Cubiculum | Flavia Arrecina

  • Irgendwann sollte sie diesem Mann ihre dankbarkeit zeigen, das wusste sie, denn er gab ihr in diesem Moment eine Menge Kraft die sie wirklich gebrauchen konnte. Sie hatte schlimme Ängste in ihrem Inneren, vor allem die Angst sich irgendwann an etwas zu erinnern was sie gar nicht wissen wollte, aber er schaffte es tatsächlich ihr ein wenig von eben diesen Ängsten zu nehmen. Es war ein zaghaftes und wirklich kindliches Lächeln welche sie ihm schenkte als sie zu ihm aufblickte und er seine Finger über ihr Haar streichen ließ. War sie eigentlich jemals wirklich ein Kind gewesen? Wohl kaum, man hatte sie immer nur erziehen wollen, aber einmal Kind sein das hatte die Großmutter so weit es ging immer unterbunden, wahrscheinlich war Arrecina deswegen auch aus diesem ewigen Käfig ausgebrochen und hier her gekommen.
    "Danke für deine Worte sie helfen mir sehr, auch wenn es vielleicht nicht den Anschein haben mag. Ich werde mich dann fertig machen und auf dich warten und auch auf das andere werde ich warten und hoffen, das es etwas bringen wird. Aber ich vertraue dir, du wirst das schaffen," sagte sie und entließ ihn ganz langsam aus dieser Umarmung in der sie sich wohl gefühlt hatte und vor allem geborgen.

  • Statt sich ob des entgegengebrachten Vertrauens gestärkt zu fühlen, brachte das Aussprechen desselben erneut nagenden Zweifel in Gracchus hervor, denn dieses kindliche Vertrauen zu enttäuschen würde ihn überaus tief treffen. Er löste Arrecina in ihrer Umarmung sanft von sich, schenkte ihr trotz allem noch einmal ein aufmunterndes Lächeln und verließ den Raum, nur um nicht viel später wieder zu kommen, gefolgt von nicht weniger als fünf Sklaven, denn gesteigerte Ausstattung bot schon immer Grund zu Überzeugung. Einer jener Sklaven trug eine Schale voll Mehl, einer eine Schale voll schwarzer Bohnen, ein weiterer einen Krug voller Milch und einen voller Öl, der vierte einen kleinen Altartisch und der letzte zwei hölzerne Becher und eine hölzerne Schale. Um sein Haupt bedecken zu können, hatte Gracchus nach einem Pallium geschickt, welches nun um seine Schultern lag, die Sandalen hatte er sich bereits vor dem Zimmer von den Füßen nehmen lassen, wurden die Lemuren doch barfüßig beschworen, und so trat er mit ernsthafter Miene an Arrecina heran.
    "Bist du bereit?"
    Er vermied es, ihren Namen zu nennen, verband sie ohnehin damit nicht viel. Um ihr die Furcht zu nehmen, erläuterte er ihr nochmals kurz den Verlauf des Ritus.
    "Ich werde einen Kreis um deine Schlafstatt ziehen, so dass dort eine Art sakraler Raum entsteht, in welchen die rastlosen Geister nicht werden eindringen. Sodann werde ich den Lemuren die Gaben offerieren und sie schließlich aus diesem Raum und dem Haus hinaus führen. Haben ich dein Cubiculum verlassen, so kannst du dich in aller Ruhe schlafen legen, es wird dir nichts mehr geschehen können."

