[Habitatio] Centurio Marcus Flavius Aristides

  • Bei meinem Dienstantritt als Optio sollte alles stimmen. Festen Schrittes ging ich, von der Stube meines Contuberniums aus, den Gang an unserer Baracke entlang, bis zur Unterkunft des Centurios. Meine Uniform war tadellos, meine Haare so streng geschnitten wie noch nie, und in der Hand trug ich den Optiostab, dessen blanker Knauf bei Gehen leicht auf und ab schwang. Vor der Türe zu den Räumen des Centurios blieb ich stehen. Ein feiner Klang drang da an mein Ohr, leise und schwebend, er verklang und ging in einen anderen über. Ich lauschte erst, etwas überrascht, dann klopfte ich an die Türe. Allsbald wurde sie geöffnet und ich sah mich einem jungen Sklaven gegenüber - Parther oder Syrer, keine Ahnung, orientalisch auf jeden Fall. Ich sagte was ich wollte, er ging mich melden und führte mich dann hinein. Ich war noch nie in so einer Unterkunft gewesen, es beeindruckte mich ziemlich wie gross sie war, und wieder mal dachte ich, ganz unbescheiden: Ach, Centurio müsste man sein!
    Ich folgte dem Sklaven, der mich vor den Centurio brachte, da stand ich stramm und salutierte zackig.
    "Salve Centurio! Optio Decimus Serapio meldet sich zum Dienst. Der Praefectus hat mich soeben befördert. Ich danke Dir, Centurio für das Vertrauen das Du in mich setzt, ich werde es nicht enttäuschen."
    Schliesslich hätte der Artorier mich ja nicht befördert wenn der Flavier mich nicht ausgewählt hätte. Und ich würde ihm beweisen dass es die richtige Entscheidung war, ganz bestimmt.

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    Klient - Decima Lucilla

  • Die Sonne kroch träge und langsam dem Horizont entgegen und hatte die Schatten der Nacht in ihrem Schlepptau, die immer mehr nach dem Land greifen und ihre schwarzen Finger um die Erde schlingen wollten; der Sklave, der Aristides noch den italischen Wein gebracht hatte, zündete bereits eine Öllampe an, die an einer ehernen und dreifüßigen Halterung hing. Von der Bewegung des Sklaven schwankte die Lampe noch einige Male, wobei der Lichtkegel durch die Unterkunft tanzte, mal den Schatten vertrieb, dann wieder einlud, um letztendlich weich und matt die eine Hälfte von Macus zu beleuchten, ebenso die Seiten seines Instrumentes, das er liebevoll und sorgfältig zu stimmen begann. Pling, plang, die Seiten ertönten mal hell, dissonant, dunkel, je nachdem, welche Marcus gerade stimmte und wie gut er sie gestimmt bekam, doch selbst wenn das Instrument unter den Monaten an Abstinenz gelitten hatte, so war Marcus erst zufrieden als das Instrument seinem Ohr wieder Wohlgefallen schenkte; nur beiläufig registrierte Marcus, daß der Sklave einen der Soldaten meldete, Marcus nickte zerstreut und ließ seine Finger noch weiter über die Kolben gleiten, die die Seiten genau richtig spannen sollten, damit der harmonische Ton entlockt werden konnte, den der Spieler hören wollte. Die Salutatio bemerkte Marcus darum nicht, er war immer noch zu sehr auf die Seiten des Instrumentes konzentriert, sein Daumen schlug die tiefste Seite an, ja, jetzt klang es doch gut, nochmal glitt sein Daumen über alle Seiten hinweg und entlockte dem Instrument die richtigen Höhen. Die konzentrierte Falte zwischen Marcus Augenbrauen schwand und er hob kaum den Kopf als er meinte:


    „Salve, optio!“
    Marcus ergriff ein Tuch und wischte noch mal sorgfältig das Instrument ab, deren rotbraunes Holz warm im Lichte glänzte.
    „Bestimmt wirst Du dem gerecht werden!“
    , gab Marcus als Antwort und ließ seine Finger über die Seiten gleiten, entlockte dem Instrument erst mal eine einfache und alte Weise, denn seine Finger fühlten sich nach der langen Zeit ganz steif an. Erst dann sah er auf und deutete mit dem Kinn auf die zweite Kline im Raum.
    „Nimm' doch Platz, optio!“
    Erst da fiel Marcus das gestriegelte Auftreten des Decimers auf, Marcus wölbte überrascht die Augenbraue, verschwendete aber sonst keine Worte darüber, denn im Krieg waren sie alle mal mehr oder minder rasiert oder schludrig durch die Gegend gelaufen.
    „Etwas Wein vielleicht?“
    , fragte Marcus und erneut suchten seine Finger danach, sich wieder an das Instrument zu gewöhnen, indem sie darauf spielten.

