Auf der Flucht | Rutger (in der Rolle des 'Barbaren') und Arrecina (als 'geraubte Patrizierin')

  • Welch Ton hier angeschlagen wurde. Warum sprach man so mit seinen Bediensteten? Lavinia verstand das nicht wirklich und wusste nur, dass sie so nie mit ihrem Mitmenschen, auch nicht mit Sklaven umgehen würde. Sie hatte ja keine Ahnung, was sie schon alles in ihrem so kurzen Leben angestellt hatte mit ihren Sklaven. „Sie hat es doch sicher nicht mit Absicht getan, lass doch bitte Gnade walten heute an diesem bedeutenden Tag.“ Warum sie das sagte und warum sie es so sagte wusste sie nicht. Lavinia erhoffte einfach mit ihrem Status den sie ja wohl hatte ein wenig helfen zu können, ob es etwas brachte war eine andere Frage.
    Fragend und ängstlich und vor allem unwissend sah sie die Ältere an und erhoffte sich aus ihren Worten schlauer zu werden was sie mit der Ankunft ihres Mannes zu tun hatte. Lavinia konnte es einfach nicht verstehen.


    Sie konnte von dem Essen nichts anrühren und ihr lief ein neuer Schauer über den Rücken als sie sehen musste wie sie eine Schnecke in den Mund schob. Leichter Ekel machte sich in ihr breit und noch mehr unverständnis. „Eine Flöte? Mein Talent? Ich kann dir nicht folgen, denn ich kann damit nichts anfangen. Bitte helfe mir doch auf die Sprünge,“bat sie die Frau und schüttelte gleichzeitig ihren Kopf wegen dem Essen. „Ich habe nicht wirklich Hunger, danke.“


    Wie hypnotisiert schaute sie auf den Wein der erneut in ihren Becher floß. Wieder kam ihr das Bild von Blut in den Sinn und wieder schauderte es ihr bei diesem Gedanken. Es musste einfach an dieser Umgebung liegen etwas anderes konnte es gar nicht sein. „Entschuldige aber ich kann deinen Worten schon wieder nicht so folgen. Verzeih bitte. Ich weiß nicht….“Lavina schloss ihre Augen und dachte nach. „Ich denke schon auch wenn ich mich nicht erinner, oder nicht wirklich, aber es ist ein Gefühl der Liebe in mir und es ist stark.“

  • "Gnade?" Tarquitia sah von oben auf ihre Sklavin Olivia hinunter, die gerade die Brote vom Boden aufklaubte, und jetzt hoffnungsvoll aufblickte.
    Mit einem gelangweilten "Von mir aus." wandte sich die Hausherrin wieder Arrecina-Lavinia zu. Dankbar und unterwürfig lächelte Olivia ihrer Fürsprecherin zu, rappelte sich wieder auf, und trug ein paar unberührte Platten ab, um sie durch frische zu ersetzen.
    "Lavinia, meine liebe Lavinia..." Tarquitia streichelte die Flöte. "Du bist ein Medium. In Träumen und Entrückung bereist du die jenseitigen Welten, dein Blick durchdringt die Schleier, dein Geist war Gast und Gefäß weiser und grauenvoller Wesen... Genauer: du bist das Medium. Mittel und Mittelpunkt unseres nächtlichen Festes."
    Mit spitzen Fingern schob sie sich ein Stückchen Fleisch in den Mund, seufzte dann: "Auch ich habe keinen rechten Appetit.", und wie zu sich selbst murmelte sie leise: "So lange, so lange ist es her... ob er mich überhaupt wiedererkennt...?"
    Bekümmert strich sie sich über die welke Wange: "Ich war soviel jünger...."


    Schnitt


    Hoch spritzte der Schlamm bei jedem Schritt. Von namenlosem Schrecken gepackt, hastete Rutger einen kleinen Pfad zwischen den Gebäuden entlang. Immer wieder versperrten ihm Geröll und lose Bretter den Weg, er setzte hinkend darüber, und stürzte vorwärts, immer nur vorwärts. Die Kapuze war ihm längst vom Kopf geglitten, der Regen prasselte ihm auf den Scheitel, und doch hörte er dich hinter sich deutlich die Geräusche von etwas Großem, dass ihn schweren Schrittes verfolgte, laut durch Pfützen hindurch platschte - und immer weiter aufholte.
    Er bog um eine Ecke, da tat sich eine Lücke zwischen den Mauern auf, und er sprang gehetzt hinein. Mit angehaltenem Atem presste er sich gegen die rissige Wand, die in tiefem Schatten lag. Schwer und schlurfend näherte sich das Wesen. Frowe Hulda, hilf!
    Einen Herzschlag lang war die riesige dunkle Silhouette ganz nah, schemenhaft sah er räudiges Fell und lange Klauen, und ein ledriger Geruch stieg ihm in die Nase - bang drückte er sich gegen die Mauer, und es schien ihm, dass sein Herzschlag dröhnend laut zu hören sein musste. Doch der dunkle Umriss zog vorüber, die Geräusche wurden leiser - es entfernte sich.
    Langsam löste Rutger sich wieder von der Wand, er war außer Atem und sein verletztes Bein schmerzte höllisch vom Rennen. Was, bei Fenris' Fängen, war das?!


    Schnitt


    "Wunschlose Seligkeit. Unsterblich schlang sich das Leben um uns. Die Göttlichkeit fühlte ich bei ihm, durch ihn..."
    Tarquitias Stimme war ein leises Raunen der Sehnsucht. Sie blickte in eine Kerzenflamme, und ein mädchenhaftes Lächeln verklärte ihr strenges Gesicht, das von den Silberspiegeln an den Wänden vielfach wiedergegeben wurde.
    "Vielleicht, Lavinia, vermagst du mich zu verstehen?" Sie richtete den Blick wieder auf Arrecina, ebenso sahen in den vielen Spiegeln nun ihre Abbilder eindringlich die Spiegelbilder Arrecinas an.
    "Wer wahrhaft liebt, gibt alles, bedingungslos alles, um mit dem geliebten Menschen vereint zu sein. Und lägen Welten dazwischen, die Flügel der Liebe werden sie doch zueinander tragen, werden machtvoll alle Barrieren zersprengen, Hindernisse zermalmen, Grenzen vernichten, um die Liebenden zu vereinen. Du bist jung Lavinia, von beneidenswerter Jugend. Wisse, meine junge Freundin, nichts, das sich der Wahren Liebe in den Weg stellt, hat Bestand....."


    Schnitt


    Mit bis zum Äußersten gespannten Sinnen, bewegte Rutger sich vorsichtig weiter, entlang einer schmalen Gasse zwischen den Schuppen. Aus einem drang, durch eine Ritze in der groben Bretterwand, ein schwacher Lichtschein. Nur ein hölzerner Riegel war der Türe vorgelegt, er öffnete sie einen Spalt, und spähte hinein.
    Sofort roch er die Ausdünstungen von Pferden. An dunklem Gebälk hing eine angeschlagene Stallaterne, und warf ihr trübes Licht auf schmutziges Stroh, aufgetürmte Kisten und einige Verschläge, in denen Rutger einen schwarzen Widder mit mächtigen Hörnern und zwei stämmige braune Ponys erkennen konnte. Sehr gut!
    Schnell schlüpfte Rutger hinein, zog die Türe hinter sich zu, und sah sich suchend nach Sattelzeug um. Die Ponys stehlen, und mit Arrecina schleunigst verschwinden wäre sicher das beste, bevor, was auch immer Böses hier umging, sie erwischte.


