Cubiculum | Caius Flavius Aquilius

  • Wäre sie meine Schwester, hätte ich sie wohl spätestens jetzt ins balneum geschleppt und ihr den Mund mit Seife ausgewaschen - diese Sprache! Für eine Frau wirklich absolut unangemessen. Aber schätzungsweise würde sie eine Weile brauchen, bis sie sich auf Latein passend ausdrücken konnte, zumindest war es nicht erstaunlich, dass sie nicht wusste, wie man einigermaßen anständig sprach. Wo sie diese ganzen Ausrücke herhatte, wollte ich eigentlich gar nicht so genau wissen.
    "Ich kenne Dich ebensowenig wie Du mich kanntest, Bridhe, hast Du vielleicht schon einmal daran gedacht? Es steht leider nicht auf der Stirn eines Menschen, ob er aus Not lügt oder weil er die Veranlagung dazu hat - auch wenn es praktisch wäre, hätten sicherlich eine Menge unserer Politiker von jetzt auf nachher keine Wähler mehr - und mir bleibt nur, herauszufinden, was es mit Dir auf sich hat. Ob Du lügst, weil es Dir gefällt, mir irgendwelche Geschichten zu erzählen, oder ob es geschieht, weil Du keinen anderen Ausweg zu erkennen glaubst." Und jetzt fing sie auch noch an zu weinen. Ich seufzte innerlich, nun einmal mehr davon überzeugt, dass Frauen im Grunde einfach das kompliziertere Geschlecht waren. Wann immer es in Diskussionen nicht weiterging, wurde gezickt oder geweint.


    "Was auch immer Dir andere Sklaven erzählen mögen, ist doch vollkommen unerheblich. Ich entscheide, was mit Dir geschieht, nicht mein Vetter Flavius Felix, nicht Sciurus, niemand sonst. Lass Dir durch diese Geschichten nicht zuviel Angst einjagen, sie ist unbegründet," versuchte ich beruhigend zu klingen - wahrscheinlich war ich dann doch zu mitfühlend, um mich jetzt abzuwenden, schätzungsweise hätte es keiner meiner Verwandten wirklich verstanden - und legte einfach den Arm um sie, um sie zu halten, während sie mein Bettlaken nass weinte. Wieviel Angst musste ein neuer Sklave haben? Ich wurde mir darüber klar, dass ich darüber letztendlich nie wirklich nachgedacht hatte, warum auch? In meiner Absicht hatte es nie gelegen, andere Menschen zu quälen, nur weil sie verklsavt waren. Aber in diesem Haushalt war es wohl anders, was mir ihr Weinen bewies.
    "An Deiner Sprache sollten wir bisweilen einmal arbeiten," bemerkte ich, provozierend, dass sie gleich die nächste Flut von Schimpfworten loswerden wollte.

  • Plötzlich spürte ich, wie er seinen Arm um mich legte. Unbewust drehte ich mich zu ihm hin und schluchzte noch ein wenig, bis ich mich dann endlich wieder beruhigte. Konnte es vielleicht doch sein, daß auch er im Besitz eines solchen Herzens war? Auf jeden Fall tat es im Augenblick gut, von jemandem gehalten zu werden. Und so wehrte ich mich auch nicht dagegen.
    Doch was sollte denn schon wieder diese Bemerkung, die er mir so herausfordernd entgegenschleuderte. Hatte ich mir denn nicht in der letzten Zeit förmlich den Allerwertesten aufgerissen, um diese dämliche Sprache zu lernen? Hatte er denn in all diesen Wochen auch nur ein Wort meiner Sprache gelernt? Nich mal curragh bekam er richtig auf die Reihe!
    Doch diesmal würde ich ihm den Wind aus den Segeln nehmen!


    Das können wir gerne tun.,
    sagte ich ruhig, während er mich noch immer hielt.
    Irgendwie war das schon eigenartig. Da war man mal fünf Tage lang nicht da und schon hatte er sich so verändert! Und dies nicht zu seinem Nachteil!

