Hortus l Ablenken

  • Ohne Neid musste ich zugeben, dass dieser Hortus größer und vielleicht auch ein kleinwenig schöner ist, als mein eigener in Tarraco. Jetzt wo der Frühling erwachte, warteten die Pflanzen scheinbar darauf in ihrer ganzen Pracht zu erblühen. Dieser Vorfrühling war in jedem Winkel des Hortus zu spüren.


    Ich suchte mir eine Bank die im Sonnenlicht lag. Auf einem der weichen Kissen nahm ich Platz. Die Sonne wärmte augenblicklich. Entgegen meinem ursprünglichen Wunsch, hatte ich darauf verzichtet meine Rebecca mitzunehmen. Alleine wollte ich meine Gedanken ordnen und mein neues Leben planen. Vielleicht gehörte ja eine neue Ehe dazu? Vielleicht sollte ich mich nicht zu sehr an die Familienvilla gewöhnen. Obwohl ich bemerkte, das ich es hier schwer haben würde, bleibe ich dabei: Ich muss es durchstehen! Denn wo sonst, könnte ich gesellschaftlichen Schliff und standesgemässes Benehmen besser lernen?
    Lächelnd lehnte ich mich zurück, schloss die Augen und genoss die Sonne.

  • Es war fast wie eine Flucht, denn wenn man die junge Flavierin sah wie sie durch die Villa eilte hätte man meinen können, dass sie versuchte sich vor wem oder etwas zu verstecken oder, dass sie etwas ausgefressen hatte. Aber wirklich war es einfach nur so, dass Arrecina vermeiden wollte einem dieser vielen fremden Gesichter zu begegnen, denn alle waren ihr einfach fremd sogar ihr kleiner Bruder, der ihr ab und an auf die Nerven ging. Ihren kleinen Hundewelpen hatte sie irgendwo in der Villa verloren aber sie war sich sicher, dass er sie wiederfinden würde, denn er war hier fast ihr einziger Freund den sie hatte. Rutger war etwas ganz Besonderes für sie und mit ihrer Sklavin hatte sie sich nun auch schon angefreundet, aber alles andere mied sie weiterhin.
    Es war klar wo ihre Flucht enden würde, nämlich im Hortus der Villa. Hier verbrachte sie sehr viel Zeit, wenn sie nicht grade in ihrem Cubiculum saß und sich dort versteckte. So trat sie dann auch heute mit eiligen Schritten nach draussen und bermerkte nicht, dass sie nicht alleine war. Ihre Füße trugen sie gradewegs zu der Statue an der sie sich mit Rutger getroffen hatte. Sie konnte an nichts anderes mehr denken als an diesen Sklaven.

  • Wie gut mir diese Ruhe und die wärmenden Strahlen der Sonne taten. Hier ließ es ich aushalten. Wie lange war ich nicht mehr in diesem Garten gewesen? Es muss Ewigkeiten her sein.
    Dann wurde ich von schnellen Schritten aus meinen Tagträumen geweckt. Plötzlich war dieses hübsche junge Mädchen da. Scheinbar eine Verwandte, wie ich an Kleidung und der Tatsache das sie hier alleine herumstand, feststellte. Doch welche meiner hier ansässigen Verwandten war sie? Jetzt rächte sich, das ich so lange nicht mehr hier gewesen war.


    "Salve, meine Liebe. Treibt es Dich bei diesem Wetter auch hinaus ins Freie?"


    Mit einem sanften Lächeln stellte ich diese Frage. Neugierig auf das was sie sagte und wer sie nun war.

  • Wenn sie gewusst hätte, dass sie hier draussen nicht alleine war hätte sie sich wohl lieber wieder in ihrem Zimmer verkrochen und zwar in der hintersten Ecke, aber wie sie ihr Glück kannte wäre auch dort irgendjemand aufgetaucht nur um sie zu fragen wie es ihr ginge. Ihre Hände berührten grade eine Ecke dieser Statue als sie den Schatten sah und dann auch gleich diese fremde Frauenstimme hörte. Sofort drehte sich Arrecina um und blickte die Frau an. Musste sie diese kennen? Wie waren sie verwandt? Kannten sie sich? So viele Fragen gingen ihr durch den Kopf, dass sie keine Antworten finden konnte und sie einfach nur einen geschlagenen Moment anstarrte bis sie sich wieder fing.
    "Salve, ich, ja....bei dem Wetter ist es das beste man geht nach draussen anstatt den Tag in einer tristen und langweiligen Villa zu verbringen," versuchte sie mit fester Stimme zu sagen was ihr aber nur halbwegs gelang. "Kennen wir uns?" fragte sie dann mit einem Blinzeln in die Sonne als diese sie blendete.

