An der frischen Luft

  • Stumm trat Valeria leicht versetzt neben Meridius, schwieg einen Moment und sprach dann leise.


    "Ich weiß, dass es dir nicht gefällt, Meridius. Ich kann dir nicht erklären, was geschehen ist oder warum es passiert ist. Aber es ist so und weder Marcus noch ich möchten es ändern. Das musst du respektieren. Auch, wenn ich in deinen Augen nun als Lupa dastehen mag."

  • Meridius wandte sich nicht um, als Valeria zu ihm trat und er sagte auch nichts während sie redete. Er versuchte die Ereignisse zur sortieren und zu verstehen. Valeria wurde für ihn immer unberechenbarer, er wusste schlichtweg nicht mehr, wo er sie einzuordnen hatte.


    "Du kannst es nicht erklären, aber es ist so?"


    Meridius schüttelte den Kopf. Irgendwie glichen sich die Sätze immer wieder. Was nützte es überhaupt noch darüber zu reden? Sie würde sowieso tun was sie sich vorgenommen hatte, falls sie denn überhaupt einen Plan hatte. Erst Lucius, dann Marcus.


    "Was soll ich denken? Was soll ich sagen? Am liebsten würde ich sagen <Lass meine Familie in Ruhe>. Du tust aber eh, was Du für richtig erachtest, und wenn Livianus meint..."


    Er brach den Satz ab und drehte sich zu Valeria.


    "Sag mir, warum Marcus? Weil er Senator ist? Vermögend? Oder weil gerade zufällig zwei gebrochene Herzen im Schmerz vereint nach Trost suchten, und aus Schwäche übereinander herfielen?"


    Es klang härter, als er es sagen wollte. Aber er hatte nichts zurück zu nehmen.

  • Valeria schwieg und versuchte sich daran zu erinnern, dass Meridius heute viele Dinge auf einmal erfahren hatte, dass ihn das Ausbleiben Maximians ebenso besorgte wie Valeria selbst und dass aus gerade diesem Grund die Worte fielen, die nun einmal fielen. Erst, als er sich herumdrehte und sie ansah und dann diese letzten Worte sprach und sie ansah, als erwarte er eine Erklärung, fiel Valeria im wahrsten Sinne des Wortes die Kinnlade herunter. Sie stand einfach da und starrte Meridius entgeistert an. Dann wurde sie wütend. Ihre Augenbrauchen zogen sich unheilvoll zusammen und ihre Lippen spitzten sich, dann sprach sie - und das nicht gerade leise und nicht gerade liebevoll.


    "Ich weiß nicht, welcher Teufel dich reitet, Meridius, dass du Marcus und mir so etwas unterstellst. Was du von mir hältst, kann ich im Moment nachvollziehen; ich würde an deiner Stelle sicherlich ebenso denken und handeln. Aber dass du Marcus nun vorwirfst, dass er sich mit mir nur tröstet - nein, Meridius, das macht dich in meinen Augen zu einem Menschen, der weder Verständnis noch Ahnung hat von dem, was hier passiert ist. Aber du willst es auch gar nicht wissen, habe ich recht? Dich interessiert nur, was der Gens schaden könnte, was die Leute reden und was man besser machen kann, wie man weiter kommen kann und wie man erreichen kann, dass niemand schlecht über die Decima redet, nicht wahr?"


    Valeria schüttelte den Kopf.


    "Wenn das das einzige ist, wonach du strebst, tut es mir leid, Meridius. Dann tust DU mir leid. Denke von mir aus, was du willst, aber rede nicht so unwissend daher, wenn du dich nicht belehren lassen willst."


    Valeria fuhr herum, ging aber nicht fort, sondern blieb auf der Stelle stehen und atmete tief durch. Sie hatte geredet ohne zu denken, aber entschuldigen wollte sie sich dafür nicht. Stattdessen versuchte sie, wieder zur Ruhe zu kommen und sprach einen Moment später und hörbar ruhiger:


    "Ich erzähle dir, was vorgefallen ist, wenn du Interesse daran hast."

