Triclinium | Furianus, Lucullus, Gracchus

  • Furianus war sich eben noch sicher gewesen, dass er mit seiner doch nicht sehr glaubhaften Lüge eine gute Antwort hätte und sie zu einem anderen Thema kommen konnten, doch dem war nicht so. Natürlich durfte keiner erfahren, dass er sich dem Cultus Deorum nur verweigerte, weil seine Verlobte ihm gegenüber weisungsbefugt wäre. Sein Stolz würde dies niemals zulassen, dass ihn seine eigene Frau öffentlich befehligen konnte. Nein, da blieb er doch lieber außerhalb der Tradition oder gar ohne öffentliches Amt.


    "Ich finde es als Vorteil Deliciae als Beruf ausüben zu können. Aber nein, einen Vogelflug gab es nicht, nur einen Traum, welcher mir auch gedeutete wurde."


    Eine nicht recht überzeugende Antwort, aber immerhin konnte er antworten. Und eine bessere Ausrede wollte ihm auch nicht einfallen.


    "Quirinus sagst du? Löblich, Lucullus, denn man hört so wenig von Priestern, die sich ihm verschrieben, anders als es bei Mars oder Iuppiter der Fall ist."

  • Als Sciurus seinen Herrn davon unterrichtet hatte, dass sein Bruder in Rom eingetroffen war, stieg Zorn in Gracchus empor und er spie den Namen Animus geradezu aus. Doch der Sklave beruhigte ihn eilig und versicherte ihm, dass es sich nicht etwa um den verhassten Bischof, sondern um seinen jüngeren Bruder Lucullus handelte. Seinen Bruder Animus hatte Gracchus seit seiner Karriere bei den Christen immer versucht zu verdrängen, ihn durch die bloße Nichtanerkennung seiner Existenz aus seinem eigenen Leben zu streichen und ihn zu vergessen. Bei Lucullus war dies über die Jahre hin ganz von selbst passiert. Lucullus war in Oberitalia aufgewachsen, Gracchus dagegen in Achaia und nur selten hatten sie sich Briefe geschrieben und berichtet was hier und dort geschehen war, belanglose Berichte, wie man sie auch jedem Fremden hätte schreiben können. Denn dies waren sie füreinander: Fremde. Das letzte Mal, als sie sich von Angesicht zu Angesicht gesehen hatten, war Jahre her, sicherlich zehn an der Zahl. Es war bei einer Bestattung gewesen, wie sich Gracchus erinnerte, eine von jenen, zu denen er eigens nach Italia angereist war, womöglich sogar die eines ihrer Elternteile, zumindest jedoch eine, welche Gracchus aus seinen Erinnerungen verdrängt hatte. Auch dort waren sie einander fremd gewesen, waren sich nicht etwa in den Armen gelegen und hatten sich über ihren Schmerz getröstet, sondern hielten Abstand voneinander, jeder darum bemüht, seinen Stolz vor sich her zu tragen und um ausdruckslose Gelassenheit trotz des Anlasses. Seit diesem Tag waren sie sich nicht mehr begegnet. Gracchus hatte nie das Bedürfnis verspürt, seinen Bruder näher zu kennen, denn Aquilius war ihm in Achaia mehr gewesen, als ein Bruder es je hätte sein können. Mit dem Vetter war er aufgewachsen, hatte mit ihm die grauen Stunden der Theorie und die Nachmittage im Spiel verbracht, später sich in Rede und Kampf mit ihm gemessen. Sie hatten jede Leidenschaft und jedes Geheimnis geteilt, wozu brauchte er da einen Bruder, der nichts mit ihm gemein hatte, als seinen Namen und seine Eltern? Dazu war die Verbitterung über das Schicksal ihres älteren Bruders gekommen und die irrationale Furcht, der jüngere konnte sich in eine ähnliche Richtung entwickeln.
    Dennoch, als Sciurus ihm von Lucullus' und nicht von Animus' Ankunft berichtete, wurde Gracchus von Neugier gepackt und eilte sich, ins Triclinium zu gelangen. Sein ursprünglicher Plan hatte es vorgesehen, erst später zum Mahl zu erscheinen, stand ihm bei der fortdauernden Hitze der Sinn doch weniger nach Völlerei, denn nach Mäßigung. Nun jedoch prüfte er sein Erscheinungsbild mit einem, möglicherweise eitlen, Blick in den Spiegel, er trug eine leichte Sommertunika aus feinem Gewebe in dezenten grünfarbenen Tönen, und verließ sein Cubiculum um kurz darauf das Triclinium zu betreten, als dort ein Moment der Stille eingekehrt war.
    "Salvete! Verzeiht bitte meine Verspätung."
    Er nickte Furianus zu und blickte zu dem Mann hin, der eindeutig sein Bruder war.
    "Lucullus."
    In jenem Wort lagen Verblüffung, Freude und höfliche Distanz zugleich. Jene Distanz, welche man Fremden gegenüber aufbrachte, eine Spur Freude, da es sich trotz allem um Gracchus Bruder handelte. Die Verblüffung jedoch rührte allein vom Anblick, denn aus dem Jungen, dessen Körper sich nicht hatte entscheiden können zwischen dem eines Kindes und dem eines Mannes, war letztändlich wie aus allen Jungen ein Mann geworden. Ein Mann, in dessen Gesicht Gracchus Züge von sich selbst wiederfand, aber auch die strengen Züge ihres Vaters und die wachen Augen ihrer Mutter. Der Anblick allein genügte, um in Gracchus eine seltsame Vertrautheit hervorzurufen. Er ließ sich auf die freie Kline hernieder und musterte Lucullus offen.
    "Es ist lange her. Ich freue mich, dass auch du nun nach Rom zurückgekehrt bist. Du wirst doch bleiben?"
    Die Zeit für Lucullus seine Pflicht zu erfüllen war es immerhin, doch Gracchus wusste selbst nur zu genau, dass jene auch umgangen werden konnte. Mit leichtem Unbehagen dachte er daran, dass er selbst die für ihn vorgesehene Pflicht nicht erfüllte, stattdessen bereits Lucullus zuvor gekommen war. Durch das unplanmäßige Auftauchen von Felix Söhnen hatte sich die Situation der Gens Flavia zwar gewandelt, doch es änderte nichts an der Situation der Familia Flavius Vespasianus und daran, dass Gracchus nach Animus Versagen das Erbe seines Vaters hätte antreten sollen.