  • Der Centurio spielte Kithara! Ganz versunken war er, in das Stimmen des schönen Instrumentes und in die Melodie, die er ihm entlockte. Das verblüffte mich echt, ich wäre nie darauf gekommen, dass er eine musische Ader hatte, schliesslich wirkte er doch eher, hm... handfest und bodenständig würde ich sagen. Aber Menschen sind eben voller Überraschungen. Ich stand, und hörte zu wie er spielte, und hatte deutlich das Gefühl zu stören. Schliesslich nahm er mich aber doch wieder zur Kenntnis.
    "Danke."
    Ich setzte ich mich auf die Kline, und auch den Wein schlug ich natürlich nicht aus.
    "Ja, gerne. Ich wusste gar nicht, dass Du musizierst, Centurio. Ich spiele auch manchmal, Flöte."
    Aber das wusste er wahrscheinlich sowieso, ich hatte ja während des Feldzuges immer mal wieder am Lagerfeuer gespielt, um uns aufzuheitern oder einfach so. Und manchmal auch bei den Verbrennungen, um den toten Kameraden Ehre zu erweisen.
    "Ich bin hier, um zu fragen ob Du Befehle für mich hast", begann ich pflichteifrig den Zweck dieses Besucher zu erklären, "ausserdem wollte ich Dir berichten, dass ich während des Aufenthaltes in Rom an der Academia Militaris das Examen Primum abgelegt habe. Und dann ist da noch etwas, und zwar gab es in der letzten Acta einen Artikel, der sehr abfällig über die Prima war. Hast Du ihn auch gelesen, Centurio? Wir haben da jedenfalls einen Leserbrief geschrieben, weil wir das nicht hinnehmen wollen. Hier ist er," - ich zeigte ihn vor - "und wir würden uns sehr freuen, wenn Du, also falls Du auch dieser Meinung bist, dem Brief durch Deine Unterschrift noch mehr Gewicht verleihen würdest."
    Da war sogar extra noch ein Fleckchen freigelassen, damit er über den Namen aus unserer Centurie unterschreiben könnte.

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  • An einem anderen Abend wäre es Marcus womöglich peinlich gewesen, wenn einer der Soldaten es erfahren hätte, daß er ein Instrument spielte, der centurio, der doch die Männer in den Kampf führte, beschäftigte sich mit Dingen, wofür sonst oft Sklaven zuständig waren; jener Abend war jedoch sehr seltsam, Marcus war von einer düsteren Melancholie ergriffen, die wohl noch die Nachwirkungen des Krieges waren, aber auch, weil ihm die leeren Räume zeigten, wie viele Männer er im Krieg verloren hatte, Männer, für die er doch verantwortlich gewesen war; in dem Untergrund seines Bewußtsein nagte Marcus seit geraumer Weile mit dem Gedanken, ob er nicht einfach versagt hatte als centurio. So mit anderen Gedanken beschäftigt, kamen die Gefühle der Beklommenheit nicht wegen seiner sonst mehr zurück gezogenen Beschäftigung; aber wenn ihm einer der alten Griechen, die seine Mutter für seine Erziehung in das Anwesen in Baiae geholt hatte, etwas wirklich eingepflanzt hatte, dann war es die Liebe zu diesem Instrument und der Musik, denen er leider noch oft frönen konnte und es noch mehr mit Hingabe als großer Virtuosität tat - Pamphilos war der Name jenes Griechen gewesen und es war schon viele Jahrzehnte her gewesen; in den Zeiten in der Legion war Marcus selten zum Spielen gekommen; er beugte sich vor und griff selber nach der Weinkaraffe, um Serapio in einen noch frischen Tonbecher von dem guten italischen Wein – unverdünnt an dem Abend – einzugießen.


