dass sie bei mir gelegen hatte, war offenkundig - falls sie es ihm gesagt hatte, denn sicher war ich mir da nicht. An ihrer Stelle hätte ich genossen und geschwiegen, und es dabei belassen, aber die meisten dieser Nordvölker waren auf ihre Weise fast beleidigend ehrlich, in diesem Punkt war mir Severus auch eine stetige Geduldsprüfung gewesen. Wenn die Spuren aber nicht von Severus stammten, von wem dann? Einem von Furianus' Speichelleckern? Aber so schnell glaubte ich das auch nicht. Aber vielleicht hatte sie auch mit irgendeinem anderen Sklaven im Haus Streit gehabt, ich würde nachher Straton danach fragen.


    Sie runzelte die Stirn und kniff die klein gewordenen Augen zusammen, wirkte dabei so angestrengt, dass ich mich bemüßigt fühlte, sie anzusprechen: "Liege ruhig, Bridhe, und strenge Dich nicht an. Dein Körper wird alle Kraft brauchen, das Fieber zu besiegen. Du bist hier in Sicherheit." Wenn es am Morgen nicht besser war, würde ich einen Medicus rufen lassen, soviel war sicher - zu lange durfte man Fieber nicht die Gelegenheit lassen, sich auszubreiten, aber noch hatte ich die gute Hoffnung, dass sich Stratons Wissen um die Verwendung von Kräutern, das er oft genug auch nutzte, um Duftöle zu mischen, ausreichen würde, sie wieder auf die Beine zu bringen.
    Langsam nahm ich das warm gewordene Tuch von ihrer Stirn, tunkte es erneut ins Wasser, wrang es abermals aus und erneuerte es dann auf ihrer Stirn - wie sie glühte, es war wirklich besorgniserregend. Eigentlich hätte ich erwartet, dass ein Mensch aus dem Norden im Winter robuster war, aber anscheinend war das nur ein reines Wunschdenken gewesen.

  • Ich versuchte etwas zu sagen. Das Formen der richtigen Worte fiel mir jedoch schwer. Wie sollte ich es denn auch schließlich begründen, warum ich so dalag? Nach Lucas Reaktion am Morgen, war ich darauf vorbereitet, dass man hier keinerlei Verständnis für meine Tat haben würde. Hätte er es denn vielleicht verstanden, warum ich sterben wollte? Mirviel wieder unser Gespräch am Abend zuvor ein. Als ob ich es geahnt hatte, hatte ich den Tod zur Sprache gebracht. Mir klangen noch meine Worte in den Ohren leichtfertig werde ich nicht den Tod suchen, dazu hänge ich zu sehr am Leben. Wie schnell sich doch alles ändern konnte!
    Doch es war mir gleich, was man über mich denken würde. Tief in mir drin hatte ich bereits mit allem abgeschlossen. Was blieb, war nur die leere Hülle, die man Bridhe nannte. Vielleicht würde mich ja das Fieber noch dahinraffen. Dann würde sich auch dieses Problem in nichts auflösen.
    Ich versuchte, etwas meinen Kopf anzuheben. Mit größter Anstrengung brachte ich schließlich leise einige Worte heraus.
    Ich war im Wasser!
    Dann ließ ich mich wieder zurück sinken und schloss die Augen. Mein Körper konnte sich wieder entspannen, während ich dahindämmerte, halb wach, halb schlafend.

  • "Shh ..." sagte ich leise, und schüttelte den Kopf. Sie sollte sich nicht zu sehr anstrengen, wenn einen das Fieber erst einmal befallen hatte, saugte es einem die Kraft aus dem Leib, unerbittlich, und nahm einem auch die kleinsten Anstrengungen übel, ich wusste das selbst nur zu gut. Jenes Fieber, das mir vor einiger Zeit mein Gedächtnis genommen hatte, war auch nur deswegen letztendlich machtlos gewesen, weil mich meine hingebungsvolle Pflegerin an so ziemlich allem gehindert hatte, was über das bloße Öffnen der Augen hinausgegangen war. Orestilla ... für einen kurzen Moment verirrten sich meine Gedanken in die Vergangenheit, zu ihrem Anblick, als sie mir gesagt hatte, dass sie von mir schwanger sei, als sie unseren Sohn auf dem Arm gehalten hatte, nachdem ich ihn vom Boden aufgehoben und damit anerkannt hatte. Es schien eine halbe Ewigkeit zurückzuliegen, und ich musste den Gedanken an sie mit Macht beiseite drängen, um nicht eine gewisse Wehmut zu empfinden.