  • Sie hatte Mut, das musste man ihr lassen. Oder sollte man es Frechheit nennen? Wahnsinn? Meridius ließ ihre Worte an sich abprallen. Er hatte es nicht nötig, ihre Beleidigungen mit anzuhören. Als sie sich wegdrehte, erst schwieg und ihm dann abot, die wirklichen Geschehnisse zu erzählen, antwortete er lange nichts.


    "Ich will es in der Tat nicht wissen."


    antwortete er schließlich und sah sie direkt an.


    "Und Du bist die letzte, von der ich mir Vorhaltungen anhören muss. Hast Du nicht, oder hast Du doch mit meinem Sohn geschlafen, obwohl ich Dir dies untersagte? Ich habe Dich unterstützt, Dir eine Familie gegeben, ein Heim, eine Chance. Du kamst aus einer Familie, die Nichts war. Und ich öffnete Dir mein Haus. Jeder andere hätte Dich hochkannt hinaus geworfen, als bekannt wurde, dass Du doch nicht die Tochter des Praetorianus warst. Hätte ich ebenso verfahren sollen?


    Statt dessen setzt Du meinem Sohn Flausen in den Kopf. Sicher, ich will SEINE Schuld nicht abstreiten, bei den Göttern, aber Du trugst SEIN Kind unter dem Herzen. Egal was ER Dir angetan hat, Du hattest nicht das Recht nach dem Tod Seines Kindes, mit meinem Cousin zusammenzugehen, der gerade eben erst selbst seine Frau verloren hat. Wie soll ich es denn Deiner Meinung nach interpretierten?


    Oh, Du hast Deine Frau verloren? Das tut mir aber leid? Kann ich Dir irgendwie helfen? Danke, Du bist so freundlich, der Schmerz verkraftet sich gleich zweimal so gut. Danke für Deinen Trost.


    Was soll denn noch alles passieren? Wer wird nach dem nächsten Schicksalschlag der Nächste sein?"


    Er schüttelte den Kopf.


    "Es ist Marcus Angelegenheit. Wenn er meint mit Dir unglücklich werden zu müssen, dann soll er das tun. Ich habe damit nichts zu schaffen und Du musst Dich mir gegenüber auch nicht rechtfertigen. Das Thema ist für mich erledigt. Wie ihr zwei damit klar kommt, ist nicht mein Problem. Ich habe einen Sohn, der damit zurecht kommen muss und um diesen werde ich mich kümmern müssen. Das ist alles, was ich zu diesem Theater zu sagen habe. Es ist Dein Leben, nicht meines, Du musst mit Dir selbst ins Reine kommen, nicht mit mir."


    Er sah sie direkt an.


    "Ich wünsche noch eine gute Nacht. Ich werde mich jetzt zurückziehen und wünsche, nicht gestört zu werden."

  • Valeria verzog den Mund.


    "Und du kommst aus einer besseren Familie? Bis vor zwei Generationen waren die Decimer ein Nichts, Meridius. Niemand kannte ihren Namen. Sie sind erst zu dem geworden, was sie jetzt sind. Also erzähle mir nichts von oben herab, denn von oben kommst auch du selbst nicht. Und so weit her zu sein scheint es mit der Ehre auch nicht, wenn man eine Peregrina adoptieren lassen muss, um mit einer Heirat der Gens keine Schande zu bereiten."


    Sie musste nach Luft schnappen, um nicht aufgrund von Sauerstoffmangel umzukippen. Kurz darauf musste sie an sich halten, um nicht mit ihren Fäusten auf Meridius' Brust einzutrommeln. Dies war die bisher heftigste Zusammensetzung zwischen ihnen. Valeria wusste, wenn sie nun kleinbei gab, dann würde sie sich selbst nicht mehr im Spiegel ansehen können. Tränen traten in ihre Augen, als sie den Kopf schüttelte.