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  • Neugierig sah sie ihren Onkel an als er wieder ihren Raum betrat. Sie war fertig und hatte nur noch auf ihn gewartet, deswegen nickte sie ihm auf seine Frage auch zu und war gespannt und auch ängstlich was nun kommen würde. Ihr Onkel sah gut aus mit dem was er trug erwischte sie sich bei diesem Gedanken und wunderte sich selber darüber, dass sie so dachte. Früher hätte sie wohl auf der Stelle versucht sich an ihn ranzupirschen und ihn um den Finger zu wickeln um ihn zu betören. Arrecina wusste ja nicht, dass er von dem anderen Geschlecht eher angezogen wurde als von dem weiblichen, aber das war ja im Moment eh nur Nebensache.
    "Sie werden mir nie wieder etwas anhaben können? Und was ist wenn die Geiser mir nicht wohlgesonnen sind?" brachte sie ängstlich einen Einwand.
    "Muss ich wirklich dann heute Nacht alleine hier bleiben?" Sie wusste, dass das unumgänglich war. Er würde schon wissen was er tat und sie wusste, dass sie ihm vertrauen sollte aber sie konnte nichts dazu, dass sie so verängstigt war wenn sie daran dachte heute alleine zu sein.

  • Anaxandra war es die den Brief an ihre Herrin übergab. Arrecina ging es langsam besser, auch wenn ihre vielen Gedanken sie immer wieder verwirrten und sie nicht mit allem klar kam vor allem nicht mit dem Wissen wie sie immer gewesen war. es erschreckte sie und auf der anderen Seite war es einfach etwas normales immer gewesen. Nachdem Anaxandra ihr den Brief gegeben hatte setzte sie sich in einen Sessel und begann ihn zu lesen.


    An Flavia Arrecina
    Villa Flavia
    Roma



    Cinilla, mein Sonnenschein,


    weder war es mir in den letzten Wochen vergönnt etwas von Dir und Deinem Befinden zu erfahren, noch Dich zu sehen. Mein Goldstück, mein Ein und Alles, wie geht es Dir? Ich hoffe sehr, das Bemühen von Gracchus- sofern er schon es vollzogen hat- den Fluch um Deine Erinnerung zu brechen gelungen ist. Dich hat doch das Ganze nicht zu sehr erschreckt, mein Sonnenschein. Doch meine kleine Cinilla, fürchte Dich nicht, denn Dein Onkel hat die guten Geister und Götter auf seiner Seite und wenn jemand den Fluch brechen kann, dann wird nur Gracchus dazu in der Lage sein. Mein Golstück, gräme Dich nicht in der villa Flavia, denn jeder aus der Familie wird Dir stets zur Seite stehen, selbst wenn Du ihnen noch nicht von Deiner Erinnerung vertrauen schenken kannst. Aber sie sind Deine Familie, Cinilla.


    Zu gerne hätte ich Dich besucht, mein Ein und Alles, aber an den Grenzen im Osten zu den Parthern sind schlimme Dinge vorgefallen, die den Kaiser zwingen in den Krieg zu ziehen. Und mit ihm wird die Legion, in der ich diene, ebenfalls nach Armenia und womöglich sogar Parthia ziehen. Somit werde ich wohl schon innerhalb der nächsten Wochen Italia verlassen müssen. Doch meine kleine Cinilla, Du wirst nicht alleine sein. Deine Onkel, deine Cousins und Tanten, aber auch Deine Großmutter und Dein Bruder werden stets für Dich sorgen können. Und meine liebe Cinilla, wenn Du Dich vielleicht immer noch nicht daran zu entsinnen vermagst: Du bist und bleibst meine Tochter, mein Ein und Alles, mein größter Schatz, der mir von den Göttern anvertraut wurde.


    Vielleicht- Dein Onkel Gracchus will in nächster Zeit nach Mantua kommen- werden wir uns doch noch vor unserem Abmarsch sehen können, so Du es auch wünschst und die Reise mit Deinem Onkel zusammen auf Dich nehmen möchtest. Mein Goldschatz, ich würde mich sehr freuen, Dich zu sehen. Wenn es Dir jedoch nicht gut genug geht, dann verstehe ich das und dann sollst Du Dich lieber weiter in der villa Flavia auskurieren. Vielleicht kann Dir Deine Tante, Leontia, in dieser Zeit gute Gesellschaft leisten, ist sie doch auch nur wenige Jahre älter als Du und ein liebes Mädchen.