    "Im Wasser ...?" echote ich auf ihre mühsam hervorgebrachten Worte, und dann wurde mir klar, was sie damit meinte. Sie hatte es tatsächlich getan, es versucht, und war offensichtlich gescheitert. Ob die Spuren in ihrem Gesicht damit zu tun hatten? Seufzend lehnte sich mich etwas vor, und legte den Arm um sie, um sie einfach zu halten. Wie verzweifelt musste sie gewesen sein ... ja, ich kannte es gut, dieses Gefühl, kein vorwärts und kein zurück mehr zu kennen, nur noch diese Flucht als Ausweg offen zu sehen, und dann - es hatte wohl jemanden gegeben, der ihr Tiberius Vitamalacus gewesen war, und diesem Menschen war ich gerade von Herzen dankbar. "Werde erst einmal gesund, Bridhe, dann sprechen wir über alles und finden einen Weg." Zornig war ich nicht, im Gegenteil, ihr Handeln, und auch, dass sie keine Hilfe gesucht hatte, erfüllte mich mit einer gewissen Trauer.

  • Als seine Stimme wieder an mein Ohr drang, öffnete ich wieder leicht die Augen. Er hatte seinen Arm um mich gelegt und sprach beruhigend auf mich ein. Dieses Zeichen von Nähe bedeutete mir so viel. Hatte ich mich doch so sehr nach Nähe gesehnt und es ergriff mich in diesem Augenblick so sehr, da ich sie erleben durfte, sodass mir die Tränen in den Augen standen.
    Langsam schob ich meine Hand unter der Decke hervor, suchend nach der seinen. Zufrieden schloss ich wieder die Augen, als meine Hand fündig geworden war und sie umschloss. Ich wollte mich an ihm festhalten, auf das ich nicht wieder versinken würde.
    Ich versuchte ein wenig zu ruhen und ich ließ mich einfach gleiten, damit sich meine Glieder wieder entspannen und mein Körper sich von den Anstrengungen des Sprechens wieder erholen konnte.

    Doch noch immer lieferte sich mein Körper einen erbitterten Kampf mit dem Fieber.

  • Schweigend hielt ich ihre Hand in der meinen, für einige Momente lang durch die Schlichtheit der Geste mehr gerührt als durch irgendeine tragische Handlung in einem Theaterstück. Manchmal bedurfte es nicht viel, um einem anderen Menschen zu zeigen, dass er nicht alleine stand, und ich hatte oft genug schwere Zeiten erlebt, ohne einen solchen Trost zu erfahren - wenn es also ihr half, dann spendete ich ihn gerne, und blieb neben ihr halb liegen, halb sitzen, ihren fiebrigen Atemzügen lauschend, bis es mir angebracht schien, das Tuch auf ihrer Stirn wieder zu erneuern. Wo Straton wohl blieb? Es konnte doch keine halbe Ewigkeit dauern, einen heißen Stein und Fiebermedizin zu organisieren, auch wenn es mitten in der Nacht war - aber gleichzeitig sagte ich mir, dass er wusste, was er tat, und sicherlich so schnell arbeiten würde, wie es nur ging. In solchen Dingen hatte ich mich immer auf ihn verlassen können ... so glitt mein Blick zurück zu Bridhe, und schweigend wachte ich über sie, wie man über einen Menschen wachen musste, der einem nicht egal war, der Bedeutung gewonnen hatte.

  • Die Entspannung tat mir gut und auch die Gewissheit, jemanden in meiner Nähe zu haben, beruhigte mich. Hin und wieder kam es mir so vor, als würde ich wieder in meinem Traum versinken. Doch quälten mich schubweise auftretende Kopf- und Gliederschmerzen, die mich immer wieder leicht aufbäumen ließen.
    Warum nur mußte ich das alles durchstehen? Warum hätte es nicht einfach zu Ende sein können? Ich wollte mir in diesem Moment erst gar keine Gedanken darüber machen, was mir die Zukunft bringen würde. Ich hatte keine Erwartungen mehr an das Leben. Eigentlich war es mir lästig geworden.
    Im Augenblick spürte ich nur wieder das Bedürfnis nach etwas Flüssigkeit. Mein Mund fühlte sich wieder völlig trocken an. Das Geräusch des tröpfelnden Wassers, als er das Tuch erneut in die Schale mit Wasser legte und es anschließend wieder auswringte, erhöhte mein Verlangen nach etwas trinkbarem.
    Wieder öffneten sich meine Augen ein kleines Stück und mein Blick fing ihn ein. Leise versuchte ich wieder Worte zu finden.
    Wasser, bitte!