    "Ich habe Lucius geliebt, Meridius. Ich habe ihn auch dann noch geliebt, als er sich immer mehr von mir abgewendet hatte. Aber als der Vater meines Kindes es nicht einmal für nötig gehalten hat, mir während meines zweimonatigen Aufenthalts in Germania einen Brief zu schicken, er nicht gekommen ist, wie er es versprochen hat - da habe ich eingesehen, dass ich von ihm nichts mehr zu erwarten habe. Aber das ist dir gleich, nicht wahr? Es interessiert dich nicht, weil es DEIN Sohn ist, der ein solches Fehlverhalten zeigt, der unzuverlässig und egoistisch ist!"


    Valerias Stimme bebte nun.
    "Du magst einen Sohn haben, Meridius, aber er hat nicht nur mich, sondern auch seine Eltern enttäuscht und die Familienehre in den Schmutz gezogen."


    Nicht trotzig, aber traurig und endlos enttäuscht sah sie Meridius an, dem sie viel zu verdanken hatte. Sie wusste das und war ihm dankbar dafür. Trotzdem waren die Worte richtig gewählt, wenngleich sie auch hart klingen mochten.



    Sim-Off:

    Ich würd sie übers Knie legen.... :D

  • Meridius Gesicht versteinerte sich. Valeria war in der Tat ... Ihm fehlte das Wort. Nein, es fiel ihm wieder ein, doch aus Gründen des Jugendschutzes weigerte sich der Erzähler, es hier niederzuschreiben.


    "Du bist nicht bei Sinnen, Valeria! Weißt Du überhaupt wovon Du redest? Weißt Du überhaupt mit wem Du redest? Sicher, meine Familie hat iberische Ursprünge, doch wir wohnen in Tarraco schon seit Jahrhunderten, gehörten schon zu den Honoratoren, als die Römer noch nicht in Hispania herrschten. Mein Vater diente in den römischen Truppen, errang das Bürgerrecht für seine Familie und ließ für das Leben des Kaisers, das seinige. Ich diene Rom schon seit Jahren, ich arbeitete mich mühsam nach oben, schlug Schlachten, opferte meinen Bruder und meinen Cousin für Rom. Wir alle in der Familie LEBEN für Rom, DIENEN Rom... Der Grund warum Iulia adoptiert wurde, besteht nicht darin, eine Schande zu umgehen, sondern überhaupt erst heiraten zu können. Als Senator wäre mir dies sonst nicht möglich."


    Meridius unterbrach sich, seine Augen funkelten.


    "Was mein Sohn getan hat, weiß ich wohl. Und er wird seine Lektion daraus lernen. Doch ob DU jemals die DEINE lernen wirst, wage ich zu bezweifeln. Und jetzt GEH MIR AUS DEN AUGEN!"

  • Valeria hörte sich auch noch die Aufzählung Meridius' an, schüttelte aber den Kopf, als er geendet hatte, und entgegnete lediglich kühl:
    "Nein, Meridius. Ich wohne hier, du bist der Gast. Wenn du mich nicht mehr zu sehen wünschst, steht es DIR frei, zu gehen."

  • Meridius lachte.


    "Ist das DEIN Castellum? Soll ich Dich aus der Provinz schmeißen?
    Du weißt wirklich nicht, was Du redest und mit WEM Du redest."


    Nach diesen Worten wandte er sich ab und ging auf sein Zimmer.

  • Valeria sah ihm kopfschüttelnd nach. Sie verstand nicht, warum er so ein Theater aus dem allen machte. Sicherlich, sie hatte vollkommen überreagiert, andererseits waren viele Dinge in letzter Zeit auf einmal auf sie eingestürmt. Und ihre Reaktion war nichts anderes als die Gegenreaktion auf die Worte des Senators gewesen. Valeria trat an einen Baum heran und legte die Hände auf die rauhe Rinde. Das war noch nicht das Endspiel gewesen, dachte sie bei sich. Einen Moment blieb sie noch da stehen, wünschte sich, dass Livianus doch hier gewesen wäre, und fragte sich, wo er blieb und ob es gar Absicht war, dass er sie hier mit Meridius allein gelassen hatte. Dann wandte sie sich um und ging auf ihr Zimmer.

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