Forum Romanum | Io Saturnalia!

  • Der Tag neigte sich ungefähr der zweiten Stunde zu, die Sonne fiel schräg über die Basilica Iulia hinweg auf das Forum und tauchte den Platz vor dem Tempel des Saturnus in ein weiches Licht, welches den kühlen Wind, der immer wieder einmal über die freie Fläche blies, ein wenig abmilderte. Es hatten sich bereits viele Menschen vor dem Tempel versammelt, Bürger aller Schichten, daneben auch Freigelassene und Sklaven, welche heute von ihren Diensten befreit waren. Da öffentliche Einrichtungen und Schulen an den Tagen der Saturnalia geschlossen blieben, hatten viele Menschen Zeit, sich dem Kultus zu widmen und das in Aussicht stehende Festmahl lockte sie zahlreich herbei. Um die Gleichheit aller an diesen Festtagen zu demonstrieren trugen selbst die Magistrate und Sacerdotes keine Togen, sondern einfach Tuniken mit Pallia oder Paenulae, dazu auch keine weißfarbene Kleidung und keine Purpurstreifen, sondern waren in leuchtende, prächtige Farben gekleidet. Viele Menschen hatten ihren Kopf zudem mit einem Pilleus bedeckt, der Filzkappe, welche ansonsten hauptsächlich die Freigelassenen als Symbol ihrer Freiheit trugen. Die Gleichheit aller zeigte sich auch in der Anwesenheit vieler Sklaven, die an den Saturnalia ihren Herren gleich, manche sogar in Umkehrung höher gestellt waren, weshalb die Saturnalia als regelrechtes Fest der Sklaven galten. Doch auch das römische Volk würde auf seine Kosten kommen, denn es gab wenig, was an den Saturnalia als unziemlich galt und viele der anwesenden Bürger würden spät am Abend beim Würfelspiel oder hemmungslosen Trinkgelagen enden, um ganz und gar und mit allen Sinnen das goldene, saturnische Zeitalter zu ehren.


    Doch vorerst sollte demjenigen gedacht werden, welchem dieser Feiertag zugedacht war, dem Saturnus, einem der ältesten Götter des römischen Volkes. Vor seinem Tempel waren drei Statuen aufgestellt, Saturnus selbst, mit kunstvoll geknoteten Wollbinden um seine Beine, welche die Ketten symbolisierten, durch welche er das Jahr über gebunden war, rechts von ihm seine Gattin Ops, die Erdmutter, und linkerhand Consus, der Wächter über das Getreide und Gehilfe des Götterpaares. Vor den Statuen auf einem Foculus aufgereiht standen eine Reihe Kerzen, eine Öllampe, ein Schälchen mit Getreide und Geld.


    Wie bereits vor kaum einem halben Monat zum Fest des Saturn war Gracchus auch an diesem Tag die Leitung des Festtages zu seinen Ehren zugefallen. Er trug eine weinrote Tunika und statt eines Pilleus einen Kranz auf dem Kopf, um seine Stellung als Opferherr hervorzuheben. Die Organisation der Saturnalia galt als große Ehre unter den Sacerdotes, denn es fand zwar kein blutiges Opfer statt, dafür jedoch ein ausgeprägter Kultakt nach strengen Regelungen. Zudem bedurfte es weitläufiger Organisation, um die notwendigen Vorbereitungen, den Ablauf der Kulthandlung und das anschließende Fest angemessen vorzubereiten. Gracchus blickte sich nach seinem Neffen Serenus um, welchem er eine Aufgabe als Minister zugedacht hatte. Er hatte Sciurus gebeten, auf das Kind aufzupassen, dass es nicht in der Menschenmasse unterging, doch bisher gab es ohnehin keinen Grund zur Sorge, stand Serenus doch seitlich der Statuen und hielt die Schale vor sich, aus welcher bereits der Rauch von verbranntem Styrax emporstieg.


    Das Spiel der Tibicines setzte ein, um den Beginn der Zeremonie einzuleiten, und endete erst, als sich die Menge vor dem Tempel gesammelt und zur Ruhe gekommen war. Sodann setzte Gracchus zur traditionellen Saturnalienansprache an.


    "Willkommen zu den Saturnalia!


    Der Kreis des Jahres teilt sich in vier Teile,
    und in den Ländern unserer Heimat und unserer Provinzen
    ist die dunkle Zeit von der Sommersonnenwende
    zur Wintersonnenwende die Zeit zu pflügen
    und den Boden zu bestellen und den Samen auszustreuen.
    Wenn dies getan ist ruhen die Menschen aus
    in der Winterzeit, bis zur Rückkehr der Sonne.
    Drei alte Götter werden in dieser Zeit geehrt:
    Saturnus, Ops und Consus sind ihre Namen.


