Sella Curulis des Praetor Urbanus

  • Maecius haderte mit der Formulierung des Praetors. Wenn er die Nachfrage mit ja beantwortete, log er. Wenn er sie verneinte, büßte er mit hoher Wahrscheinlichkeit den Schadenersatz ein. Seine eigene Aussage von eben beinhaltete die volle Wahrheit, war nur etwas lückenhaft.


    "Ich habe es nicht genau gesehen", quetschte er deswegen heraus.


    "Kann es sein, dass er gestoßen wurde?", hakte Menecrates nach, der die Unsicherheit erkannte.


    Maecius wiegte den Kopf hin und her, entschloss sich dann aber doch zur Wahrheit. "Ich glaube schon, dass er eher gestoßen wurde."


    "Gut", erwiderte Menecrates. "War das ein Mann oder eine Frau, ein Kind?"


    "Ein Mann", antwortete Maecius prompt. Anschließend lief er rot an, weil er merkte, dass er sich endgültig verzettelt hatte.


    Menecrates nickte, weil er Meacius' Gedanken unbewusst teilte. "Würdest du den Mann wiedererkennen oder kennst du ihn möglicherweise sogar namentlich?"


    Die Schultern des Kaufmanns fielen ab und er schüttelte den Kopf. "Bekannt ist er mir nicht. Ich könnte die Augen offenhalten, vielleicht kommt er noch einmal an meinem Stand vorbei."


    "Das ist ohne Zeugen im Nachhinein nicht einfach. Wenn er kein Geständnis ablegt, würde deine Aussage gegen seine stehen. Bemühe dich schon jetzt um mögliche Zeugen." Ohne Zeugenaussage könnte der Kaufmann auch jeden beliebigen Fremden des Stoßes bezichtigen. Zunächst gab es aber weder Zeugen noch einen Verdächtigen.
    "Ich werde den Fall begutachten und dich zu einem Klärungstermin laden. Wenn dir sonst kein relevanter Hinweis mehr einfällt, wären wir für heute fertig."

  • An einem der darauffolgenden Tage lud Menecrates die Römer Maecius Obsequens und Cotius Calatinus in die Basilica. Er ließ sie Platz nehmen und griff zu seinen Aufzeichnungen. Sein Blick umfasste beide Männer, als er seine Ausführungen begann.


    "Als Fall zur Klärung lag mir die Schuldfrage bei beschädigten Waren vor. In Betracht kommt also Sachbeschädigung nach § 85.
    Als Tatbestandsmäßigkeit lässt sich Folgendes festhalten: Jeder körperliche Gegenstand ist eine Sache, daher auch die Waren des Töpfer und Tonwarenhändlers Maecius. Die Waren standen im Eigentum Maecius, sie waren nicht bezahlt. Der Käufer Cotius wurde einvernehmlich als Schadenverursacher benannt - für ihn sind die Waren des Anbieters fremd."


    Menecrates bemühte sich, langsam zu sprechen. Bei sich wiederholden Formulieren kam er ansonsten schnell in Versuchung, alles zügig abzuspulen.
    "Eine Sache ist unbrauchbar, wenn sie für den Eigentümer endgültig ihren Wert verloren hat. Das ist bei Tonwaren, die ihre stoffliche Unversehrtheit verloren haben, der Fall. Die Zerstörung von Tonwaren fällt daher unter das Zerstören einer fremden Sache - § 85."


    Cotius atmete schwer, weil es sich für ihn anhörte, als wäre seine Tat bereits bewiesen, aber bislang wurde durch den Praetor nur der Tatbestand erörtert.


    "Betrachten wir die Rechtswidrigkeit", begann Menecrates. "Die zerstörten Sachen hatten für Maecius einen Wert, Verkaufswert. Sie standen in seinem Eigentum. Strafbar ist jedoch nur die vorsätzliche Sachbeschädigung. Eine vorsätzliche Sachbeschädigung liegt nicht vor, weil Cotius gegen seinen Willen auf den Stand bzw. die Tonwaren gestoßen wurde. Eine willentliche Verwirklichung des Sachverhalts liegt demnach nicht vor."


    Cotius atmete erleichtert aus.


    "Die Zerstörung der Tonwaren ist unter Ausschaltung der Steuerungsfähigkeit von Cotius geschehen. Das bedeutet, er ist straf- und schuldlos."
    Damit war zwar nicht die Schuldfrage für den gesamten Fall geklärt, wohl aber der Part, weswegen die beiden Männer den Praetor aufgesucht hatten.


    "Dir, Maecius, steht frei, eine Strafanzeige gegen Unbekannt zu stellen. Das fällt aber nicht mehr in meinen Aufgabenbereich. Vielmehr würde ich euch mit auf den Weg geben, wenn ihr wieder einmal in eine strittige Sache verwickelt werdet, wendet euch an einen der patrouillierenden Soldaten Roms. Sie sind nicht nur autorisiert, polizeiliche Aufgaben warzunehmen, sondern könnten auch Verfolgungen aufnehmen, die - wie in diesem Fall - bei reichlich Zeitverzug nur wenig vielversprechend wären.
    Es tut mir Leid, aber mehr kann ich nicht tun."
    Menecrates zeigte bedauernd die Handflächen.

  • Heute stattete Quintus Corfidius Lyso dem Praetor Urbanus einen Besuch ab. Vor ihm standen bereits zwei Bürger, die offensichtlich voneinander getrennte Anliegen mitbrachten. Es dauerte geraume Zeit, bis er zum Preator vorgelassen wurde.


    "Salve Praetor Claudius Menecrates. Ich heiße Quintus Corfidius Lyso und mein Anliegen ist folgendes: Ich möchte den Sohn meines verstorbenen Freundes adoptieren. Er lebt ohnehin seit Jahren in meinem Haus und da ich keine Kinder habe, soll er einmal meine Betriebe weiterführen können und ebenso mein Haus beerben.“


    "Salve Corfidius Lyso", grüßte Menecrates zurück, bevor er sich das Anliegen anhörte. "Grundsätzlich steht deinem Ansinnen nichts im Weg. Ich möchte dich jedoch darauf hinweisen, dass für diese Absicherung deines Ziehsohnes nicht unbedingt eine Adoption notwendig wäre. Du könntest genauso gut ein Testament verfassen und ihn als Erben einsetzen." Die Entscheidung lag beim Kunden.


