Seiana bemerkte ihr Zögern selbst, und sie ärgerte sich darüber. Sie wollte keine Schwäche zeigen, nicht gegenüber der Iunia, nicht einmal ansatzweise. Schon dass sie gezögert hatte, verriet zu viel, fand sie, verriet, dass sie noch Wert darauf legen mochte zu erfahren, was nun genau mit Caius passiert war, verriet, dass es da etwas gab, worüber sie sich Gedanken machte. Und mitten in diesen Ärger hinein über ihr eigenes Zögern, sprach Axilla von der Beerdigung. Für einen winzigen Moment knisterte es gefährlich in ihr, Risse taten sich auf in der eisigen Oberfläche, mit der sie die zerklüftete Landschaft darunter bedeckte, all das, was unzulänglich schien in ihren Augen, was nicht passte, nicht in der Welt, in der sie lebte. Und darunter war dieser lodernde Kern, der durch eben solche Risse an die Oberfläche zu gelangen drohte. Sie wollte nichts von der Beerdigung wissen. Sie interessierte sich durchaus dafür, was nun die Umstände von Caius' Tod – von seinem Selbstmord! – gewesen waren, aber sie wollte nichts von einer Beerdigung wissen. Sie wollte sich nicht Gedanken darüber machen müssen, ob sie dort auftauchen sollte, ob es sich schickte, ob es nicht angemessen wäre, täte sie dies. Sie wollte nicht. Aber natürlich tat sie es doch. Sie konnte nicht verhindern, dass das Pflichtbewusstsein in ihr sie dazu drängte, sich wenigstens Gedanken darüber zu machen, damit sie sich sicher sein konnte, dass es nicht negativ auf sie zurückfiel, wenn sie nicht ging. Und allein die Erwähnung der Beerdigung aus Axillas Mund bewirkte, dass Seiana ein schlechtes Gewissen bekam, was ihr ganz und gar nicht gefiel.
Aber diesmal beherrschte sie sich mustergültig. Nur ihre Kiefermuskeln spannten sich ein wenig an, doch sie nickte nur und erhob sich dann. Nun, da sie ihr Anliegen vorgebracht hatte, gab es für sie keinen Grund noch länger zu bleiben. „Das werden wir“, antwortete sie. „Danke für deine Zeit, Iunia. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag.“