    Nun hört den Mythos von Saturnus' Herrschaft:
    Bevor die mächtigen Götter, die die Erde
    Von des Olympus schneebdeckten Gipfeln beherrschten, geboren wurden,
    war Saturnus der König aller Götter
    und Ops, seine Schwester, war seine Frau und Königin.
    Aber als die Zeit kam und er seinen Thron abgeben sollte
    an einen jungen Gott, seinen Sohn Iuppiter,
    wollte Vater Saturnus nicht beiseite treten.
    Ein Kampf entbrannte zwischen Alt und Jung,
    bis Iuppiter siegte und Saturnus aus dem Himmel auf die Erde verbannte.
    Saturnus stürzte auf die Erde, und mit seiner Frau
    baute er ein Schiff und segelte hierher, in unser Land.


    Er brachte den Menschen nützliche Künste,
    er lehrte sie die Saat zu bewahren und in den Boden zu säen,
    so dass wir nicht mehr mühsam nach Nahrung suchen mussten.
    Er zeigte uns die Tiere zu jagen und zu braten,
    so dass wir allezeit ihr Fleisch und Fell hatten,
    er zeigte uns die Tiere zu zähmen und mit ihnen die fruchtbare Erde zu pflügen.
    Saturnus lehrte die Menschen Münzen zu schlagen
    von schimmerndem Silber, glänzendem Gold und Bronze.
    Er lehrte uns das Geld zu bewahren und anzuwenden.
    In diesen und anderen Dingen machte Saturnus
    unsere Leben viel einfacher und frei.


    Seine glückliche Herrschaft wurde das Goldene Zeitalter genannt,
    als genug Nahrung war für jedermann
    und die Menschen den Reichtum teilten, den sie besaßen,
    und keiner jemals stahl oder kämpfte oder log.
    Aber als das Ende der Herrschaft Saturnus' kam,
    entschied er weise, seine Krone beiseite zu legen.
    Er segelte mit dem Wind weit gen Norden,
    nach Hyperborea, wo er jetzt schläft,
    in einem versteckten Eiland am Ende der Welt,
    wo er auf ein anderes Goldenes Zeitalter wartet.


    Aber bis diese glückliche Zeit kommt,
    in dieser, der kältesten Zeit des Jahres,
    begeben wir uns in Gedanken in Saturnus' kaltes Reich
    um zu erwecken den alten freundlichen König,
    und ihn zu bitten, erneut mit uns zu gehen
    und für diese kurze Zeit mit uns zu leben,
    und mit uns zu feiern und zu Ehren das Goldene Zeitalter.


    Ich wünsche Euch
    Bona Saturnalia!"

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  • Serenus hatte sich als Minister mit der Weihrauchschale im Bereich der Statuen plaziert.


    Im Gegensatz zu Onkel Gracchus hatte er sich für eine laubfroschgrüne Tunika und einen Pilleus in selbiger Farbe entschieden, welche mit seinem neuen rotbrauen Sandalen harmonierte. Zwei Jahrtausende später hätte ein unwissender Beobachter Gracchus und seinen Neffen für eine antike Variante des Weihnachtsmannes und seines Wichtelhelfers halten können.


    Unzufrieden bemerkte Serenus, daß aus der Weihrauchschale nur ein wenig Rauch emporstieg. Also griff er in einen Beutel an seinem Gürtel und entnahm diesem eine gute Handvoll Styrax, welchen er in die Schale warf. Zufrieden registrierte er eine größere Rauchentwicklung, welche den Bereich um sich herum langsam, aber stetig, einräucherte.


    Er lauschte Onkel Gracchus und bemerkte im Verlauf von dessen Rede, daß die Götter ebenfalls anwesend zu sein schienen. Die Sichel der Statue des Saturnus hob sich drohend über das Haupt von Onkel Gracchus. Oder drohte sie gar der Menge? Ganz sicher war sich Serenus aber, daß die Statue des Gottes Consus ihm persönlich lächelnd mit einer Ähre zuwinkte.


    Sofort legte er eine weitere Handvoll Styrax nach zum Wohlgefallen der Götter. Er bemerkte nicht, daß durch den Rauch und die Dämpfe seine Wahrnehmung noch benebelter wurde, als sie es schon war.