    Auf einer Kiste sah Rutger schmuddeliges Zaumzeug liegen, und trat schnell darauf zu. Als er schon die Hand danach ausstreckte, hörte er auf einmal ein scharfes Zischen, ein trockenes Rascheln, und bemerkte einen etwa kniehohen Käfig aus engmaschig aneinandergefügten Ästen, der daneben auf dem Boden stand. Neugierig beugte er sich hinunter.
    Schwarze Schuppen glänzten matt im Laternenlicht, und armdicke Schlangenleiber, eng verknäult, glitten mit rauhem Schaben übereinander hinweg. Ein flacher schwarzer Schlangenkopf erhob sich und schnellte mit bedrohlichem Zischen vor. Hart prallte er gegen das hölzerne Gitter und ließ es erbeben.
    Erschrocken wich Rutger zurück, stieß dabei gegen die Wand eines weiteren Verschlags, in dem sich plötzlich auch etwas regte. Er fuhr herum, und sah über die Abtrennung hinweg auf einen großen pechschwarzen Hund, der gerade aus dem Stroh aufsprang, die Zähne bleckte und grollte.
    "Schscht, nur ruhig, guter Hund, braves Tier..." redete Rutger besänftigend auf ihn ein, während er langsam zurückging. Aber umsonst. Der Hund verfiel in wütendes, lautes Bellen.


    Schnitt


    Aus der Ferne drang, gedämpft, das wütende Bellen eines Hundes in das Triclinium. Die Hausherrin hielt inne und lauschte, erhob sich dann und trat, mit raschelndem Gewand, umstrahlt vom Funkeln ihrer Rubine zum Fenster hin. Ein Schwall frischer kalter Regenluft kam in den Raum, als sie einen Fensterflügel öffnete, die Kerzen legten ihre Flammen einen Moment lang waagrecht, und das Bellen war jetzt laut und deutlich zu hören. Tarquitia legte die Hände auf den Fensterrand und lehnte sich hinaus.
    In diesem Moment beugte sich Olivia über den Tisch hinweg zu Arrecina. Ihre wässrigen Augen waren groß und starr. Mit bebenden Lippen flüsterte sie ihr ganz leise etwas zu:
    "Er ist tot. Ihr Mann ist schon lange tot."


    Schnitt


    Das Gebell war ohrenbetäubend. Gehetzt zerrte Rutger ein Pony aus dem Verschlag heraus, warf ihm die Zügel über den Hals, und zog das widerstrebende Tier zur Türe - als diese mit einem Mal wuchtig aufgerissen wurde, und ein Albtraum sich vor ihm in das trübe Licht der Stalllaterne schob - ein greuliches Mischwesen aus Mensch und Ungeheuer, aufrecht auf zwei Beinen gehend, bedeckt von ledriger Haut und räudigem Fell, das in Fetzen herabhing. Sein Gesicht war eine widerwärtige Vogelfratze, die Augen seelenlose schwarze Teiche von Dunkelheit.
    Wiehernd riss sich das Pony los, und preschte zurück. Rutger stand starr. Er hatte dieses Monstrum schon mal gesehen, vorhin, als er in den Ruinen nach Arrecina gesucht hatte. Doch da war es auf einem steinernen Sockel gestanden.... Aschfahl wich er zurück.
    Das Ungetüm reckte den langen scharfen Schnabel in seine Richtung, spreizte die Klauen, und kam ohne Eile auf ihn zu. Ein heftiger Dunst von nassem Leder und fauligem Fell ging von ihm aus. Rutger spürte in seinem Rücken eine Wand. Die Ausgeburt des Schreckens kam immer näher, setzte zum Sprung an. Panisch tastete Rutger an den rauhen Brettern entlang, seine Finger fanden den glatten Griff einer Heugabel, und verzweifelt riss er diese Waffe an sich, so lächerlich gegen das fleischgewordene Grauen vor ihm - das jetzt auf ihn los sprang!


    Schnitt


    Ein Krachen und Poltern schallte über den Hof der Villa, war bis ins Triclinium zu hören, und noch immer bellte der Hund. Die Kerzenflammen schwankten, der Wind trieb den Regen durch das offene Fenster, und viele kleine Pfützen bildeten sich auf dem Boden. Dann hallte ein langgezogener Schrei durch die Nacht, ein paarmal hörte man noch den Hund bellen - und wieder war es still. Bis auf das stetige Rauschen des Regens.
    Tarquitia wendete sich vom Fenster ab. Ihre Finger huschten über die Flöte hinweg.
    "Olivia." Ihre Stimme war schneidend. "Geh nachsehen. Und hol den Netshvis herbei, mit den Tieren. Wir beginnen."
    Auffordernd hielt sie Arrecina die Hand hin. Ihre Augen glänzten.
    "Komm mit, meine junge Freundin, sieh mit eigenen Augen. Es ist soweit. Heute Nacht werden wir Großes vollbringen."


    Schnitt


    Schon seit geraumer Zeit pochte jemand gegen das äußere Tor der Villa. Doch das Wächterhaus war leer, und ebenso der Hof dahinter. Das Klopfen, fest und zusehends ungeduldiger, blieb ungehört.
    Da tauchte, aus dem Gewirr der Nebengebäude, ein großer Schatten auf. In Fetzen hing das räudige Fell herunter. Flecken von Schwärze waren die Augen. Ohne sich um das Klopfen zu scheren schlich das Wesen auf die Villa zu, und stieß mit blutbefleckter Klaue die Türe auf.... Fortsetzung folgt ;)

  • Mit großen Augen hatte sie zwischen der Sklavin und der Herrin hin und her geblickt und nur gehofft, dass sie die Strafe fallen lassen würde, denn es war doch wirklich nicht mehr als nur ein kleines Missgeschick was auch der Hausherrin passieren könnte, nein eigentlich jedem und sie dann bestrafen war ja dann etwas viel. Doch zu ihrer Überraschung lenkte sie doch recht schnell ein und sie lächelte Olivia an und blickte dann sogleich auch wieder zu der älteren Frau. Sie mochte es nicht so von ihr angesprochen zu werden, aber sie wagte es auch nicht sich dagegen aufzulehnen. Etwas hatte diese Frau an sich was ihr Respekt vor ihr einflösste.


    „Ich bin was?“ Wieder musste sie aufpassen, dass sie den Wein nicht fallen ließ und stellte den Kelch wieder auf dem Tisch ab ohne davon getrunken zu haben. Ihre Worte wollten nicht wirklich zu ihr durchdringen und es klang einfach unglaublich. Sie war doch kein Medium, sie war doch nur ein junges Mädchen. Verdammt warum konnte sie sich nicht mehr erinnern? Sie hatte eine fürchterliche Gänsehaut auf den Armen und langsam schlich sie höher und höher bis sie sich in ihrem Nacken ausbreitete und ihre Härchen aufstellen ließ. „Ich bin niemals ein Medium. Du verwechselst mich sicher mit jemanden, aber ich bin die falsche,“ flüsterte sie.


    Sie musste einfach verrückt sein, ja genau. Lavinia sah die alte Frau an. Sie erlaubte sich doch bestimmt nur einen Scherz, aber dafür sah sie auch wieder viel zu ernst aus. Sie versuchte den Worten zu folgen, aber ihr Kopf schien bald zerspringen zu wollen und sie wusste nicht wie lange sie das noch aushalten würde, hier zu sitzen und sich das alles anzuhören. Das Blut rauschte in ihren Ohren und einen Moment versank sie förmlich in diesem Geräusch. Der Hund allerdings holte sie wieder in das schreckliche Hier zurück und sie schreckte zusammen. Einige Haarsträhnen flatterten in dem Wind der hineindrang und sie spürte wie ihr sogar einige Regentropfen ins Gesicht stoben und dann, dann erstarrte sie zu einer Salzsäule, als sie die Worte, so leise und doch so laut, von Olivia vernahm. Arrecinas Gesicht erstarrte und sie sah sie aus erschrockenen Augen an und der inner Drang wegzurennen war groß. Tot? Er war tot, sie sollte ein Medium sein, bei den Göttern sie musste hier weg. Wo waren sie gelandet, was war mit Rutger?