    "Ja, stimmt. Das wäre auch eine gute Lösung", gab Corfidius zu. Er dachte kurz nach, dann schüttelte er den Kopf. "Wenn ich ihn adoptiere, erhält er noch weitere Privilegien, eben ganz so als wäre er mein leiblicher Sohn. Ich wähle diese Variante."


    "Gut", erwiderte Menecrates und gab seinem Sekretär zu verstehen, dass er mitschreiben sollte. "Dein Name war Quintus Corfidius Lyso. Wo bist du wohnhaft und wie lautet der Name deines Ziehkindes? Außerdem müsste ich wissen, wie alt der Junge ist. Ich gehe davon aus, dass er unter keiner Patria Potestas mehr steht, richtig? Gibt es einen Tutor? Bist eventuell du der Tutor?“


    "Quintus Corfidius Lyso ist richtig und ich wohne in Rom. Ich möchte Quintus Sextius Balbus adoptieren. Unter einer Patria Potestas steht er nicht und einen Tutor braucht er nicht. Er ist schon 28 Jahre alt.“


    Mit einem erwachsenen Adoptivsohn stellte sich die Angelegenheit anderes dar.
    "Ich gehe davon aus, dass Sextius Balbus nicht vor der Tür wartet. Für die Adoption eines erwachsenen Römers ohne Patria Potestas benötige ich jedoch auch dessen Zustimmung, denn er gibt ja durch die Adoption seine Selbstbestimmung auf. Diese Bereitschaft müsste er persönlich vor mir erklären oder du legst mir eine Vollmacht von ihm vor."


    "Ach so. Hm. Eine Vollmacht habe ich nicht dabei. Wir sprechen das am besten noch einmal durch. Vielen Dank und vale!"

  • Die Führung der heutigen Verhandlung hatte Menecrates mehr als sonst angestrengt. Das lag am Klientel, das fortwährend streitend und sich gegenseitig beschimpfend zur Ruhe ermahnt werden musste. Zwischenzeitlich wollte er sogar die Verhandlung vorzeitig schließen und einen neuen Termin ansetzen. Er hoffte, die Parteien würden sich bei gewissem räumlichen und zeitlichen Abstand beruhigen. Letztlich wurde ihm jedoch klar, dass nicht die Streitsache Ursache der erhitzten Debatte war, sondern ein persönlicher Zwist, der offensichtlich schon über Jahre im Untergrund gärte.
    Als dann jedoch die Schimpftiraden in körperliche Gewalt mündeten, stellte er jeder Partei zwei Liktoren zur Seite und zwar die kräftigsten, die er besaß. Sie sorgten bis zum Ende des Verhandlungstages dafür, dass ein Mindestabstand von fünf Doppelschritten zwischen den streitbaren Parteien lag.
    Wegen der teils unsachlichen Aussagen und aufgedeckten Widersprüchen, musste Menecrates am Ende doch noch einen weiteren Verhandlungstermin ansetzen, obwohl eingangs die Angelegenheit weder bizarr noch kompliziert erschien. Er nahm sich vor, in diesen zweiten Verhandlungstermin gut ausgeschlafen und mit Nervennahrung versorgt zu starten. Das Datum markierte er sich auf seinem Kalendarium mit einem dicken Kringel.

  • Menecrates ging voraus und zeigte Faustus den Weg zu seinem Amtsstuhl. Seitlich lagerten Aktenberge.
    "Hier liegen die ganzen Gerichtsakten, deswegen sind wir hierher gegangen. Ich trage sie nicht herum, daher immer hierher kommen, wenn es um Verhandlungen und ähnliches geht. Heute geht es ja um die bewussten Aktenzeichen." Er schob Faustus eine Aktensammlung entgegen.
    "Das ist der letzte korrekte Eintrag. Alle davor abgelegten Gerichtsakten sind ebenfalls korrekt. Ich muss dringend die Chronik vervollständigen. Siehst du, solche Aktenzeichen muss jeder Vorgang haben". Er tippte dabei auf die Ziffern- und Buchstabenfolgen. "Bei allen nachfolgenden Prozessen kann ich beim besten Willen nicht die kompletten Aktenzeichen finden. Genau genommen, seit mein Freund Vala", er sprach das Wort 'Freund' erkennbar ironisch aus, "hier das Heft führte. Da wäre zum Beispiel die Klage des Tiberius Lepidus. Oder hier die Feststellungsklage des Duccius Callistus. Nomalerweise muss das vollständige Aktenzeichen auf den Aktenrücken..."
    Menecrates musste insgeheim zugeben, dass er bei diesem Fall zumindest einen Datenfolge innerhalb der Akte gefunden hatte.
    "Ich gehe davon aus, dass sich die Aktenzeichen rekonstruieren lassen, indem man das Datum des Verhandlungstages einbaut. Mir fehlt dafür nur schlicht die Zeit und es wäre für mich auch ein guter Test, für welche Art von Tätigkeit du geeignet bist und was dir nicht so liegt. Scheitern ist durchaus erlaubt, also keine Sorge." Menecrates nickte aufmunternd. "Schau es dir erst mal an. Für Fragen stehe ich hier zur Verfügung."

  • Ich hatte die Tabula abgelegt wie gewünscht auf dem Schreibtisch des Praetors abgelegt und war ihm gefolgt. Ich war schon neugierig auf meine kommende Aufgabe, der 'Aktion Aktenzeichen' wie er es genannt hatte. Gerichtsakten waren es also. Ja klar was sonst schließlich arbeitete ich für den Praetor Urbanus. Ich nickte,
    ja sicher, ich schaue es mir an.
    Leise, ein wenig zweifelnd kam es über meine Lippen. Doch wie so oft schon in meinem Leben gab ich mir einen Ruck und hielt es mit dem Spruch, 'frisch gewagt ist halb gewonnen'.
    Jetzt um einiges sicherer wiederholte ich meine Aussage,
    ja sicher, ich schaue es mir an.