  • Leise öffnete der Grieche die Tür zum cubiculum seines Herrn und stellte mit einem gewissen Maß inneren Missfallens fest, dass Bridhe sich noch immer in Aquilius' Bett befand und er ihr sogar die Hand hielt - bona dea, er hatte sich doch wohl nicht etwa in diese junge Weibsperson vernarrt? Wobei er es seinem Freund aus Kindertagen und nun Besitzer durchaus zutraute, sich richtig sinnlos zu verlieben, und welche sinnlosere Liebe hätte es schon zwischen einem Herrn und einer Sklavin geben können? So vertraut, wie er neben ihr saß, war ziemlich alles möglich, und von allen Flaviern wusste wohl Aquilius am meisten um seine körperliche Anziehungskraft und wie diese zu nutzen war. Innerlich seufzend dirigierte er die massige Cungah herein, die trotz ihrer dunklen Haut ein bisschen bleich wirkte, als sei sie durch Bridhes Krankheit erschrocken. Eilig trippelte sie an das Bett des Herrn und hatte der Kranken schon ihren ersten Wunsch erfüllt, bevor sich sein Herr überhaupt rühren konnte. Liebevoll wie eine Mutter setzte Cungah Bridhe den Becher Wasser an die Lippen und ließ sie trinken, soviel sie konnte, bevor sie Straton Platz machte, der den erhitzten Stein in einem Lederumschlag mit sich trug und diesen kurzerhand am Fußende des Betts unter der Decke verstaute, unter der Bridhe lag.


    "Ich habe Weidenrindentee gemacht, der das Fieber senken sollte bis der Tag anbricht, spricht sie darauf nicht an, muss ich etwas anderes versuchen - oder ein medicus ins Haus," sagte Straton nüchtern, während er den Krug mit dem Tee auf den Tisch neben dem Bett abstellte und den geleerten Wasserbecher mit der dampfenden, intensiv stinkenden Flüssigkeit füllte. Gut schmecken würde es nicht, aber helfen, und darauf kam es an. Cungah nahm den Becher in die breiten, weichen Hände, pustete vorsichtig darüber, und setzte Bridhe vorsichtig auf, um ihr dann den Becher anzubieten - es war leichter, sie trank selbst, als wenn man ihr die heiße Flüssigkeit eingeflößt hätte. Währenddessen bereitete Straton mit einigen Tüchern die heißen Wickel vor, die Bridhe noch bekommen würde, und die das Fieber mit Gewalt aus ihrem Körper treiben sollten.

  • Mir war die Anwesenheit Stratons und Mama Cungahs nicht entgangen. Sie hatte mich vorsichtig aufgesetzt und versuchte mir nun eine heiße Flüssigkeit einzuflößen. Straton nannte es Weidenrindentee, etwas, was mir nicht fremd war. Auch in meiner Heimat hatte man sich die Heilkraft der Natur zu nutze gemacht. Nun war allerdings Weidenrindentee nicht eines meiner Lieblingsgetränke und mir graute es schon vor dem bitteren Geschmack des Gebräus.
    Mama Cungah hielt mir den dampfenden Tee unter die Nase und bevor ich davon trinken konnte, versuchte sie erst, ihn etwas abzukühlen, indem sie darüber pustete.
    [Blockierte Grafik: http://img174.imageshack.us/img174/1692/hattiemcdaniel2sc9je3.jpg
    So, meid Mädschen, jetzt trinkst du mal! befahl sie in einem ruhigen aber bestimmten Ton in ihrer tiefen Stimme. Lagsam begann sie, mir den Aufguß schluckweise einzuflößen.
    Der Tee schmeckte einfach scheußlich und am liebsten hatte ich ihn wieder ausgespuckt. Doch das hätte Cungah sicher nicht zugelassen.
    Du mußt immer mehr trinken und trinken. Macht Fieber weg und du wirst wieder gesund!
    So blieb mir nichts anderes übrig, als Schluck für Schluck dieses widerlichen Gebräus, zu mir zu nehemen. Ich bedauerte es jetzt schon, dass man mich gerettet hatte.
    So ist´s brav, mein Mädschen!
    Im Grunde genommen war ich aber auch sehr gerührt, wie sehr man sich um mich und meine Gesundheit bemühte und so beschloß ich, keine widerborstige Patientin zu sein.
    Der heiße Stein zu meinen Füßen entfaltete auch schon bald seine Wirkung und mir wurde richtig warm.