  • "In den nächsten Tagen, wenn ich die Zeit dazu finde," sagte ich und musste ein leichtes Gähnen unterdrücken. Es war schon spät gewesen, als ich in mein cubiculum gekommen war, und jetzt war es garantiert noch ein gutes Stück später. Allein der Gedanke, morgen früh schon wieder zur salutatio der Klienten aufstehen zu müssen, die mir mein Vater hinterlassen hatte und deren Unterstützung für mein politisches Fortkommen ebenso unterlässlich waren wie das Vorhandensein eines guten Patrons, ließ mich noch stärker die Müdigkeit fühlen, die sich meines Leibes bereits bemächtigt hatte. Derzeit waren die Tage einfach zu lang und die Nächte viel zu kurz, ganz ohne andere Beschäftigung.
    "Lass uns schlafen, Bridhe, es ist spät genug geworden," murmelte ich denn auch eher gähnend denn wirklich aufmerksam in ihr Haar, das heute sauber und adrett roch, anscheinend hatte sie es geschafft, sich noch vor meiner Heimkehr zu reinigen. "Morgen gebe ich dir etwas Geld und wenn Du willst, kannst Du in der Stadt Dir etwas zum anziehen kaufen, damit sich Deine Garderobe ein bisschen füllt."

  • In der Tat, es war spät geworden. Es waren sicherlich schon einige Stunden vergangen, die wir erzählend verbracht hatten.


    Schließlich löste ich mich aus seinen Armen, lächelte ihm freundlich zu und gab ihm ein Küßchen auf die Wange.
    Gerade wollte ich mich hinlegen, als er mir eröffnete, ich dürfe morgen shoppen gehen! In dieser Hinsicht, war ich wohl wie jede andere Frau auf der Welt. Auch ich liebte es, stundenlang in irgendwelchen Läden herumzustöbern. Noch besser, wenn man dann sogar noch Ged dabei hatte!
    Mein Gesicht erhellte sich, doch meine Freude wurde auch gleich wieder gedämpft!
    Ich darf mir morgen etwas kaufen? Aber ich weiß doch gar nicht, wo man da hingehen muß!

  • Langsam zog ich die Deck etwas höher und räkelte mich ausgiebig, während ich fühlte, wie eine angenehme und den nahenden Morpheus ankündigende Mattigkeit meine Glieder umhüllte. Ihre Frage hingegen ließ mich kurz schmunzeln. "Nunja, wo man eben so hingeht - der Mercatus Traiani bietet eine Vielzahl von teuren und nicht so teuren Läden, am besten, Du nimmst Severus mit, dann hast Du jemanden, der den Weg kennt und den ganzen Kram tragen kann ... ein, zwei neue Tuniken könnte er auch brauchen. Also sei so gut und schau, dass ihr ihm auch etwas zweckmäßiges und nichts zu buntes kauft, ja?" Morgen durfte ich nur nicht vergessen, ausreichend Geld für sie zu hinterlassen, damit der Einkauf ungehindert vonstatten gehen konnte.

  • Mit einer unbändgen Fröhlichkeit antwortete ich ihm.


    Oh, ja Danke! Das wird mir ein Vergnügen sein!


    Lebhaft stellte ich mir vor, wie dieser Einkauf morgen verlaufen würde. Wie konnte Aqulius denn nur so grausam sein!
    Aus einem Gespräch mit Severus, wußte ich, daß er nichts mehr haßte, als einkaufen gehen zu müssen. Jedenfalls dann, wenn es um den Einkauf von Kleidern ging.
    Gehässig, wie ich ja nun auch gelegentlich einmal sein konnte, lachte ich mich innerlich halb tot.
    Gleich morgenfrüh, würde ich zu Severus gehen und das eine oder andere Wörtchen mit ihm bereden!
    Ja, auch Schwanenmädchen konnten gelegentlich rebellieren!
    Aber eine wahre Liebe, würde auch solch einem Sturm standhalten. Dessen war ich mir sicher.
    Zufrieden kuschelte ich mich zusammen. Erst jetzt bemerkte ich, wie sehr müde ich eigentlich war. Bald darauf fiel ich in einen tiefen, angenehmen Schlaf.

  • Mochte Severus ruhig auch einmal die Erkenntnis dämmern, dass ein Kleidungseinkauf mit einer Frau für einen Mann vor allem eines war - eine hervorragende Schulung seiner persönlichen Geduld und Schmerzschwelle. Wie fast jede Frau schien auch Bridhe von der aussicht begeistert zu sein, einen Haufen Geld ausgeben zu können - wahrscheinlich würde ich von Glück reden können, wenn mir am nächsten Tag noch die togen in meinem Schrank gehörten. "Schlaf gut, Bridhe," murmelte ich, schon reichlich schlaftrunken, und kuschelte mich dann sowohl in meine Decke als auch auf das Kissen, um nun endlich doch den wohlverdienten Schlaf zu finden - mochten die Götter allein wissen, wie spät es geworden war, ich war nicht verrückt genug, mir diese nackten Tatsachen noch um die Ohren schlagen zu lassen. Und während wir schliefen, pulsierte das Leben in der ewigen Stadt weiter, die ganze Nacht hindurch, und erst, als der Morgen graute, kehrten die letzten Nachtschwärmer heim, und die ehrlichen Arbeiter begannen wieder ihr Tagwerk ... und wieder ging der Rhytmus der ewigen Stadt weiter, ungeachtet aller Träume, Wünsche und Sehnsüchte ihrer Bewohner.

