Audienz für den Aedilis Plebis Caius Helvetius Tacitus

  • Tacitus folgte dem Scriba durch die wirren Gänge des Palastes, passierte die grimmige Praetorianerwache am Eingang zur Aula Regia und wurde von dem Scriba schließlich aufgefordert zu warten bis der Kaiser erscheinen würde.
    So stand er in der rießigen Halle allein, einige Meter vor apsis, in der der imposante Thron des mächtigsten Mannes dieses Reiches aufgestellt war. Die Gravitas und Macht, die von diesem leeren Stuhl ausging, ließen in Tacitus die Nervösität und Aufregung steigen. In einer Seitennische war eine Tür und daneben stand eine Wache. Ihr Blick war geradeaus und schien irgendwie abwesend. Tacitus konnte nur erahnen, daß durch diese Tür der Kaiser jeden Moment den Saal betreten würde und sein Herz flatterte.


    Mit seiner linken Hand befühlte er ein letztesmal seine Toga, ob auch alles richtig sitzen würde und versuchte ansonsten möglichst würdevoll zu stehen. Ob ihn Iulianus nach all den Jahren erkennen würde ? Würde der Kaiser überhaupt ein Wort darüber verlieren ?


    Gespannter Erwartung stand er da und wartete...

  • Der Kaiser ist ein wenig überrascht, wer zu einer Audienz erscheint, lässt sich aber kaum etwas anmerken.


    "Sei gegrüßt, Helvetius Tacitus. Was führt dich zu mir?"

  • Als der Kaiser den Raum betritt, geht Tacitus wie es Sitte ist auf die Knie und senkt das Haupt.


    "O großer anmächtiger Caesar Augustus, hier knie ich vor Dir und wasche meine Hände in Unschuld."


    Er öffnet die Hände mit ausdrucksstarker Geste.

  • Tacitus schluckte. Es war schon zu lange her, daß er dem mächtigsten Mann des Imperiums gegenübergestanden hatte. Die Worte, die er sich zurechtgelegt hatte, kamen ihm nicht über die Zunge, weshalb er unvermittelt improvisierend zu sprechen begann.


    "O Caesar !


    Ich kniee vor Dir im Namen des helvetischen Blutes, meines Vaters, Helvetius Vindex, der stets ein treuer Diener Deines Vaters war und als sein Priester bis zu seinem Lebensende diente, meines Bruders, Helvetius Geminus, der Dir über Jahre hinweg ein treuer Gefolgsmann und Berater, aber auch ein Freund gewesen ist und den seine Krankheit immer stärker ans Bett fesselt.
    Nie wird es einen Helvetier geben, der dem ulpischen Blute nicht absolute Treue und Loyalität garantiert. Eher wird helvetisches Blut fließen, als daß Verrat an deinem Antlitz geschieht.


    Nur ein trügerischer Akt konnte diesen Skandal bewirken. Rom hat viele Feinde, und ein Aedil, der sich gänzlich für diese Stadt - für Dich o Caesar - aufopfert, steht nicht weniger ungeschützt da.


    O großmächtiger Caesar Augustus ! Wer bin ich, als daß ich etwas von Dir fordern könnte. Doch in dieser Sache bitte ich Dich im Namen der Manen der Gens Helvetia, fälle Dein weises Urteil, doch lasse die Tatsache nicht außer Acht, daß ein solches Edikt nie aus meiner Feder geflossen ist."

  • "Du nimmst ausschweifende Worte in den Mund, wie es ein Redner tut, der vom Kern der Sache ablenken möchte. Ich weiß um die Verdienste deiner Familia."


    Der Kaiser ist sich sicher, dass der Mann nicht in eine Audienz gekommen ist, um über die Familiengeschichte zu plaudern.


    "Aus wessen Feder floss es denn?"

  • Beschämt sieht Tacitus zu Boden, ehe er weiterspricht.


    "Mein Kaiser, es steht mir nicht zu durch nicht belegbare Anschuldigungen - mögen sie auch noch den Kern der Sache treffen - einen Mann des römischen Volkes in jeglicher Form zu diskreditieren, erst recht nicht, wenn es sich bei dem Mann um ein verdientes Mitglied der römischen Gesellschaft und der gehobenen Schicht handelt.