  • Es war schon ein bisschen her, dass Anax das letzte Mal zur Salutatio bei seinem Patron gewesen war. Ein Grubenunglück in Arretium: Viel Regen, eine eingestürzte Tongrube, 14 Arbeiter verschüttet, darunter der Vorarbeiter. Das bedeutete: Bergungsarbeiten, Reparaturarbeiten, Vertrösten von Kunden, Organisation eines Ersatz-Zulieferers für die eigene Töpferei, und natürlich zwei Dutzend Neueinstellungen. Dazu jetzt diese juristische Sache, in die er hier reingestolpert war. Zweimal am Tag meldete sich irgendwer und wollte von den neusten Entwicklungen wissen. Oder was sie als nächstes tun sollten. Oder wen man um Unterstützung bitten könnte. Oder oder. (Hätte er bloß nicht auf dem Forum geredet, dann wäre jetzt ein anderer der Kopf des Ganzen.)


    Aber jetzt war der Freigelassene hier. Nur einen Tag nach dem Prätorianer-Besuch. Er meldete sich zu den offiziellen Sprechzeiten an: "Quintus Claudianus Anaxander. Klient vom Prätor Claudius." Nicht weil er sich deswegen besonders wichtig fühlte. Aber weil er den Senator nicht überraschen wollte. Oder: Nicht mehr als er es bestimmt gleich sowieso schon tat. "Ich hab einen Brief vom Rechts-Prokurator aus der kaiserlichen Kanzlei bekommen. Und jetzt muss ich eine Klage beim Prätor einreichen." Soviel erstmal zum Anliegen. Den Rest beredete Anax am besten mit dem Senator selbst....

  • Zitat

    Original von Tiberius Helvetius Faustus
    ja sicher, ich schaue es mir an.


    Ich hatte es mir angeschaut, gelesen, verglichen, weiter geforscht, Notizen gemacht, wiederum gelesen, übertragen und verglichen.
    Nachdenklich schaute ich mein Werk an. Konnten diese von mir nach meiner wie ich fand, sorgfältigen Recherche dem gestrengen Auge, des Praetor Urbanus bestehen?
    Wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich mir aufmunternd selber auf die Schulter geklopft mit der Aufforderung, los Junge wird schon schief gehen. Außerdem waren Claudius Menecrates aufmunternde Worte nicht gewesen 'Scheitern ist durchaus erlaubt, also keine Sorge.'
    Ich hatte nicht nur wie gefordert das Datum des Verhandlungstages einbaut, nein ich hatte sogar versucht das äußere Erscheinungsbild der Akten, den anderen anzugleichen. Nur, das mir jetzt Zweifel aufkamen, dass ich damit meine Kompetenzen überschritten hatte. Egal zeige es ihm Forderte ich mich selber auf, nur der Versuch macht klug.
    Mich leise räuspernd näherte ich mich dem Schreibtisch.
    Ich habe hier etwas vorbereitet und hoffe es war richtig. Sollte ich zu weit gegangen sein, so rechne es bitte meiner Unwissenheit aber auch meiner großen Motivation an.

    Damit zeigte ich dem Praetor was ich ergänzt hatte.


    IUDICIA ANNI DCCCLXIV A.U.C.


    Hauptverhandlung IUD PRI I/ DCCCLXIV
    Feststellungsklage des Lucius Tiberius Lepidus hins. d. Erbsch. des Manius Tiberius Durus
    Iudex Prior: Titus Duccius Vala
    Iudices: Lucius Tiberius Lepidus
    Urteil: Die Beschlagnahmung war illegal
    Strafmaß: Die Kosten des Verfahrens trägt die Res Publica.
    ------------------------


    IUDICIA ANNI DCCCLXV A.U.C.


    Hauptverhandlung IUD PRI I/ DCCCLXV Feststellungsklage des C. Duccius Call. hinsichtlich des Betr. v. Bäck. d. Senato
    Anwendbarkeit von §4 Absatz 5 der Lex Mercatus auf Bäckereien.
    Iudex Prior: Spurius Purgitius Macer
    Iudices: Caius Duccius Callistus
    Urteil: (Prozess nicht abgeschlossen)
    Strafmaß:

  • Beim Räuspern hob Menecrates den Kopf. Es hatte sich bei der Aktensichtung an einem Punkt festgefahren, sodass er die Störung eher als erfrischende Ablenkung wahrnahm. Bereitwillig schob er die ungeliebten Akte fort und richtete den Blick auf die dargereichten Aufzeichnungen.


    "Puh", entfuhr es ihm. Er hatte mit einem Aktenzeichen gerechnet und bekam den kompletten Entwurf der Chronikeintragung. Menecrates blickte auf, warf einen kurzen Blick auf Faustus und vergrub sich in den Einzelheiten. Der erste Eindruck begeisterte ihn, als zweites musste er die Richtigkeit der Angaben überprüfen. Dazu erhob er sich, suchte die beiden Verhandlungsaufzeichnungen heraus und begann zu blättern.
    "Hm." Immer wieder wechselte sein Blick von den Aufzeichnungen zur Vorlage und zurück. "Das stimmt", resümierte er, bevor er weinig später feststellte: "Das geht gar nicht." Er tippte mit dem Finger auf eine Stelle der Aufzeichnung: "Da gibt es Handlungsbedarf." Zwischenzeitlich glaubte Menecrates, diese Amtzeit würde weniger anspruchsvoll und arbeitsreich als erwartet werden, doch mittlerweile sah die Lage anders aus. Er seufzte und nahm wieder Platz.


