Die Frage aller Fragen - Teil II

  • Weil mir die Frage unter den Nägeln brannte, mir zwar Epicharis schon viel erklärt hatte, ich aber das Ganze noch einmal aus der Sicht eines Mannes beschrieben haben wollte, besuchte ich kurzerhand meinen Bruder – unangekündigt zwar, aber die überraschenden Einfälle waren ja oft die besten. Ich musste ganz dringend meine Wissenslücken schließen, damit ich auf alles vorbereitet war. Schnell konnte einer Verlobung die Hochzeit folgen und dann gab es diese entscheidende Nacht. Den Kopf voller Gedanken übersah ich dieses dumme Loch im Straßenbelag vor der Villa, trat hinein, knickte um und fluchte einmal laut. Sofort schlug ich die Hand vor den Mund, das war unschicklich und ich wusste das.


    Die letzten Schritte legte ich dann in besonders anmutiger Manier zurück. Ich betrat die Villa, schlug die Tür zu und rannte ab hier quer durch das Haus, bis ich leicht außer Atem vor Corvis Zimmertüre stand. Dreimal donnerte ich an das Holz, wartete auch nicht, bis die Aufforderung zum Eintritt kam, sondern platzte in den Raum.


    „Corvi, ich brauche deine Hilfe“, rief ich noch auf der Türschwelle, rauschte ins Zimmer und bemühte mich augenblicklich um die Orientierung. Die Türklinke noch in der Hand suchten die Augen bereits den Raum nach meinem Bruder ab.



    edit: Die Vorgeschichte.

  • Gerade setzte ich meine Unterschrift unter einen Brief, den ich sorgfältig auf einem Bogen Pergament verfasst hatte, da wurden vor der Tür Schritte laut. Ich machte mich auf ein hektisches Klopfen gefasst, aber ehe ich die Feder absetzen und den stürmischen Besucher hereinbitten konnte, kam auch schon meine, ach halt, das war sie ja nicht mehr, in den Raum hineingewirbelt und schien vollkommen aufgelöst. Leider brachte dies meine Hand dazu, einen unangebrachten Schlenker zu machen, der meine Unterschrift und damit auch den kompletten Brief zunichte machte. Ich seufzte, legte die Feder ordentlich und absichtlich langsam weg, nahm dann den verschwendeten Bogen Papier und schüttelte den Kopf. Kritisch beäugte ich meine Schwester, die rasch atmend, vermutlich der Stufen wegen, im Raum stand, die Klinke noch in der Hand.


    "Wie du weißt, freue ich mich ja immer um deinen Besuch, Deandra. Aber ganz so stürmisch solltest du nicht hereinplatzen. Diesmal war es nur ein Brief, den ich mir nun schenken kann, wer weiß, wie du mich nächste Mal hier im Zimmer vorfindest, wenn du derart fix bist."


    Ein ernster Blick traf Deandra, doch sie wusste, dass die Worte nur der Fassade wegen gesprochen waren, so hoffte ich es zumindest. Theatralisch seufzend sah ich Deandra nun an.


    "Also was gibt es? Ein Verehrer, den ich in die Schranken weisen müsste? Jemand, der dir keinen Respekt zollt? Oder ist es einfach die Sehnsucht nach mir, die dich hierher geweht hat, kleiner Wirbelwind?"

  • Ich musste wohl recht verständnislos geschaut haben, als mich seine ernsten Worte erreichten, denn ich erwischte mich selbst mit erstarrter Miene und sprachlos für den Augenblick. Du meine Güte! Was war bloß aus meinem jüngeren Bruder, ähm ehemaligen Bruder, geworden? Er klang unserem Vater zum Verwechseln ähnlich. Ich wischte seine Ermahnungen weg, schloss die Tür mit einem Schwung und hörte gerade noch seine letzten Worte.



    Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    "Diesmal war es nur ein Brief, den ich mir nun schenken kann, wer weiß, wie du mich nächste Mal hier im Zimmer vorfindest, wenn du derart fix bist."


    „Was soll das wieder heißen?“ Ratlos blickte ich meinen Bruder an. Vorfinden? Betrunken vielleicht? Etwa mit einem Jungen im Arm? Unwillig runzelte ich die Stirn. Auf jeden Fall war ich bei Corvi an der richtigen Stelle, um über dieses Thema mehr zu erfahren. Ich besaß seine Aufmerksamkeit, was wollte ich mehr? Eilig legte ich die wenigen Schritte zum Bett zurück und setzte mich. Nichts war so schön weich wie diese Schlafunterlagen. Ich räusperte mich, lächelte kurzzeitig verlegen, nahm aber anschließend todesmutig Anlauf und breite mein Anliegen aus.