  • Durus hatte sich ebenfalls irgendwo in der Menge eingefunden. Er trug nur eine gelbe Tunika und einen roten Pilleus auf dem schwarzen Haar, was jedes Jahr aufs Neue ein ungewohntes Gefühl hinterließ - sonst trug er an Opferhandlungen grundsätzlich eine Toga!
    Um ihn herum standen die Haussklaven der Tiberier, alle ebenfalls mit Freiheitsmützen und farbenprächtigen Tuniken, die Durus extra zu diesem Anlass spendiert hatte.
    So lauschte er der Rede des Flaviers, der in letzter Zeit viele Opferhandlungen vornahm - sicher würde er bald aufsteigen!

  • Jakobus stand neben seinem Herrn, der aber heute kein Herr war. Das Gefühl des pilleus auf dem Haupt war wirklich angenehm - hoffentlich würde er so etwas eines Tages das ganze Jahr über tragen können.
    Gemeinsam mit Decimus hatte er in der Villa bereits vorgeglüht, weshalb er sich bereits konzentrieren musste, um den Geschehnissen am Tempel folgen zu können.

  • Außerhalb der Hauptansammlung der Menschen stand Sciurus nahe des Tempels und beobachtete das Geschehen mit nur beiläufigem Interesse. Er war als Gleicher unter Gleichen hier, ein Umstand, welcher ihm nicht unbedingt behagte, doch immerhin hatte er von seinem Herrn die Bitte erhalten, auf den jungen Serenus Acht zu geben, so dass er nicht völlig unnütz war. Das Kind räucherte fröhlich vor sich hin und strahlte mit seeligem Blick in die Gegend, in Gedanken wahrscheinlich schon bei den Geschenken, welche am Abend auf es warten würden. Alles übrige war für Sciurus nicht von Belang, er hielt es für unangemessen, sich sieben Tage lang der Illusion hinzugeben, ein Bürger zu sein, und sein Leben als Sklave war nicht so schlecht, als dass er sich während dieser Tage die Erholung suchen müsste, welche er das Jahr über ansonsten misste. Ihn störte eher die Tatsache, dass sein Herr ihn nicht für die Feiertage entlassen hatte, und er als Gleichgestellter in der Villa Flavia bleiben musste, ohne seinen Aufgaben nachgehen zu können.

  • Im Anschluss an die Begrüßung wandte sich Gracchus zu der Statue des Saturnus um, deren Kopf mit einem grünen Kranz geschmückt, und welche wie die beiden anderen Statuen bekleidet war. Der Sacerdos nahm von einem Minister eine kleine Kanne entgegen und goss daraus goldfarbenes, glänzendes Öl in die bereitstehende Lampe.


    "Als Saturnus herrschte, war alles ein Kreislauf
    und alle Dinge kehrten sich um.
    Nur einmal jedes Jahr füllen wir diese Lampe mit Öl.
    Sie ist sonst leer, weil Saturnus schlafend liegt.
    Wir nähren ihn mit dem Öl des Getreides,
    dem goldenen Nektar der Körner.
    Trinke tief, oh Saturnus, von diesem goldenen Öl!
    Erwidere unser Geschenk und segne unsere heilige Erde!"


    Nachdem die Lampe entzündet war, nahm Gracchus die mit Münzen gefüllte Schale, holte je einen Aureus, einen Denarius, einen Sesterz und ein As daraus hervor, und damit mehr, als viele der Feiernden in einem Monat verdienten, und legte sie in eine kleine Schale zu den noch immer gefesselten Füßen des Saturnus.


    "Saturnus hat einen Gehilfen, den Gott des Ackerbaus
    der die Saat bewacht, Consus ist sein Name,
    er bewahrt die Dinge tief in der Erde
    und beschützt die Saat.
    Von allem was wir ernten bewahren wir einen Teil,
    um es erneut in die Erde zu legen.


    Auch einen Teil unseres hart erarbeiteten Geldes bewahren wir auf,
    um es an einem anderen Tag zu benutzen.
    Und selbst unsere besten Gedanken verbergen wir,
    um sie später ans Licht zu bringen,
    wenn sie wachsen und gedeihen können.


    All das und mehr ist verborgen in der Erde
    anvertraut der Sorgfalt von Mutter Ops.
    Erinnert euch allen Reichtums den ihr besitzt und
    entscheidet weise, was davon zu bewahren ist.
    Gebt einiges von dem, was ihr besitzt, und bittet:


    Saturnus, bewahre das Korn für die Saat
    und mache es fruchtbar für die Ernte!"