    "Tja, Faustus", begann er und schaute seinen Sekretär an. Sein verstecktes Stöhnen richtete sich nicht an Faustus, sondern bezog sich auf die zu erwartende Mehrarbeit, die sich mit der Angelegenheit Aktenzeichen unerwartet auftat. Er riss sich zusammen und führte die Gedanken in die Gegenwart zurück.
    "Bei den Göttern, das ist eine Glanzleistung!" Sein Lächeln wirkte sehr zufrieden.
    "Du bekommst von mir eine Prämie gezahlt, sagen wir 100 Sesterzen für gute Leistungen und als Ansporn für die Zukunft. Also es gibt nicht fortlaufend Prämien", räumte er ein und war sich sicher, dass Faustus das auch nicht erwartete. Mit einem Wink schickte er einen Diener, das Geld aus seinem privaten Arbeitsraum zu besorgen.


    "Folgendes: Ich gestatte dir, die Eintragung in die Chronik selbst vorzunehmen. Normalerweise ist das nur den Praetoren gestattet, aber es widerstrebt mir, mich mit fremden Federn zu schmücken und vielleicht hilft dir das eines Tages, die Karriereleiter hochzuklettern, weil du nachweisen kannst, welch gute Leistungen du erbringst.
    Versuche, dich in Schriftbild, Markierungen und Hervorhebungen an die Vorgänger anzupassen. Ansonsten... du hast dir heute einen freien Nachmittag verdient."


    Menecrates nahm den Geldbeutel entgegen und reichte ihn an Faustus weiter. "Gönn dir was."

  • Überraschung machte sich auf Menecrates' Gesicht breit, als sich doch tatsächlich einer seiner persönlichen Sekretäre sehen ließ, der in der Vergangenheit eher der Arbeit fernblieb als ihr nachzugehen. Da Menecrates zunächst immer positiv dachte, erhoffte er sich einen reumütigen Mann mit guten Erklärungen für sein Fernbleiben zu sehen.


    "Kann reingeschickt werden", gab er dem Gerichtsdiener die Anweisung, Anaxander vorzulassen.

  • Als er vorgelassen wurde, trat er vor seinen Patron. "Ich grüße dich, Patron." Anax senkte seinen Kopf ehrerbietend. "Und ich muss mich entschuldigen dafür, dass ich mich so rar gemacht habe. Erst die Eröffnung meiner Töpferei hier in Rom. Dann ein Grubenunglück in meiner Tongrube in Arretium, wo leider auch der Aufseher, neben 13 anderen Arbeitern, verschüttet wurde." Jede Menge zu tun. (Und der Freigelassene hatte ja auch noch zwei andere Betriebe: eine Jägerei in Ägypten und eine Farbmischerei in Mantua!)


    Anaxander holte tief Luft. "Drum tut es mir Leid, dass ich dich auch bitten muss, mich als deinen Privatsekretär zu entlassen. Du hast jemand verdient, der auch genug Zeit für diese große Aufgabe hat und nicht in seinen eigenen Geschäften gefangen ist." Ein vorsichtiges Lächeln. "Glücklich gefangen." Woran ja auch sein Patron einen Anteil hatte. Denn ohne den Claudier wäre Anax nie bei der Sergia gewesen. Und ohne die hätte er nie das Kapital für seine Betriebe zusammenbekommen. Mit den Tilgungsraten des Kredits und der Miete für seine Wohnung und den Unterhaltskosten für seine Betriebe war der Freigelassene zwar immernoch klammarm. Aber er hatte eine Beschäftigung, ein Einkommen, ein Ziel.


    "Außerdem will ich dir natürlich auch noch zu deiner erfolgreichen Wahl gratulieren!" Das hatte er ja auch noch nicht gemacht. Und das war ein absolutes Must-Do. Darum packte er das auch gleich noch mit in die Begrüßung. Damit *er* seinen Patron darauf ansprechen konnte; nicht sein Patron *ihn* erst darauf ansprechen musste. "Ich habe dir auch ein Geschenk besorgt." Quasi halb zur Wahl, halb zum Abschied als Sekretär. "Du wolltest mal, dass ich dir einen Nachschub an Papyrus organisiere. Und ich habe es leider nicht geschafft." Verdammt schwer, daran zu kommen. Immernoch. Auch heute. "Jetzt bin ich mit etwas Glück an 15 Ladungen gekommen. Die ich dir alle schenken will." Anax hatte sie jetzt natürlich nicht hier mit dabei. Aber die brachte er dann natürlich später in der Villa Claudia vorbei.*


    Sim-Off:

    *WiSim.


    Ja, und das war dann erstmal die lange Begrüßung. Anaxander biss sich auf die Unterlippe. "Aber dein Gerichtsdiener hats dir bestimmt schon gesagt. Ich komme nicht nur deswegen hier an deinem Amtssitz vorbei...." Sondern auch, weil er mit einem Prätor sprechen musste.

  • Menecrates erhob sich aus seinem Amtsstuhl, als Anaxander eintrat. Dies sollte nicht als höfliche Geste gelten, sondern klarmachen, dass er zunächst als Patron und nicht als Praetor auftrat. Er kam wenige Schritte entgegen - nah genug, um sich von seinem Stuhl zu entfernen, weit genug, um die Höflichkeitsregeln nicht auszuhebeln. Ein Klient kam zu seinem Patron und nicht umgekehrt.


    "Salve Anaxander", grüßte Menecrates zurück, dann folgte er den ausführlichen Erklärungen. Eine erste Erwiderung auf diese Worte fand sich schnell. „Es muss dir nicht leid tun, mich um deine Entlassung zu bitten. Wie du dir sicherlich vorstellen kannst, nützt mir ein abwesender Sekretär nichts, zumal ich ein Amt mit sehr viel Schreibarbeit bekleide. Danke für die Gratulation übrigens. Die Entlassung meinerseits ist nur deswegen nicht erfolgt, weil hier viel Arbeit anliegt und ich gleichzeitig einen neuen und zuverlässigen Sekretär suchen musste. Den habe ich nun gefunden, den Göttern sei Dank!“ Menecrates hegte keinen Groll gegen Anaxander. Geärgert hatte er sich nur am Anfang, als er noch Gehalt zahlte.