    „Kein Verehrer. Sehnsucht nach dir kommt da schon eher hin, denn ich brauche deinen Rat. Corvi, die Hochzeit kann schneller als erwartet auf mich zukommen und ich möchte vorher wissen, was Mann und Frau am Abend tun. Was passiert da? Wie muss ich mich verhalten? Was wäre falsch? Ja eben, wie geht das? Du hast doch schon Erfahrung damit. Und vor allem sag mir eins: Woher nimmt ein Mann das Kind und wie, bei den Göttern, befördert er es in den Bauch?“


    Ich hatte schnell gesprochen, so als stand jene Nacht unmittelbar bevor. Dem war natürlich nicht so, es lag an dem heiklen Thema, das mir einfach nicht mehr aus dem Kopf ging, das die Wangen rötete, den Pulsschlag verdoppelte und meine Fantasie auf Hochtouren brachte. Es war mir absolut schleierhaft, wie alles ablaufen sollte und schließlich gab es nirgends eine Spielanleitung oder so. Woher sollte ich wissen, wann ich schlucken durfte oder musste? Ob das schmeckte, was er mir zu essen gab? Ich war mir relativ sicher, ein Kind gelangte über den Mund in den Bauch. So lief das immer.


    „Corvi, wieso überhaupt muss sich der Mann ausziehen?“ Wie sah ein Mann eigentlich nackig aus?

  • Seufzend winkte ich ab. Ich konnte mir beinahe denken, was hinter der Stirn meiner Schwester nun vorgehen mochte, wollte aber lieber nicht näher auf das Thema eingehen. Seitdem ich ihr die Sache mit Aquilius verraten hatte, dachte sie bestimmt nur noch daran, dass ich ein frauenverachtender Lüstling war, der irgendwann einmal ihr kleiner Bruder gewesen war. Mit den Augen folgte ich ihren Bewegungen zum Bett hin - warum setzte sie sich aufs Bett, wo doch genug freie Stühle herumstanden? - und seufzter erneut, diesmal vernehmbar.


    "Ja, salve Deandra, ich begrüße dich auch..." murmelte ich, erhob mich und trottete dann zum Tisch herüber, auf dem Getränke standen. Ich schenkte ihr und mir einen Becher verdünnten Wein ein, während sie erzählte. Worte rauschten an mir vorbei. Sehnsucht, Hochzeit, Abend, Erfahrung, Kind. Kind? Entsetzt stellte ich den krug ab und fuhr herum. Das kam davon, wenn man nur halbherzig zuhörte.


    'Ein Kind?' wollte ich sie schon vollkommen perplex fragen. Dann sickerten ihre Worte langsam in mein Gedächtnis zurück. Was Mann und Frau am Abend tun. Ich stellte die Kanne weg und griff nach einem frischen Becher, den ich nun mit reinem Wein füllte. Herrje, was war nur in sie gefahren, dass sie ausgerechnet mich danach fragen musste! Schweigend wandte ich mich um, ging zum Bett und drückte ihr den gemischten Wein in die Hand, ich selbst blieb stehen und trank einen tiefen Schluck des puren Rebensaftes.


    "Mir ist bisher keine Einladung zu einer sponsalia zugetragen worden. Gibt es da etwas, das ich wissen müsste?" fragte ich sie kühl, ja beinahe eifersüchtig, von oben herab, denn noch stand ich ja schräg vor ihr.
    "Und wie kommst du überhaupt auf die Idee, gerade mich zu fragen? Ich meine, du hast zwei neue Schwestern, nicht? Die könnten dir das ganz bestimmt viel besser erklären als ich es vermag."


    Ohne Zweifel, ich wollte mich drücken. Dann kam der letzte Satz. Ich musste mich setzen. Ich suchte schon die Spione der Prätorianer. Wer wusste schon, was in der nächsten acta dann über den unwissenden Aurelier stand, der sich weigerte, seiner ehemaligen Schwester den Beischlaf zu erklären...