    „Die Flöte?!“
    Marcus nickte schließlich, ja, er entsann sich gut an das Spiel von Serapio bei der Verbrennung bei Edessa, als so viele Männer dort von ihnen den Flammen übergeben werden mußten, ein bitterer Tag, selbst wenn sie gesiegt hatten.
    „Ich entsinne mich. Gut spielst Du, Decimus, hast Du es bei einem Lehrer erlernt?“


    Marcus reichte ihm den Becher hinüber und nickte. Befehle? Doch ehe Marcus da etwas erwidern konnte, wandte sich Serapio schon dem Leserbrief zu; Marcus ließ die Hand von den Seiten aus Darm herunter sinken, die auf dem Instrument gespannt waren und ergriff den Leserbrief; seine Augen glitten über die Zeilen, so manch ein Wort stach schon hervor, aber um es wirklich gut zu lesen, hätte er leise vor sich hin wispern müßen – und egal ob melancholische Stimmung oder nicht, das wäre ihm dann doch jetzt zu peinlich gewesen! Aber schon an vielen Stellen hatte Marcus gemerkt, daß Serapio eloquent war und er erkannte die Handschrift sofort wieder, zudem war es ein Bedürfnis von den Männern, aber auch von Marcus, der sich nicht minder geärgert hatte, als ihm Hannibal in Rom den Artikel vorgelesen hatte – Marcus hatte sich schon bei Florus darüber ausgiebig beschwert, der einige kluge Worte dafür gewußt hatte-, aber so konnte Marcus noch mal nicken.


    „Natürlich werde ich da unterschreiben, eine Unverschämtheit war das...“
    Marcus rief nun doch den Sklaven heran, der ihm Feder und Tinte brachte, dann legte Marcus das Instrument zur Seite, um an der freien Stelle zu unterschreiben, ehe er den Brief zur Seite legte.
    „Ich würde ihn mir gerne später noch mal genauer durchlesen, aber ich laße ihn Dir noch von einem der Sklaven bringen, versprochen!“
    Marcus griff nun nach seinem eigenen Becher und hob ihn hoch.
    „Dann, optio, auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit! Und auf Dein bestandenes Examen, optio, meinen Glückwunsch dazu!“

  • Etwas düsteres war heute um den Centurio, in der Art wie er sprach, in seinen Bewegungen als er mir eigenhändig Wein einschenkte. Ich hielt den Becher in den Händen, musste dabei zurückdenken an Parthien, und an die vielen Scheiterhaufen. War ansteckend, dieses düstere.
    "Danke Centurio. Ich habe es von einem Hirten gelernt, der für meine Grosseltern die Schafe gehütet hat, bei Tarraco in der Nähe. Iraido. Er war wirklich ein grosser Künstler, auch wenn er normalerweise nur für die Berge gespielt hat, und für seine Herde."
    Wunderschöne Musik hatte er gemacht, und ich hatte mir damals immer vorgestellt, wie die Oreaden aus den Bergen herbeikamen um ihm zu lauschen. Ganz weltabgewandt war er aber nicht gewesen, und hatte immer gerne mein Taschengeld genommen, das ich ihm vorbeibrachte für den Unterricht, den er mir gab. Was meine Mutter sehr missbilligt hatte, denn sie glaubte, dass die Musik mich verweichlichen würde.
    "Und später habe ich auch eine Zeitlang Unterricht in Rom genommen." Bevor mir dann das Geld ausging.
    Es freute mich, dass der Centurio auch unserer Meinung war über den Acta-Artikel, dass man den nicht so hinnehmen konnte. Sehr zufrieden sah ich, wie er seine schön geschwungene Unterschrift (besonders das 'A', sehr elegant) über unsere Namen setzte, und nickte bereitwillig, als er meinte, dass er ihn sich noch in Ruhe anschauen wollte. Morgen würde ich dann darangehen noch mehr Unterschriften dafür zu sammeln.
    "Auf die Zusammenarbeit!", wiederholte ich, und fühlte mich sehr geehrt dabei. "Danke Centurio!" So besonders schwer war es ja auch nicht gewesen.
    Ich trank einen tiefen Schluck, und bemerkte überrascht, dass der Wein ganz pur war. Aber gut! Mich auf der Kline streckend trank ich noch einen. Ja, der Centurio wusste zu leben. Das Licht der Öllampe liess die Saiten seiner Kithara weich schimmern. Ein schönes Instrument, das ich leider nie zu spielen gelernt hatte.... da hatte ich eine Idee.
    "Wie wäre es...", fragte ich mutig, "wenn wir vielleicht mal zusammen musizieren würden, Centurio?"

