• Waganan war sprachlos. Die Gänge und Räume der Villa waren prächtig gestalltet und zeugten von Reichtum. Sein alter Besitzer, der Grieche, hätte dies abgetan als römische Arroganz und nicht weiter darauf geachtet, aber Waganan kam nicht umhin große Augen zu machen. Nachdem er angekündigt wurde, verließ der andere Sklave das Zimmer von Tiberia Albina und der klein gewachsene Waganan trat ein. Neugierig warf er ein Blick ins Zimmer. Als er seine Herrin sah, neigte er sein Haupt.

  • Albina saß in einem der Korbstühle, die in ihrem Zimmer standen und hatte sich zur Tür umgewandt, als es geklopft hatte. Nun, da sie mit ihrem neuen Sklaven allein war, musterte sie diesen neugierig. Er war, dafür, dass er als Germane angepriesen worden war, ungewöhnlich klein. Für schwere körperliche Arbeiten wohl kaum zu gebrauchen. Doch irgendwie hatte er etwas sympathisches an sich gehabt und so war Albinas Entscheidung recht schnell gefallen.
    "So... da bist du also." meinte sie dann freundlich. "Wie war dein Name nochmal? Wa...Wa..." sie grübelte," Wagulin?" Sie konnte sich daran nicht so recht erinnern, war der Name des Sklaven in der Regel etwas, was bei seinem Verkauf eine unbedeutende Rolle spielte.

  • Waganan wirkte angespannt, er spielte nervös mit seinen Fingern und schaute ab und an hoch. Seine Herrin war für eine Römerin recht groß, so wie er für einen Germanen recht klein war. Diese Tatsache belustigte ihn, aber er sagte nichts. "Waganan, Herrin. Nun, mein Latein ist nicht wirklich besonders gut..." sprach er mit starken Akzent... "aber ich glaube mein Name bedeutet ihn deiner Sprache... ähm... wie hieß das noch gleich? Ach ja! Carrus." Wie er zu diesem Namen gekommen war, behielt er vorläufig erst einmal für sich. Dies wurde er nicht gefragt. Und bei den Römern sollte man nur auf Fragen antworten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

  • Achja, Waganan war es gewesen. Nunja, immerhin war sie recht nah dran gewesen, dachte Albina dann amüsiert.
    "Waganan also, nun gut, ich werde es mir merken." sprach sie dann in einem freundlichen Ton weiter. Warum er einen Namen bekommen hatte, der "Karren" bedeutete, interessierte sie in diesem Moment nicht. Sie war vielzu neugierig auf den Fremden, der ab nun ihr Sklave sein würde. Sie hoffte, sie würden sich gut verstehen. Seit Verres hatte sich ihr Verhalten Sklaven gegenüber sehr geänderte. Wenn sie nicht unbedingt musste, bestrafte sie diese nicht und war auch sonst, soweit es sich den Konventionen fügte, so freundlich es ging.
    "Wie ich den Maiordomus kenne, hatte er dich sogleich zu mir gebracht, und dir noch keine Kammer gegeben. Darum werden wir uns später kümmern. Da ich die Menschen, die ich um mich habe, gern einschätzen kann, würde ich gern etwas mehr über dich erfahren. Bist du als Sklave geboren oder zu einem geworden? Und wo kommst du her?"

  • Der frische Duft von Rosmarin und Nelken kroch Waganan in die Nase. Es kam aus der Küche und Waganan bemerkte schnell, dass hier alles anders war. Er hörte kein lautes lachen von Kindern, keine Musikinstrumente, keine Wortfetzten von Waschweibern. Alles war farbenfroh, aber dennoch auch absolut farblos. Römisch eben. "Als Sklave wird man nicht geboren, Herrin. Man wird dazu gemacht." Er überlegte, wie viel sollte er von sich preisgeben? Noch konnte er sein Gegenüber nicht einschätzen. Er wartete geduldig. "Es war vor 10 Jahren, glaub ich. Der römische Arm hatte nun auch mein Heimatdorf ergriffen und forderte seinen Tribut, Herrin." Meinte Waganan höflich, so gut es ging. Er hatte sich mit der Rolle eines Sklaven nie wirklich abgefunden, wollte aber nichts provozieren. "Ich komme aus Magna Germania... so nennt ihr Römer das doch, oder? Ich bin ein Marcomanni, mein Dorf lag nördlich von Pannonia." Bei dem Gedanken wurde ihm übel. Noch immer wurde er in seinen Träumen gepeinigt von Bildern aus alten Tagen. Als die Römer kamen und alles niederbrannten, versklavten oder raubten.