  • Au Mann, wann hat es das schon gegeben, meine Herrin flucht. Scheint ne scheiß Laune zu haben, bloss nix sagen, schon gar nichts falsches. Erst mal in die Küche gehen und was zu essen und zu trinken besorgen. Ich ließ mir also Fruchtsaft Wasser und ein paar Früchte geben, trabte durch das Haus und horchte nach Stimmen, wenn die Herrin schon flucht wird vielleicht auch ihr Ton lauter. An Tür ihres Bruders vorbeikommend hörte ich sie dann sprechen. Ich klopfte.

  • Gerade hatte ich ihn noch mit wissbegierigen Augen angeschaut – der Raum war verschwunden, weil er unwichtig war – da kam der erste Regenguss. Ich hatte vergessen zu grüßen und lief bei seiner Zurechtweisung erst einmal rot an. Sowas war mir früher nie passiert: Höflichkeiten vergessen oder mich vor Corvi schämen. Ich war irritiert, das Lachen erstarb und ich flüsterte: „Salve“, der Ordnung halber.


    Noch immer verdattert griff ich nach dem Weinbecher, setzte an und merkte erst während des Trinkens, dass es Wein war. Ich hielt den Atem an und überlegte wohin mit dem Zeugs: Zurückspucken oder runterschlucken? Um einer weiteren Zurechweisung wegen ungebührlichen Verhaltens zu entgehen, machte ich einen ganz langen Hals und quälte das Zeugs hinunter. Warum gab er mir Wein, wo er doch wusste, dass ich keinen trank? Konnte man nicht nüchtern über dieses Thema sprechen? Warum stellten sich alle Leute eigentlich so an?


    „Auf seine Frage schüttelte ich den Kopf. Nein, es steht kein Termin für eine Sponsalia an, aber ich möchte vorbereitet sein. Und ebenfalls nein, meine neuen Schwestern können mir das nicht ausreichend vermittel. Die eine ist zu jung und die andere weiß es trotz passendem Alter auch nicht so genau. Wir haben es ja noch nie gemacht!“


    Ich schaute Corvi vorwurfsvoll an. Wie sollte man sich gegenseitig was erklären, von dem man keine Ahnung hatte?
    „Aber DU hast es ja schon ausprobiert."


    Seine Reaktion bewirkte eine Ernüchterung, wie ein begossener Pudel saß ich da. Zum ersten Mal ließ er mich im Stich und ich verstand nicht wieso.


    „Wenn du es mir nicht sagst, werde ich Assindius fragen“, entgegnete ich trotzig und wie auf Kommando klopfte es an der Tür. Natürlich rechnete ich keineswegs mit meinem Sklaven. Jetzt wurde mir nämlich klar, warum er so abweisend war und mich zu Beginn wegen meines forschen Hereinkommens zurechtgewiesen hatte: Er plante mal wieder ein Techtelmechtel und der- oder diejenige stand nun vor der Tür.


    Zum einen wütend über die unpassende Störung, zum anderen voller Groll auf diesen jemand, mit dem mein Bruder schon wieder ein Stelldichein geplant hatte, sprang ich auf, eilte zur Tür und riss sie auf.


    „Er trifft sich jetzt nicht mit dir“, knurrte ich bereits, als ich noch gar nicht wusste, wer da vor mir stand. „Äh …“ Mein eigener Sklave … „Ja?“, fragte ich, noch immer irritiert.

  • Oh ha, die hat wirklich ne scheiß Laune. Als sie die Tür aufriss, wich ich verwundert einen Schritt zurück, wer auch rechnet damit?


    Ähm, ähm, Herrin ich hab ein paar Früchte, Saft und Wasser für Euch besorgt!"


    Nich haun

  • "Ist gut, gib her und jetzt störe nicht weiter", grummelte ich, nahm das Essen - entgegen der Gepflogenheiten - bereits an der Tür entgegen und entschloss mich spontan zu einer Anweisung:


    "Assindius, sorge dafür, dass uns niemand stört. Niemand, hörst du? Kann außerdem sein, dass ich dich nachher noch brauche. Das allerdings hängt von meinem Bruder ab." Demonstrativ wandte ich den Kopf, schaute Corvi an und hoffte, damit meine Drohung von vorhin unterstrichen zu haben. Anschließend blickte ich zu meinem Leibsklaven zurück.


    "Und noch was, Assindius. Ich finde es wirklich sehr schön, dass du wie ein Schatten an mir klebst. Nur bitte, nicht in der Hochzeitsnacht! Und auch nicht in einer der danach folgenden."


    Ob er das verstand oder nicht, war mir egal.