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  • Das letzte Licht wurde von den Hügeln verschluckt, was das Kastell umgab, die Sonne war hinter dem Horizont verschwunden und auch das Zwitschern der Amseln und Schwalben, die am Himmel kreisten und ihre Flugakrobatik vorführten, verstummte langsam. Die Schatten wurden in der Unterkunft immer größer und schon ging eine Tür auf, ein schlanker und junger Sklave, der Parthische, trat auf leisen Sohlen hinein, in den Händen hielt er eine Öllampe und einen Glimmspan. Leise und diskret ging er zu der Halterung auf der anderen Seite und zündete auch dort die Öllampen an, erst als die Unterkunft von dem gelblich-milchigen Licht der Öllampen, die durch den Windzug der Tür immer wieder flackerten, erhellt wurde, blies der Sklave den Glimmspan aus und trat zu den Fensterläden, um einen zu schließen und dann auf genauso leisen Sohlen wieder aus der Unterkunft zu schwinden. Marcus, der das Prozedere schon gewohnt war, merkte von der Anwesenheit des Sklaven nichts, für ihn war der Sklave auch mehr ein Schatten seiner Selbst, den er schon seit langem nicht mehr beachtete. Marcus hob den Becher als der frisch gebackene optio den Trinkspruch erwiderte, gut tat der Wein an seiner Kehle als er einen tiefen Schluck im Anschluß nahm und den Becher zur Seite stellte, heute war gewiß noch ein Abend, an dem Marcus viel von dem Wein zu sich nehmen würde, um die düstere Stimmung zu vertreiben. Der Tod hatte schon vor langer Zeit seinen schwarzen Atem über Marcus' Seele streichen laßen, der Tod, den er immer noch nicht wahrhaben wollte, der Tod, der um ihn herum immer wieder erschien und einen guten Mann nach dem Anderen in die Unterwelt mitnahm; Marcus sonst mehr fröhliches Gemüt war heute ausgesprochen melancholisch, seine Finger strichen behutsam über die dunkelste Seite des Instrumentes, die Seite erzitterte und gab einen tiefen und volltöndenden Klang von sich, einen, der in Marcus' Ohren genau richtig sich anhörte von der Klangfarbe und ihn auch ansprach.


    „Ein Hirte?“


    Marcus linker Mundwinkel hob sich ein wenig. Ja, Hirtenmusik hatte doch etwas ausgesprochen reizvolles an sich; die Viehhüter hatten einen Hang zu sehr tiefsinniger Musik, aber auch fröhlicher Melodei. Marcus blinzelte überrascht als Serapio das mit dem Musizieren vorschlug, auf den Gedanken war Marcus noch nicht gekommen, aber eigentlich war es nahe liegend, denn im Austausch mit anderen Musikliebhabern und im Klang von schöner Musik konnte Marcus ein tiefes Glücksgefühl entwickeln, womöglich vermochte es auch seine trüben Gedanken zu vertreiben.


    „Eine gute Idee, optio! Dann hol' mal Deine Flöte und wir probieren es!“


    Mit seinem Stellvertreter zu spielen hielt Marcus auch nicht für eine falsche Verbrüderung, mit einem einfachen Soldaten aus seiner Einheit hätte Marcus womöglich Bedenken gehabt, daß es der Disziplin abträglich war. Marcus nickte Serapio aufmunternd zu, daß er sein Instrument holen könnte und ließ seine Finger erneut über die Seiten gleiten, um seine Hände wieder etwas mit dem Instrument in Einklang zu bringen, sie fühlten sich immer noch klobig und starr an.