  • Seinen Gute-Nacht-Wunsch hatte ich schon gar nicht mehr gehört, denn schon bald übermannte mich der Schlaf. Es war ein tiefer, traumloser Schlaf. Ich hatte viel nachzuholen. Die letzten Tage, die ich im Sklavenquartier verbringen mußte, waren alles andere als angenehm gewesen!
    Doch als die ersten Lichtstrahlen am nächsten Morgen den Raum erhellten, wurde ich langsam wach. Ich öffnete meine Augen ein Spalt weit und mußteblinzeln, bis ich mich an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatte. Es mußte noch recht früh sein. Draußen war alles grau in grau. Vielleicht hatte es heute Nacht geregnet. Auf jeden Fall sah es ungemütlich aus. Da war es doch richtig gut, hier im Bett zu liegen!
    Gähnend streckte ich mich. Dann drehte ich mich zu Aquilius hin, um zu sehen ob er schon wach war. Doch Fehlanzeige! Alles deutete darauf hin, daß er noch schlief. Ob er heute wohl wieder seine Spielchen mit mir treiben wollte? Doch das war mir im Moment gleichgültig. Eine Zeit lang lag ich nur da und schaute ihn an , wie er so schlief. Wieder ganz friedlich. Alle möglichen Gedanken schwirrten in meinem Kopf herum. Mir fiel ein, wie Severus mir sagte, Aquilius hätte mich speziell dafür gekauft, um nachts bei ihm zu schlafen. Ich fragte mich jetzt, wer wohl meine Vorgängerin war und was mit ihr passiert war. Dann fiel mir wieder ein, was er mir kurz vorm Einschlafen versprochen hatte. Heute wäre Ekinkaufen angesagt! Für mich selbst dürfte ich etwas kaufen! Und Severus müßte mitgehen! :D
    Ich spürte nun, wie frisch es im Zimmer war und wie sich auf meinen Armen eine Gänsehaut gebildet hatte. So rückte ich ein Stückchen näher an ihn heran, damit ich nicht mehr so frohr.

  • Als sich ein kühler Arm um meine Hüfte legte und die Decke deswegen verrutschte, murmelte ich irgend etwas ungehaltenes - und war unwiederruflich wach. Besonders hell war es noch nicht, aber mein langsam ebenso wach werdendes Zeitgefühl sagte mir, dass ich nicht allzu lange würde liegen bleiben können. Die salutatio der wenigen Klienten meines Vaters, die ich nach seinem Tod übernommen hatte und die gerade in Rom weilten, wartete, und im Tempel würde es auch wieder genug zu tun geben - am liebsten wäre ich noch eine Weile liegen geblieben, aber es half alles nichts. Da musste man eben durch.
    "Guten Morgen, Bridhe," murmelte ich und gähnte dann ausgiebig, mich unter der Decke weit räkelnd, bis irgend etwas in meinem rücken knackste und ich mich ein bisschen besser fühlte.

  • Oh weja! Das hörte sich aber gar nicht gut an. Sicher war er völlig verspannt. Zumindest konnte man das erahnen, wennn man seine Knochen knacksen hörte.
    Noch etwas schläfrig schaute ich drein, doch fühlte ich mich eigentlich recht gut. Voller Energie und Tatendrang!
    Mittlerweile war es mir auch schon wärmer geworden, dank der Wärme, die er abstrahlte. Da er mir ja gestern Abend zu verstehen gab, ich hätte nichts von ihm zu befürchten, machte es mir auch nichts aus, so nah bei ihm zu liegen. Ich fragte mich zwar dann doch, für wen von uns beiden, dieser Zustand wohl am schwierigsten war, zu widerstehen. Für mich sicher nicht! Hauptsache warm!