  • Na bitte, das war geklärt. Mit Obst, Saft und Wasser kehrte ich zurück, goss mir sogleich einen Becher voll Obstsaft ein und trank ihn annähernd leer. Wer viel redet und sich vor Aufregung erhitzt, bekam eben viel Durst - das war halt so.


    Anschließend stellte ich mich unmittelbar vor meinen sitzenden Bruder hin, sodass er mir keineswegs mehr ausweichen konnte.


    "Nun? Erfahre ich jetzt die Einzelheiten von dir?"


    Den Kopf leicht zur Seite geneigt, lächelte ich ihn herausfordernd an.

  • Sie errötete zurecht, wie ich fand, wusste ich doch nicht, dass sie es wegen dem vergessenen Gruß tat, sondern nahm an, es sei Beschämung über die gestellten Fragen. Nun neben ihr sitzend, bemerkte ich den angewiderten Gesichtsausdruck, als sie einen Schlick nahm. Sie war und blieb einfach ein Banause, immerhin war das ein Qualitätswein und kein billiges Gesöff aus der suburba, zudem war ihr Wein verdünnt und schmeckte nach kaum mehr als Traubensaft. Ich zog eine Braue hoch, behielt meine Gedanken aber für mich. Die geäußerten Worte hinterließen bei mir ein angenehmes Gefühl der Erleichterung, ohne dass ich sagen konnte, warum genau es mich freute, dass noch keine sponsalia geplant war. Während sie jedoch weitersprach, musterte ich sie zweifelnd. Ich hätte es schon gemacht. Das war belustigend, äußerst sogar. Froh darüber, dass ich mich schon zuvor gesetzt hatte und es nicht an diesem unmöglichen Punkt nachholen musste, seufzte ich leise. Ihre neuen Schwestern konnten ihr also nicht das erklären, was sie wissen wollte. Na prima, also kam sie zu mir.


    Plötzlich funkelte der Trotz in ihren Augen und war auch in ihrer Stimme eindeutig als solcher zu identifizieren, als sie auf Assindius verwies. Ich sah sie an. Hatte ich das richtig vernommen? Sie wollte einen Sklaven bitten, ihr das zu erklären?


    "Du musst nicht ganz bei Sinnen sein, Deandra", stellte ich empört fest. Im nächsten Moment klopfte es bereits an der Tür. Aha, Rettung nahte! Deandra sprang auf und übernahm den Besuch, was mir Zeit gab, über alles nachzudenken. Welche Worte wählte man, um ihr Sex zu erklären? Hatte ich nicht irgendwo Abbildungen, die den Beischlaf veranschaulichten? Grübelnd ging ich gedanklich die Bibliothek durch. Nein, in der aurelischen Bibliothek befand sich kein solches Werk. Da musste ich schon meine eigene Sammlung durchstöbern. Natürlich besaß ich solcherlei Kunst, immerhin hatte Mann auch hin und wieder Gelüste, derer es einer Vorlage betraf, um sie auszuleben, wenn man schon kein lupanar aufsuchen und sich mit sonstwelchen Krankheiten infizieren wollte.


    Ich stellte den Weinbecher ab und ging zu einem Regal. Hier und dort zog ich ein Buch oder eine Schriftrolle hervor, warf einen kurzen Blick hinein, nickte oder steckte sie wieder fort. Deandras an ihren Sklaven gerichteten Worte hörte ich zwar, doch ihr Blick traf meinen Rücken, weil ich mit Suchen beschäftigt war. Herrje, was tat ich hier eigentlich...


    Der Sklave verließ den Raum, denn ich hörte das Schlagen einer Tür, und kaum später stand meine Schwester hinter mir und verlangte nach Einzelheiten. Leicht entnervt wandte ich mich um.


    "Deandra, Geduld! Was du verlangst, ist Frauensache. Setz dich dort rüber und warte einen Augenblick."


    Ohne eine Antwort abzuwarten, denn ich ging einfach davon aus, dass sie den Wink mit dem Zaunpfahl verstand und meinem Wunsch folge leistete. Während ich mich umwandte und weitersuchte, murmelte ich leise und mürrisch vor mich hin.


    "....sind auch nicht mehr, was sie einmal waren.....sogar der eigenen Schwester so etwas erklären....sie mir hoch anrechnen....kann einfach nicht warten, bis es soweit ist...."