    Ihr Herz schlug immer schneller und schneller und als dann noch die Geräusche und dann der Schrei oder die Schreie lauter wurden kamen ihr fast die Tränen vor Panik. Alles ging wieder viel zu schnell, sie wollte weg und doch saß sie noch auf dem Stuhl und blickte auf einmal diese knochige Hand an, als wäre die Frau selber schon von den Toten auferstanden. „Nein, nein, nein…….Du bist des Wahnsinns,“ flüsterte sie und stand mit einem Ruck auf, dass der Stuhl auf dem sie gesessen hatte nach hinten fiel und sie einen Schritt auf die Seite tat. Hauptsache sie konnte genügend Abstand zwischen sie und die Frau bringen. Die Regentropfen die sie abbekommen hatte liefen ihr an der Seite ihres zarten Gesichtes hinab als würde sie weinen.

  • "Aber, aber, Lavinia! Was sind denn das für Töne?"
    Die Hausherrin schien gekränkt, schnalzte missbilligend mit der Zunge und schüttelte rügend den Kopf.
    "Es ist alles genau durchdacht, die Sterne stehen günstig, und alles ist bereit. Die Invocatio ist natürlich anspruchsvoll, das leugne ich nicht, aber wir haben schließlich beide Erfahrung mit dieser Materie. Unser Vorhaben ist epochal, aber keineswegs 'Wahnsinn'. Also bitte, lass mich jetzt nicht im Stich. Ich brauche dich, und du weißt das."
    Schritt für Schritt kam sie auf Arrecina zu, lächelte beschwichtigend, und streckte ihr wieder die Hand hin.
    "Stell dir doch nur vor, wie erhebend, wenn uns Erfolg beschieden ist.... den Mantus zu rufen, zu fangen, zu binden, das hat vor uns noch keiner gewagt. Doch den Ruhm, Lavinia, werde ich dir überlassen. Ich möchte nur meinen Mann zurück. Nicht als Bittstellerin werde ich vor den Toren der Unterwelt erscheinen, nicht weinend und flehend mich den Schweigenden Göttern zu Füßen werfen, oh nein, sie werden gar keine andere Wahl haben, als ihn mir zurückzugeben!
    Lavinia, meine liebe Lavinia, lockt es dich denn nicht, die Sphären durchdringende Melodie dieses vortrefflichen Instrumentes erklingen zu lassen, die Schleier die uns den Wahren Blick verhüllen zu zerreißen, die Bande um den Mantus zu schlagen, und das, was uns Menschen stets am meisten geängstigt hat - den Tod - zu besiegen? Seiner Tyrannei sei heute nacht ein Ende!"


    Mit einem begeisterten Glitzern in den Augen hob Tarquitia Lucia die gläserne Flöte, hielt sie auf den flachen Händen Arrecina entgegen.
    "Sie doch! Ist sie nicht wunderschön?" Ölig schimmernde Schlieren huschten über die trübe Oberfläche hinweg. Darunter schienen schwarze Rauchschwaden zu wogen.
    "Ich verstehe durchaus, Lavinia, dies alles muß dir recht... überwältigend... erscheinen." Die Hausherrin seufzte besorgt und sprach im Tonfall mütterlicher Fürsorglichkeit weiter: "Du bist gestürzt, und kannst dich anscheinend kaum erinnern. Es ist verständlich dass du verwirrt bist, dich sogar fürchtest, und ich trage dir auch deine unbedachte Äußerung nicht nach. Doch glaub mir, es besteht kein Grund zur Furcht. Begleite mich nun, laß uns unser Werk beginnen."
    Gütig lächelnd griff sie nach Arrecinas Hand.

  • Sie musste ihr Herz unter Kontrolle bringen bevor es zersprang, aber das war nicht leicht denn mittlerweile hatte sie Angst vor dieser Frau. Sie war dem Wahnsinn verfallen ein anderes Wort hatte sie nicht für diese Frau, sie war wahnsinnig und verlangte von ihr Dinge die sie nicht machen konnte. Lavinia war zwar auf den Kopf gefallen aber daran würde sie sich bestimmt erinnern können wenn sie ein Medium war. Immer mehr wich sie vor dieser Frau zurück deren Worte in ihrem Kopf schallten und sich tief in sie bohrten. Ihre Stimme war in ihren Ohren so schneidend, als würden sie versuchen jede Sehne in ihrem Körper zu durchtrennen.
    “Du verstehst nicht. Ich kann das nicht und was du da vor hast kann nicht gehen und es ist einfach nur Wahnsinn. Riesiger Wahnsinn!“
    Lavinia wagte es nicht ihre Hand zu ergreifen und zog sie zu ihrer Brust zurück, Hauptsache nicht anfassen.


    Ihr Blick fiel auf diese Flöte und sie wollte sie nicht sehen, wollte auch diese Frau und dieses Haus nicht mehr sehen. Es begann sich in ihrem Kopf zu drehen, immer schneller und schneller und Schmerzen brachen durch eine Wand aus Nebel. “NEIN!“ schrie sie und schlug nach der Hand der Frau in der sie die Flöte hatte, dann packte sie diese Flöte und schmiß sie auf den Boden wo es ein lautes klirrendes Geräusch gab. “Lass mich zufrieden!“ Arrecina ließ es nicht zu, dass sie ihre Hand zu fassen bekam und ging noch einen Schritt nach hinten.

  • "Was hast du getan! Die Flöte! Die Flöte…."
    Mit blankem Entsetzen starrte Tarquitia Lucia auf die Scherben.
    "Nein! Nein…" Sie sank auf die Knie, scharrte die jetzt nur mehr trüben Bruchstücke zusammen, schien nicht zu bemerken, wie sie ihr die Hände zerschnitten.
    "Warum…", schluchzte sie auf, und steckte Arrecina die blutigen Scherben entgegen, "oh ihr Götter der Unterwelt, warum!?"
    Ihre Stimme brach, sie zerraufte ihr Haar, und zerkratzte sich in ihrem Jammer mit den Scherben das Gesicht.


    "Wie konntest du nur…" Als sie wieder zu Arrecina aufsah, war ihr Gesicht eine verzerrte Fratze der Wut.
    "Dafür wirst du bezahlen, Lavinia…" flüsterte sie heiser, erhob sich zu voller Größe und kreischte: "… mit Blut! Olivia, halte sie auf! Casca! Casca hierher!"
    Sie stürzte zu einem Bord, ergriff ein kleines Glöckchen, und schwang es heftig hin und her. Ein durchdringendes helles Läuten erklang.
    Olivia war kreidebleich. Zögerlich trat sie auf Arrecina zu, machte Anstalten sie an den Armen zu fassen.
    "Mit Blut!" schrie Tarquitia wieder, mit überschnappender Stimme, die sogar das schrille Läuten übertönte, und fuchtelte wild mit dem Glöckchen.
    "Du zerbrachst meine Flöte, so öffne ich den Mundus nun mit deinem Blut! Tuchulcha wird deine Gebeine zermalmen, Vanth deine Eingeweide zerwühlen, der Mantus wird kommen, deine gequälte Seele zu holen – und dann, ha!, dann fange ich ihn ein! Casca! Casca wo bleibst du?!"