    Das Geschenk allerdings berührte Menecrates eher unangenehm. Er fühlte sich wie eine umworbene Frau, deren Mann ein schlechtes Gewissen kaschieren wollte. Er selbst kannte diese Praktiken und wendete sie auch hin und wieder in früherer Ehe an.
    Er hob abwehrend beide Hände und sagte: "Das geht zu weit. Sehr freundlich die Geste, aber zum einen sehe ich hoffentlich nicht so aus, als wäre ich auf Geschenke angewiesen, und zum anderen gibt es seit längerem einen zuverlässigen Händler für Papyrus. Wenn ich was brauche, ordere ich ohne Probleme dort. Aktuell befinden sich wenigstens 13 Ladungen in meinem Lager." Er hoffte, die für ihn unangenehme Klippe umschifft zu haben, und schwenkte sogleich auf das angeschnittene neue Thema.


    "Ja, ich hörte von einer Klage. Worum geht es denn?" Während er sprach, ging er zurück zu seinem Amtsstuhl und nahm Platz.

  • Waren die unsterblichen Götter auf die Geschenke der Menschen angewiesen? Oder der mächtige Kaiser auf die von seinen Untertanen? ...? Und trotzdem nahmen die Götter Opfer an und der Kaiser Statuen oder Gold, das irgendwelche Städte und Gemeinden ihm darreichten. Aber: Wenn sein Patron Anaxanders Geschenk ablehnte, dann lehnte er es ab. Dann erhöhte Anax nicht auch noch die Peinlichkeit (für sich selbst), indem er versuchte auf das Schenken zu bestehen.


    Stattdessen: Themenwechsel. "Es geht darum." Wie anfangen? "Kurz nach den Wahlen war ich auf dem Forum und habe den Orator Publicus reden gehört. Dabei habe ich Petronilla, ihren Mann Gaius und seine beiden Freunde Lucius und Aulus kennengelernt. Irgendwie ging es um die Lex Mercatus, wo ich mich als ehemaliger Anwaltsgehilfe ja ein bisschen auskenne und weitergeholfen hab." Eigentlich ganz harmlos. "Einige Wochen später war ich wieder mal auf dem Forum. Wieder bei einer Rede vom Orator Publicus. Der erzählte gerade von der rauschenden Verlobung des Ädils Flavius Scato. Sogar die Kaiserin war da zu Gast gewesen." Wenn man dem Orator da einfach mal glaubte.


    Ja.. "Und da musste ich danach dann selbst auf die Rednerstelle gehen und ein paar Worte sagen. Weil: Zwei-drei Tage vorher hab ich nämlich Gaius wieder getroffen. Und der hat mir erzählt, dass er den Senator Flavius Scato am letzten Tag im Mai bei den Ädilen angezeigt hat. Denn seit dem 16. Mai hat der Flavius seinen Wahlsieg auch mit Spenden an das Volk gefeiert. Die sind ja von der Lex Mercatus auf 2 Wochen beschränkt, damit kein neuer Iulius Cäsar auf die Idee kommt, mit den Volksmassen in seinem Rücken die Macht an sich zu reißen." Dauerhafte Spenden kamen deswegen ja nur vom Kaiser: in Form von kostenlosem Brot, das die Cura Annonae auf Lebensmittelmarken an die Bedürftigen verteilte.


    "Was genau dann im Stab der Ädilen passiert ist, weiß ich nicht. Nur soviel: An dem Tag, an dem die Anzeige einging, wurde der Flavius plötzlich auch zum Ädil vereidigt.. obwohl angekündigt die Vereidigung eigentlich ja erst für sehr viel später war." Falls sich Anaxanders Patron da also gefragt hatte, warum er selbst auch so früh vereidigt worden war: Anax fand das einen sehr interessanten "Zufall". "Und dann konnte natürlich keiner mehr gegen das Vergehen vom Flavius vorgehen, weil er als amtierender Magistrat des Cursus Honorum ja Amtsimmunität besitzt." Der Freigelassene seufzte. "Und weil der Orator darüber aber kein Sterbenswörtchen verloren hat. Über nix davon. Und weil er stattdessen nur von der Verlobung geschwärmt hat. Das tolle Fest, auf dem sogar die Kaiserin war. Deswegen bin ich dann irgendwie auf dem Rednerplatz gelandet und habe meine Meinung dazu offen und für jeden da hörbar kundgetan."


    Er atmete durch. Aber die lange Vorgeschichte war nun mal nötig, damit der Claudius auch das ganze Bild sah und nicht nur einzelne Bruchstücke davon. "Naja. Und dann verging die Zeit. Der Flavius war als Ädil rechtlich nicht angreifbar. Gespendet hat er seinen Amphoren-Wein, sein Obst und seine Oliven aber trotzdem immer weiter und weiter. Ununterbrochen seit dem 16. Mai, dem Tag nach der Wahl." Ob der patrizische Senator dieses Gefühl von Machtlosigkeit nachvollziehen konnte? "Wegen meiner Rede auf dem Forum und meiner Vergangenheit als Anwaltsgehilfe war ich dann auf einmal sowas wie der Kopf eines wachsenden Protests. Und als dann 1/3 der Amtszeit, ein ganzes Drittel der Amtszeit, rum war, da habe ich dann als dieser Kopf einen Brief an den Kaiser geschrieben. Und ich habe an ihn appelliert, dass dieses Unrecht, das sein Magistrat da verübt, so nicht weitergehen kann. Die Nahrungs- und Weinspenden, die seit dem Tag nach der Wahl vor der Villa Flavia unter dem Slogan "Spenden fürs Volk! Vom Aedil Caius Flavius Scato!" an das Volk verteilt wurden, verstoßen gegen geltendes Recht. Verstoßen gegen die Lex Mercatus."