  • Ich hatte mir den Besuch bei meinem ehemaligen Bruder anders vorgestellt. Sonst war er immer bereit, mir zu helfen, aber heute stellte er sich quer. Das war so gemein! Ich hatte doch kaum eine weitere Anlaufstelle, mal abgesehen von Assindius. Der würde mir bestimmt reinen Wein einschenken – ungeschminkt, vermutlich sogar in brutaler Offenheit. Da gab es nur das Problem mit den anderen Sitten der Germanen. Nicht auszudenken, wenn ich plötzlich einem Römer typisch germanische Gepflogenheiten präsentieren würde. Das Schlimmste: Ich würde es ja noch nicht einmal merken. Trotzdem nahm ich mir fest vor, mir diese Option offen zu halten. Es war mir egal, was Corvinus davon hielt. Auf mich wirkte er heute ohnehin wie ein Fremder.


    „Warum bist du so unfreundlich zu mir?“, fragte ich mit gerunzelten Brauen. „Ich habe dir doch nur eine Frage gestellt und ich finde NICHT, dass es Frauensache ist, mich aufzuklären. Warum, zum Hades, können wir denn nicht wie früher offen miteinander sprechen? Machst du das, weil ich nicht mehr deine Schwester bin?“


    Meine Stimme schwankte zwischen Ärger und kippender Fassung, aber ich hatte etwas Zeit, mich zu fangen, als er mich wie ein kleines Kind zu einem Sitzplatz schickte. Ich setzte mich, legte die Hände in den Schoß und wartete ergeben und mit trauriger Miene, dass Corvi endlich mit dem Kramen fertig werden würde.

  • Einen entnervten Seufzer konnte ich gerade noch unterdrücken. Weiters schwieg ich nun, da ich ihr nicht noch mehr Potential zur Wut auf einem Tablett darreichen wollte. Schließlich hatte ich eine gute Handvoll Abbilder gefunden und sah eines davon lange an. Es war ein seltsames Gefühl, die bisher gut gehüteten Abbildungen sich Liebender nun einfach so Deandra Preis zu geben. Ich fühlte mich, als verriet ich mich damit selbst. Sie mochte es vielleicht nicht verstehen, aber die Scham verpasste mir rote Ohren.


    "Weil das nicht so einfach ist", entgegnete ich mürrisch, gab mir schließlich einen Ruck und wandte mich zu ihr um. Langsamen Schrittes ging ich zu Deandra und blieb unschlüssig vor ihr stehen, die Pergamente in meiner Hand haltend.


    "Es wäre einfacher, es dir zu zeigen, als es dir zu erklären. Aber du bist eine Patrizierin und ich dein Bruder, zumindest war ich das mal. Da ist es nichts mit einem Schäferstündchen zur Veranschaulichung. Es schickt sich nicht. Und ich könnte es auch gar nicht, selbst wenn ich es wollte. Ähm, ja. Hier."


    Und damit reichte ich ihr den ganzen Stapel, in der Hoffnung, dass es ihr als Erklärung genügen würde.


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  • „Du magst mich für naiv halten und vielleicht hast du ja auch Recht, aber ich begreife nicht, warum DAS nicht einfach ist.“


    Ich zuckte mit den Schultern und schaute interessiert auf die Pergamente in seiner Hand. Doch dann sagte er etwas Komisches: Es wäre einfacher, sie dir zu zeigen.


    „Na, ich dachte, du willst sie mir zeigen?“ Verwundert sah ich ihn an, aber dann klingelte es bei mir. „DU erst noch!“ Meine Augen waren aufgerissen, aber das nur im ersten Moment. Im zweiten malte ich mir das Ganze bildhaft aus. Natürlich nicht er und ich, aber eben eine greifbare Demonstration. Ganz nebenbei nahm ich den Stapel entgegen, achtete aber noch gar nicht darauf. „Könnte man so was nicht organisieren?“, fragte ich hoffnungsvoll, aber gleich im nächsten Moment kam ein anderer Gedanke:


    „Was meinst du mit: Du könntest es nicht? Dass es sich nicht schickt, weiß ich selbst.“


    Um ihm die Möglichkeit zum Nachdenken zu geben, schaute ich mir die Bilder an. Tjo, die ersten waren weder aufschlussreich noch schön.