  • Es war für einen Moment Stille im Triclinium eingetreten, denn ich war dabei zu überlegen, warum die Liebhaberrei eben so hieß, wie man sie nannte und wie ich es ausführen würde, wenn sie zu einem beruflichen Spiegelbild wurde. Doch die Götter schienen sich auf ihren neuen Boten zu freuen und erlösten mich von dieser schwierigen Antwort.


    Ein Mann trat in den Raum, den ich auf jenen ersten Blick, der manchmal den gesamten Eindruck bereitete, nicht erkannte. Doch als er so vertraut meinen Namen schwang, konnte es nur Gracchus sein. Mein geliebter Bruder, der weit in der Ferne reifte, während ich ihn in Oberitalien gänzlich vergaß.


    Wären nicht jene Scribas und persönliche Sekretäre gewesen, hätte ich wohl nichtmal jene wenigen einfallslosen und monotonen Zeilen an ihn verfasst, die dann weite Wege nach sich zogen.


    Ich blickte ihn an und drang ein Stück tief in Graccus ein. Doch ich wollte ihn nicht verunsichern und ließ so ab von ihm.


    "Gracchus"


    Entrang es meiner Kehle. Erst wollte ich aufspringen ihm um den Hals fallen. Doch wer war er, wer war ich. Wo waren wir? Hier! So blieb ich fast regungslos liegen, folgte seinen Bewegungen und antwortete auf seine Frage, die nicht einfacher hätte sein können.


    "Ich werde dem Wunsch unseres Vaters folgen und in Rom bleiben."


    Wenn es nicht Gracchus war, dann würde er mich nun mit schiefen Blick begegnen, doch ohja ich sehe deine Augen mein Bruder und ich sehe, das du weißt was unser Vater von uns forderte.


    Ich wartete ab, schweigend, die Ruhe in mir aufnehmend.