  • Grau und bleiern hingen die Wolken über dem castellum, ein Vorhang aus dicken und kalten Regentropfen ergoß sich über die Dächer, stetig plätscherte es über seinen Kopf, die Wolken verdüsterten den Innenraum von Marcus' Unterkunft, die für einen Soldaten doch sehr geräumig war, denn es waren die eines centurio. Das Licht flackerte über Marcus Gesicht, doch die Schatten überwogen, die tiefen Ringe unter den Augen zeichneten sich deutlich ab, die er einer schlaflosen Nacht wegen hatte, gestern hatte er die Urkunden von seinem Vorgesetzten bekommen, hatte alles veranlaßt, aber noch keinen der Soldaten zu sich gerufen, er hatte Avitus' Worte noch in seinem Geist gehört: War es ehrenhaft gegenüber den anderen Soldaten, was Marcus tat? Grübelnd starrte Marcus aus dem Fenster und sah in den trüben Regen hinaus, der Entschluß fiel ihm sehr schwer, die Prima war mehr zu einer Heimat geworden als er jemals geahnt hatte; war es schon anderen Männern wie ihm ergangen, die am Scheideweg des Lebens standen und sich für den linken oder den rechten Pfad entscheiden mußten, aber lieber den Alten gegangen wären? Marcus glaubte, daß es so sein mußte! Gerade der Krieg hatte Marcus noch fester an diese Legion geschweißt, noch stärker die Banden zu den anderen Soldaten geschmiedet, ehern und fest waren sie, doch es war Zeit, diese Bande zu zerschlagen, selbst wenn es ihm sehr schwer fiel. Immer wieder erzitterte eine Flamme in den tönernen Lampen, eine erlosch als eine Windböe durch das geöffnete Fenster drang und Regen mit hinein trug; Marcus stützte sein Kinn auf dem Handballen ab und stierte in die trostlose Gräue, schwermütig, melancholisch, von Avitus' Worten aufgerüttelt und zweifelnd. Zukunft? Aufstieg? Die Prima...nein, es war für ihn klar, unter diesem Legaten würde es hier in der Prima für Marcus keine Zukunft geben können, außer weiter hin mit seiner Einheit der Legion und dem Kaiser zu dienen, aber fern der Familie, viel zu fern. Nein, er hatte genug Opfer gebracht für das Imperium, genug Blut, genug von seinem Leben dem Kaiser geschenkt, er hatte seine Pflicht getan! Er lehnte sich zurück, prompt trat aus dem Schatten ein Sklave, der ihn schon seit Stunden nicht zu stören gewagt hatte. Marcus wandte nicht die Augen zu dem jungen Orientalen als er sprach.


    „Geh' und hole Cafo!“
    Schweigend wandte sich der Sklave um und verschwand lautlos, die schweren Schritte eines Mannes verrieten Marcus, daß es sich nur um den signifer handeln konnte, er löste sich vom Anblick der dicken Regenschlieren und sah zu Cafo, dessen vernarbtes Gesicht von vielen Schlachten und Kriegen zeugte.
    „Er hat es bewilligt...“
    , meinte Marcus zu einem der Dienstältesten Männer in seiner Einheit.
    „...der Alte...“
    , fügte Marcus mit einem schiefen Lächeln an, der Spitzname von Avitus früher und selbst heute noch; selbst wenn jener doch an Jahren jünger als Marcus war, hatte Marcus ihn hin und wieder genutzt. Cafo nahm das mit einem andeutungsweise Nicken hin, mit einem Deuten von seinem Kopf entließ Marcus ihn wieder, Cafo wußte genauso wie Naevius Bescheid, selbst wenn die anderen Auserwählten es nicht taten, vielleicht würde Marcus es ihnen eines Tages sagen.
    „Den optio!“
    , befahl Marcus trocken an den Sklaven, der ein weiteres Mal davon eilte. Marcus trat zu dem Fenster und streckte die Finger hinaus, kalte Tropfen prallten auf seine Haut, glitten an den Fingerkuppen vorbei um sich wieder gegen die Erde zu stürzen; Marcus ließ die Regentropfen auf seine Hand fallen und zerrieb sie zwischen den Fingern, um sie an die Lippen zu führen – Regen aus Italia, schmeckte er anders als in Parthia, der seltene parthische Regen? Erneut hörte Marcus Schritte und er sah nur kurz über seine Schulter.
    Optio!“
    , grüßte Marcus den Decimer.
    „Einige Männer sind zu den cohortes urbanae nach Roma versetzt worden, Du und ich gehören auch dazu. Ebenso die Männer auf der Liste hier!“
    Marcus deutete mit seinem Kinn auf die Liste, die er den letzten Abend stundenlang angestarrt hatte, betrunken von Wein und Wehmut, nun lag sie immer noch unberührt auf einem massiven Schreibtisch, der sonst ganz leer war.
    „Wir rücken morgen früh aus! Bereite alles vor! Die Männer sollen im Morgengrauen abmarschbereit sein! Sie sollen auch ihre Familien mitnehmen, wir bleiben lange in Rom! Wegtreten, optio!“
    Marcus sah von Serapio weg und wieder in den Regen, wobei sein Gesicht in Schatten gehüllt lag, undurchdringlich und verdüstert. Seine ganze Haltung und sein dem jungen Mann zugewandter Rücken sprachen davon, daß er keine Worte oder Fragen hören wollte.