    Guten Morgen, dominus! Soll ich dir eine, ähm, wie heißt das nochmal, ach ja, eine Mheicnadh*, geben?


    Bestimmt würde er sich darüber freuen. Wenn ich daran dachte, wie wohltuend und erquickend es war, als Severus mich abends im Bad massiert hatte, hätte ich jetzt noch ins Schwärmen kommen können.


    * Das ist nicht das irische Wort für Massage, sondern lediglich der Versuch, es so zu schreiben, wie man es sprechen würde!

  • "Was willst Du mir geben?" Ich kniff die Augen zusammen und fixierte sie damit noch ziemlich schlaftrunken. Es klang wie irgendein sehr fremdländisches ericht. Oder eine Umschreibung irgendeiner hmm .. nein, in die Richtung wollte ich gar nicht erst denken, es würde dafür ohnehin keine Zeit bleiben. "Ich muss aufstehen, Bridhe, sei so gut und ruf mir den tonsor, damit ich zur salutatio auch nach was aussehe. Und vergiss nicht, Severus sein Schreibzeug zu geben, bevor ihr aus dem Haus geht für den Einkauf," sagte ich und schob die Decke langsam und sehr widerstrebend den Körper entlang herab, die morgendliche Reaktion meines Körpers, die nun einmal über Nacht zumeist auftrat, nicht einmal mit besonderer Aufmerksamkeit betrachtend.


    Gähnend tappte ich das cubiculum entlang, fuhr mir mit der Hand durch das zerstrubbelte Haar und warf einen Blick in den an der einen Wand aufgestellten Bronzespiegel. Der Kerl, der mir da entgegen blickte, brauchte eindeutig eine Rasur. Ich fuhr mir mit der Hand die Bartstoppeln entlang und gähnte abermals. Früh aufstehen war mir immer verhasst gewesen, und das würde es bleiben, aber so war es nunmal Sitte. Ich legte mir das Lendentuch um, das sie am Abend vorher für mich frisch gewaschen herausgelegt hatte, schlüpfte dann in die weiße tunica für diesen Tag und entzündete eine der Öllampen, die den Raum in ein flackerndes Licht tauchte. Dann nahm ich auf dem Stuhl Platz, der neben einem Tischchen stand, und dem tonsor seine Arbeit enorm erleichtern würde, überragte ich den kleinwüchsigen Thraker mit den geschickten Händen doch um einiges. Wie gerne wäre ich doch jetzt liegengeblieben ...

  • Mist, Mist, Mist! Ständig sagte ich es vor mir her, als ich eiligen Schrittes zurück zur Villa lief.
    Mein Weg führte mich direkt zu seinem cubiculum. Dort sollte ich auf ihn warten.
    Im Moment saß er sicher noch unten im Garten mit dem Aurelier. Innerlich hoffte ich, er würde noch lange dort verweilen. Dann wäre vielleicht seine Wut über mich wieder etwas abgeflaut.
    Doch es war für mich auch die reinste Tortur, hier zu warten! Was sollte ich ihm denn nur sagen? Wenn ich einfach nur zugeben würde, gelauscht zu haben wäre er sicher genauso sauer, wie er es nach einer Lüge wäre.
    Ich sah mich bereits wieder, wie ich tagelang in der Küche verbannt sein würde. Oder vielleicht würde es ja noch schlimmer.
    Unruhig ging ich auf und ab, während ich die wildesten Gedankengänge entwickelte.

  • Nach dem Gespräch mit Corvinus im Garten - und Bona Dea, es war ein ganz anderes Gespräch geworden, als ich es jemals vermutet hätte - stand noch etwas weiteres an. Ich musste mich der Loyalität Bridhes versichern, und ihr zur Not auch klarmachen, dass jedes Wort über diese Angelegenheit für sie ungesund werden würde - es war besser, es ein für allemal geklärt zu haben. Auch wenn mir vor diesem Gespräch graute, ich fühlte mich nach wie vor angeschlagen und im Innersten taub von all den Entwicklungen der letzten Tage. Jetzt noch eine Sklavin, bei der ich mir nicht sicher war, ob ich ihr überhaupt trauen konnte, war schon fast zuviel des Guten - und so ließ ich mir mit dem Rückweg Zeit, ohne zu ahnen, dass sie voller Unruhe warten musste. Als ich schließlich mein cubiculum betrat, hatte ich meine Gefühle wieder so unter Kontrolle bekommen, dass sich meinem Gesicht nichts ablesen ließ, die übliche Maske der Gleichgültigkeit war zurückgekehrt, hinter der ich mich so oft verstecken musste.
    "Bridhe," sagte ich, wenig originell, zugegebenermaßen, "... was hast Du vorhin im Garten gemacht?"