  • Erschrocken sah sie auf die zerbrochenen Teile auf dem Boden und dann das entsetzte Gesicht dieser Frau an. Ihr Herz überschlug sich wie auch ihre Gedanken und sie wusste nicht was besser war, zu warten oder wegzurennen. Wie erstarrt sah sie nach unten, sah was diese Frau machte, sah das Blut welches zwischen ihren Fingern hervorquoll und wie sie sich mit den kleinen Scherben durch das Gesicht fuhr. Eindeutig war sie verrückt und das was Lavinia sehen musste war ein einziger Alptraum der kein Ende nehmen wollte. Ihr blieb fast die Luft zum atmen weg, als würde diese Frau sich allem bemächtigen.


    Lavinia stolperte noch einige Schritte nach hinten und berührte fast die Wand die drohend ihre Finger nach ihr ausstreckte und warf dann den Kopf auf die Seite weil sie erwartete, dass die Türen auffflogen und irgendwer, wer auch immer, reinstürmen würde um sie zu fassen. "Nein," flüsterte sie wieder, sah Olivia an und wich ihren Händen aus die nach ihr greifen wollten. Es kam ihr aber auch ganz kurz in den Sinn, dass Olivia ihr nichts tun wollte oder würde, doch sie wollte es nicht auf die Spitze treiben und ihr Glück rausfordern.


    So schnell sie es schaffte wirbelte sie herum und rannte auf die Tür zu immer noch mit dem Gefühl, dass dort etwas lauern musste, doch schnell hatte sie diese geöffnet und rannte in den Gang hinaus. Sie kannte sich nicht aus und wusste auch den Weg nicht mehr der zu dem Zimmer von Rutger führte also wandte sie sich einfach nach rechts und hoffte nicht in eine Falle zu laufen oder irgendwem zu begegnen. Ihre Füße taten einen schnellen Schritt nach dem anderen aber diese Gände schienen nie ein Ende nehmen zu wollen.

  • Kapitel IV – Die Maske des Bösen


    Schnitt – Triclinium – Eine Wahnsinnige


    Die Hausherrin war außer sich.
    "Du sollst sie aufhalten!" schrie sie ihre Sklavin an, die sich Arrecinas Flucht nur halbherzig entgegenstellt hatte.
    "Na los, schnapp sie dir!"
    Olivia schniefte unglücklich "Ja, Herrin.", und trabte hinter Arrecina her.
    Tarquitia lies das Glöckchen sinken. Einen Augenblick lang stand sie alleine in dem großen, hellen Triclinium. Die Kerzenflammen schwankten wild. Starr lag Tarquitias Blick auf einem großen Silberspiegel, und ebenso starr sah ihr Bild ihr daraus entgegen – die Haare zerrauft, das Gesicht im Zorn verzerrt und von blutigen Spuren durchzogen. Und dieser Spiegel wurde von anderen reflektiert, warf wiederum sein Bild zurück, und immer weiter, so dass unzählige Ebenbilder von den Wänden her boshaft auf die Hausherrin starrten.
    Ein Erzittern ging durch die Frau. Gehetzt sah sie um sich.
    "So nicht…", ihre Stimme war tonlos, "…so nicht."
    Sie straffte sich - und im Handumdrehen griff sie sich vom Tisch, von der Fleischplatte, das lange Tranchiermesser. Mit der anderen Hand fasste sie einen Leuchter, in dem fünf rote Kerzen brannten, und schon war auch sie aus der Türe hinaus.
    Nur das Rauschen ihres Gewandes hing noch einen Moment in der Luft, trocken wie das Rascheln dürrer Blätter im Wind.


    Schnitt – Gänge, Peristyl – Eine Flüchtende


    Düstere Gänge erstreckten sich vor Arrecina. Laut hallten ihre Schritte, trugen sie vorbei an verschlossenen Türen, staubigen Nischen und bröckelnden Fresken.
    Hinter ihr schwankte Kerzenschein auf und nieder, undeutlich drang die Stimme der Hausherrin bis zu ihr – "Wo ist sie entlang? Geh zur Seite, zur Seite du Nutzlose!" – und entschlossene Schritte verfolgten sie dichtauf.
    Unversehens geriet Arrecina in einen efeuberankten Säulenhof hinein. Die Bodenplatten waren vielerorts geborsten, gezackte Ränder standen nach oben, zudem war es sehr dunkel und jeder Schritt brachte die Gefahr zu straucheln mit sich.
    In der Mitte des Hofes lag, unter freiem Himmel, ein kleiner Garten. Schwarze Zypressen wuchsen dort ganz verwildert, gruben ihre Wurzeln in den Boden und wucherten bis in die Spalten des gesprungenen Mamorbodens. In der Mitte lag ein Bassin, voll Schmutz und welker Blätter, auf das platschend der Regen trommelte. Es roch nach Erde und Fäulnis.
    Nur ein Weg schien auf der anderen Seite aus dem Hof hinauszuführen, ein gewölbter Bogen, aus dem ein schummriger Lichtschein drang.


    Schnitt – Atrium – Die Bestie


    Mit einem Geräusch, das durch Mark und Bein ging, kratzte die Klaue über Stein, hinterließ eine feine blutige Schliere. Hell brannten die Öllampen, und noch immer lächelten milde die Bilder längst vergangener Könige von den Wänden. Gedämpft erklang Fußgetrappel aus dem Inneren des Hauses.
    Als wolle sie lauschen, oder wittern, legte die Bestie langsam den Kopf zur Seite, verharrte - und huschte dann zielstrebig in einen der Gänge hinein.


    Schnitt – Peristyl – Zwischen Scylla und Charybdis


    Kalter Regen fiel vom Himmel, ließ die Zweige der Zypressen schwanken, und sammelte sich in den Mulden unter ihren Wurzeln. Auf die gekräuselte Oberfläche des Bassins fiel ein roter Schein. Tarquitia Lucia erschien in dem Durchgang, durch den Arrecina gekommen war. Sie trug den brennenden Kerzenleuchter, der scharfe Schatten in ihr maskenhaftes Gesicht warf, und hielt das lange schmale Bratenmesser fest in der Hand.
    "Lavinia…" lockte sie, "meine verräterische junge Freundin… komm raus, komm raus, wo immer du auch bist… und ich verspreche dir, ich mache es – relativ – schmerzlos...."
    "Komm raus!", befahl sie herrisch. "Ich kann deine Angst ja schon riechen… dein Herz, es schlägt wild wie ein kleines Vögelchen in seinem Käfig… dein Atem, er stockt…. würgende Furcht drückt dir die zarte junge Kehle zu…." Ein eisiges Glitzern in den Augen, hob sie den Leuchter, und sah sich suchend um.


    Nur Augenblicke später schob sich ein Schatten vor den schwachen Lichtschein, der aus dem anderen Ausgang drang, und eine dunkle Silhouette erhob sich in dem Torbogen. Blutiges Fell schleifte zerfetzt auf dem Boden, als das groteske Halbwesen vor Arrecina erschien. Scharf zeichneten sich Schnabel und Klauen gegen das Zwielicht ab.

  • Rennen, rennen, rennen, war der einzige Gedanke den sie hatte. Sie musste es hier raus schaffen, irgendwie musste sie diese Villa verlassen und hier raus kommen. Die Frau schien ausser sich zu sein und sie wollte ihren Zorn nicht spüren, schien sie doch nicht mehr bei Sinnen zu sein. Ihr Herz war kurz davor zu zerspringen und sie wusste nicht wohin sie rannte, sondern wählte immer wieder wahllos eine Richtung aus, konnte nicht einmal an Rutger denken sondern nur daran, dass sie hier weg musste. Die Luft brannte in ihren Lungen und zu ihrem Pech blieb sie an einer Ecke hängen und riss sich die Tunika auf, aber das spürte sie schon gar nicht mehr, denn alles was zählte war einfach nur die Flucht hier wegzukommen.
    Sie rannte so schnell ihre Füße sie trugen die unendlichen Gänge entlang hielt sogar hin und wieder an einer der Türen, doch sie waren alle verschlossen. Warum waren in einem Haus die Türen verschlossen? Zeit darüber nachzudenken hatte sie nicht, denn sie musste weiter.