  • Scheinbar hatte ich sie ebenfalls aus einem Tagtraum geholt oder sie war auf der Flucht. Die Frage war nur, wenn sie auf der Flucht war, vor wem?


    "Ich glaube nicht das wir uns kennen. Es ist das erstemal, nach lange Zeit, das ich mal wieder hier bin. Meine Name ist Calpurnia, Flavia Calpurnia. Wie ist dein Name?"


    Langsam setzte ich mir auf und betrachtete das hübsche Mädchen.

  • Wie hätte sie nur früher auf eine solche Konfrontation reagiert? Sie wusste es nicht, aber irgendwie war sie froh, dass sie jemanden vor sich hatte, den sie wirklich nicht kannte und das war auch gut so, denn sie wusste wenn ihr Gedächtnis nicht bald wieder kommen würde, dann würde sie durchdrehen, das war sicher.
    "Ich bin die Tochter von.....," sie stockte kurz und musste überlegen was ihr ziemlich peinlich war ".......von Marcus Flavius Aristides und meine Name ist Arrecina. Entschuldige ich kann mich nicht so an alles erinnern auch nicht wen ich kenne und wen nicht," versuchte sie sich nun zu entschuldigen um nicht ganz dumm dazustehen, schließlich wollte sie es sich bei einer ganze neuen Person sich nicht gleich verscherzen.
    "Wo warst du die ganze Zeit wenn du sagst es ist lange her, dass du hier warst?" Ein klein wenig wurde nun doch ihre jugendliche Neugierde geweckt, was wohl auch an der Unbekanntheit liegen mochte, denn hier musste sie nicht überlegen wie sie sonst zu der Person gewesen wäre. Hier war alles anders und für beide alles neu, deswegen musterte Arrecina die Frau vor sich auch etwas genauer. Vielleicht war das ja auch eine Tante von ihr.

  • Calpurnia machte ein wenig Platz auf der Bank.


    "Wenn Du magst, darfst Du dich gerne setzen. Denn wenn ich Dir alles erzählen soll, wird es eine lange lange Geschichte."


    Mit der rechten Hand klopfte Calpurnia leicht auf fas rote Kissen neben dem ihren.


    "Aristides ist dein Vater, sagst Du? Dann sind wir Couisnen. Dein Vater ist ein Onkel von mir, ein Bruder von Felix. Leider bin ich auch deinem Vater nie begegnet. Aber das liegt wohl daran das ich selten hier war. Er ist bei der Legion, dein Vater, nicht wahr?".


    Irgendwie tat sie Calpurnia leid. Vermutlich war sie krank. So nervös wie sie war und dann die Äusserung, das sie sich nicht mehr so gut an alles erinnern konnte, deutete daraufhin.

  • Arrecina folgte mit ihren Blicken der Hand von Calpurnia. Das rote Kissen ließ sie einen Augenblick ihre Augen zusammenkneifen und sie unterdrückte nur mit aller Mühe ein Seufzen, dann aber setzte sie sich einfach hin und legte ihre Hände an die Ecken der Bank. Das Kissen war weich und angenehm von der warmen Sonne gewärmt, die ihr immer noch auf die dunklen Haare und seitlich ins Gesicht schien. Lange Geschichten hörte sie immer sehr gerne und sie freute sich eine unbekannte Cousine neben sich sitzen zu haben, denn vielleicht konnte man sich ja anfreunden und so ganz ohne Vorurteile sich kennenlernen.
    "Ich finde es immer wieder erstaunlich welche Verwandten man neu kennenlernt. Aber vorweg möchte ich sagen ich habe noch einen kleinen Bruder hier, er wäre ja dann dein Cousin. Serenus ist sein Name und wenn ich mich nicht täusche ist er neun und rennt immer mit einem großen unschönen Hund durch die Gegend." Seit langem brachte sie einfach ein liebliches Lächeln zustande welches einmal nicht erzwungen war sondern freiwillig über ihre Lippen kam.
    "Ja mein Vater ist bei der Legion hier irgenwo in Mantua war das glaube ich. Er ist selten hier, aber es kann sein, dass ich auch nach Mantua muss, oder ich glaube es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass er mich in seiner Nähe haben möchte aber ich weiß es nicht genau."

  • Natürlich bemerkte Calpurnia das Zögern der jungen Frau. Scheinbar wusste Arrecina nicht, wie sie sich verhalten sollte. Das war Calpurnia sehr recht. Schliesslich war sie auch hier um "Artgerechtes" Verhalten zu erlernen.


