Einige Tage nach Übernahme seiner neuen Aufgaben in Rom fand Sophus wieder Zeit, in den representativen Arbeits- und Empfangsräumlichkeiten des pater familias einige Belange jenseits der Arbeit zu erledigen. Nachdem er hinter dem altgedienten Schreibtisch Platz genommen hatte, entahm er einem mit inzwischen recht ledierten Malereien versehenen Holzkästchen diverse Schreibutensilien. Seit längerer Zeit griff er auch wieder zum teuren Papyrus, denn unter anderem gedachte er, sich über das Befinden seiner Klienten zu erkundigen. Die Schreibarbeit ging ihm wie gewohnt recht flüssig von der Hand - schon hatte er nach sorgfältiger Trocknung der Schrift einige Briefe zu seiner Rechten auf die dunkle Tischplatte ablegen können. Viele davon hatte er mit einer Einladung versehen können, denn etliche Klienten lebten in Rom und Umgebung.
Froh, sich nicht verschrieben zu haben und um hässliche Ausbesserungsmaßnahmen herumgekommen zu sein, begann er schließlich das letzte Schreiben in seiner Funktion als Patron.
Aurelius suo Didio salutem dicit.
Mag es bislang als schmerzliches Versäumnis erschienen sein, einem trefflichen Freunde, sei es durch gelegentliche Unbedarftheit des Jugendalters, sei es durch geschäftliche Verrichtungen, derer sich die Zeit in bedrängten Lagen nicht erwehren kann, nicht stets regelmäßig und gewissenhaft Ohr geschenkt zu haben, so scheint mir nun doch wenigstens berechtigte Vorfreude auf deine baldige Rückschriften Anlass zum höchsten Genuss, ermangelt es ihnen doch nie an Witz und sorgfältig ausgearbeiteten Gedanken.
Mit großer Freude vernahm ich dein tüchtiges Mühen um einen durchaus angemessenen Platz im Staate, welches, so erlaube ich mir zu schreiben, auch in Zukunft nur die glänzendsten Früchte tragen wird. Umso schärfer traf mich demnach das alte Los eines Soldaten, welcher dem Ruf seines Heerführers nach Rom folgte. Gleichwohl bleibt meine Begierde bestehen, jede Wendung deines Werdegangs zu verfolgen und nach besten Kräften zu fördern, denn kein Zögern soll dein Wohlergehen gefährden, über welches in regem Austausch zu verbleiben ich, diese eine Forderung sei ohne Rücksicht auf meine Laster im Umgang mit der freien Zeit gestellt, mit Nachdruck anzuregen pflege.
Vale bene,
Flavius Aurelius Sophus.
Als er den Sigelring einmal mehr zum Einsatz gebracht und die Schriftstücke nochmals überflogen hatte, rief er nach einem schriftgelehrten Sklaven, welcher bereits unter seinem Vater Crassus im Besitz der Familie gewesen war und dem man scherzhaft, jedoch nicht unberechtigt, den Rufnahmen Tacitus gegeben hatte.