    Angehörige des Cultus Deorum strömten nun vom Tempel aus in die Menschenmenge, in ihren Händen hölzerne Dosen, in welchen sie die Spenden des Volkes einsammelten. Sie waren in weiße Tuniken gekleidet und trugen statt des Pileus ebenfalls grüne Kränze, um so für die Opfernden erkennbar zu sein. Von überall her war nun leises Gemurmel zu hören, wenn die Menschen Saturnus um seinen Segen baten, bevor sie ihre Münzen, kaum eine davon mehr wert als eine Sesterze, in die Holzdosen fallen ließen.

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  • Das weiche Licht schien heute Marcus nicht schmeicheln zu wollen, offenbarte es durchaus seine Augenringe und seine etwas bedrückte Miene. Die strahlenden Gesichter, die vielen Menschen, Männer und Frauen, Römer und Ausländer, Sklaven und Freie, verströmten ihre feierliche Laune und ließen Marcus düstere Stimmung noch intensiver werden. Langsam drängte sich Marcus durch die Menge und weiter nach vorne. Einige Meter vor seinem Vetter blieb Marcus stehen und lauschte seinen Worten. Ein schweres Seufzen löste sich von seinen Lippen und er versank in düstere Gedanken. Früher, sogar noch vor einem Jahr, hätte er es sich nicht nehmen lassen, die Saturnalien ausgiebig zu feiern. Es war einer der Feste, die er am meisten liebte. Zwar brachten die Saturnalien einige unangenehme Dinge mit sich, doch auch jenen und die Gleichheit aller konnte er in diesen Tagen sonst viel abgewinnen. Nur die Sorge um seine Tochter trübte viel. Erst als Gracchus fast zu Ende gesprochen hatte, bemerkte Marcus seinen Jungen bei den Statuen, schien er doch von dem Rauch fast völlig verschluckt worden zu sein. Marcus blinzelte einige Male und musterte seinen Sohn. Die Betrachtung riß Marcus aus seinen Grübeleien heraus und er lächelte. Er hatte seinen Sohn schon lange nicht mehr gesehen. Und natürlich fiel ihm als erstes auf, was einem Vater immer auffallen würde- sein Sohn war ganz schön groß geworden. Das Klimpern der Münzen zog seine Aufmerksamkeit dann wieder auf die Zeremonie.

  • Die Reise von Mantua hatte wieder einmal erheblich viel Zeit in Anspruch genommen und so traf ich in Begleitung meiner Sklaven zu Beginn der Saturnalien ein. Kurzerhand verschob ich die dringenden Angelegenheiten und beschloss, an diesem Fest teilzunehmen – so wie ich es jedes Jahr und zwar in Rom getan hatte. Zum Glück kam ich nur unbedeutend zu spät, hatte zwar die erste Ansprache verpasst, konnte aber der zweiten beiwohnen.


    „Io Saturnalia!“, pries ich Saturn, leise vor mich hinmurmelnd. Leider war mir entgangen, ob diese Wüsche bereits geäußert wurden. Letztlich sollte dieses Unwissen aber nicht entscheidend sein und so lauschte ich den Worten des Sacerdos. Die Geldspende stand demnach noch aus. Ich nahm eine Anzahl kleiner Münzen aus einem Lederbeutel, legte Assindius und Aintzane je zwei in die Hand und ließ meine - nach wortlos formulierten Wünschen - in die Holzdose des kurz darauf vorbeigehenden Tempeldieners fallen.

  • Was für ein Licht! Erfüllt von einer heiteren Leichtigkeit, die dem Tag durchaus angemessen war, legte Leontia den Kopf schräg, und blinzelte einen Moment lang in die Sonne, bevor sie den Blick über die versammelte Menschenmenge schweifen ließ. Die ungeheure Masse an Gesichtern bereitete ihr jedoch ein leichtes Unbehagen, und so wandte sie sich wieder nach vorne, dem Tempel zu. Zum Glück hatte ihr Vetter Gracchus dafür gesorgt, daß sie einen Platz ganz vorne bekommen hatte. Nicht auszudenken wäre es, sich da durch das Gewühl des Plebs drängen zu müssen!


    Aber etwas kühl war es, und sie kuschelte sich in ihren warmen Blaufuchspelz-Mantel. Darunter trug sie eine elegante Kombination aus einer cremefarbenen Tunika mit weiten von Silberfäden durchwirkten Ärmeln und einem weich fallenden strahlenblauen Obergewand. Ein silberbestickter Gürtel raffte es um ihre gertenschlanke Taille herum in anmutigem Faltenwurf. Zu einem Kranz geflochten lag ihr schwarzes Haar um ihren Kopf herum gewunden, von einigen schimmernden Perlen geschmückt. Einzelne Strähnen waren in Asymmetrie herausgezupft - wie es gerade hochmodern war - und schmiegten sich zu Locken gedreht an ihren zarten Hals.