  • Kaum war es gedacht, war es schon gesprochen, und was keiner wusste außer sein Vetter Felix, und dieser auch nicht zur Gänze, lag schwer auf Gracchus' Seele. Er hatte seinen Bruder um dessen Platz betrogen, einmal bewusst und einmal in Folge dessen, womöglich unverschuldet, doch ebenso bewusst. Man mochte behaupten, dass die Götter seinen Weg geführt hätten, doch Gracchus wusste sehr genau, dass er selbst die Fäden gezogen hatte, zumindest in gewissen Maßen. Er hatte dafür bezahlt, doch letztendlich hatte er vermieden, was nicht sein Wunsch gewesen, und getan, was dem Wunsch seines Vaters völlig entgegen gesetzt war. Seit den Geschehnissen in Achaia hatte Gracchus die Ehrung des Geistes seines Vaters vernachlässigt aus der Furcht heraus, er würde ihn aus dem Elysium heraus verfluchen. Natürlich hatte er dem Bruder von seinem neuen Weg geschrieben, alles doch nur schwammig mit dem Gelübde begründet, ohne einen Grund dafür zu nennen, so wie vor allen anderen auch. Niemand hatte einen Grund daran zu zweifeln und niemand einen Grund dies zu kritisieren, außer womöglich Lucullus, dessen eigener Weg nun im Schatten seines Bruders stand.
    "Das ist gut. Die Götter werden deinen Dienst zu schätzen wissen. Wie war deine Reise hierher?"
    In seinen Augen konnte Gracchus sehen, dass Lucullus wusste. Er konnte dem nicht standhalten und lenkte seinen Blick auf den Tisch um nach dem Glas zu greifen, welches ein Sklave bereits gefüllt hatte.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Ich hatte bis zum letzten Augenblick gehofft, doch die Worte meines Bruders ließen nicht erkennen, das dessen Zeilen voller Wertschätzung an mich gerichtet nicht jenes vermuten würden, was ich selbst damals dachte. Diese seine ausgesprochenen Silben vertieften die Furche meiner Gedanken und doch waren wir einer Familie entsprungen. Mir fehlten drei Jahre, eine lange Zeit. Ich würde niemals in jener Riege aus dem Schatten hervor treten können und dem Wunsch meines Vaters et Acta legen müssen. Doch ich würde abwarten, ja genau das was ich seit dem fünfzehnten Lenz getan habe. Der Geduldige wird immer dem Eilenden voraus sein.


    Meine Worte fassten seine auf, verschlangen sie und sprudelten eben so heraus. Dem Ungeduldigen wäre dabei das Blut in den Adern gefroren.


    "Die Götter werden unseren Dienst zu schätzen wissen."


    Mein Blick traf nicht den Seinen, denn er hatte sich mir abgewandt. Ich mußte ebenfalls eine kalte Pause machen und trank einen Schluck vom Wasser.


    "Ich reiste sehr lange für die Länge der Strecke, aber ich kam gesund und nicht zu erschöpft hier an."


    Der Becher drehte sich in meinen Händen und ich versuchte die Spannung mit einem kleinen Lächeln -nur nicht zuviel- abzubauen.

  • Mit einem unterschwelligen Schaudern fühlte sich Gracchus plötzlich an seine Beziehung zu Claudia Antonia erinnert. Auch in diesen Gesprächen wurde mehr nicht gesagt, denn gesagt wurde, auch diese Beziehung war geprägt von einer endlosen Distanz welche durch vordergründliche Nettigkeiten überbrückt wurde. Gracchus warf einen kurzen Blick zu Furianus und kam sich vor wie ein Fremder im eigenen Haus. Er sehnte sich nach seinem Vetter Aquilius, nach der Ungezwungenheit ihrer Gespräche und der Sicherheit seiner Gegenwart. Doch alles Sehnen half nichts, ebenso wie die Hochzeit mit der Claudia gehörte es zu seinen Pflichten hier zu sein. Zudem schalt er sich einen Narren, dass er sich dermaßen von der eigenen Gens verunsichern ließ.
    "Wer zur rechten Zeit den Weg zu genießen weiß, dem bleibt es erspart überhastet am Ziel anzugelangen."
    Ohne einen Sklaven, die letzten Sesterzen den Mietsklaven in die Hand drückend und eigenhändig an die Pforte klopfend. Gracchus blickte seinen Bruder an, doch nur kurz, hatte er doch das Gefühl, dieser könnte in seinem Blick lesen, was sich in seinen Gedanken umhertrieb. Zur Ablenkung beugte er sich vor und nahm etwas von den Speisen auf seinen Teller. Er sammelte sich in der Betrachtung einer Auster, dieses merkwürdigen Tieres mit der harten Schale und dem weichen Kern. Schließlich blickter er gefestigt auf.
    "Die Unterstützung der Familie wird dir gewiss sein. Wenn du etwas brauchst, zögere nicht, an mich heranzutreten. Auch in Belangen des Cultus Deorum."
    Er wandte sich zu Furianus und bemerkte erst jetzt, dass dieser sich an den Austern gütlich tat. Wahrhaftig, die Götter machten es Gracchus nicht leicht. Über diesen Anblick verlor er erneut die Festigkeit und vergaß vorerst zu sagen, was er noch eben im Sinn gehabt hatte.