    Mögen die Götter über Dich wachen, meine Tochter.
    Dein Vater



    Es erschreckte sie, dass ihr Vater in den Krieg ziehen würde. Zwar hatte sich ihr Verhältnis seit der Sache mit Rutger zu ihrem Vater schon verändert aber sie liebte ihn immer noch sehr. Krieg bedeutete immer etwas schlimmes und sie hatte Angst um ihn und sie wollte ihn wiedersehen, sie musste ihn wiedersehen, deswegen wollte sie noch mit ihrem Onkel sprechen ob er sie nicht mitnehmen würde. Sie hoffte es einfach mal. Noch einmal und noch einmal las sie sich den Brief durch und wusste nicht was sie ihm zurückschreiben sollte und ob sie nicht zuerst mit ihrem Onkel sprechen sollte, dann dachte sie aber wieder daran, dass wenn sie die Villa verließ auch Rutger alleine lassen würde.

  • Zitat

    Original von Flavia Arrecina
    "Sie werden mir nie wieder etwas anhaben können? Und was ist wenn die Geiser mir nicht wohlgesonnen sind?" brachte sie ängstlich einen Einwand.
    "Muss ich wirklich dann heute Nacht alleine hier bleiben?" Sie wusste, dass das unumgänglich war. Er würde schon wissen was er tat und sie wusste, dass sie ihm vertrauen sollte aber sie konnte nichts dazu, dass sie so verängstigt war wenn sie daran dachte heute alleine zu sein.


    Ob der Ernsthaftigkeit des Ritus verfiel Gracchus ganz in die Rolle des Sacerdos und nickte bestimmt, denn nun war nicht mehr Zeit für Zaudern und Zögern.
    "Sie werden dir fern bleiben, vertraue mir."
    Zumindest sich selbst hätte er mit seinen Worten überzeugt, und im Grunde glaubte er ohnehin, dass es so war, dass es so sein musste, doch ein marginaler Zweifel blieb wie immer, Zweifel an der Welt und mehr noch Zweifel an sich selbst.
    "Ich werde hernach eine Sklavin hereinschicken, sie wird auf dich Acht geben und melden, falls Anlass zur Sorge besteht."
    Ein aufmunterndes Lächeln legte sich um seine Lippen, sodann begann er mit der kleinen Zeremonie. Während er die Geister wieder und wieder anrief, den Raum und das Haus zu verlassen zog er den weißen Kreis um Arrecina's Bett herum und offerierte schließlich den rastlosen Lemuren und Larven die Opfergaben. Gracchus führte Milch, Bohnen und Öl durch den Raum, lockte die Geister mit sich aus dem Zimmer hinaus und kurze Zeit noch war seine tiefe Stimme vom Gang her zu hören, welche die verlorenen Seelen weiterhin anrief und sie aufforderte, von all dem abzulassen, was ihnen nicht zustand. Vom Ende des Ritus kündete im Zimmer seiner Nichte nur die Sklavin, welche von Gracchus hernach geschickt wurde, um nach seiner Nichte zu sehen und die Nacht neben der Tür sitzend zu verharren, um ihr das Gefühl von Sicherheit zu geben. Gracchus selbst zog sich in sein eigenes Cubiculum zurück. Noch einmal wollte er die Schriftrollen studieren, welche die Riten beschrieben, einen Fluch auszutreiben, um sich für den kommenden Tag vorzubereiten. Der Gedanke daran wollte ihm trotz allem nicht recht gefallen, doch er hatte Aristides versprochen, es zu versuchen, und er würde dieses Versprechen halten.

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  • Serenus hinterließ seiner Schwester eine Botschaft in deren Zimmer.



    Hallo Schwesterchen!


    Ich haue ab. Diese Hexe Epicharis wird es bereuen uns unseren Papa weg zu nehmen. Ich melde mich wieder von unterwegs.


    Serenus

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