  • [Blockierte Grafik: http://img174.imageshack.us/img174/1692/hattiemcdaniel2sc9je3.jpg] | Mama Cungah


    Die herzensgute nubische Sklavin gab sich die allergrößte Mühe, um Bridhe den Aufguß Schluck für Schluck einzuflößen. Dabei achtete sie darauf, dass Bridhe sich nicht verschluckte. Die Bereitschaft der hibernischen Sklavin, diese bittere Medizin ohne Widerworte zu schlucken, quittierte Mama Cungah mit einem Lächeln.
    So ist´s schön brav!
    Nachdem der Becher entgültig gelehrt war, ließ sie sie sachte wieder zurück auf das Bett gleiten. Sie besah sich Bridhes Gewand und stellte fest, dass es erst frisch gewechselt worden war.
    So, du mußt jetzt viel schwitzen! Ganz viel schwitzen! Damit des Fieber aus deinem Leib vertrieben wird!
    Es schmerzte sie, die junge Frau da so liegen zu sehen. Im Laufe des Tages hatte sie gerüchteweise erfahren, was passiert sein mußte. Doch genaueres wußte Mama Cungah auch nicht.


    Dann begann Mama Cunga Bridhe von unten bis oben mit den Decken, mumiengleich einzupacken. Dabei bemerkte sie, dass der dominus immer noch die Hand der Sklavin hielt. Mit einem wohlwollenden Lächeln wandte sie sich an ihn.
    Dominus, möchtest du Bridhe hier bei dir behalten oder sollen wir sie in ihr Bett legen?


    Es stand ihr nicht an, sich über diese Frage eine Meinung zu bilden. Wohl hätte sie ein ja aber auch ein nein akzeptiert. Es wäre verständlich gewesen, wenn er den Rest der Nacht in Ruhe verbringen wollte.

  • "Sie kann hier bleiben," sagte ich ruhig und nickte der Sklavin freundlich zu. Cungah war einfach eine liebe, treue Seele, und wenn es jemanden im flavischen Haushalt gab, dem er wirklich keinerlei Arglist und Bösartigkeit zutraute, dann war es sie. Er hatte sie schon immer so gesehen und würde es wohl nie ändern - gleichzeitig spürte ich den missbilligenden Blick Stratons in seinem Rücken, ohne dass es mich wirklich wunderte. "Ich werde heute in meinem Arbeitszimmer schlafen, sei so gut und stell mein Reisebett dort auf, Straton." Letztendlich war mein Wort hier das entscheidende, nicht seins, und ab und an brauchte auch mein griechischer vilicus einen kleinen Dämpfer. Neben Bridhe würde ich kaum Ruhe finden heute Nacht, und Cungah würde sicher gut für sie sorgen, das lag ihr einfach in der Natur. Die missbilligende Miene Stratons gekonnt ignorierend, strich ich Bridhe mit einer Hand über die Wange und meinte: "Du musst jetzt schlafen, Bridhe, versprich es mir, dass Du versuchst, zu leben. Es kann nichts so schrecklich sein, dass Dein Tod dafür sühnen müsste."
    Mama Cungah nickte zufrieden, als sie mich sprechen hörte, zumindest vor ihren Augen schien ich heute Gnade zu finden, und so löste ich meine Hand vorsichtig von der Bridhes, sie in sicheren Händen wissend.

  • Der heiße Tee, den man mir eingeflößt hatte, der heiße Stein, der zu meinen Füßen lag und auch die Decken, in die mich Cungha eingewickelt hatte, taten ihr Übriges und trieben mir in kürzester Zeit, den Schweiß auf die Stirn. Ich empfand es zwar als sehr unangenehm, doch spürte ich, wie es mir nach und nach half, das Fieber zu besiegen.