    Plötzlich war sie draussen und die kühle Regenluft stieß ihr entgegen. Erfrischend und beängstigend war es, doch sie durfte hier nicht verweilen auch wenn sie die kleine Pause nutzte um einmal tief Luft zu holen und dann wieder weiter zu laufen. Immer wieder stolperte sie und musste aufpassen, dass sie nicht gänzlich das Gleichgewicht verlor. Durch den Regen waren überall Pfützen durch die sie lief und sich nass und schmutzig machte, auch regnete es immer weiter und ließ die Tropen an ihrem Gesicht entlangfließen, wie kleine Tränen, doch sie weinte nicht sondern strengte sich an in dieser Dunkelheit etwas zu erkennen bis sie den Lichtschein wahr nahm und drauf zusteuerte. Instinktiv bewegte sie sich zu diesem Schein. Die Geräusche so unwirklich und doch da machten sie wahnsinnig, doch sie durfte nicht stehen bleiben wusste sie doch, dass da jemand war, oder war es etwas.


    Panik machte sich in ihrem Innersten breit und wurde immer schlimmer. Dann hörte sie etwas wie Schritte und sie versuchte sich an den Steinwänden und den Büschen und Pflanzen zu verstecken, doch als sie die Stimme dieser Frau hörte presste sie ihre Augen zusammen und biss sich auf die Lippen. Bitte, bitte, bitte jammerte sie in Gedanken, dann öffnete sie ihre Augen und begann zu schreien ….. …….. dieses Wesen stand direkt vor ihr.

  • Arrecina schrie. Das Ungeheuer stand still. Die Hausherrin lachte. Lachte herzlich und aus voller Kehle, wischte sich Tränen der Heiterkeit von den blutverschmierten Wangen.
    "Köstlich. Einfach köstlich.", stellte sie fest, während sie langsam den Säulengang entlang auf Arrecina und das Ungeheuer zuschritt.
    "Dein Entsetzen wäre einer Begegnung mit dem wahren Mantus würdig, kleine Freundin – doch dies ist nur eine Maske für das Ritual. Haben wir uns nicht in unserer Korrespondenz erst kürzlich darüber ausgetauscht? Affinität in der äußeren Erscheinung erleichtert die Invocation, du erinnerst dich? Schnapp sie dir, Casca!"
    Das Ungetüm machte einen Schritt nach vorne, und umfasste mit den Krallenhänden rasch Arrecinas Schultern. Aus der Nähe betrachtet, und im Licht des brennenden Kerzenleuchters, zeichneten sich tatsächlich deutlich grobe Nähte in dem "Fell" des Vogelwesens ab, die Klauen waren offenbar Handschuhe mit eisernen Krallen, und der unförmige Kopf mit dem gebogenen Schnabel schien aus aneinander gesetzten Stücken harten Leders zu bestehen. Es knarrte leise, und der Geruch von nassem Leder war überwältigend, als die Fratze sich zu Arrecina hinunterbeugte. In den "Augen" aus blankem schwarzem Onyx spiegelte sich der Kerzenschein, schien sie mit widernatürlichem Leben zu erfüllen… – doch in dem Spalt des geöffneten Schnabels waren, aus der Nähe, zwei noch sehr viel lebendigere Augen sichtbar. Graugrün waren sie, und eines zwinkerte Arrecina tröstlich zu.
    "Schscht, Kleines. Nur keine Angst.",sprach das Monstrum zu ihr, zwar etwas erstickt, aber eindeutig mit Rutgers Stimme.


    "Casca! Bring sie her!", befahl Tarquitia Lucia herrisch. "Die kleine Verräterin hat es gewagt, meine Flöte zu zerbrechen. Doch ich hoffe, dass sie mir auch unfreiwillig von Nutzen sein wird – das Blut eines Mediums, eines hochgeborenen Mediums ist von großer Macht… zudem ist unsere todgeweihte Freundin hier bereits präpariert, um sie für das Jenseitige zu öffnen…"
    Sie schmunzelte tückisch. "Ja, Lavinia, Stechapfel war in deinem Wein, und das Blut chtonischer Tiere… Fledermäuse, Nattern, das Übliche eben. Casca, worauf wartest du denn? Na los, bring sie ins Gewölbe hinunter!"
    Drängend trat sie auf die beiden zu, und gestikulierte barsch mit dem Bratenmesser. Das Ungetüm schob sich schützend vor Arrecina, ging dann langsam auf die Frau zu.
    "Casca?" Tarquitia Lucia klang ein wenig verunsichert.
    "Ich bin nicht Casca.", sagte das Monster, und schlug ihr mit einem Klauenhieb das Messer aus der Hand. Klirrend schlitterte es über die Steinplatten. Die Hausherrin sog scharf die Luft ein und starrte ungläubig der Waffe hinterher.
    "Was soll ich mit ihr machen, Kleines?" Fragend wandte die 'Bestie' sich zu Arrecina um, zog sich dann die 'Maske des Bösen' vom Kopf, und verwandelte sich wieder in Rutger. Angewidert warf er die lederne Fratze zwischen die Zypressen, und sog erleichtert und in tiefen Zügen die frische Luft ein.
    "Willst du, dass ich das Weib umbringe, Arrecina?"

  • Es war als würde ihr das Blut in den Adern gefrieren und ihr Herz stillstehen. Ihren Schrei hörte sie gar nicht und auch bemerkte sie es nicht wo sie aufhörte und das Monster einfach nur, starr vor Schreck, anstarrte. Sie konnte sich einfach nicht bewegen, war einfach unfähig dazu und musste den Anblick des Wesens über sich ergehen lassen. Es war grausam, schrecklich und sie bemerkte einfach nicht, dass es nicht echt war. Arrecina fühlte sich wieder seltsam benebelt, wie als würde sie in einer anderen Welt stehen. Als das Wesen sie berührte hätte sie am liebsten wieder geschrieen aber sie konnte nicht. Gut es war nicht echt, das hatte sie nach langem hin und her endlich begriffen, aber es war bedrohlich, denn es wollte sie, es trachtete nach ihrem Leben wie diese Verrückte hinter ihr. Arrecina versuchte sich zu wehren aber sie war zu schwach und brachte nichts weiter als eine leichte Handbewegung zustande. Entsetzen stand in ihren Augen, in ihrer ganzen Körperhaltung, doch dann sah sie diese Augen. Sie kannte sie, aber glaubte, dass ihre Sinne ihr doch einen Streich spielen mussten. Wie sollte er?........Seine Stimme riss sie aus ihrer schützenden Welt und sie entspannte sich ein klein wenig, aber nicht wirklich viel.


    Es war kein Monster, es war niemand der sie töten wollte,es war Rutger. Doch sie konnte sich nicht freuen als sie die Stimme von dieser Frau hörte, als sie mit anhören musste was sie sagte, was sie mit Arrecina gemacht hatte. „Was?“ fragte sie entsetzt und drehte sich ein wenig um sie anzusehen? Ihr drehte sich der Magen und sie wollte nicht glauben was sie da gesagt hatte.