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Die Kühle im Raum wich in meinen Gedanken schlagartig der Hitze, doch da war er jener Mann, der mit mir vor wenigen ungequälten Augenblicken noch über Zierfisch-Liebhaberei palabert hatte. Völlig ruhig saß er da, sicher waren seine Ohren spitzer als jene Schwänze, die Schwertfische hinter sich her zogen. Nein hier würden wir uns niemals offenbaren. Dazu brauchte es einen eigenen Raum, einen wo die Wände so dick waren, das auch angelegte Ohren nur ein leises Summen vernahmen.


    Gracchus war zuweit gegangen, er hatte mich mit seinen verhöhnenden Worten heraus gefordert. Nur weil ich unserem Vater auch nach seinem Tod Gehör schenkte und mich an die vorbereiteten Stufen, Regeln und Tafeln hielt, sollte es mir nun zum Nachteil gereichen. Ich wußte nicht, warum ich so dachte, war es Neid, Missgunst oder unbändige Liebe?


    So wenig hatten wir uns früher zu sagen, so zweischneidig war unser erstes Gespräch seit vielen Jahren. Ich würde warten, geduldig und immer in seinem Schatten. Zeit war genug und bis dahin würde ich versuchen ihn zu verstehen. Doch vorsichtig mußte ich sein. Zuviel Nähe konnte mich mitreißen, konnte mich verraten, würde mich nicht in jenem Licht erscheinen, wo ich stand.

    "Unser Weg wird das Ziel sein, Gracchus und ich werde mit Bedacht nach Unterstützung fordern, sollte das Ziel weiter sein, als eingeschätzt."


    Meine Hand glitt ganz von allein in jene Schale, wo sich einige der frischeren Leckereien tummelten. Es war nicht die Zeit zum Austernessen, auch wenn es Furianus anders sah.

  • Gracchus stellte den Teller wieder vor sich ab. Er hatte ohnehin nicht im Sinne gehabt, sich der Völlerei hinzugeben, so war es nur recht, wenn er die Vorspeise mit Missachtung strafte. Unser Weg - hallten die Worte seines Bruders durch Gracchus Gedanken und die Bürde dieses Weges lag Gracchus mit einem mal schwerer auf den Schultern, als jemals zuvor. Er würde Claudia Antonia heiraten, weil dies eine Pflicht war, welche von ihm erwartet wurde, er würde sogar einen Erben mit ihr zeugen, wie es seine Pflicht war. Doch die Pflicht seiner Familie, seinen Eltern und seinem Bruder gegenüber hatte er nicht nur vernachlässigt, er hatte sich ihr widersetzt. Wie einen Schlag ins Gesicht traf ihn auf einmal die Erkenntnis, dass er nicht besser war, als sein verhasster Bruder Animus. Jener hatte seine Pflicht vernachlässigt und sich zu den Christen geflüchtet, war es denn soviel besser, sich in den Glauben der Götter zu flüchten, blieb Flucht nicht immer Flucht? Gracchus griff nach dem Weinglas wie nach einem Strohhalm, doch er schluckte schwer an dem edlen Tropfen. Die Wahl zwischen dem Blick auf seinen Bruder, der ihm sein Gewissen aus den tiefsten Schubladen seines Selbst holte, oder zwischen Furianus, welcher im Iulius genüsslich seine Austern schlürfte, fiel ihm schwer, doch letztendlich waren die Austern das kleinere Übel.
    "Sag Furianus, wie geht es in der Politik voran? Hast du recht viel zu tun?"

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Das Gefecht war gewonnen, doch fühlte ich mich nicht als Sieger, sondern hatten wir beide verloren. Ich hatte mir den Rückzug verbaut, nur wenige Worte hatten die Halle durchklungen, doch waren jen edabei, die es mir jetzt unmöglich machten einen geordneten Rückzug in eins der Gästezimmer zu versuchen. So blieb ich regungslos auf meiner Kline liegen, wartete darauf, das man die traditionelle Vorspeise zum Abendmahl auftrug und schwieg in mich hinein.