  • Ich sprang auf, und kehrte, die Tibia in den Händen, bald darauf zurück. Es war die, die ich irgendwann mal unserem Mulio abgeluchst hatte, und die mich durch halb Parthien begleitet hatte. Besonders ansehnlich war sie nicht, das Holz war fleckig und eher grobgeschnitzt, aber sie hatte eine schöne Klangfarbe und war mir ans Herz gewachsen. Der Raum war erfüllt von den wohltönenden Klängen der Kithara des Centurios, von dem warmen Licht der Öllampen, ein behaglicher Hafen während draussen die Nacht hereinbrach.
    Ich lockerte meine Finger und setzte das Mundstück an die Lippen, feuchtete das Rohrblatt mit der Zunge an und blies eine Reihe von Tönen, dann eine kleine Melodie um mich ein bisschen warmzuspielen, danach versuchte ich die Weise, die der Centurio angestimmt hatte, aufzunehmen. Ein melancholisches Lied war das, und er spielte es so seelenvoll. An manchen Stellen stockte er, an anderen ich, und anfangs klang unser Zusammenspiel wohl mehr wie Katzenmusik, aber dann, nach einer Weile, hatten wir uns ganz gut aufeinander eingespielt, und die Stimmen der Instrumente verflochten sich zu einem harmonischen Ganzen. Wehmütig flossen die Klänge der Kithara dahin, ebbten auf und ab, schwebten und verklangen, umrankt von dem traurig schönen Klagen der Flöte... Mir war als umschlösse die Musik uns ganz, als trüge sie uns davon... wir hätten überall sein können, in einem Tempel der Vorzeit, oder auf einem kargen Felsengipfel, oder im Rumpf eines Schiffes, das über die Meere fuhr, zu unentdeckten Gestaden. So versunken war ich, dass mir für einen Moment, als ich durch das Fenster sah, der Lichtschein draussen auf dem Boden, wogend weil die Lichter hier drinnen so flackerten, wie vorübergleitende Wellen erschien...
    Dann vergriff ich mich, und die Flöte gab ein widerstrebenden, schrilles Pfeifen von sich, was mich wieder ganz in die Gegenwart zurückholte. Wir versuchten uns noch an einem anderen Lied, aber es war schon spät, das Zusammenspiel wollte nicht mehr so recht funktionieren, und wir beschlossen das an einem anderen Tag zu wiederholen und zu vertiefen. So verabschiedete ich mich und kehrte, die Flöte diskret verborgen haltend, und mit einem halben Lächeln im Gesicht leise vor mich hinsummend, zu meinem Contubernium zurück.

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    Klient - Decima Lucilla


  • Per omnes deos! Zu den Urbanern?! Das konnte doch nicht wahr sein! Die Bestürzung stand mir deutlich ins Gesicht geschrieben. Schon hatte der Centurio sich wieder abgewandt, er sah hinaus in den strömenden Regen, und ich starrte auf die Liste, ein weisser Fleck in dem trüben Licht des Raumes. Ich zu den Urbanern! Und so plötzlich das ganze... das war echt ein Schock! Aber die abweisende Haltung des Centurios lud nicht gerade zum Widerspruch ein, überhaupt, Befehl war Befehl.
    "... Jawohl Centurio" kam es über meine Lippen. Ich nahm das Pergament, führte die Faust zur Brust, und machte kehrt, verliess das Quartier des Centurios, vorbei an dem hübschen orientalischen Sklaven für den ich in dem Moment aber keinen Blick übrig hatte. Draussen vor der Tür blieb ich stehen. Ich rief mir die Stirn, besah mir unglücklich die Liste, und seufzte einmal schwer. Dann machte ich mich auf, ging die Männer informieren die mit uns abkommandiert waren, und unsere Abreise vorbereiten. Es gab natürlich eine Menge zu tun, was ganz gut war, denn so kam ich erst mal gar nicht mehr zum Nachdenken.

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