    Sie ließ Rutger machen, sah das blitzende Messer in ihrer Hand und dann den schützenden Körper von Rutger vor sich,doch ihre Gedanken waren nicht anwesend. Sie würde sterben? Sie hatte es von Anfang an geplant sie zu töten? Arrecina griff sich an den Kopf und versuchte wieder Ruhe zu bewahren und nicht in Panik auszubrechen, aber das war leichter gesagt als getan. „Hmm?“ sie sah zu Rutger wie er die Frau festhielt und seine Frage, diese brauchte etwas länger bis sie in ihrem Kopf angekommen war. Voller Hass blickte sie die Frau an, dann in das Gesicht von Rutger und wieder zurück zu der Frau. Sie wollte nicht, dass er Blut an seinen Händen kleben hatte, wollte nicht, dass sie sich beide auf die Stufe mit dieser Frau stellten und doch hatte sie den Tod verdient. Ganz langsam kam sie näher und ihr Blick war undeutbar fast unheimlich. „Ich weiß nicht was man mit ihr machen sollte. Vielleicht sollte sie eine ganze Kanne ihres Weines trinken und dann elendig zu grunde gehen,“ flüsterte sie. Der Wind hatte etwas aufgefrischt und auch der Regen nahm wieder zu und floß an ihrem Gesicht enlang wo sich wenige Haarsträhnen drinne verfingen.

  • "Wie könnt ihr es wagen…!" Die Hausherrin zitterte – vor Empörung.
    "Du kommst in mein Haus, Antonia Lavinia, ich gewähre dir Obdach, teile bereitwillig meine arkansten Geheimnisse mit dir… - doch du…-" Sie schnappte entrüstet nach Luft.
    "Du sabotierst heimtückisch meine Pläne, das Werk an dem ich seit Jahren arbeite - ein Werk, bedeutsamer, als du es dir in deinen kühnsten Träumen ausmalen kannst – du vernichtest es in einer Nacht! Warum, Lavinia?! Hast du etwa… Skrupel bekommen?!"
    Voll Verachtung spuckte sie das Wort förmlich aus.
    "Du warst doch vorher nicht so borniert! Ich glaube, dein Sturz hat dir die Sinne verwirrt, dich gar vollständig in den Wahnsinn getrieben! Und nun willst du mich sogar töten?! Ich fasse es nicht "
    Unwirsch versuchte sie ihre Hände aus Rutgers Griff zu befreien.
    "Lass mich auf der Stelle los, du Rohling! Wer bist du überhaupt, was hat das hier zu bedeuten? Und was hast du mit meinem treuen Casca gemacht?! Ist das etwa sein Blut? Mörder!"
    "Schweig, du Hagazussa ! ", knurrte Rutger, und packte fester zu. "Nimm das Messer an dich, Kleines."


    Von Schweigen war aber keine Rede. "Du willst meine Geheimnisse, was, Lavinia? Ehrgeiziges kleines Ding. Oder hat dich etwa die Schwesternschaft der Adrasteia geschickt? Oh, diese Neiderinnen, ich hätte es ahnen müssen!"
    Aufgebracht funkelte die Hausherrin Arrecina an, sprach dann auf einmal in ruhigem, vernünftigem Tonfall zu ihr: "Jetzt hör mir einmal zu, du kleines Rabenaas, ich mache dir einen Vorschlag, den du tunlichst annehmen solltest: Du pfeifst jetzt deinen Spießgesellen hier zurück, und verschwindest auf der Stelle aus meinem Haus! Und dafür gebe ich dir das Gegenmittel, das Antidot, ohne das du bald elendig zugrunde gehen wirst!"
    Sie wandte den Kopf, rief herrisch: "Olivia!"
    Hinter einer Säule tauchte zögerlich das kreidebleiche Gesicht der Sklavin auf, sie biss sich auf die Lippen und sah mit weit aufgerissenen Augen auf die Szene.
    "Olivia, lauf und hole mir den ägyptischen Theriak. Er ist in meinem Studierzimmer im Regal ganz oben, in der kristallenen Phiole. Die mit dem Bast außenrum. Auf, auf, spute dich!"
    Die Sklavin hastete los. Kalt und berechnend lag Tarquitias Blick auf Arrecina. Regen und Wind ließen die Kerzen flackern, dann verloschen sie zischend, eine nach der anderen.

  • Arrecina blickte die Frau an und auch Rutger wie er sie festhielt. Diese tausend Namen wie sie genannt wurde machten sie wahnsinnig. Sie konnte sich nicht mehr konzentrieren und hörte immer wieder Arrecina….Lavinia…Arrecina…..Lavinia…..vor ihren Augen vermischten sich diese Namen zu einem großen Ball der versuchte sie zu erschlagen. Sie wusste, dass das alles nicht real war, aber sie kannte ja nicht die Wirkung des Stechapfels, welches sie getrunken hatte. Sie kniff ihre Augen zusammen und versuchte gegen diese Halluzinationen anzukämpfen und öffnete sie immer wieder. Rutger wurde wieder das Monster dann war er wieder er, die Frau wurde zu einer verzogenen Fratze, dass das Wasser zu Eis gefrieren würde wenn es das so einfach könnte. "Schweig endlich du Irre," flüsterte sie und rieb sich über die Augen. Sie wurde wahnsinnig wie diese Frau kam es ihr in den Sinn und gleichzeitig fühlte sie sich so elend, dass sie meinte gleich auf der Stelle sterben zu müssen.


    Ja das Messer, er hatte Recht. Langsam kam sie näher und umschlang die Hand der Frau, die sich so knochig anfühlte als würde sie einen Stock in die Hände nehmen und als sie hinabblickte hatte sie einen hölzernen Arm in der Hand und hätte beinahe aufgeschrieen wenn die Bilder nicht auf der Stelle wieder verschwunden wären. Sie durfte sich nicht beirren lassen und griff nach dem Messer und zog sich damit einen Schritt nach hinten zurück. Sie glaubte, dass Blut an dem Messer zu sehen auch wenn keines dran war.


    "Schweig endlich!" fuhr sie die Frau nun barsch an. "Ich weiß nicht von was du sprichst, aber du wirst mir das Gegenmittel geben!" Tränen glitzerten in ihren Augen auf und sie sah den Mann an der sie hielt, kam dann ganz langsam wieder näher und richtete die Spitze des Messers auf die Frau. "Von Anfang an hast du geplant mich zu töten. WARUM?"
    Das Messer zitterte in ihrer Hand und die Spitze zeigte weiterhin auf die Frau und sie wollte das Messer auch nicht wo anders hinhalten. Sie brauchte das Gegenmittel.

  • Mit dem Ausdruck großer Irritation blickte Tarquitia Lucia auf die Klinge in Arrecinas Händen, und als Arrecina immer weiter auf sie zukam, trat Unglauben, schließlich Furcht in ihre Augen.
    "Du wagst es wirklich… in meinem Haus… Hör mir zu, Lavinia, du irrst dich, ich habe mitnichten geplant, dich zu töten! Sicher habe ich dir eine relativ hohe Dosis Datura verabreichen lassen, aber doch nur um deinen Geist zu öffnen und dich empfänglich zu machen für den Gesang der Sphären, um dir das Rüstzeug zu geben, kraftvoll und sicher die Schleier zwischen den Welten zu durchdringen! Es ist doch nicht das erste Mal, dass ich auf diese heilsame Pflanze zurückgreife, und glaube mir, ich weiß die Wirkung durchaus einzuschätzen. Rechtzeitig neutralisiert hinterlässt diese Dosierung keinerlei bleibende Schäden. Also beruhige dich, und nimm das Messer wieder herunter!"
    "Ich bin mir sicher sie lügt. Das ist doch gewiss eine Hexe!", analysierte Rutger messerscharf, und hielt die Hände der Frau fest in seinem Griff.
    "Sieh ihr besser nicht in die Augen, Kleines."
    Die Hausherrin seufzte theatralisch, und beteuerte: "Natürlich, Lavinia, hätte ich dir nach dem Fest das Antidot gegeben."