    „Meine Güte, sind die Frauen fett“, rutschte mir heraus. Spannende Dinge konnte ich nicht entdecken, so lange und genau ich auch hinschaute. Bei den letzten jedoch wurden die Motive interessanter. Zwei Bilder betrachtete ich sehr lange. Ein drittes fand ich nur dämlich, aber ich sagte nichts dazu. Weil ich nicht wusste, was ich als Kommentar dazu sagen sollte, schwieg ich erst einmal. Lange Momente später hob ich den Kopf. „Das war schon nicht schlecht, aber …“

  • Das konnte noch heiter werden. Natürlich genügten ihr die wenigen Bilder nicht, was hatte ich auch anderes erwartet. Nach einem Stoßgebet an Venus, die mir hoffentlich beistehen und mir die richtigen Worte in den Mund legen würde, zog ich mir einen Stuhl heran und setzte mich vor Deandra darauf. Das Bett verbot sich irgendwie von selbst, ich hätte ständig nur daran denken müssen, was ich hier schon alles erlebt hatte.


    "Na schön. Also. Sieh mal hier", sagte ich und griff nach dem erstbesten Bild, das einen phallus abbildete. Mit dem zeugefinger tippte ich darauf. Was tu ich hier nur..
    "Das ist, nun ja, ein...ein..."
    Der Blick fiel auf meine Hand, an der noch Tinte klebte, und plötzlich hatte ich eine sagenhafte Idee.


    "..ja, das ist eine Art Feder. Stell dir eine Feder vor. Und der Schoß der Frau ist das Tintenfass. Um ein Kind zu zeugen, müssen Feder und Tintenfass zusammengeführt werden. Siehst du, so wie....", ich kramte nach einem anderen Bild und deutete auf die Stelle der Vereinigung, "hier. Jeder Mann und jede Frau besitzen Samen, wie die eines Baumes. Und damit ein Kind entstehen kann, muss der Mann seinen Samen in sein Weibe geben, damit er aufgehen und zu einem stattlichen Sohn heranwachsen kann."


    So. Damit war das geklärt, der Unterricht wäre für heute vorbei. Erleichtert gab ich ihr das Bild wieder und lehnte mich zurück. Doch schon im nächsten Augenblick, noch ehe ich die Befriedigung genießen konnte, dass ich Deandra soeben erfolgreich erklärt hatte, wie Kinder entstanden und was dazu nötig war, brachte sie mich mit der nächsten Frage aus dem Konzept, sodass ich ziemlich dumm aus der Wäsche sah.


    "Du willst was? Du willst, dass ich eine Orgie organisiere? Deandra..."
    Ich fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. Nicht, dass ich nicht schon an einer teilgenommen hätte, die waren alltäglich, wenn man nur wusste, wo man suchen musste, aber mit meiner, wenn auch ehemaligen, Schwester? Beileibe, nein! Noch ehe ich antworten konnte, setzte sie noch eins drauf und fragte mich, warum ich nicht können würde, wenn sie... Ich schüttelte den Kopf und fühlte mich einfach nur überfordert. Ganz gewiss war das nicht mein Tag. Sie hätte doch besser Assindius fragen sollen. Ich erhob mich und begann damit, mit auf dem Rücken verschränkten Armen im Zimmer auf und ab zu gehen. Eine Antwort, ich brauchte eine Antwort!


    "Deandra...der phallus ist im Normalzustand... er ist, nun ja, wie ein Katzenschwanz. Längst nicht so lang, zwar, aber biegsam. Wenn ein Mann Lust empfindet, so ist es wie...der phallus..."
    Verdammt, ein Vergleich!
    "..eine cucumis."


    Eine Gurke. Eine Gurke? Herrje! ich begann zu schwitzen. Weiber! Warum mussten sie auch immer alles so genau hinterfragen? Warum konnte Deandra nicht warten, bis es soweit war, bis die Hochzeitsnacht heran war? Unwirsch schüttelte ich den Kopf.


    "Naja, jedenfalls ist er nicht mehr biegsam. Sozusagen, damit er leichter seinen Weg in den Schoß einer Frau finden kann."


    Ich setzte mich nun wieder und betete zu den Göttern, dass Deandra meine Not sehen und nicht weiter fragen würde.

  • Keine Göttergeschichte, der ich je gelauscht hatte, war spannender gewesen als Corvis Beschreibungen. Mein Blick klebte förmlich an seinem Mund und je länger er sprach, umso weiter schob sich mein Kopf nach vorn. Zwischenzeitlich vergaß ich sogar das Atmen, ich musste es, als die Luft knapp geworden war, in einem tiefen Zug nachholen. Manchmal blickte ich nach unten, um vor meinem geistigen Auge die Vorgänge ablaufen zu lassen, aber bereits im nächsten Augenblick hörte ich wieder auf das Äußerte gespannt zu. Endlich speiste er mich nicht mit Kleinkram ab, sondern gab sich richtig Mühe. Ja, das war wieder Corvi, wie ich ihn kannte.
    Ich wagte kein einziges Mal, Zwischenfragen zu stellen. Möglicherweise hätte ich dadurch den Redefluss gestört. Außerdem waren seine Erklärungen einleuchtend. Ich saß wie erstarrt, als er schon längst geendet hatte. Kurzzeitig wurde mir bewusst, in welch irrsinnigem Tempo mein Herz gerade schlug, aber zwei Dinge beschäftigten mich viel nachhaltiger.