    Beim Herrichten heute morgen war ihr Salambo, ihre Leibsklavin und Ornatrix - den Göttern sei dank - noch behilflich gewesen, aber jetzt stand sie als Gleichgestellte neben Leontia. Die junge Halbnubierin strahlte über das ganze Gesicht, und schenkte allen gutaussehenden Männern in ihrer Umgebung bereitwillig ein unbeschwertes Lächeln - ein viel zu kokettes Lächeln, fand Leontia, durfte sie aber an diesem Tag nicht zurechtweisen. Dagegen benahm sich ihr Custos Hamilkar ganz anständig. Mit verschränkten Armen stand er neben ihr, die Filzkappe auf dem Kopf, und die Umgebung, obgleich er eigentlich ja frei hatte, noch immer aufmerksam im Blick.


    Mit tiefen Genuß lauschte Leontia den wohlklingenden Worten ihres Vetters, und glühte insgeheim vor Stolz, daß er derjenige war, der den Kultakt leitete - was natürlich nur angemessen war. Ihren kleinen Neffen Serenus mit seinem kindlichen Ernst als Opferhelfer zugange zu sehen, rührte sie zutiefst, und sie mußte sehr an sich halten, um ihm nicht verstohlen zuzuwinken.

  • Vic steht schräg hinter den Statuen, flankiert von seinen Septemvirskollegen. In ihren Händen halten sie Schüsseln voller Kekse, so wie zahreiche andere Helfer des Cultus Deorum auch. Für alle, welche das Collegium der Septemviri sonst als ernsthafte Angelegenheit kennen ist dieser Anblick sicher recht ungewöhlich. Victor gefällt der Posten prima, er ist es auch, der die Septemviri überhaupt erst hierher gebracht hat.


    Die Saturnalien sind eines der besten Feste des Jahres. Schon als Peregrinus hat Vic diese Tage ausgiebig für die drei Ws genutzt: Würfeln, Wein und Weiber. Das Opfer ist dabei die beste Gelegenheit, Frauen auszumachen, immerhin sind sie heute alle gleich, auch wenn einige immer noch gleicher als andere sind. Dennoch, keine Frau kann sich heute beschweren, selbst wenn ein Sklave ihr schöne Augen macht. Victor nimmt eher die umgekehrte Möglichkeit wahr und hängt sich an die Sklavinnen ran. Sieben Tage lang sind sie beinahe frei und trennen sich meist am Morgen schon von ihren Herrinen oder Herren.


    Der beste Weg, eine solche Sklavin aufzugabeln ist immernoch der alte Kekstrick. Nichts zieht so gut, wie einer Frau einen Saturnalienkeks anzubieten. Gut, es funktioniert nicht immer, aber immer öfter. Darum ist Vic bei der letzten Collegiumssitzung aufgestanden und hat verkündet, dass er sich den Keksausteilern an den Saturnalien anschließen würde. Zuerst hat das zu großer Empörung geführt, weil das keine Aufgabe für einen Septemvir wäre. Doch auf Victors Frage, wie es sein kann, dass an den Saturnalien alle gleich sind, die Septemviri aber nicht wie andere Cultus Deorum-Angehörige Kekse austeilen können, verstummten die Diskussionen. Fulvius Frugi war der erste, der sich Victor angeschlossen hatte, dann folgte Propertius Secundus und nachdem das halbe Collegium aufgestanden war, mussten die übrigen zwangsläufig mitziehen. Natürlich wird das ganze heute als guter Dienst an das römische Volk und als Einfall des Magisters Opimius Naso verkauft. Victor ist es egal, hauptsache, er kann Kekse verteilen. 8)


    Während der Flavier die Opfertexte verkündet, was er recht gut macht, schaut Vic schonmal die Beute aus. Ganz vorne entdeckt er eine echte Perle, südländischer Typ und genau sein Geschmack. Leider ist sie jedoch eindeutig mit ihrer Herrin hier. Denn auch wenn heute alle gleich sind, hochrangige Persönlichkeiten stechen trotzdem aus der Menge hervor wie ein Wolf unter Schafen. Genau so, wie die Frau mit den kunstvoll geflochtenen Haaren und dem sicher sündhaft teuren Pelzmantel. Trotzdem lässt es sich Victor nicht nehmen, der Nubierin neben ihr immer wieder zuzugrinsen und zuzuzwinkern. Sie wird seinen ersten Keks bekommen, wenn es soweit ist.