    Es betrübt mich aufs tiefste, Dich enttäuschen zu müssen - o Caesar Augustus - doch ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, ob Du mir Glauben schenkst, wenn ich Dir beteure, daß ich es nicht gewesen bin, denn müßig sind die Beteuerungen, wenn der andere einem nicht zu glauben vermag."

  • "Betrachten wir die Fakten: das bewusste Dokument wurde auf die Art und Weise veröffentlicht, wie alle deine Edikte veröffentlicht werden und es trug dieselbe Unterschrift und dasselbe Siegel, welches alle deine Edikte tragen.


    Du sprichst davon, dass es eine Fälschung sein soll?"

  • Tacitus fühlte leichtes Unbehagen, doch er blieb äußerlich gelassen und absolut ruhig. Es fiel ihm nur schwer, den Kaiser von der Wahrheit zu berichten, ohne sich auch nur im Entferntesten etwas anmaßen zu lassen.


    "O Caesar, wenn es doch nur so einfach wäre ! Ja, eine Fälschung, die ließe sich zweifelsohne aufdecken. Doch dieses Edikt weist überhaupt keine äußeren Mängel auf. Der Scriba, der dies tat, erdreistete sich, das Siegel des Magistrats zu zweckentfremden, um dieses "Edikt" zu erstellen."


    Er stockte, nicht weil er selbst Zweifel bekam, sondern weil er nicht wußte wie er dem Imperator seine Vermutung näherbringen sollte. Schließlich beschloß er, auf dererlei Anschuldigungen zu verzichten. Der Kaiser würde wohl kaum darauf eingehen, wenn er nicht handfeste Beweise hatte und für so einfältig hielt selbst Tacitus den Imperator nicht. ;)


    "Mein Kaiser, ich kann es mir nur erklären, daß man mir Schaden zufügen wollte. Man wollte Rom Schaden zufügen dessen aufrichtiger und ehrlicher Magistrat ich gewesen bin."

  • "Aufrichtig und ehrlich also. Nun, ich kann dir nicht ganz folgen."


    Die Stimme des Kaisers wird langsam etwas angespannter.


    "Das Edikt soll eine Fälschung aus den Händen eines Schreibers sein, der sonst auch deine Edikte schreibt und sie demnach exakt zu kopieren versteht. Nehmen wir an, dies entspricht der Wahrheit. Es folgt:


    Erstens mache ich jeden Magistratus für die Taten seiner Schreiber verantwortlich, die sie erst durch ihre Anstellung als Schreiber eben jenes Magistrates verüben konnten. Hättest du diesen Mann nicht eingestellt, hätte er die Tat nicht verüben können.


    Zweitens stellt sich mir und sicher auch vielen anderen Bürgern die Frage, warum du dann nicht augenblicklich nach dem Aushang des Ediktes für eine öffentliche Gegendarstellung gesorgt hast. Nein, es wurde bis nach Germania bekannt, der Senat begann eine Debatte, die Acta Diurna berichtete, der Volkstribun legte sein Veto ein, der Advocatus Imperialis verfasste eine Anklageschrift und dann erst kommst du zu mir und erzählst mir etwas von einer Intrige gegen deine Person."

  • Was sollte das ? Wollte der Kaiser ihn provozieren ? Sollte es etwa erneut zu einem Streit zwischen den beiden Männern kommen ? Tacitus mußte sich beherrschen. Wäre er nicht der Kaiser, er hätte schon längstens anders zu reagieren gewusst. So übt er sich in Demut.


    "O Caesar, die Stadt Rom verfügt über eine Beamtenschaft, die es fast mit einer ganzen Legion aufnehmen könnte. Selbst ein gewählter Magistrat kennt nicht jeden Scriba bei Namen, und die Edikte hängen überall aus, weswegen es nicht schwer ist, ein solches zu kopieren."


    Tacitus wurde sich bewusst, daß die Belehrung wohl überflüssig war, und hoffte, der Kaiser würde es ihm nachsehen.


    "Für meine verspätete Reaktion will ich mich entschuldigen und wenn Du mich deswegen zur Verantwortung ziehen willst, so beuge ich mich deinem Willen. Ein Helvetier wird immer den Tod vorziehen, als sich gegen Dich zu wenden, o Caesar !