  • Albina saß wie so oft in ihrem Zimmer, als Stesichoros die Nachricht des Senators überbracht hatte. Sie hatte ihre Antwort nicht lange überdenken müssen. Auch wenn sie mit irgendeiner Ausrede das Treffen abgelehnt hätte, wäre es doch nur aufgeschoben gewesen. Sie musste sich nun endlich in ihr Schicksal fügen. Jedes Aufbäumen dagegen war gescheitert, jeder Ausweg verbaut. Sie hätte sich töten können, so wie Quintus es ihr vorgeschlagen hatte. Doch, und eben dies war die wesentliche Erkenntnis des Streits gewesen, sie hing noch an ihrem Leben. Trotz all des Unglücks und der Trauer wollte sie letztlich doch nicht sterben.


    Gedankenverloren spielte sie mit einer ihrer Locken und blickte zum Fenster hinaus. Die Verlobung mit Furianus war also gelöst... Nie hätte sie es für möglich gehalten und dennoch war es geschehen. Es gab keinen Zweifel daran, dass sie diese Schicksalswendung Juno zu verdanken hatte, die sie um eben dies gebeten hatte. Und wenn Juno ihr diese Gnade erwiesen hatte, überlegte Albina, dann hatte sie vielleicht auch jetzt ihre Finger im Spiel. Die überraschend schnelle neue Verlobung mit dem Purgitier würde vielleicht doch Gutes mit sich bringen. Natürlich wusste Albina, dass sie nie wieder jemanden lieben konnte. Dennoch schien dieser Mann freundlich zu sein. Wer weiß, wenn sie ihn wenigstens mögen würde, dann könnte ihr zukünftiges Leben vielleicht doch noch erträglich werden, wenn schon nicht glücklich.


    Und, so war es ja nun verabredet, morgen würde sie mehr über ihn erfahren. Albina würde ihm eine Chance geben und versuchen das Beste aus der Situation zu machen. Immerhin, und auch das tröstete sie in ihrem derzeitigen Zorn auf ihren Vetter, würde sie Quintus erstmal nicht mehr sehen müssen, wenn sie erst verheiratet war. Die Kluft zwischen den Beiden war immer größer geworden und mittlerweile so groß, dass Albina nicht glaubte, dass sich da noch viel würde machen lassen. Auch daher war sie zumindest ein bißchen weniger unglücklich darüber, jemand anderen zu heiraten, als den einen Mann, den sie einst geliebt hatte und der nun schon seit einiger Zeit nicht mehr unter den Lebenden weilte...

  • Es war erstaunlich wie schnell die Zeit bis zum großen Moment vergangen war. Andererseits war Albina auch froh darüber, dass ihr die Zeit zum großen Nachdenken gefehlt hatte. Sie wollte es hinter sich bringen... und das, obwohl sie nichts erwartete, worauf sie sich hätte freuen können. Aber es war eine Aufgabe, die es zu erledigen galt und genau das würde sie tun.


    So hatte sie schon früher am Tag die Reste ihres Kinderspielzeuges und eine alte Kindertunika zusammengesucht und den Göttern geopfert. Dass Albina in Wirklichkeit schon längst alles kindliche verloren hatte, schien das ganze Unterfangen nur noch unwirklicher zu machen. Schweigend jedoch nahm sie auch dies hin. Sie war froh, dass alle um sie herum der Meinung zu sein schienen, dass sie zu aufgeregt zum reden wäre und sie daher in Ruhe ließen. Dass sie einfach unglücklich war, sie ohnehin nicht wusste, was sie Sinnvolles hätte sagen sollen und alles Unsinnvolle der Situation nicht angemessen gewesen wäre, merkte niemand.


    So saß sie dann auch in die selbstgewebte tunica recta gekleidet mittlerweile auf einem Stuhl in ihrem Zimmer, während die umstehenden Frauen damit beschäftigt waren ihr mit der hasta caelibaris ihr Haar entsprechend der Tradition zu frisieren. Gedankenverloren schaute Albina dabei aus dem Fenster und strich über den als nodus Herculis gebundenen Wollgürtel ihres Gewandes. Während um sie herum reges Treiben herrschte, war die junge Tiberierin längst in eine ferne Welt abgedriftet. In einer lange vergangenen Zeit, in der sie noch glücklich gewesen war. Sie stellte sich vor, es wäre Verres, dem es am nächsten Tag galt, das Eheversprechen zu geben. Sie dachte an die wenigen liebevollen Momente, die die beiden miteinander verbracht hatten. An seine Stimme, seine Augen... und gerade als die Frauen fertig waren, der Kopf mit einem Blumenkranz geziert worden war und der rote Schleier über ihr Gesich herabsank, lief ihr eine leise Träne die Wange herunter über die Lippen, bis sie am Kinn abperlte und auf den Knoten des Wollgürtels tropfte...


    Die Vorbereitungen waren abgeschlossen. Sie würde heiraten... doch nicht Verres. Von ihm trennte sie mehr, als nur der Stand und die Entfernung. Mittlerweile trennte die beiden der Styx. Albina würde morgen die Frau des Senators Purgitius Macer werden - und von ihm trennte sie nur mehr eine vermutlich viel zu kurze Nacht.

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