  • Langsam wanderte Minverinas Blick über die Menge... Unzählige Menschen waren gekommen um Saturn zu huldigen, so auch sie. Ihre türkisblauen Augen fixierten ihren Bruder.


    Sie hatte sich vorgenommen ihn nicht noch einmal zu entäuschen. Sie trug eine strahlend weiße Tunika mit leichten hellblauen Akzenten, welche sich mit ihrer sonnengebräunten Haut in einer wunderbaren Harmonie verband. Ihr tiefschwarzes Haar trug sie offen und nur ein paar Perlen verzierten ihr Haupt.


    Eine Reihe vor ihr sah sie ihre Cousine.. sie war sehr vertieft in die Ausführungen von Gracchus...

  • Ein Angehöriger des Cultus Deorum arbeitete sich mit der Sammelschale durch den Rauch zu Serenus vor um auch diesem die Möglichkeit für eine Spende zu geben.


    Onkel Gracchus hatte ihm alles genau erklärt. Heute waren alle Leute gleich und viele der hier anwesenden Personen waren Sklaven, Plebeier und Hungerleider, die so taten als ob, aber letztlich nichts vorweisen konnten. Sie würden also in der Regel nur eine Münze geben. Da alle gleich waren sollte Serenus auch nicht mehr als eine Münze in die Schale geben. Serenus griff in einen weiteren Beutel an seinem Gürtel und entnahm diesem genau eine Münze.


    Heute waren alle gleich, aber er war der Sohn eines Patriziers und Helden der Legio I und stammte aus der angesehensten Gens des Imperiums nach dem Imperator.
    Er gab einen Aureus in die Opferschale. Onkel Gracchus hatte zwar nicht den Wert der Münze genannt, aber von einem 9 Jahre alten Patrizier konnte er natürlich erwarten, daß er sich auch an einem solchen Tag an seinen Stand erinnerte.


    Dann wartete Serenus darauf, daß irgendwann ein weitere Angehöriger des Cultus Deorum wie vereinbart ihm die Räucherschale abnehmen würde, damit er beim Verteilen der Kekse mithelfen konnte. Das erinnerte ihn daran später mal nachzufragen, warum sein Onkel eigentlich fünf Mal betont hatte, daß er keinen Keks stibitzen müsse, denn es gäbe noch eine riesige Schale voller Kekse für alle Helfer hinter den Statuen. Woher hatte Onkel Gracchus gewusst, daß er für seinen Hund Nero einen Keks stibitzen wollte? Hatte er etwa das zweite Gesicht als Sacerdos? Oder gab es die Kekse in unterschiedlicher Qualität und der Hund sollte von der besseren Sorte für die Helfer bekommen?

  • Zusammen mit Deandra war Aintzane auf dieses eigenartige, denkwürdige Fest gekommen. Ein Meer von Farben, eine Extase von Hektik, ein Gewirr von Stimmen - und das alles untermalt von dem Schwafeln der Priester. Insgesamt war es eher wie die Versammlung der Hexen zu Zugarramurdi, von der man sich in ihrer Heimat, dem Land der Basken, erzählte, wie ein ehrwürdiges Ritual. Deandra hatte Aintzane 2 Münzen in die Hand gedrückt - die müsste sie wohl opfern. Sie tat das auch und warf die Münzen in die Sammelschale des Priesters. Hoffentlich kommt es guten Zwecken zugute und nicht der persönlichen Bereicherung dieser dekadenten Robenträger... aber das war wohl nicht ihre Sorge. Bedeutender war es, dass sie Deandra und Assindius nicht aus den Augen verlor und... halt! Wenn sie Deandra und Assindius verlor, könnte sie sich unbeachtet wegschleichen, aus Rom heraus in die Pyrenäen... sie verwarf den Gedanken. Lächerlich. Die Wachen hätten sie spätestens bei den Stadttoren.
    Also kehrte sie zu Deandra zurück und sagte ihr: "Ich habe gespendet... danke für das Geld übrigens. Darf ich mir jetzt etwas von Saturn wünschen?" Nicht, dass sie an ihn glaubte, aber man konnte sich ja nie sicher sein.

  • Nachdem der Tag in der Casa Purgitius bereits mit einem kleinen Opfer und einer Geschenkeverteilung an die Sklaven begonnen hatte, kam Macer mit einigen Klienten auf dem Platz an, an dem das große Opfer stattfand. Mehrere seiner Klienten waren ehemalige Soldaten und so fühlte sich Macer nicht einmal ungewohnt, als er statt der üblichen Senatorentoga nur mit einer Tunika aus grober Wolle und einer einfachen Paenula bekleidet genauso wie sie durch die Straßen lief. Auch auf seine Senatorenstiefel verzichtete er und hatte stattdessen seine alten Caligae hervor geholt.