    Cungha wachte die ganze Nacht an meiner Seite. Immer wieder wischte sie mir den Schweiß von der Stirn und versorgte mich mit Wasser.
    Noch einmal wechelte sie die durchnäßte Wäsche in der Nacht. Irgendwann, als ich mich schon wesentlich besser fühlte und die Schmerzen auf dem Rückzug waren, schlief ich schließlich ein. Es war ein traumloser Schlaf, der meine Kräfte wieder aufladen sollte.
    Cungha war auch eingenickt und als die ersten Sonnenstrahlen der Wintersonne einen neuen Tag ankündigten, erwachte ich wieder, zwar sehr geschwächt, doch nun mit nur noch leichter Temperatur.
    Als ich zu mir kam, fand ich erst heraus, wo ich war. Noch immer lag ich im Bett meines dominus, doch er, was mich in diesem Moment sehr erstaunt hatte, war nicht zugegen. Vielmehr fand ich neben mir, halb sitzend, halb liegend, dei eingenickte Mama Cungha.


    Sie mußte es wohl auch bemerkt haben, dass ich erwacht war, denn es dauerte nicht lange, bis sie sich aufsetzte und mich mit ihren müden Augen anlächelte.


    Wie geht´s dir heute morgen, mein Mädschen?


    Mit schwacher Stimme, brachte ich einige Worte hevor.


    Es geht so! Ich fühle mich so matt.


    Mama Cungha überlegte nicht lange und schon war sie auf den Beinen.


    Nun, dann wird Mama Cungha dir jetzt mal eine gute Fleischbrühe zubereiten, damit du wieder zu Kräften kommst!


    Kaum hatte sie das gesagt, war sie auch schon aus dem Zimmer verschwunden, so dass ich gar keine Gelegenheit hatte, etwas dagegen zu sagen. Denn eigentlich hatte ich keinen Hunger.

  • Es war Straton, und nicht Aquilius, der nach dieser ereignisreichen Nacht das cubiculum seines Herrn betrat, und schweigend die Türe hinter sich schloss. Auch wenn der Sklave nicht allzu viel Schlaf bekommen hatte, sah man ihm dies nicht unbedingt an - seine beherrschten Gesichtszüge spiegelten wie so oft wenig von dem wieder, was er denken oder empfinden mochte, eine liebgewonnene, wenngleich nicht ideale Gewohnheit, wollte man in der Gesellschaft anderer nicht allzu viel auffallen. Sein ganzer Missmut war zumindest an diesem Morgen durch einen ausgiebigen Lauf im Villenviertel gewichen, seine beste Methode, sich ein wenig zu entspannen - und so hatte er wieder ein ruhiges Gemüt, als er den Raum betrat, in dem normalerweise sein Herr nächtigte.
    "Guten Morgen, Bridhe. Wie geht es Dir?" fragte der Sklave in seiner üblichen, von ausgesprochen wenig emotionaler Regung geprägten Intonation. "Ich habe Cungah eben auf dem Korridor getroffen, und sie meinte, sie wolle Dir eine Brühe zubereiten - aber bevor Du isst, werde ich Dich untersuchen müssen, um zu sehen, wie die Medizin gewirkt hat." Natürlich war Straton kein Arzt und hatte auch nie medizinische Kurse belegt, aber wenn man als Sklave in einem Haushalt aufwuchs und von klein auf daran gewöhnt wurde, sehr viele Dinge beherrschen zu müssen, eignete man sich auch einige medizinische Kenntnisse an, und mit Fiebern, Verstauchungen, kleineren Wunden wurde der vilicus durchaus fertig.

  • Kaum hatte Cungha die Tür hinter sich geschlossen, wurde sie auch schon wieder geöffnet. Mein Blick fiel auf den eintretenden Straton, dessen starre Miene nichts von dem verriet, was in der vergangenen Nacht vorgefallen war. Von seinen Einwänden, mich nicht hier in diesem Raum zu behalten, hatte ich so gut wie nichts mitbekommen. Wohl war mir seine Anwesenheit und seine Bemühungen, mich mit einem heißen Stein und einen Tee zu versorgen, in der letzten Nacht aufgefallen, doch mehr auch nicht. Mit meinen Blicken verfolgte ich ihn, bis er schließlich vor dem Bett stand.


    Es geht schon etwas besser! Ich fühle mich nur etwas schlapp!