  • Endlich öffnete sich die Tür. Aquilius trat ein und hielt sich nicht lange mit irgendwelchen Nebensächlichkeiten auf, sondern kam gleich zur Sache.
    In seiner Miene war wieder nichts Erkennbares herauszulesen. Ich haßte das an ihm, da man nie genau wußte, woran man eigentlich war.


    Ich hab ein wenig im Gras gesessen und habe das schöne Wetter genossen.
    sagte ich vorsichtig und was ja auch der Wahrheit entsprochen hatte.
    Wo ich gesessen hatte, welche Eindrücke ich dabei gewonnen hatte, teilte ich ihm noch nicht mit.
    Doch natürlich war mir klar, worauf er hinaus wollte. Doch solange er dieses Thema nicht ansprach, würde ich es auch nicht tun. Außerdem konnte ich so noch besser herausfinden, was er tatsächlich ahnte.

  • Ich blieb nahe des Fensters stehen, blickte sie aber an - ihr Gesicht musste ich sehen, um einen Hinweis darauf zu erhalten, ob sie mich anlog. Sie hatte es einmal getan, und wer wusste schon, wieviel sie sonst noch vor mir verheimlichte, es war die Natur von Frauen, nicht über alles zu sprechen, was sie bewegte. Im Gras gesessen. Anscheinend hatte sie nicht genug Aufgaben den Tag über, wenn sie Zeit fand, nachmittags im Gras herum zu sitzen, überlegte ich kurz und runzelte die Stirn - wahrscheinlich stimmte es, ich war zu nachgiebig mit meinen Sklaven, zu gutmütig, zu wenig dahinter her, sie zu erziehen.
    "Was hast Du alles von unserem Gespräch gehört?" fragte ich weiter, und mein Blick bohrte sich in den ihren. Das hier war keine Spielerei, meine Miene dürfte auch ihr deutlich genug gemacht haben, dass es mir bitterernst war und es hier nicht um eine Kleinigkeit ging. Hätte ich alles herunterspielen sollen? Aber wahrscheinlich war es ohnehin zu spät, um das noch zu tun, ich hatte mich im Gespräch mit Corvinus zu sehr aufgeregt, und wenn sie das gehört hatte, wäre es alles nur Lüge gewesen.

  • Seinem Blichk entnahm ich, daß ihm meine Antwort nicht ausreichend genug war. Seine Augen bohrten sich förmlich in mein Gesicht. Er wollte es genau wissen und zwar alles!


    Ich habe zwar nicht alles gehört, aber euer Gespräch ist mir nicht entgangen, so laut wie ihr euch unterhalten habt.
    begann ich zu beichten. Doch er wollte ja auch wissen, was ich gehört hatte. Mir war klar, daß es nichts bringen würde, irgendetwas zu erfinden. Er würde es sicher merken und dann, Gute Nacht liebe Welt!
    Also blieb ich bei der Wahrheit. Den Kopf gesenkt, sprach ich weiter.


    Ich habe gehört, wie du sagtest, du liebst jemanden.


    Während des Gesprächs, das ich im Garten belauscht hatte, war mir nicht recht klar geworden, wer dieser Jemand war. Ich hatte nur herausbekommen, daß es sich um einen Mann handeln mußte.
    Sicher würde er jetzt stocksauer sein und vielleicht werweißwas mit mir anstellen. Aber ich wollte ihm zumindest begründen, warum ich gelauscht hatte.
    Ich sah zu ihm auf, blickte in seine Augen und fuhr fort.


    Ich weiß es ist nicht zu entschuldigen, was ich getan habe, aber ich tat es, weil ich mich um um dich gesorgt habe. Als du mich fort schicktest und ich die Laube verlassen hatte, warst du so verzweifelt. Da konnte ich nicht einfach so weg gehen und tun als wäre nichts gewesen.