    Gracchus war intelligenter als ich es ihm je zugedacht hatte. Ich mußte noch mehr Vorsicht walten lassen, als es bereits mein Plan war und ich wußte, das er jeden falschen Schritt sofort ausnutzen würde. Ich sehnte mich zurück auf das Landgut, meine Hoffnung auf Rom war wie mit einer tiefen Schlucht durchtrennt und ich wußte schon jetzt, das ein enfacher Sprung nicht ausreichte, um den anderen Hort zu erreichten.


    Wieder und wieder schwammen Gedanken in meinem Geiste zusammen, vermischten sich und versanken der Schwere wegen, um von neuen Ideen abgelöst zu werden, die die Torwache verscheuchte. Ich mußte einen unzulänglichen Eindruck machen, als ich endlich aus jenen Schwallungen aufschreckte, doch ich war wach gewesen und meine Lippen brachten keinen Laut hervor. Die Situation war nur durch den Griff in die Traubenschale und einem Schluck des guten Weines zu bändigen und so führten meine Arme jenen Auftrag mit Sorgfalt und auferlegter Ruhe aus.

  • Die Distanz, welche Gracchus seinem Bruder gegenüber einhielt war Furianus gewohnt, jedoch nicht minder überrascht, dass er diese Distanz nicht vor seinem eigenen Bruder ablegte und sich den Emotionen hingab. Oder er hatte schlicht keine empfunden.
    Von seiner Frage aufgeschreckt hielt er inne und versuchte halbwegs ehrlich zu antworten.


    "Die Politik scheint verstummt, zumindest die wahre. Zur Zeit redet man nur über die Rolle der Frau, die nun schon seit einiger Zeit im Wandel ist, sich jedoch noch nie solch Aufmerksamkeit erfreuen konnte. Die Kandidaten des Cursus Honorum werden zuerst nach ihrer Gesinnung befragt, die Fähigkeiten nehmen hierbei eine sekundäre Rolle ein. Und ich, ich selbst bin ehemaliger Aedil und widme mich anderen Dingen."


    Aus seinen Worten war zu entnehmen, dass er diesen Umstand nicht gut hieß, war es für ihn doch keine wahre Politik, sondern nur Aspekte, die die Ankläger der Dekadenz benutzten, um sich wieder in das römische Leben hinein zu rufen. Wann diese kritischen Vorwürfe anfingen wusste er nicht genau, doch schon Tacitus äußerte sich diesbezüglich.

  • "Es ist eine Schande."
    Gracchus Stimme war nun wieder gefestigt. Es gehörte zu seinen charakterlichen Eigenheiten, dass er Themen wie Gemütslagen beinahe wahrlos wechseln konnte. Eben noch drückten Selbstvorwürfe und Gewissensbisse auf seine Seele und ließen ihn nicht ein noch aus wissen, im nächsten Moment ereiferte er sich bereits für die Politik und hatte das vorherige für den Moment vollkommen verdrängt. Es war ohnehin nicht sinnvoll weiter darüber zu sinnieren, bedurfte es doch eingehender Überlegungen oder zumindest der brüderlichen Zweisamkeit.
    "Du wirst sicher für die nächste Amstzeit kandidieren? In diesen Zeiten braucht es fähige Männer, welche den Menschen vor Augen halten, welche Werte von Bedeutung sind."
    Ein Sklave trug endlich eine Platte mit weiteren Speisen herein und Gracchus entdeckte darauf verzückt Kopfstücke vom Eber mit Melonenmus. Ebenso schnell, wie er Themen und Gemütslagen wechselte, verwarf er den Plan sich nicht an den Vorspeisen zu beteiligen, und ebenso schnell landete ein Anteil von diesem Mahl auf seinem Teller.
    "Welchen anderen Dingen widmest du dich, Vetter? Ein Klient von mir sucht eine Anstellung, möglicherweise als Scriba Personalis oder Verwalter, doch ich habe selbst keinen Bedarf, erfüllt doch mein Sklave diese Pflichten."

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • "Sicherlich werde ich kandidieren, Vetter, doch zuvor muss ich mich des Senatorenstandes würdig erweisen."


    Sagte er in einem doch bitteren Ton. Es lag noch immer wie ein Schatten über seiner Seele, diese Schmach, dass ihm die insignia dieses elitären Standes verwehrt wurden. Wahrscheinlich sprach man schon in den Straßen Roms davon, ja, beinahe konnte er sie hören.