    Die Zeremonie hatte schon begonnen, aber anders als sonst brauchte sich Macer diesmal nicht den Weg zu den vorderen Reihen zu suchen, in denen die Senatoren normalerweise standen. Dass seine Körpergröße etwas überdurchschnittlich war, machte ihm den Überblick leichter und auch von hinten konnte er noch etwas erkennen. Von dem, was vorne gesprochen wurde, hörte er zwar nichts, aber vermutlich handelte es sich um ein Opfergebet oder ein paar andere Opfertexte. Der Cultus Deorum würde schon wissen, was er da vortrug.


    Ein Mann mit einer Sammelschale kam vorbei und Macer warf klimpernd einige Denare hinein. Seine Klienten taten es ihm gleich und denen, die eigentlich nicht soviel hätten spenden können, hatte Macer vorher etwas zugesteckt. Wenn man schon gemeinsam zum Opfern ging, dann sollten zumindest an den Saturnalia auch alle gleich viel opfern können, dachte er sich.


  • Zitat

    Original von Aintzane
    "Ich habe gespendet... danke für das Geld übrigens. Darf ich mir jetzt etwas von Saturn wünschen?" Nicht, dass sie an ihn glaubte, aber man konnte sich ja nie sicher sein.


    Auf Aintzanes Frage hin nickte ich.


    „Ja, du kannst dir etwas wünschen und du kannst heute und die nächsten Tage ein unbeschwertes Leben genießen. Zu den Saturnalien sind Herren und Sklaven, Bürger und Bürgerlose gleichgestellt. Ich darf dich nicht zu Arbeiten anstellen. Hast du das gewusst?“


    Ich lächelte und war gespannt, wie Aintzane reagieren würde.


    „Schau, wir sind fast nicht zu unterscheiden.“ Ich blickte an mir hinab.


    „Mein Gewand ist schlicht und unauffällig. Geh unter die Menschen, wenn du möchtest, nimm dir einen der Kekse und genieße den Tag. So schnell triffst du nicht wieder so viele, die dich alle gut und respektvoll behandeln müssen. Vielleicht findest du eine Freundin, denn auch viele Sklaven weilen heute hier. Vielleicht möchtest du ja aber auch mit Assindius über den Platz streifen oder aber nach einem anderen Begleiter Ausschau halten.“

  • Nachdem einige seiner loyalsten Klienten versorgt waren und auch die anderen Sklaven Kleinigkeiten geschenkt bekommen hatten, machte sich Furianus zu Fuß - und das sah man selten - auf dem Opfer mit einer handerlesenen Schar von Klienten beizuwohnen. Er hatte eine schlichte Tunika an und die für die Saturnalien angemessene Kopfbedeckung. Natürlich musste er keinen Anweisen ihm Platz zu machen, keinen Klieten einen Seitenblick zuwerfen, damit jener sich den Weg durch die Menge bahnte, nein, er stand etwas abseits und wohnte so dem Opfer bei.


    Und da waren wieder flavische Züge zu erkennen, als er einen Priester betrachtete, der seinem Vetter sehr ähnlich sah. Wie sich herausstellte war die Vermutung vollkommen zutreffend und der Mann sogleich zugeordnet.


    Die ausgelassene Stimmung unter den Menschen war erfreulich, doch wenn es ausarten, die Menschen in völliger Trunkenheit ihren Funken Anstand verlieren würden, so stand die flavische Sänfte in Reichweite zur Flucht.

  • Während die Helfer in den hinteren Reihen weiter die Spenden einsammelten, kehrten jene aus den vorderen Reihen bereits zurück und schütteten einige der Münzen in die Schale zu Füßen des Saturnus. Schließlich bedeckte Gracchus jene mit einem Deckel und wandte sich wieder der Menge zu.


    "Euer Schatz und euer Korn ist nun sicher!
    In der Dunkelheit muss es liegen bis zu der Zeit
    wenn die Sonne zurückkehrt und die Saat zum Leben erweckt.
    So schläft auch Saturnus, die Zeit erwartend
    wenn er erweckt und gerufen wird,
    seine Insel zu verlassen und seine Geschenke uns zu bringen."


    Erneut traten weitere Helfer des Cultus Deorum nach vorn und brachten die traditionellen Saturnalien-Geschenke. Sie verteilten Cerei, goldene Kerzen, und Sigillaria, kleine Tonfiguren, an die Menschen, allerdings nur in den vorderen Reihen. Zudem wurden zwei dicke Kerzen seitlich der Saturnus-Statue aufgestellt.