  • Sie hatte es also gehört. Womöglich noch seinen Namen, aber sie war wohl auch klug genug, Gracchus nicht anzusprechen. Es war besser so, und so sollte es auch bleiben. Was Gracchus und mich anging, diese Dinge mussten im Verborgenen bleiben.
    "Was Du gehört hast, wirst Du bei Dir behalten. Kein Wort dazu zu irgend jemandem in diesem oder ausserhalb dieses Haushalts, nicht zu Severus, nicht zu einem meiner Verwandten, hast Du mich verstanden? Es ist eine Sache, etwas aussichtsloses zu hoffen und zu ersehnen, und eine andere, es ertragen zu müssen, dem Mitleid anderer ausgesetzt zu sein. Das will ich nicht. Es ist meine Sache, und meine Sache allein."
    Vielleicht wusste sie nicht, wie verboten mein Hoffen war. Vielleicht ahnte sie nicht einmal, welche Waffe ihr damit gegen mich in die Hand gelegt worden war, und vielleicht würde sie es nicht erfahren. Verboten war es nicht, einen Mann zu lieben, die Gesellschaft sah darüber hinweg, wie man sich schon über Catulls Liebesgedichte seinem Gespielen gegenüber amüsiert hatte. Aber einen Verwandten zu begehren, das war weitab von allen erlaubten Pfaden, selbst wenn diese Liebe niemals gelebt wurde. Vielleicht war es meine Schuld, mein sinnloses Hoffen, mein sehnsüchtiges Begehren, das diese dunklen Wolken über die Flavier gezogen hatte.

  • In einer gewissen Weise machte es mich traurig, in welchem Ton er mit mir sprach. Schließlich hatte ich ihm gerade offenbart, daß ich mich um ihn sorgte. Hätte er in diesem Momemt nur eine Sekunde weiter gedacht, hätte er sicher bemerken müssen, daß ich ihn, trotz allem, mochte. Aber gut, Männer und denken sind zwei Paar Schuhe!
    Er war einfach nur damit beschäftigt, zu hoffen, ich würde sein Geheimnis nicht überall herum tratschen. Hatte er wirklich eine solche Meinung von mir?
    Natürlich wußte ich, welche Macht mir dieses Geheimnis über ihn verliehen hatte. Doch es war einfach nicht meine Art, daraus einen Vorteil zu ziehen.
    Verächtlich, nicht etwa weil er gewisse Neigungen für einen Mann empfand, sondern eher, wie er über mich dachte, schaute ich ihn an und anwortete ihm.


    Ja, ich habe verstanden! Kann ich jetzt gehen?


    Ich wollte keine Minute länger hier in seiner Umgebung bleiben. Das machte mich einfach krank! Ich hatte schon genug Probleme, die mir Kopfzerbrechen bereiteten. Da wollte ich sein Problem nicht auch noch aufgeladen bekommen.

  • Ich blieb einfach stehen und betrachtete sie. Die blassen Züge, denen eine gewisse Eleganz nicht fehlte, das dunkle Haar, die seelenvollen Augen. An jedem anderen Tag hätte ihr Schönheit wohl den ewigen Hunger in mir gerührt, der niemals ganz erlöschen könnte, mit dem ich mich wohl mein ganzes Leben lang würde quälen müssen. Vielleicht war der Hunger auch nur deswegen so stark, weil ich einen anderen Hunger niemals würde stillen können .. ich wusste es nicht. Aebr heute betrachtete ich Bridhe wie ein exquisites Gemälde, eine Gesamtkomposition, deren köstlicher Reiz darin bestand, lebendig zu sein, und nicht einmal erschaffen, um dann für ewig in derselben Form zu existieren. Wusste sie um ihren Reiz? Sie benahm sich oft so unbefangen und mädchenhaft ... so jung, flüsterte eine innere Stimme in mir, und so alt bist Du. Allenfalls zehn Jahre mochten uns trennen und doch schien es mir, als seien es Welten.
    "Noch nicht ... es gibt da noch etwas." Ich wandte mich vom Fenster ab und setzte mich langsam auf die Kante meines Betts, klopfte auf die Matratze neben mich. "Setz Dich zu mir, es gibt noch etwas zu besprechen."

  • Was denn noch?, dachte ich bei mir. Doch ohne eine Abneigung zu zeigen, setzt ich mich neben ihn auf das Bett. Anschauen mochte ich ihn nicht. Ich hatte heute schon genug gesehen. Das war völlig ausreichend!
    Doch konnte ich nicht abstreiten, daß eine gewisse Spannung in mir herrschte. Was gab es denn noch so wichtiges, was er mit mir noch zu besprechen hatte? Sollte ich seiner Zukünfigen wieder ein Geschenk vorbei bringen oder war es sonst etwas, wofür er sich zu Schade war.

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