    Mit meiner schwachen Stimme beantwortete ich seine Frage. Mein erster Gedanke war, ob er wusste, weswegen ich so da lag. Hatte er schon etwas im Haus gehört? Ich wusste, solche Neuigkeiten verbreiteten sich unter den Sklaven, wie ein Lauffeuer. Sein emotionsloses Auftreten verriet davon allerdings nicht das Geringste. Das war mir auch gleich! Ich wollte niemand mehr mein Herz ausschütten und jammern. Niemand würde verstehen können oder wollen, warum ich es getan hatte. Es war ganz alleine meine Sache.

    Dass er Cungha auf dem Korridor getroffen haben musste, konnte ich mir gut vorstellen, doch dass er mich nun untersuchen wollte, so wie er sagte, eher nicht. Aber gut! Sicher wusste er, wovon er sprach.


    Ich habe keinen Hunger! Ich brauche nichts, antwortete ich während ich meinen Blick wieder von ihm gleiten ließ. Doch bedanken sollte ich mich noch bei ihm, für dass, was er heute Nacht geleistet hatte!


    Danke Straton, für alles!

  • Ihre Worte glitten an seiner Schale ab, und schweigend blieb er im Raum stehen, betrachtete Bridhe einfach nur einige Momente lang, die sich ob seines Schweigens deutlich in die Länge zu ziehen schienen - einem Strang Honig gleich, den man fast bis in die Unendlichkeit zu verlängern imstande war, solange man einigermaßen vorsichtig vorging. "Nun, Bridhe, es gibt nichts zu danken. Letztendlich waren die Bemühungen um Dein Leben ohnehin wirkungslos, wenn Du Dich nicht dazu entschließt, weiterleben zu wollen - für den Fall, dass Du tatsächlich willens sein solltest, mit allem abzuschließen, werde ich Dir gerne mit einem Gift behilflich sein, das mit Sicherheit wirkt. Ansonsten aber solltest Du Dir gut überlegen, ob Du es noch einmal versuchst, denn auf Dauer wird es Dir nur schaden. Eine unzuverlässige Sklavin verliert schnell die Geduld ihres Herrn, und auch wenn der unsrige in vielem sehr weichherzig ist, wird er doch irgendwann auch sehr klar sehen, wer ihn mehr Mühe kostet als Nutzen bringt, und dann möchte ich nicht in Deiner Haut stecken."


    Die Worte klangen kühl, überlegt und vor allem unpersönlich - der Straton, der ihr den Halsschmuck versteckt hatte, schien erst einmal nicht mehr zu existieren, oder hatte dem Straton, der den Haushalt seines Herrn in Ordnung zu halten hatte, einstweilen Platz gemacht. "Wenn Du also ernsthaft weiterleben willst, wirst Du die Brühe widerstandslos essen, die Dir Cungah bringt, und Du wirst ausreichend ruhen, bis Dein Körper wieder gesund ist - und dann solltest Du endlich damit beginnen, Dir darüber klarzuwerden, was Du eigentlich willst."

  • Die eisig kalten Worte die völlig emotionslos aus seinem Mund kamen, hatten nicht nur wieder meine Aufmerksamkeit auf ihn gezogen, sondern bestätigten auch meine Vermutung. Er hatte natürlich schon davon erfahren! Wie hätte es auch anders sein sollen!
    Regungslos saß ich aufrecht im Bett und hörte mir an, was er mir zu sagen hatte. Ein Fläschchen Gift, wie schmeichelhaft! Das hätte ich gestern Morgen gebraucht! Nicht jetzt, da mich der Mut wieder verlassen hatte!
    Dies war einer der Momente, in denen ich mir gewünscht hätte, nicht gerettet worden zu sein. Ich hatte beileibe nicht die Absicht, jemandem Mühe zu machen! Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte man mich nicht lebend aus dem Wasser gezogen. Doch das konnte oder wollte hier niemand verstehen.


    Erst als er mir vorschrieb, was ich zu tun hätte, wollte ich etwas sagen. Doch die Macht seiner Worte nahmen mir Kraft, auch nur die kleinste Ablehnung auszusprechen. Ich mußte die Brühe essen, ich mußte mich ausruhen und dann sollte ich mir darüber klar werden, was ich wollte?


    Was sollte ich denn schon wollen? Es ist alles so sinnlos geworden. Ich habe ihn verloren! Ich stehe vor dem Nichts!