    "Nun denn, beginnen wir mit der Geschichte der Flavia Calpurnia", seufzte Calpurnia und begann, "Angefangen hat alles vor Jahren in Tarraco, das ist eine wunderschöne Stadt in Hispania, meine Heimatstadt. Wie es in guten Geschichten sein muss, verliebte sich ein junges Mädchen, Hals über Kopf, in einen wahnsinnig gutaussehenden Mann. Damit diese Ehe standesgemäß sein würde, adoptierte der Mann meiner Halbschwester, Flavia Messalina Oryxa, diesen Namen lernte ich später verfluchen, den Auserwählten meines Herzens. Ich war glücklich. Ich hatte den Mann meiner Träume und wurde schnell von ihm schwanger. Nur mein geliebter Obsuro war ein Heißsporn, ein Draufgänger und ein Streithammel. Kurz bevor ich mit meinem Kind niederkommen sollte, fand in Carthabo Nova ein Schiffsrennen statt. Natürlich nahm Obscuro mit einem eigenen Schiff teil. Er taufte es ANGELI CALPURNIA. Hübsch, nicht wahr? Er drillte seine Mannschaft ohne Unterlass. Dann geschah es, bei einem plötzlichen Wendemanöver, fiel er von Bord. .... Seine Leiche wurde nie gefungen."


    An dieser Stelle musste Calpurnia doch etwas schlucken und mit ihrer Fassung hadern.


    "Wenig später kam mein Kind auf die Welt. Mein Sonnenschein. Meine kleine Messalina. Die ich nach meiner berühmten Schwester nannte. Die Geburts verlief ohne Probleme und die kleine Messi war ein fröhliches Kind. Dann aber passierte etwas, was nie hätte passieren dürfen: Ich lernte einen Mann kennen ... und ich muss zu meiner Schande sagen ... auch lieben. Als Lucius Didius Crassus in mein Leben trat, wusste ich von ihm nur, das er ein Weiberheld mit sehr dunkler Vergangenheit war. Meine zweite Halbschwester Fausta, die ihn kannte, warnte mich, warnte mich eindringlich! Ich sollte ihn nicht zu beachten. Doch Liebe macht tatsächlich blind. Später bekam ich raus, das er nicht nur nicht standesgemäß sein würde, sondern auch noch der Sohn einer Hure war! Trotzdem war ich damals blind für alle Einwände. Ich wollte ihn heiraten, auf Rang und Privilegien für ihn verzichten. Mich auf ein Landgut zurückziehen und Pferde züchten. Vor allem als ich von ihm schwanger wurde."


    Wieder stockte der Atem.


    "Dann, ich wohnte schon im Haus seines Adioptivvaters, hatte ich einen Traum. Einen bösen Traum. Ich sah meine Tochter tot im Wasser und mich selbst weinend am Ufer. Ich konnte ihr nicht helfen. Dieser Traum brachte mich dazu, zu erkennen, dass dies wohl die Strafe der Götter für meinen Frevel sein würde, wenn ich Lucius, den Unwürdigen, heiratete. So machte ich mich noch in der selben Nacht, leise und verschwiegen, aus dem Haus und verließ nicht nur Carthago Nova, sondern gleich Hispania. Ich begab mich auf Reisen. Ruhelos zog ich von Ort zu Ort. Immer noch schwanger und mit meiner kleinen Messi an der Hand. Wir bereisten Africa und und Aeypten. Dann geschah es! Wie ich diesen Tag, wie ich dieses Land, wie ich diesen Kerl verachte, der mir das alles angetan hatte! Meine kleine, schöne Messi rannte auf einen Steg der in den Nil ragte. An der Spitze des Steges angekommen, brach das Ding und meine Messalina stürzte in den Fluss. Bevor ich ihr zur Hilfe kommen konnte, versank sie in den Fluten. Wie ihr Vater fand sie ihr Grab im Wasser. Denn auch sie wurde nie gefunden. Ich muss befürchten, das sie von einem der Krokodile ....."


    Hier versagte Calpurnias Stimme. Nach dem sie sich gefasst hatte, sprach sie weiter. Ihre Stimme bekam nun etwas hartes unpersönliches.


    "Der Schock den ich erlitt, machte mich krank. Ich bekam Fieber und Schüttelfrost. Dabei hatte ich eine Fehlgeburt. Das Kind, das ich von Lucius in mir trug, kam tod zu Welt. Es wäre ein Sohn geworden. Jetzt lernte ich zu hassen. Ich hasse Lucius, ich hasse seine Welt, seine Herkunft, seinen Stand, einfach alles was mit zu tun hat. Sollte ich ihm nocheinmal begegnen, werde ich ihn umbringen. Ich werde ich erdolchen, den Mann der mir das alles angetan hat."


    Jetzt erst bemerkte Calpurnia, das sie ihre Hände in einander vergraben hatte. So feste, das ihre Fingerknöchel weis waren.