    Doch auch wenn Du es mir anlastest als mein Versagen, so lass mich Dir sagen, daß ich von dem Edikt erst kürzlich erfuhr. Als alleiniger Amtsinhaber landen eine Menge Dokumente und Urkunden auf meinem Tisch, die meisten bedürfen lediglich eines Siegels von mir. So erfuhr ich schlicht nichts von diesem Edikt, bis der Volkstribun mich mit einem Veto dafür belegte, worauf ich auf dem schnellsten Weg zu Dir kam.


    Mein Kaiser ! Verwunderung siehst Du in meinem Gesichtsausdruck, denn daß das Edikt nach Germanien gedrungen sein soll, davon höre ich zum erstenmal."

  • Der Kaiser schüttelt den Kopf.


    "Ich kann dir immernoch nicht folgen. Eben sagtest du noch, dieses Edikt sei meisterhaft kopiert und der Täter zweckentfremdete das Siegel, mit welchem du deine Edikte siegelst und jetzt sagst du mir, ein jeder hätte ein beliebiges deiner Edikte kopieren können.


    Ebenso ist es mir völlig unverständlich, wie nun wirklich ganz Rom von dem Edikt erfahren konnte, nur du als augenscheinlicher Verursacher willst davon nichts mitbekommen haben."

  • "Mein Kaiser, ohne Zweifel ist das Edikt eine meisterhafte Kopie, die sich kaum von einem originalen Edikt unterscheidet. Doch dazu braucht es nicht mehr, als intensive Studien und häufiges Üben, um dies zur Perfektion zu bringen.
    Und die basilica iulia ist ein ein Verwaltungstrakt, gleich dem Palatin, in dem scribae, nuntii und sonstige Bedienstete ein- und ausgehen. Sicher kann es einem Kenner gelingen, anhand eines meiner Edikt eine Kopie zu erstellen und die Echtheit dessen mit dem Siegel des Magistrats zu bestätigen. Ich bezweifle, daß es mein eigener scriba war, der sich dieser Machenschaften bediente."


    Und mit etwas Trotz in der Stimme, verkündete Tacitus dem Kaiser "O Caesar Augustus, ich werde Anzeige erheben bei den Cohortes Urbanae. Sie sollen den wahren Übeltäter ermitteln."


    In devoter Manier den Kopf neigend, fährt er fort.


    "Bis dahin, will ich mein Schicksal in Deine Hände legen, o divus divinus, erhabener Caesar !"

  • "Dort liegt es ohnehin. Die Anklageschrift wird derzeit vorbereitet, mit einer Eröffnung der Hauptverhandlung ist in Kürze zu rechnen. Sofern du dich nicht selbst vertreten willst, solltest du dich um einen Anwalt bemühen."

  • Unverständnis und Empörung lagen in Tacitus' Gesichtsausdruck. Er versuchte sich zu beherrschen, seine Gefühle spontaner Erregungen zu unterdrücken. Mit Iulianus war stets schwer zu verhandeln. Feinde würden sagen, er sei ein sturer Bock. Tacitus schluckte seinen Ärger hinunter. Er wußte, daß er sich einen Gefühlsausbruch jetzt nicht würde leisten können. Doch daß der Imperator so gar nicht auf seine Tatsachen einging, wurmte ihn. So blieb ihm nichts anderes als ein kurzes, fragendes


    "O Caesar...?!"

  • "O Imperator Caesar Augustus ! Zweifelst Du etwa so stark an meinen Dir vorgebrachten Tatsachen, daß Du die Gerichte bemühen willst ? Für ein spectaculum, daß in einer Schlammschlacht enden wird ?
    Zweifelst Du etwa an den Worten eines redseligen und aufrichtigen Römers, der sich mit all seiner Kraft dem Imperium widmet ?
    Zweifelst Du an der Ehrlichkeit eines Mannes, dessen Familie stets für Rom nur das beste tat und Deiner Herrschaft immer Respekt, Demut und Loyalität entgegenbrachte ?"


    Die Aufgewühltheit war in Tacitus' Worten deutlich zu vernehmen. Er hatte alles in die Waagschale geworfen, den Imperator von seinem Standpunkt zu überzeugen.

  • "Ja, ich zweifle. Und du sprichst wie einer, der an seiner eigenen Unschuld ebenfalls zweifelt und sich windet, um nicht vor Justitia treten zu müssen. Deine Worte widersprechen sich, im Kleinen wie im Großen.


    Doch wenn du dir tatsächlich nichts hast zu schulden kommen lassen, dann sollte es dich nicht bestürzen, dies in Kürze öffentlich beteuern zu müssen."

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