    „Wie fühlt sich das an?“, fragte ich im Flüsterton, der mir wegen der beeindruckenden Neuigkeiten angemessen erschien. Noch immer hatte ich kein Auge von Corvi gewandt. Und dann war noch was. Zunächst versuchte ich es selbst zu klären, aber es misslang.


    „Cooorviii …“ Ich schluckte, weil es sich doch etwas merkwürdig anfühlte, danach zu fragen. „Wie kommt es, dass es wächst und vor allem: Wie tief geht es denn hinein?“ Wieder schluckte ich, es war in der Theorie schwer vorstellbar. Gab es denn in mir einen Gang? Das müsste eigentlich alleine herauszufinden sein.

  • Zitat

    Original von Claudia Aureliana Deandra
    "Und noch was, Assindius. Ich finde es wirklich sehr schön, dass du wie ein Schatten an mir klebst. Nur bitte, nicht in der Hochzeitsnacht! Und auch nicht in einer der danach folgenden."


    Ob er das verstand oder nicht, war mir egal.


    Hä, wat is? Ich kapier nix mehr. Was denn für eine Hochzeitsnacht? Dafür braucht sie doch erst mal einen Kerl. Hab ich was verpasst? Die roch doch grade nach Wein, hat die einen genommen und das nicht vertragen? Aber falls es mal soweit sein sollte, ja was mach ich denn dann eigentlich. Steh ich dann wache, damit keiner stört? Und wieso hängt was von ihrem Bruder ab, saufen die sich ein und der verträgt nichts und ich soll ihm dann beim kotzen unter die Arme greifen.
    Die spinnen die Römer


    Jetzt steh ich mir hier die Beine in den Bauch, eigentlich wollte mir die Haare spülen gehen, das kann ich wieder vergessen.

  • Deandra wäre nicht Deandra gewesen, wenn sie nicht noch etwas gefragt hätte. Ich wusste das, und doch sehnte ich den Zeitpunkt herbei, an dem ein Themenwechsel angemessen war. Die Art wie sie saß, wie sie mich wissbegierig ansah und mich verhörte, denn nichts anderes war es, machte mir klar, dass es ihr tatsänlich ernst war. Ich hätte nun lügen und sagen können, dass es nicht nur für den Mann stets und in allen Lebenslagen ein unglaublich erlösendes wie entspannendes Gefühl war, aber man hörte nur zu oft davon, dass gerade Frauen bei ihrem allerersten Akt Schmerzen empfanden und hofften, dass es schnell wieder vorbei war. Ich dachte da an einen Artikel aus der acta, verfasst von einem griechischen medicus, schüttelte aber innerlich den Kopf und entschloss mich dazu, Deandra die Vorfreude nicht zu nehmen.


    "Es fühlt sich außerordentlich entspannend an."


    Deandra hing mir so sehr an den Lippen, dass ich meinen Weinbecher nahm und mich einen Moment ganz dem locker machenden Gesöff widmete. Wie ich an diesem Tag noch einen klaren gedanken fassen sollte, war mir schleierhaft. Welch wunderbar samtene Farbe so ein Wein doch hatte. So tiefsinng, unergründlich und doch so wandelbar.


    Corviiii drang es an mein Ohr. Ich sah ertappt auf. Wie es wächst?
    "Er wächst, wenn der Mann Gelüste verspürt. Wenn man ihn reizt. Wenn eine Frau gut aussieht und zeigt, das sie auf mehr denn eine Unterhaltung auf ist. Das ist, hm, jedenfalls meistens so. Berührungen helfen auch", erklärte ich ohne mit der Wimper zu zucken.
    "Und wie tief ist unterschiedlich. Mal mehr, mal weniger tief."