    Monoton kam es aus meinem Mund. Das was ich wollte, war weit weit weg. Für mich in unerreichbare Ferne gerückt. All meine Fröhlichkeit und mein Lebensmut lagen auf dem Grund des Teichs.

  • Letztlich war es die Aufgabe eines guten vilicus, zu wissen, was im Haushalt seines Herrn vor sich ging, und spätestens, seit Cungah hinzu gezogen worden war, hatte alles ohnehin die Runde im flavischen Haushalt gemacht. Sklavenzungen waren oft genug müßig, und solche Gerüchte waren eindeutig ein absoluter Renner, der in Lichtgeschwindigkeit von Mund zu Mund flog.
    "Was Du noch wollen sollst? Definierst Du die Grenzen Deine Existenz wirklich anhand eines Mannes, der Deinem Herzen nahe steht? Dann wirst Du noch oft an dieser Schwelle stehen, denn die Liebe ist selten gerecht. Hänge Dich nicht in dem, was Dich ausmacht, an eine Liebe, Liebe ist flüchtig, auch wenn sie vieles schenken mag - sie nimmt Dir auch allzu viel. Ist Severus Dein einziger Lebensinhalt? Dann ist Dein Leben vielleicht wirklich sinnlos, denn ich glaube kaum, dass er ebenso empfindet, diese vollkommene Hingabe an einen anderen Menschen und dessen Urteil ist selten genug vorhanden." Die Brauen auf der Stirn zusammengezogen, betrachtete Straton die im breiten Bett seines Herrn schmal und zerbrechlich wirkende Gestalt Bridhes eingehend, um dann leicht den Kopf zu schütteln. "Du bist klug, Bridhe, Du bist attraktiv, Du hast ein freundliches und offenes Wesen - und Du scheinst Talent für das Lernen und die Musik zu haben. Ist dies denn nichts für Dich wert? "

  • Heute mußte ich wohl Stratons andere Seite kennenlernen, nämlich die des gefühllosen Eisblocks, der keinen Deut Verständnis aufbringen konnte. Damit war mir zwar im Augenglick auch nicht geholfen. Mit einer gewissen Abwehrhaltung ließ ich seine Worte einfach nur so an mir abprallen.
    Erst als seine Worte etwas energischer wurden, sein Tonfall etwas an Farbe gewann, blickte ich wieder zu ihm auf. Das was ich nun hörte, ließ meine Augen feucht werden. Ein kleiner See bildete sich darin. Als er schließlich überschwappte, kullerten mir die Tränen über die Wangen. Ja, ich hatte mich an Severus geklammert und nur für ihn Augen gehabt. Alles um mich herum war in seiner Gegenwart nebensächlich gewesen.


    Weißt du wie es ist, wenn man das Gefühl hat, in den Abgrund hinunter fallen zu müssen und es gelingt einem, sich in letzter Minute an einem Grashalm zu klammern? Severus war dieser Grashalm für mich. Ich habe mich an ihn geklammert, damit ich nicht falle. Und dann habe ich ihn so enttäuscht! Es ist alles nur meine Schuld!


    Nicht nur das! Ich hatte ihn nicht nur betrogen, nein! Er hatte für mich auch noch gemordet! Doch das verschwieg ich an dieser Stelle. Trotz allem, was passiert war, wollte ich Severus deswegen nicht belasten.
    Die Worte, wie etwa klug, attraktiv,freundlich, offen ind Talent für das Lernen und die Musik, mit der er mich umschrieb, hätten mir vielleicht an einem anderen Tag geschmeichelt. Aber nicht heute! Mit meiner Attraktivität wäre es in einigen Jahren vorbei, wie lange ich noch freundlich und offen zu anderen Menschen sein konnte, wußte ich selbst nicht. Verbitterung konnten solche Attribute sehr schnell zunichte machen. Was blieb mir da also noch? Die Musik? Natürlich! Um Aquilius´Gäste damit zu erfreuen. Singend irgendwo in einer Ecke stehend und als Exot, begafft zu werden.


    Was nützt mir all das, wenn ich den Sinn meines Lebens nicht leben kann?


    Sollte der Sinn des Lebens etwa darin bestehen, dass ich ein Leben ohne persönliches Glück und Zufriedenheit leben sollte, stets nur darauf bedacht, meinem Herrn mit allem, was mir zur Verfügung stand, zu dienen? Nein! Das war es nicht, was ich wolte!

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!