    Ganz außer Atem traf in diesem Moment Olivia wieder im Innenhof ein. Beinahe wäre sie in der Dunkelheit über den hochstehenden Rand einer Bodenplatte gestürzt, doch gerade noch konnte sie sich wieder fangen.
    "Hier, ich habs!", keuchte sie, und hielt eine milchige kleine Phiole hoch.
    "Komm langsam näher.", befahl Tarquitia Lucia. "Und du, Lavinia, wirfst jetzt das Messer weg, und sagst deinem Wilden hier, dass er mich loslässt, dann geht ihr beide nach da drüben, und du bekommst die Phiole. Fünfundzwanzig Tropfen Theriak werden ausreichen, dir das Leben zu retten."
    Ihre Augen wurden schmal. "Versuch nicht mich reinzulegen… - Olivia, wenn sie mir was tun, dann zerschmetterst du die Phiole sofort auf dem Boden, verstanden?"
    Die Sklavin nickte mechanisch und blieb in ein paar Meter Entfernung stehen. Sie hielt das kleine Gefäß mit beiden Händen krampfhaft umklammert und blickte hektisch von einem zum anderen.
    "Hörst du, Lavinia? Keine Faxen jetzt… - oder du wirst einen grauenvollen Tod sterben!"

  • Sie hielt das Messer immer fester zwischen ihren Händen und im Moment war sie wirklich bereit zuzustechen einfach nur so, dass sie dieses Gesicht nicht mehr sehen brauchte und vor allem diese fürchterliche Stimme nicht mehr hören musste. "Sag mir nicht wann ich mich beruhigen soll und wann nicht," zischelte das Mädchen die Frau an und kam einen weiteren Schritt näher, dass die Klinge gar nicht mehr so weit von ihr entfernt war. Warum war diese furchtbare Frau nicht endlich still? Warum provozierte sie sie so? "Sie ist keine Hexe sie ist eine Verrückte," verbesserte Arrecina den Sklaven und griff sich kurz an ihren Kopf. Immer wieder öffneten und schlossen sich ihre Finger um den Griff des Messers und sie war sich nicht sicher was sie machen sollte, denn auf der einen Seite war der Drang sehr groß, dass sie einfach zustechen wollte und auf der anderen Seite konnte sie das nicht einfach machen.


    Als die Sklavin eintraf ruckte sie mit ihrem Kopf auf die Seite und sah Olivia und die Phiole an. Sie musste diese haben. "Hör nicht auf diese Frau und gib mir einfach die Phiole und danach bist du frei und kannst gehen wohin du willst oder willst du bei dieser Frau bleiben die dich verachtet?" Ihr wurde schwindelig und sie wankte einen kleinen Augenblick, konnte sich aber wieder fangen. "Gib es einfach her," sagte sie in einem mittlerweile schwächeren Ton und sie musste ihre Augen zusammenkneifen um sich unter Kontrolle zu bekommen. "Halt endlich den Mund." Arrecina drehte langsam durch wenn sie nur die Stimme der Frau hörte und das Messer zuckte schon wieder in ihrer Hand.

  • Die Hausherrin holte wiederum Luft, setzte zu einem Ausruf der Empörung an - und schwieg, starrte furchtsam auf die zuckende Klinge. Unschlüssig schwankte Olivias Blick zwischen den beiden Frauen hin und her, sie biss sich fest auf die Unterlippe und ihre wässrigen Augen waren hektisch ganz weit aufgerissen.
    "Was soll ich nur tun….", wimmerte sie leise "…wo soll ich denn dann hin…?"
    Sie hob die um die Phiole gekrampften Hände hoch, so als wollte sie das Fläschchen im nächsten Moment auf dem Boden zerschmettern - ließ sie dann wieder sinken und trat rasch dicht an Arrecina heran. "Hier!"
    Fest drückte sie ihr die Phiole in die Hand und brachte ihr rundes Gesicht ganz nahe an Arrecinas. Ihr Haar klebte wirr in der niedrigen Stirn, und auf den Wangen waren nervöse rote Flecken erblüht.
    "Du warst gut zu mir, werte Herrin. Viel besser als die…" - sie zeigte auf die sprachlose Hausherrin - "…es jemals war! Deshalb sage ich dir auch: Fünfundzwanzig Tropfen sind viel zu viel. Das Zeug ist nämlich auch giftig. Mehr als zehn darfst du davon nicht nehmen!"
    "Verrat.", flüsterte Tarquitia Lucia mit einer Stimme wie gemahlenes Glas. "Du kleines Drecksstück. Verrat allenthalben."
    Bei diesem Klang fuhr Olivia sofort zusammen und krümmte sich unterwürfig, doch mit einem Mal richtete sie sich wieder auf und wandte sich schlagartig ihrer Herrin zu - das bleiche Gesicht der Sklavin verzerrte sich zu einer hämischen Grimasse lange angestauten Hasses, und dann packte sie blitzschnell zu, riss Arrecina wildentschlossen mit einem Ruck das Messer aus der Hand, wirbelte herum und stieß es Tarquitia Lucia bis zum Heft in die Brust hinein…


    Ein gellender Schrei hallte über den Hof, die tödlich getroffene Frau wankte und presste die Hände auf die Brust, und zwischen ihren Fingern quoll unaufhaltsam ein pulsierender roter Strom hervor. Sie brach in die Knie, hob die Augen anklagend zu Arrecina, Olivia und Rutger und streckte ihnen ihre nassen roten Hände entgegen, als wolle sie sie mit sich ziehen - dann schien ihr Blick mit einem Mal von etwas hinter den dreien angezogen zu werden, richtete sich entsetzt darauf. Aber da war nichts zu sehen. Ein namenloser Schrecken trat in die Augen der sterbenden Frau, sie versuchte vergeblich auf dem Boden davon zu kriechen, dann brachen ihre Augen und sie sank zu Boden.
    Ganz still lag sie da, während eine glitzernde Lache um sie herum entstand - beinahe schwarz in der Dunkelheit - und schnell wuchs. Dunkle Rinnsale flossen in den Ritzen der Bodenplatten, breiteten sich aus wie die Stränge eines verworrenen Netzes, in dessen Zentrum der Leichnam der Frau lag, die in dieser Nacht den Tod hatte besiegen wollen.


    "Sie ist tot…" flüsterte Olivia, schlug die Hände vors Gesicht und brach in ein hysterisches Gelächter aus.
    "Tot!" jauchzte sie immer wieder. "Tot!"
    Mit abergläubischer Furcht sah Rutger auf die niedergestreckte Hexe, schlug das Zeichen von Donars Hammer und trat hastig zurück bevor der Rand der Blutlache seine Füße nässte. Dann warf er rasch den räudigen Fellüberwurf ab und entledigte sich der Krallenhandschuhe, bevor er zu Arrecina trat, um sie besorgt zu stützen.
    "Kleines, geht es noch? Komm, nimm schnell das Gegengift und dann lass uns schleunigst von hier verschwinden!"