    "Auf des Kaisers Wunsch werde ich ihm als Architectus Provincialis in Hispania dienlich sein. Einen Scriba Personalis könnte ich gebrauchen. Ist er tüchtig und bereit einen langfristigen Aufenthalt in Hispania in Kauf zu nehmen?"

  • Eine Falte schob sich zwischen Gracchus Brauen. Die Voraussetzungen der Praetur hatte er nicht bedacht und es mochte stimmen, was sein Vetter sprach.
    "Wie wahr, doch wird es nicht nur von dir allein abhängen."
    Er vermied es, seine Gedanken auszusprechen, welche dahin gingen, dass ein Vater im Senat dem nicht unbedingt zuträglich war, zumindest nicht, solange er lebte. Furianus mochte dadurch nur auf ungute Gedanken kommen. Stattdessen widmete Gracchus sich dem Fleisch, kam jedoch nicht dazu es zu genießen, denn das Thema geriet bereits auf neue Bahnen. Er verschluckte sich beinahe und hustete leicht.
    "Der Imperator schickt dich als Architectus Provincialis nach Hispania?"
    Er war sich ganz sicher, dass es dies gewesen war, was Furianus gesagt hatte, doch eine solche Aussage musste hinterfragt werden.
    "Bei den Göttern, was hat unsere Gens nur getan, dass sie immer wieder so gestraft wird?"
    Er blickt argwöhnisch zu seinem Vetter zweiten Grades, als ihm ein Verdacht kam.
    "Du hast diese Handlung des Kaisers doch nicht etwa provoziert?"

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Still und leise nahm ich das Mahl nun zu mir. Es war einiges Anders als in Oberitalien und ich mußte mich daran gewöhnen. Also würde ich vorerst schweigend lernen.


    Ein saftiges Stück Fleisch landete auf meinem Teller. Die Schwarte trennte ich ab und legte sie beiseite. Zum Braten war sie unabdingbar, zum Essen dann doch zu fettig.

  • Nun schien auch Gracchus der Ansicht zu sein, dass es sich nicht ziemte Hispania zu bereisen und des Kaisers Wunsch zu erfüllen.


    "Nun, womöglich habe ich ihn provoziert, schließlich fragte er was mir auf dem Herzen lag und ich antwortete ihm. Vielleicht war er verblüfft ob meiner direkten Frage bezüglich des Senatorensitzes, doch werde ich meine Ansicht ihm gegenüber sicherlich nicht verbergen und er sollte Ehrlichkeit und das offene Gespräch schätzen. Außerdem sehe ich dies als eine Prüfung meiner Kompetenzen und hoffe, dass ich nach diesem Auftrag auch zur Prätur kandidieren kann."


    Sie mochten anderer Ansicht sein, aber wenn der Kaiser einen Senator haben wollte, der sich nicht davor scheute als Patrizier ein weltliches und nicht hoch angesehens Amt anzunehmen, so war es Furianus recht.
    Noch immer wartete er auf die Antwort bezüglich des Klienten, schließlich würde er gute Angestellte brauchen, um dieses Projekt so schnell wie möglich zu vollenden.

  • Die Worte zeigten mir auf, das Flurianus den Umstand seiner Zurückweisung, so wie ich ihn verstanden hatte, nicht sah. Doch ich war etwas müde nun doch, sodas ich ihn gewähren ließ. Trotzdem hoffte ich darauf, das seine Berufung zu diesem unreinem Arbeitsfeld nicht zu sehr ins Licht gesetzt wurde. Von wem auch immer, jegliche Diskussion in der Öffentlichkeit darüber, würde der Familie mehr schaden.


    So nahm ich noch einen Schluck vom Wein und ließ meine Augen auf den Teller sinken.