    "Laßt alle Kinder ihre Geschenke dem Gott darbringen.
    Seit alten Zeiten haben diese Gaben ihre Bedeutung:
    Die Kerzen, sie sind kleine Sonnen,
    und die Sigillaria Symbole unserer Seelen.
    Nun gebt die Sigillaria einem Kind, welchem ihr auch wollt,
    aber wacht darüber, dass jedes Kind eines erhält.
    Die Kerzen aber bewahrt bei euch."


    Gracchus nahm ein Sigillarium entgegen und blickte auffordernd zu seinem Neffen, welchem nun die Aufgabe zufiel, symbolisch für alle Kinder des Imperium die kleine Tonfigur entgegen zu nehmen, und hernach die Kerzen zu entzünden.

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  • Warum ist es in Rom eigentlich immer so voll? Egal wo es hingeht, ob auf den Markt oder zu irgend so ner Fete, überall ist es voll, eng, laut und es stink aus allen Ecken. Andauernd muss ich irgend so einen Arsch an die Seite schieben der meiner Herrin zu kommt. Bislang reichte es zu schieben, Kopfnüsse und Schläge musste ich heute noch keine verteilen.


    Was mach ich jetzt eigentlich mit dem Geld? Soll ich was kaufen gehen? Hat die Herrin was gesagt, was ich wegen dem Lärm nicht gehört habe? Ich stecke es erst einmal in meine Unterhose, das ist es sicher.

  • Auch Tiberius Vitamalacus war unter jenen Menschen, welche das Geschehen verfolgten. Er hatte in der Villa Tiberia schon einige Zeit in der Küche gearbeitet und hatte diese Arbeit auch genossen. Nach einem Schnellen Bad hatte er eine schlichte Tunika übergeworfen und war dann hinaus geeilt.


    So stand er nun inmitten der Menschenmenge und verfolgte das Geschehen. Doch es war nicht das Geschehen allein, welches der hochgewachsene Tiberier beobachtet, nein, er blickte auch über Köpfe der Menschen hinweg, registrierte wer noch anwesend war. Irgendwaie hatte er die Hoffnung, Titus in der Menge zu entdecken, der Hüne sollte nicht zu übersehen sein.

  • Auch auf Leontia kam ein grünbekränzter Helfer zu, und sogleich griff sie nach ihrem seidenbestickten kleinen Täschchen, um einige Münzen hervorzuziehen. Doch erschrocken stellte sie fest, daß sich darin keine Börse befand. Hatte sie sie denn vorhin nicht eingepackt? Lag sie vielleicht noch in der Sänfte? Oder hatte gar jemand es gewagt, sie zu bestehlen? „Künd, du würdest deinen eigenen Kopf vergessen, wenn er dir nücht fest auf den Schultern säße.“ schalt ihre Amme sie des öfteren. Und tatsächlich neigte Leontia dazu Dinge zu verlegen oder zu verlieren, wenn ihre Sklaven sie ihr nicht hinterhertrugen.


    Peinlich berührt sah sie in die Augen des Mannes, der ihr erwartungsvoll die Holzdose hinstreckte. Keine Spende für Saturn zu geben wäre gewiss ein schlechtes Vorzeichen - und wie blamabel zudem! Mit einem Hauch von Röte auf dem alabasterblassen Antlitz zog Leontia sich die perlenbesetzten Nadeln aus dem Haar, und fragte ganz leise: „Geht das auch?“. Bedauernd schüttelte der Mann den Kopf: „Es müssen schon Münzen sein.“


    Widerstrebend wandte Leontia sich an ihre heute-nicht-Sklavin, und flüsterte verlegen: „Könntest du...“ Salambo strahlte sie unschuldig an, und machte den Anschein gar nichts zu verstehen. „...mir vielleicht aushelfen?“ „Aber natürlich.“ Salambo verzog keine Miene und drückte ihrer heute-nicht-Herrin liebenswürdig ein paar Münzen aus ihrem eigenen Geldbeutel in die Hand. Erst als diese sich abwandte, und erleichtert das Geld in das Sammelgefäß klimpern ließ, huschte ein spitzbübisches Grinsen über das Gesicht der Nubierin. Weiß blitzten ihre Zähne, als sie mit schelmischem Lächeln wieder zu dem feschen Kerl bei den Statuen sah, der ihr schon seit einer Weile schöne Augen machte, und vergnügt zwinkerte Salambo zurück. Es lebe die Saturnalia!

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