  • „Entspannend“, wiederholte ich nachdenklich. „Wie beim Einschlafen?“ Das klang nun irgendwie nicht aufregend, fand ich und suchte nach weiteren Situationen, in denen ich mich entspannt fühlte. Ah! Das rechtzeitige Aufsuchen eines Aborts, das war mitunter entspannend, weil es die Last nahm, zu spät an den entsprechenden Ort zu kommen, was peinlich wäre. Hatte Entspannung etwas mit dem Vermeiden von Peinlichkeit zu tun? Ich war ratlos, also am besten erneut nachfragen.


    „Darunter kann ich mir nichts vorstellen. Geht es auch anders auszudrücken?“ Gleichzeitig grübelte ich selbst weiter – nach wenigen Augenblicken mit Erfolg.
    „Gerade fällt mir eine Erklärung ein. Immer wenn ich mich mit Sophus getroffen hatte, war er angespannt, dadurch war ich es auch. Und so ein Zusammensein löst diesen Zustand auf? Man geht anschließend gelöst miteinander um? Nichts ist mehr kompliziert? Das ist doch prima! Ich glaube, ich mag diese Beschäftigung mit dem Partner, noch bevor ich sie in allen Einzelheiten kenne.“Voller Begeisterung strahlte ich Corvinus an.


    Etwas an Corvis Ausführungen dämpfte jedoch meine Begeisterung. Es ging um die Gründe für besagtes Wachstum.
    „So wie du das ausdrückst, klingt es nicht nur lieblos, sondern auch wahllos. Oder willst du mir damit etwa sagen, dass es einem Mann egal ist, WELCHE Frau da gerade lockt?“


    Den grimmigen Gesichtsausdruck konnte ich nicht gänzlich unterdrücken.

  • "Ja. Nein. Manchmal. Deandra, hör mal....warum lässt du das nicht einfach auf dich zu kommen?" fragte ich sie und sammelte meine Bilder wieder ein, damit ich etwas zu tun hatte. Ein bittender Blick streifte sie. Ich hätte es vermutlich jungeren Mädchen erklären können. Vielleicht sogar Frauen, die nicht derart viel über mich wussten wie Deandra es tat. Über den Beischlaf an sich zu reden war mir nicht unangenehm, es war der Umstand, dass es ausgerechnet Deandra war, die danach fragte. Natürlich überging sie auch dieses Mal meine stumme bitte, mich nicht weiter über eine der angenehmsten Freizeitbeschäftigungen auszufragen, die ich mir vorstellen konnte. Ein ergebener Seufzer kam über meine Lippen.


    "Es gibt kein Gefühl, dass sich damit vergleichen lässt", erklärte ich kategorisch und legte den geordneten Stapeln an Bilder wieder fort. Gerade wollte ich meine Worte näher erläutern, da brachte sie Sophus ein. Natürlich schätzte ich ihn, er war in seiner Art und seiner Denkweise genau so, wie ein Aurelier sein sollte, etwas eigenbrötlerisch vielleicht, aber jeder hatte so seine kleinen oder größeren Makel. Trotzdem behagte es mir gar nicht, dass ich hier den Aufklärungsdeppen spielte, damit er Spaß haben konnte. Ich setzte eine grimmige Miene auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre Euphorie würde sich vermutlich noch in der Hochzeitsnacht legen. Und vielleicht kam sie später zu mir und beschwerte sich darüber, dass diese Art der Krisenbewältigung bei Sophus nicht funktionierte. Nein danke, darauf hatte ich keine Lust, abgesehen davon, dass mich die Erwähnung von Sophus' Namen gerade in diesem Moment ziemlich störte. Noch war Deandra nicht einmal verlobt. Da sollte sie keinen Sex haben, weder mit Sophus noch mit sonstwem, so! Eine steile Falte bildete sich auf meiner Stirn, während ich sie musterte und sie mir augenblicklich einige Worte präsentierte, zu denen mir eine gehässige Antwort auf den Lippen lag.


    "So ist das auch. Die Heirat zwingt den Mann nur zur Treue", gab ich zurück und funkelte Deandra wütend an. Warum ich so schlecht zu sprechen war, gerade, wusste ich selbst nicht. Vielleicht war es wirklich der Umstand, dass Deandra einmal meine Schwester gewesen war. Der wichtigste Mensch in meinem Leben, Anlaufpunkt für alle Fragen und Sorgen, für Ängste und einfach nur nette Gespräche.


    Die Runzeln auf meiner Stirn lösten sich im gleichen Augenblick, da mir klar wurde, dass sie immer noch der wichtigste Mensch in meinem Leben war.

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