  • Arrecina hielt die Luft an als sie zusehen musste was die Sklavin im ersten Moment vor hatte. Ihr krampfte sich bei dem Anblick der kleinen, erhobenen Phiole, der Magen zusammen und sie hätte am liebsten geschrieen, dass sie das nicht machen sollte. Ihre Angst war enorm groß, dass sie wegen so etwas den Tod finden würde, sie war doch noch so jung. Ihr Herz drohte in ihrer jugendlichen Brust zu zerspringen, doch es wandte sich zum Guten und Olivia zeigte Herz. Sie tat ihr leid wie sie dastand und selber nicht weiter wusste. Zwar konnte sie sich nicht in diese Sklavin versetzen, aber sie hatte ihr Mitleid und ihren Dank, als sie ihr tatsächlich die Phiole überreichte. Arrecina hätte es ahnen müssen, dass diese andere Frau sie auf jedem Weg versuchen würde umzubringen und das verriet die Sklavin ja in dem sie ihr sagte wie viele Tropfen sie tatsächlich nur nehmen durfte. "Ich danke dir über alles vielleicht können wir dir helfen," flüsterte Arrecina mit zitternder Stimme und hatte fast keine Kraft mehr das Messer noch in ihren Händen zu halten, doch sie merkte sich diese zehn Tropfen und im nächsten Moment spürte sie wie ihr das Messer aus der Hand gerissen wurde, oder verging doch noch mehr Zeit? Sie konnte es nicht nachvollziehen, denn es geschah alles so schnell und langsam zugleich. Verschwommen wurde teilweise ihr Blick und das Grauen was sie da sehen musste wurde durch das Mittel nur noch mehr verstärkt und machte ihr Angst.


    Das viele Blut wie sollte sie das nur jemals aus ihren Gedanken bekommen? Wahrscheinlich niemals. Durch den Schrei hätte sie fast die Phiole fallen lassen und war kurz davor sich die Hände auf die Ohren zu halten oder einfach umzufallen, damit sie diesen Anblick nicht mehr länger ertragen müsste. Erschrocken tat sie einen Schritt nach hinten und geriet etwas ins wanken konnte sich dann aber wieder halten. Alles begann sich zu drehen und sie nahm kaum noch etwas wahr nur als Rutger sie stützte lehnte sie sich gegen ihn, dass ihr Kopf gegen seine Schulter rutschte, doch die Phiole hatte sie feste in ihrer Hand verschlossen, auch wenn sie kaum noch Kraft hatte sich auf den Beinen zu halten. "H…e….l….f…..m…i…r…b…i…t….t..e," brachte sie die Worte noch so über die Lippen. Die Finger ihrer freien Hand krallten sich in die Kleidung die er an hatte um sich zu halten.

  • Ein Arm umschlang kräftig Arrecinas Schultern, den anderen legte Rutger unter ihre Knie; er hob Arrecina auf bevor sie fallen konnte und trug sie ein Stück zur Seite, weiter weg von der toten Wahnsinnigen, ihrer von wildem Lachen geschüttelten Mörderin und all dem Blut. Am Rand des Innenhofes, unter einer Überdachung, die den Regen abhielt, ließ er sich mit Arrecina vorsichtig auf dem Boden nieder; er hielt sie auf seinen Knien, stützte ihren Oberkörper und flüsterte leise beruhigende Worte.
    "Schscht, Kleines, es ist vorbei, keiner tut dir mehr was… komm ich gebe dir von dem Trank, zehn Tropfen, ja…"
    Vorsichtig bog er ihre Finger auf, die sie so verkrampft um die Phiole geschlungen hatte. Sie fühlten sich, obgleich vom Regen nass, viel zu heiß an. In dem schwachen Lichtschein, der vom Atrium herüberdrang, sah er misstrauisch auf das kleine Fläschchen, in dem die milchig trübe Flüssigkeit stand - was wenn er sie nur in noch größere Gefahr damit brachte? Doch beim Blick auf ihr gequältes Gesicht, die fiebrig glänzenden Augen, die ziellos umherirrten, ihn anscheinend schon gar nicht mehr sahen, schien es ihm, dass er keine Wahl hatte.
    Er zog den kleinen Glasstopfen heraus, umfasste Arrecinas Hand, und ließ einige Tropfen, sehr sorgfältig zählend, in ihre hohle Hand fallen.
    "Du musst das auflecken!", sagte er ihr eindringlich, und führte ihre Hand zu ihrem Mund.
    "Hörst du, Arrecina, hier, schau mal, ja… genauso so, sehr gut!"
    Und er wiederholte die Prozedur bis er ihr die ganze Dosis eingeflösst hatte.


    Die verwilderten Bäume in der Mitte des Innenhofes ächzten im Wind und schüttelten ihre Zweige. Noch immer rauschte der Regen, prasselte auf den Mamorboden, bildete rötliche Rinnsale und kleine Bäche, die sich in den Rissen des Bodens, an den Wurzeln der Bäume sammelten und versickerten. Um den reglosen Körper der Hausherrin herum waren die weißen Platten schon beinahe wieder rein gewaschen.
    Dies war das letzte Bild, das Rutger von diesem Innenhof im Gedächtnis blieb. Das Herz von furchtbarer Sorge um Arrecina erfüllt, trug er sie auf seinen Armen aus dem Peristyl hinaus.


    Bald darauf ritt er, Arrecina vor sich auf dem Sattel haltend, beide in lederne Regenumhänge gehüllt, auf dem Rücken eines Ponys auf das Haupttor zu. Ein anderes führte er am Zügel hinter sich, beladen mit etwas Gepäck, das er auf die Schnelle im Haus hatte zusammenraffen können, und mit seinem selbstgebauten Speer. Überrascht vernahm er, vom Tor her, ein heftiges Klopfen.
    Vom Rücken des Ponys aus legte er den Riegel zurück. Das Tor schwang mit grabestiefem Ächzen auf, und Rutger sah sich einer vollkommen durchnässten jungen Dame gegenüber. Die goldene Palla lag klatschnass um ihre arroganten Züge, in denen Zorn und Erschöpfung sich die Waage hielten. Flankiert wurde sie von einigen kräftigen Männern, sie hatten einen reichverzierten Tragsessel zwischen sich abgesetzt, der an der Lehne und an einer Stange gesplittert war.
    "Endlich!", fauchte die junge Dame heiser. "Habt ihr keine Ohren da drin?! Was fällt euch ein, mich hier stundenlang warten zu lassen - ich bin Antonia Lavinia! Das wird Konsequenzen haben!"
    Und aufgebracht marschierte sie, an Rutger und Arrecina vorbei, in den Hof der Villa hinein, gefolgt von ihren Begleitern und dem Tragsessel.


    Verdutzt sah Rutger ihr hinterher, dann zuckte er die Schultern, gab dem Pony die Schenkel und durchquerte mit Arrecina das Tor. So verließen sie die Villa Aspera in der sie, auf der Suche nach Zuflucht, alle beide eine Nacht des Grauens erlebt hatten.
    Sie ritten hinaus in die Nacht, die inzwischen schon wieder einer grauen Dämmerung wich, und folgten dem schlammigen Weg bergab. Riesige Pfützen standen darauf, überall lagen heruntergebrochene Äste, und an einer Stelle war der Weg durch einen Erdrutsch beinahe gänzlich weggeschwemmt worden. Allmählich ließ der Regen nach, versiegte dann ganz. Der Wind jagte die Wolken und vertrieb sie schließlich vom heller werdenden Himmel.
    Über einen langezogenen Hügelkamm hinweg ritten die beiden in den anbrechenden Morgen hinein. Die Vögel begannen zu zwitschen, und aus der vollgesogenen Erde stieg der nasse Dunst in zarten Schleiern auf.
    Rutger hielt Arrecina engumschlungen. Mit unendlicher Erleichterung erfüllte es ihn, zu fühlen, dass ihre Stirn wieder kühl war und ihr Atem ruhig und gleichmäßig ging.
    "Wir haben's geschafft, Kleines!", murmelte er froh. "Bei allen Asen und Wanen, wir haben diese Nacht überstanden! Jetzt werden wir doch den Rest auch noch schaffen!"
    Und mit einem Gefühl, als hätten sie mindestens schon die Alpen hinter sich, trieb er das Pony zu einem schnelleren Schritt.
    Als eine blasse gelbe Scheibe stieg die Sonne hinter den Bergen auf.



    ~ Ende dieser Geschichte ~




    Fortsetzung folgt…hier

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