    Und schlimmer noch: "Mehr noch, hat der Flavius als Ädil ja die gesetzliche Pflicht, die Einhaltung der Marktordnung zu kontrollieren. Aber anstatt das so zu tun wie seine Vorgänger und die Lex Mercatus nicht nur auf andere sondern auch auf sich selbst anzuwenden, hat er offensichtlich für sich selbst ganz eigene Regeln aufgestellt." Um nicht zu sagen: Gar keine. "Er hat also die Lex Mercatus zu seinem eigenen Vorteil gebeugt, was nach Codex Iuridiciales §112 Rechtsbeugung verboten ist." Was einen "kleinen Gesetzesverstoß" jetzt zu einer fetten Strafsache machte. "Kurz gesagt habe ich den Kaiser angesucht, auch nach diesem §112 zu verfahren: Den Ädil zu entheben, ihn damit von seiner Immunität zu befreien und dann den Senat in einem Iudicium Extraordinarium ein Urteil über den Flavius fällen zu lassen."


    Anaxander holte den Brief vom Rechts-Prokurator der Kanzlei vor und zeigte ihn seinem Patron, dem Prätor. "Das bekam ich dann gestern als Antwort." Zusammengefasst: "Der Ädil bleibt erstmal im Amt. Seine Immunität ist aber aufgehoben. Ich soll beim Stadt-Prätor Klage gegen den Ädil einreichen." Stand so nicht da. Wenn wenn Anax erst das Unrecht anklagte und dann im entscheidenen Moment kniff.... nein, soeiner wollte er nicht sein. "Und das will ich jetzt also tun. Ich möchte den Bürger Caius Flavius Scato anklagen, weil ich der Meinung bin, dass er als Ädil die Lex Mercatus, und also gültiges Recht, zu seinem eigenen Vorteil gebeugt hat."

  • Die Ausführungen begannen mit einer sehr langen Einleitung. Das stellte sich zumindest im Nachhinein heraus, denn anfänglich erwartete der Praetor in jedem neuen Satz die zielführende Information zum Inhalt der Klage. Es ging um verschiedene Freunde, Reden auf dem Forum und sogar die Verlobungsfeier seiner Enkelin, was Menecrates doch sehr erstaunte. Danach kam jedoch ein Hinweis von brisantem Inhalt: Ein Gaius hatte Flavius Scato angezeigt und zwar prompt nach Ablauf der allgemein üblichen Frist für das Anbieten von Spenden an das Volk. Am liebsten hätte Menecrates vor Überraschung die Brauen gehoben, aber persönliche Emotionen gehörten nicht in den Amtsstuhl. Er erlaubte sich aber, sich im Oberkörper etwas vorzubeugen, was sein Interesse ausdrückte.


    Allerdings folgten wieder Informationen, denen Menecrates keine große Beachtung schenkte. Eine im Termin verschobene Vereidigung, Schwärmereien von der Verlobungsfeier und dass Anaxander selbst auf das Rednerpult stieg. Menecrates mutmaßte, dass er Scato verteidigte, weil er der zukünftige Schwiegerenkel seines Patrons war. Noch immer erkannte der Praetor nicht, wer, weswegen und mit welcher Intension angeklagt werden sollte.
    Geduldig hörte er weiter zu. Es ging wieder um Spenden, um Anaxander als Kopf eines Protestes und schließlich … um einen Brief an den Kaiser. Jetzt musste die Auflösung kommen und sie kam - anders als erwartet. Sein Klient initiierte die Beschädigung des Ansehens eines zukünftigen Familienmitglieds Menecrates'. Der Praetor lehnte sich zurück - bestrebt, den Abstand zu seinem Klienten räumlich zu vergrößern. Mechanisch nahm er Den Brief vom Prokurator entgegen, las ihn aber nicht, weil sein Blick auf Anaxander ruhte.


    Als Anaxander schwieg, erhob sich Menecrates. Er verließ seinen Amtsstuhl und blieb vor Anaxander stehen.
    "Zunächst spreche ich zu dir als dein Patron", begann er. "Du hast gerade anschaulich geschildert, was dich davon abgehalten hat, deinen Aufgaben als mein Privatsekretär nachzukommen. Die Diskreditierung angesehener Bürger steht bei dir mehr im Focus als die eigene Pflichterfüllung. Das ist Punkt eins.
    Punkt zwei äußere ich in Form einer Frage: Weißt du, mit wem Flavius Scato die Verlobung eingegangen ist?"

  • Die Diskreditierung angesehener Bürger. Mehr im Focus als die eigene Pflichterfüllung. "Wenn ich dazu zwei Sätze sagen darf, Patron: Ich habe mich entschuldigt dafür, dass ich mich so rar gemacht habe - und daraus dann vor allem auch selbstkritisch die einzige mögliche Konsequenz gezogen." Dass er nicht länger als Privatsekretär für seinen Patron arbeiten konnte. Hatte sich der Flavius entschuldigt und die Konsequenz gezogen, sein Amt niederzulegen? "Und auch wenn ich nicht mit dir streiten will, Patron, habe ich mich mit allen meinen Schwächen auch nicht verdächtig gemacht, gegen ein Gesetz verstoßen zu haben." Schlimmer noch: "Gegen ein Strafgesetz." Ganz anders als der Flavier, dessen Immunität der Kaiser gerade aufgehoben hatte. Weil es da eben sehr wohl einen Verdacht gab. Der auch (mit dem Gesetz gesprochen) "hinreichend begründet" war.


    Bei der Frage runzelte Anax die Stirn. Was hatte die Verlobte vom Flavius mit dem Fall zu tun? "Eine Clodia, glaub ich. Clodia Satria oder so." Anaxander war nicht der größte Freund der Flavier. Darum hatte er sich nie dafür interessiert oder damit beschäftigt, wie die mit wem verbunden waren. Nur von drei flavischen Ehen wusste er: Flavius Gracchus und Claudia Antonia. Beendet durch ihren Tod. Flavius Furianus und Claudia Catilina. Beendet (wieder) durch ihren Tod. (Absicht, dass er seinem Patron nie vorgeschlagen hatte, Flavius Furianus zu kondolieren. Inzwischen war auch der Witwer gestorben.) Und Flavius Gracchus und Aurelia Prisca. Die Ehe war noch nicht beendet. Denn hier lebte die Frau noch.