  • Ein schweres Seufzen bahnte sich seinen Weg durch Gracchus' Kehle hinaus in die Welt.
    "Deine Ehrlichkeit in Ehren, mein lieber Furianus, doch vor dem Imperator solltest selbst du deine Zunge zu hüten wissen. Es mag manches mal als ein beklagenswerter Umstand erscheinen, dass unser Gedeihen und Verderben dem Gutdünken eines Einzelnen obliegt. Ungeachtet dessen, oder gerade deswegen, sollte sich der Mensch doch immer seiner Worte bewusst sein, denn er hat nicht nur die Worte erhalten, um sich über die Tiere zu erheben, sondern ebenso einen Geist dazu, auf dass er bedenken kann, was er spricht, bevor er es spricht."
    Er durchdrang Furianus mit einem intensiven Blick.
    "Du bist nicht irgendein Mensch, Furianus, du bist ein Flavius. Ob es dir gefällt oder nicht, dies bringt nicht nur Vorteile mit sich, sondern auch Pflichten. Dass niemand in dieser Gens etwas tut, ohne dass es auf die Übrigen zurückfällt, sollte dir in der Zeit, welche du mittlerweile hier in Rom als Sohn des Flavius Felix verbracht hast, aufgefallen sein. Keine Messalina, kein Animus, keine Fausta kann weit genug entfernt mit dir verwandt sein, als dass nicht ihre Schande ihren Schatten auf dich wirft. Ob wir es wollen oder nicht, der Schatten, den wir auf unsere Gens werfen, ist kein geringer. Auch der deinige nicht. Darum bedenke das nächste mal, bevor du provozierst, welche Auswirkungen dies haben könnte, nicht nur für dich, auch für deine Familie und deine Gens."
    Unter den gegebenen Umständen war die Reaktion des Kaisers nicht weiter verwunderlich. Gracchus konnte nur hoffen, dass Furianus die Reaktion auf seine Dreistigkeit eine Lehre war. Immerhin hatte der Augustus ein wenig Gnade gezeigt, und Furianus in die Provinz jenseits des Mare Nostrum entsendet. Die Blamage in Rom würde möglicherweise dadurch ein wenig gemindert. Möglicherweise auch dadurch, dass der Kaiser ihn entsendet und Furianus keine Wahl gehabt hatte, auch wenn es unzweifelhaft deutlich war, dass dies nicht ohne Grund geschehen sein konnte. Gracchus erfrischte sich an einem Schluck seines Getränkes und fuhr in versöhnlicherem Tonfall fort.
    "Ich bin mir nicht sicher, ob mein Klient eine Reise nach Hispania aufnehmen möchte. Immerhin würde dies auch für mich bedeuten, dass er in Rom nicht verfügbar ist. Doch meinetwegen, wenn er bereit ist, dich zu begleiten, so werde ich dem nicht im Wege stehen. Sein Name ist Didius Operosus, er ist des Lesens, Schreibens und der Arithmetik Kundig und wie er berichtete, kann er Kenntnisse in Buchführung und Organisation vorweisen. Ich werde ihm eine Nachricht zukommen lassen, dass er sich bei dir melden kann."

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • "Du missverstehst mich, Vetter."


    Sagte er mit einem Seufzer gepaart.


    "Wie ich bereits sagte, fragte mich der Kaiser danach, was mir auf dem Herzen lag. Ich antwortete und fragte sogleich warum mir dieser noble Stand verwehrt bleibt. Dies hatte zum Zwecke, dass er mich deswegen rügt oder aber, dass er in mir einen offenen, mutigen und treuen Mann sieht. Ein Wagnis, ich weiß, doch dennoch wert. Der Kaiser antwortete sogleich in ruhigem Tone und legte mir den Grund dar, welcher lautet, dass es nicht im Sinne des Senats wäre, wenn ich mich immer wieder meines Vaters Meinung anschließen würde, da ich sein Sohn bin und noch immer unter seiner Patria Potestas stehe. Sogleich sagte ich ihm, dass ich verlobt bin und nach meiner Heirat dieser nicht mehr unterstehen würde und auch den Senat durch Kritik, Vorschläge und einige Aspekte bereichern könnte. Und noch immer schien der Kaiser gelassen und besonnen, so dass wir unsere Meinungen diesbezüglich austauschten. Nachdem dies zum Ende gebracht wurde, so fragte er erneut was mir auf dem Herzen liegt. Ist diese Frage ein Zeichen von Groll? Ich denke nicht. So antwortete ich ihm, dass mich die derzeitige Untätigkeit straft und er bot mir an die Provinz Hispania als Architectus Provincialis zu bereisen und mich um die Wiederverwertung der Militärareale zu kümmern, denn er wusste, dass ich durchaus Interesse an der Architektur habe und einen entsprechenden Kurs mit Auszeichnung bestand. Nun, sogleich gab es zwei Antworten, die ich geben konnte. Ein Ja oder ein Nein. Doch dies war wiederum ein Wagnis, konnte der Kaiser mich doch mit diesem Angebot prüfen, ob ich loyal bin und auch Tätigkeiten niederer Art annehmen, nur um dem Reich dienlich zu sein - eine Art Eignung und Selbsteinschätzung, vielleicht auch für den Senatorenstand. Hätte ich mit einem Nein geantwortet, so hätte dies bedeutet, dass ich zu stolz bin und nicht eines Senatorenstandes würdig, opfern sich diese Männer doch jeden Tag für das Allgemeinwohl des Imperium Romanum. Du siehst, Vetter, dies mag nicht nobel und Standesgemäß aussehen, doch die Vorteile daraus, die Einschätzung des Kaisers, sie war es mir wert anzunehmen."