    Einmal editiert, zuletzt von Flavia Calpurnia ()

  • Still und ohne auch nur einen Laut von sich zu geben hatte Arrecina neben ihr gesessen und zugehört. Jedes Wort hatte sie in sich aufgenommen und sie tat ihr einfach nur leid. Dass ihr eigenes Leben im Moment so durcheinander war und sie auch schlimme Dinge erlebt hatte rückte auf einmal in den Hintergrund, denn ein Kind zu verlieren oder besser gesagt zwei Kinder zu verlieren war doch einfach nur grausam und das hatte doch kein Mensch verdient. Arrecina musste schlucken und hörte weiter zu, versuchte sich nicht zu bewegen um sie nicht zu unterbrechen. Es war Ironie des Schicksals, dass ihre kleine Tochter den Tod gefunden hatte. Der Traum hatte sie in die Irre geführt und sie hatte genau das falsche getan was sie nie hätte machen dürfen. Manchmal waren die Wege die die Götter einem gaben unergründlich und unverständlich. Sie stellten einen immer wieder vor Prüfungen und hier war es eindeutig, dass die Prüfung nicht bestanden wurde.


    Bedrückt sah sie auf den Boden als Calpurnia geendet hatte und suchte nach Worten. Vielleicht welche die ihr Trost spenden konnten, falls es in einer solchen Situation überhaupt Worte des Trostes gab. "Das tut mir leid zu hören. Es muss schlimm sein seine Kinder zu verlieren und dann noch auf eine solche Weise. Ich hoffe, dass du hier vergessen kannst oder halt damit umzugehen. Ich hoffe, dass diese Familie die ein wenig Hilfe geben kann damit du dich besser fühlst."


    Ob diese Worte die richtigen gewesen waren? Sie wusste es nicht so wirklich. "Es tut mir leid, dass ich keine passenden Worte habe, aber ich weiß nicht was ich sagen soll. Da kommen mir meine Probleme wie Kleinigkeiten vor."

  • Sanft lächelte Calpurnia die junge Frau an. Sie hatte selbst wohl Trost und Zuspruch nötig. Daher waren schon ihre Worte tröstend und taten ihr gut.


    "Du hast mir sehr geholfen, es tut schon gut, wenn einfach nur jemand zu hört. Willst Du mir nicht erzählen, was Dich bedrückt?


    Mit ihren großen schwarzen Augen, schaute Calpurnia Arrecina an. Sanft legte sie ihre Hand auf die von Arrecina und war gespannt, ob sich Arrecina öffenen würde.

  • Ein Zucken ging durch sie hindurch, als sie die Hand auf ihrer spürte, denn irgendwie war ihr diese Nähe nicht geheuer und dann doch wieder so vertraut als würde sie so etwas jeden Tag spüren. Nur widerwillig ließ sie ihre Hand dort liegen wo sie war und lächelte Calpurnia an.
    "Was mich bedrückt? Es sind die vielen Geschehnisse die in den letzten Wochen und Monaten passiert sind. Ich weiß niicht ob es gut ist darüber zu reden. Ich weiß vieles auch nur weil sie es mir gesagt haben, aber an vieles kann ich mich einfach nicht erinnern. Vielleicht ist es auch besser so wenn ich mich nicht erinner ich weiß aber, dass ich mein Leben jemand ganz besonderen zu verdanken habe."

  • Calpurnia spürte Arrecinas innere Anspannung, ihr Zerrissenheit. Offensichtlich war etwas schlimmme, etwas sehr schlimmes passiert. Sie beschloss Arrecina nicht weiter zu quälen.


    "Laß uns von weniger traurigen und bedrückenden Dingen reden. Da ich lange niche mehr in Rom war, was muss ich unbedingt erlebt haben?"

  • Ja das war eine sehr gut Frage die sie da stellte, denn Arrecina wusste ja selber nicht was sie hier vielleicht verpasst hatte und was nicht. Seit dem sie wieder zurück war hatte sie die Villa kein einziges Mal mehr verlassen. Sie hatte sich nicht getraut und alleine hätte sie eh nicht mehr raus gehen dürfen also hatte sie es vorgezogen es lieber ganz zu lassen.
    "Wenn ich ehrlich sein soll, ich habe keine Ahnung," sagte sie und seufzte dabei erheblich. "Ich bin schon länger nicht mehr draussen gewesen. Wenn dann bin ich hier im Garten aber seit der ganzen Sache habe ich mich nicht mehr nach draussen gewagt. Ich habe Angst wem zu begegnen und nicht zu wissen wer es ist. Was würden sie nur von mir denken wenn ich Freunde oder Bekannte nicht erkenne?" Arrecina würde sich nicht nur dumm vorkommen sondern sie hätte auch Angst vor Mitleid und dem Ganzen.

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