  • Es blieb zunächst still, als Anaxander geendet hatte. Menecrates überlegte, ob er auf die Äußerung seines ehemaligen Sekretärs zu seinem ersten Punkt etwas erwidern wollte. Letztlich entschied er sich dafür, weil es trotz des gekündigten Anstellungsverhältnis noch immer eine Beziehung zwischen ihnen gab und zwar die des Klienten zu seinem Patron.


    "Anaxander, es kann zwischen uns nur eine Grundlage geben und die wäre die absolute Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und natürlich Loyalität. Mit meiner Bemerkung wollte ich dir vor Augen führen, für den Fall, dass du es selbst nicht erkennst, dass auf mich deine Aktivitäten auf dem Forum in Zusammenhang mit der fehlenden Zeit für deine Anstellung bei mir stehen. Für das eine hattest du offensichtlich genug Zeit, für das andere nicht. Hinzu kommt, dass ich mich nicht erinnern kann, bei deiner Aufzählung der Gründe, WARUM du keine Zeit für deine Pflichterfüllung hattest, diese Forumbesuche gehört zu haben. Ich schätze es nicht, wenn ich mit Halbwahrheiten abgespeist werde. Ich weiß, du bist ein findiger Kopf, aber vergiss nicht, ich bin das auch."
    Groll klang nicht in Menecrates' Stimme. Sie hatten sich ausgetauscht und waren beiderseits zu der Ansicht gelangt, das Anstellungsverhältnis zu beenden. Damit war dieser Punkt geklärt.


    "Nun zur Verlobung. Ich habe einen triftigen Grund nach deinem Wissenstand zu fragen und bin einigermaßen erleichtert, dich unwissend vor mir stehen zu sehen." Wäre dies nicht der Fall gewesen, müsste Menecrates auch das Klientelverhältnis in Frage stellen.
    "Flavius Scato hat sich mit meiner Enkeltochter Sassia verlobt." Und nur für den Fall, dass diese Nachricht nicht für einen Erkenntnisprozess bei Anaxander sorgen würde, fügte er an: "Es ist für mich als dein Patron inakzeptabel, dass du Klage gegen den zukünftigen Gatten eines meiner Familienmitglieder erhebst. Ich gehe davon aus, das leuchtet dir ein."

  • Anax konnte sich gerade noch zurückhalten, eine Augenbraue zu heben. Er war verdutzt. Musste man jetzt schon extra Zeit haben, um sich mal 10 M..omente lang auf dem Forum die Beine zu vertreten und dabei die neusten Nachrichten vom Orator zu hören? Und hätte er auch nichts essen oder einkaufen gehen dürfen, solange nicht alle anderen Arbeiten komplett erledigt waren? Anaxander dachte eigentlich, dass er seit dem frühen Tod vom guten Felix ein Freigelassener und kein Sklave mehr war.


    Er sagte also einfach erstmal nichts weiter dazu. Lieber hörte er weiter zu.. und war.. WOW. Nachdem die Flavier schon mindestens zwei Claudierinnen "verbraucht" hatten, ließ sein Patron jetzt ausgerechnet den Flavius Scato auch noch die nächste nehmen? "Das heißt, du erwartest jetzt von mir, dass ich diese Straftat" Hier gings ja um den Codex Iuridicialis. Das waren Strafsachen! "ignoriere?" Und schlimmer noch: "Und du als Stadt-Prätor willst genauso die Straftat einfach unter dem Teppich kehren?" Und sich damit ja fast schon selbst strafbar machen. (Auch wenn ein Klient ja nicht so einfach mal gegen seinen Patron klagen konnte. Denn: Klagen eines Freigelassenen gegen seinen Patron oder agnatische Verwandte seines Patrons waren grundsätzlich juristisch unzulässig. Nicht dass Anax je mit so einem abwegigen Gedanken gespielt hätte.)


    Aber der Flavius war ja kein Agnat. Und wenn Anaxanders Patron nach diesen neuen Erkenntnissen die Verlobung seiner Enkeltochter mit dem Flavier wieder löste, dann gabs nicht mal einen Schaden für die Claudier. "Ich selbst kann jetzt natürlich auch *nicht* klagen." Wenn der Prätor seine persönlichen Beziehungen vor die neutrale Aufklärung dieser Strafsache stellen wollte. "Aber ich habe ja gesagt, dass ich nur wegen meiner spontanen Rede auf dem Forum irgendwie zum Kopf des Protests gegen dieses Unrecht geworden bin." Er verzog die Schnute. "Wenn ich nicht klage, dann wirds einen neuen Kopf geben. Und dann wird der klagen." (Ganz neutral gesprochen. Nicht als Drohung.) Die Immunität vom Flavius war ja aufgehoben. Diese Hürde war also genommen. Was sollte die anderen da jetzt also zurückhalten? Ein Freigelassener, dessen patrizischer Patron ihn bat, die Sache fallenzulassen? Ein Freigelassener, dessen Patron damit genau das machen würde, wogegen sich diese Klage hier richtete?


    Die Leute kämpften *für* die Stärke des Rechts. Sie kämpften *gegen* das Recht des Stärkeren. Sie kämpften aus Überzeugung. Die waren nicht so leicht mal eben umzustimmen....

  • Hatte Menecrates tatsächlich ein Bedauern oder gar Erschrecken bei Anaxander erwartet, so sah er sich getäuscht. Vielmehr spiegelte sich sogar Ungläubigkeit auf dem Gesicht seines Klienten wieder, als der nachfragte, ob er die von ihm angezeigte Tat nunmehr ignorieren solle. Ganz offensichtlich lebten sie in verschiedenen Welten. In Menecrates' Welt kam ein Sklave auch nach seiner Freilassung gewissen Verpflichtungen nach. Das Mindeste jedoch war unbedingte Loyalität zu seinem Patron und dessen Familie. Es galt als Unding, der verpflichteten Familie zu schaden.