    Man hätte es als Eignungstest auslegen können, der Furianus`Charakter offenbaren sollte, doch soweit wollte er nicht gehen. Doch er hasste es immer mehr, dass seine Schritte akribisch beurteilt wurde, man über ihn selbst jeden Tag urteilte und seine Gedanken waren mittlerweile in Misenum, da, wo er sich dem otium hingeben würde.

  • Mit mäßigem Erfolg versuchte Gracchus die Worte seines Vetters nachzuvollziehen. Jener Ehrgeiz, jener Drang der ihm eigen war, war Gracchus selbst ein wenig fremd, doch wer wusste schon, welche Beweggründe hinter jenem Ehrgeiz lauerten?
    "Was ist es dir so eilig mit einem Sitz ihm Senat? Du sagst selbst, dass du nach deiner Hochzeit nicht mehr dem Wort deines Vater unterstehen wirst, weshalb also greifst du schon jetzt nach Dingen, welche dir nicht zustehen? Welches Bildnis willst du Rom liefern, als unverheirateter Mann in die Curia Iulia einzuziehen, wie es der Plebs nur zu gerne tut, da er sich nicht um seine Traditionen und Pflichten kümmert, sondern nur Ruhm und Macht ernten will? Der Kaiser tat gut daran, so zu handeln, wie er es tat, denn er schütze damit nicht nur die Werte Roms, sondern auch dein Ansehen, mein lieber Vetter. Patientia ist nicht umsonst eine Tugend."
    Es war äußerst deplorabel. Steckte doch die Saat eines Flavius in Furianus, so war der Keimling fern einer adäquaten Ausbildung bedauerlicherweise in die falsche Richtung gewachsen. Dies zeigte ebenso seine Einstellung in Bezug auf seine Anstellung. Die Art der Prüfung verstand Gracchus indes in anderem Sinne, mochte der Kaiser doch ebenso gut geprüft haben, ob er einfältig genug ist, jedes noch so plebeische Amt anzunehmen, nur um dem Imperator zu gefallen, oder möglicherweise, ob er sich seiner Herkunft bewusst und daher des Senatorenstandes würdig war. Einen Vorteil durch die Einschätzung des Kaisers konnte Gracchus beim besten Willen nicht erkennen, doch er wollte seinem Vetter nicht die Illusionen rauben und behielt daher diese Gedanken für sich, war ihm doch auch nicht an einem Disput über dieses Thema gelegen.
    "Wann wirst du abreisen?"

    cdcopo-pontifex.png flavia.png

    IUS LIBERORUM

    PONTIFEX PRO MAGISTRO - COLLEGIUM PONTIFICUM

  • Verzweifelt ließ er eine Weintraube im Mund verschwinden und kaute diese genüsslich, bis er dann lächelte.


    "Vetter, habe ich jemals gesagt, dass ich verlange vor meiner Hochzeit in den Senat einzuziehen? Nein."


    Furianus war nicht umsonst Advocatus, wusste welche Worte es zu sagen gab und welche man stets zurückhielt, um dann zu kontern.


    "Ich fragte lediglich nach den Gründen, da mir die Tatsache eines unverheirateten neuen Senators als Grund nicht zutreffend erschien, ist doch Vinicius Lucianus, zwar ein Plebejer, aber auch unverheiratet, in den Senat aufgenommen worden. Lediglich die Gründe, die sich mir nicht vor Augen führen wollten, diesen war ich bestrebt nachzugehen und vom Kaiser zu erfahren. Nicht mehr und nicht weniger.
    Ich reise morgen ab, dein Klient sollte sich daher nicht allzu viel Zeit lassen. In welchem Rahmen wünscht er denn entlohnt zu werden?"

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!