    Unmut machte sich in Menecrates breit, der beim nächsten Satz seines Klienten sogar zu Empörung auswuchs. In unverschämter Manier unterstellte Anaxander, dass der Praetor die Angelegenheit unter den Teppich kehren würde. Der Vorwurf innerhalb dieser Spekulation war nicht zu überhören, abgesehen davon, dass sein Klient offenbar nicht begriff, dass er sich im Augenblick mit seinem Patron und nicht dem Praetor unterhielt.
    "Du vergreifst dich im Ton, Freigelassener!" Kälte und Schärfe strahlten nicht nur die Worte, sondern auch die Mimik des alten Claudiers aus. Nicht minder scharf sprach er weiter: "Ich stehe hier", und er wies auf den Boden zu seinen Füßen, "einzig in der Position als dein Patron. Als Praetor entscheide ich dort!" Sein Arm wies zum Amtsstuhl, während seine Augen weiterhin auf Anaxander gerichtet blieben.


    "Du", sein Zeigefinger wies auf Anaxanders Brust, ohne sie zu berühren, "trägst meinen Namen." Jeder Idiot in Rom konnte erkennen, dass Anaxander zum claudischen Haushalt gehörte. "Denke nicht einmal daran, mir oder meiner Familie zu schaden. Du würdest mich ansonsten dazu zwingen, deine Freilassung in einem rechtsförmlichen Verfahren rückgängig zu machen. Das bedeutet im Klartext, ich würde dich erneut versklaven.“ Wenn Menecrates auf etwas absolut allergisch reagierte, dann war es ein Angriff auf seine Familie und als solchen wertete er Anaxanders Bestreben.


    "Ich erwarte, dass du dich nie wieder als Kopf dieses Protestes - wie du ihn nennst - zeigst. Rechne damit, dass ich dich ab sofort beobachten lasse. Der kleinste Verdacht, dass du gegen meine Familie intrigierst, wird mir reichen, dir wieder den Stand eines Servus zu verschaffen."


    Menecrates wandte sich ab, ging zu seinem Amtsstuhl und nahm Platz.
    "Sollte dieser Protest nicht nur in deinem Kopf stattfinden, dann wird sich ein Kläger finden, der mir nicht - wie du - verpflichtet ist. Dort ist die Tür."



    Er winkte seinen Sekretär Faustus heran. "Leg eine Akte an: Flavius Scato, Verstoß gegen die Lex Mercatus §5 Abs. 3.
    Dieses Dokument muss dort abgelegt werden."

    Menecrates reichte Faustus die Papyrus-Rolle.


    DUILIUS Procurator a cognitionibus CLAUDIANO s.d.


    Auf deine Appellation an den Imperator Caesar Augustus lässt dieser dir mitteilen, dass er zur Prüfung deiner Anzeige gegen den Aedilis Curulis Caius Flavius Scato entschieden hat, dessen Immunität in dieser Angelegenheit aufzuheben.


    Dir steht es somit frei, Caius Flavius Scato vor dem Praetor Urbanus anzuklagen und deine Vorwürfe gerichtlich prüfen zu lassen. Sollte sich deine Anschuldigung als zutreffend erweisen, soll der Praetor Urbanus den Angeklagten dem Gesetze folgend bestrafen. Als Censor wird sich der Imperator Caesar Augustus in diesem Falle zusätzliche Sanktionen vorbehalten.


    Per procura Imperatoris Caesaris Augusti


    Servius Duilius Quirinalis


    "Anschließend brauche ich dich für einen Brief."

  • Ein flavischer Bote brachte eine versiegelte Schriftrolle in die Sella Curulis. Brach man das Siegel konnte man folgendes lesen:



    Ad Herius Claudius Menecrates
    Sella Curulus Praetor Urbanus
    Roma


    Sei gegrüßt Claudius,
    hiermit klage ich den Miles Cohortes Urbanae Nero Peticus von den Germanicern an. Er hat meinen Mandanten Tiberius Aquilianus Privatus sowie Numerius Apustius Carbonius, als deren Advocatus ich diene, großes Unrecht zugefügt. Ich erhebe gegen ihn Vorwürfe im Sinne des Codex Iuridicialis §76, Körperverletzung, §85 Sachbeschädigung, §84 Üble Nachrede, §83 Beleidigung, §81 Nötigung und Bedrohung und §114 Amtsanmaßung.
    Für eine genaue Auflistung und Details zu den Straftaten erbitte ich dich um ein Gespräch oder um eine juristische Erstanhörung.


    Mögen dich die Götter stets beschützen.


    [Blockierte Grafik: http://www.niome.de/netstuff/IR/SiegelCaduceus150.png] Caius Flavius Scato

  • Natürlich war Scato an diesem Tag auch selbst in der Basilica Ulpia unterwegs, sodass ein Besuch bei Menecrates schnell eingerichtet war. Der Flavier fühlte sich langsam ein wenig schlecht damit, dass die Hochzeit noch immer nicht auf den Weg gebracht war, aber sein Amt und seine geplanten Marktreformen fraßen momentan einiges an Zeit und er hoffte, dass der Claudier ihm deswegen jetzt gerade keinen Druck machen wollte.
    Sollte dem so sein, hätte er seine Sklavenschaft natürlich schon auf einige Vorbereitungsmissionen geschickt, aber es gab noch viele Details zu klären.
    Nichtahnend worum es eigentlich geht betrat Scato also den Raum des Praetors und grüßte diesen herzlich...
    "Menecrates, immer eine Freude dich zu sehen! Ich hoffe doch, dass es dir gut geht? Du hast nach mir schicken lassen?" fragte Scato ruhig und ging ein paar Schritte auf den Mann zu.

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